Torsten

5,00 Stern(e) 1 Stimme

trivial

Mitglied
Invasion:
Außen drängt ins Innen,
ein Missklang als
internalisierte Gewalt.
Ich gegen mich.

Moloch

Entrückt:
Innen wurde außen,
Liebe und Freundschaft –
alles Überstrahlendes
Äußeres in Erinnerung.

Nun unerreichbar als
Verlorenes verinnerlicht.

Dazwischen: wurde ich.


Das Potential deiner Freundschaft
für eine Unmöglichkeit
eingetauscht.

Wie ich mir verzieh,
als stille Revolution –
lass ich dich nun gehen.

Nur noch einmal
sagen – wie
bedeutend du warst.

Könnte ich –
sehen,
bist du der,
der aus ihm
geworden ist?

Könnte ich –
Verlorenes
durch Gewolltes
ersetzen?

Nur noch einmal:
Danke sagen.​
 
Zuletzt bearbeitet:

trivial

Mitglied
Ich habe den Text nochmal überarbeitet.

Diese Text und "Danke" mögen in ihrer Form nicht besonders ästhetisch und im Inhalt nicht klassisch lyrisch sein, aber sie sind die wichtigsten für mich.
Ich habe fünfzehn Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass die äußere Gewalt und Unsicherheit, die ich erfahren hatte, sich in mir als ein Teil meiner selbst verfestigt und als Zwangsgedanken ausgebildet hatten. Ich suchte die Schuld in mir.
Es dauerte weitere zehn Jahre, bis ich langsam verstand, dass die Wärme und Freundschaft, die ich in dieser Zeit erfahren hatte, von mir externalisiert wurde – zu einem unerreichbaren Ideal, das ich glaubte nicht zu verdienen, und das ich dadurch überhöht und glorifiziert habe.
 

Aniella

Mitglied
Hallo Rufus,

schon den ersten Text habe ich mehrmals gelesen. Er hörte sich sehr nach Abschied an.
Nach Deinen Ausführungen und der Überarbeitung kann ich ein wenig tiefer einsteigen, aber die Entwicklung ganz zu erfassen, vermag ich immer noch nicht. Immer wenn ich zugreifen will, steigt es wie Nebel auf und ich schaue hinterher, versuche noch mehr zu erkennen, was sich verflüchtigt.
Das "Danke sagen" steht dort wie ein Anker und hält alles fest.
Das Wechselspiel Innen/Außen zieht sich durch das ganze Gedicht, ein lange währender Kampf.
Lieblingsstellen:
Nun unerreichbar als
Verlorenes verinnerlicht.

Dazwischen: wurde ich.
und das Ende:

Nur noch einmal:
Danke sagen.
Ich werde es sicher noch einige Male lesen und Dich virtuell begleiten auf dem Weg zu Dir selbst - und das sehr gerne.

LG Aniella
 

trivial

Mitglied
Liebe Aniella, vielen Dank für die Begleitung und die netten Worte. Es ist aktuell und biographisch. Wie wollte man ein Werden anders greifen als im Vollzug – genauso wie du schreibst:

Immer wenn ich zugreifen will, steigt es wie Nebel auf und ich schaue hinterher, versuche noch mehr zu erkennen, was sich verflüchtigt.
Vielen Dank und liebe Grüße
Rufus
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Rufus,

Du hast diese Zeilen als sehr persönlich, ja fast schon intim offenbart. Da fällt mir eigentlich 'Textarbeit' schwer.

Aber mir ging es so: Ich bin schon über den Missklang von 'internalisierte Gewalt' gestolpert, vor allem, weil dieser Text als Gedicht daherkommt.
Auch für diese hochkomplexen psychischen Prozesse muss man eine Sprache finden, die dann Inhalt und Form ausbalanciert. An dieser Stelle blockiert der fachliche Ausdruck die emotionale Umsetzung. Konkret: Warum nicht 'verinnerlichte' Gewalt?
Ich verstehe den Weg von einer verwirrenden Vielfalt von Gefühlen zu einer mit sachlicher Sprache (und rationalen Denkprozessen) durchgeführten Metamorphose, ja, fast Selbstheilung. Aber wenn dann lyrisch das Erkannte oder Erlebte neu emotional verdichtet wird (oder werden soll), dann muss die Sprache (oder in dem Fall die Worte) wieder an den Ursprung der Gefühle zurück. Es kommt mir vor, als sei das 'internalisiert' ein Stück Eierschale im Rührei.

Ansonsten mag ich diesen Text!

Liebe Grüße
Petra
 

trivial

Mitglied
Liebe Petra,

wahrscheinlich hast du vollkommen recht, dass es so runder klänge. Aber ich glaube, ich brauche den Abstand und die „Größe“, die dieser verkomplizierte, technische Ausdruck mit sich bringt und zum „Moloch“ schafft. Er war nicht etwas Verinnerlichtes – er war alles. Die Gewalt und Unsicherheit von außen wurden zu mir.

Es war die vollständige Übernahme einer äußeren Bedrohung in mein psychisches Innenleben.

Ich lebte im ständigen Gefühl der Gefahr, mit einzelnen Picks an Gewalt, und plötzlich hatte ich furchtbare Zwangsgedanken – direkt nach dem Aufwachen bis zum Einschlafen. Merkwürdigerweise waren nur meine Träume verschont. Ich dachte, ich würde verrückt werden.

Aus dem totalen Kontrollverlust, dem „Da draußen stimmt doch etwas nicht“, wurde:

„Mit mir stimmt etwas nicht.“

„Ich könnte krank sein.“

„Ich könnte etwas Schlimmes tun.“

„Ich habe etwas nicht unter Kontrolle.“

Mittlerweile hoffe ich wieder „mehr“ zu sein, aber wie du vermutest, ist es nicht fast schon intim. Es war eine Zeit lang das Intimste; es war alles von mir, und ich konnte mich lange niemandem anvertrauen, da ich da nichts anderes mehr von mir sehen konnte.

Bitte verzeih, wenn dies etwas distanzlos erscheint und einem „lyrischen“ Text jegliche Abstraktions- und Interpretationsebene raubt. Es hatte einen akuten Anlass, und auch wenn es eventuell nicht so klingen mag, dies und der andere Text waren die ersten, die hinauf und nicht weiter hinunter wollten.

Insofern ist das "internalisiert" für mich wohl meine Schale. Ohne sie wäre es zu nah.

Danke für deine Worte und das Lesen.

Liebe Grüße
Rufus
 

Aniella

Mitglied
Lieber Rufus,

nach Deinen Einlassungen hier, möchte ich doch noch einen Rat dalassen. Bitte verschließe Dich nicht in Dir selbst, wenn Du so etwas erlebst, denn gerade dann erscheint es mir enorm wichtig, dass Du mit jemandem Deines Vertrauens redest.
Keine Ahnung, wie lange Du Dich damit schon gequält hast, aber das ist etwas, was raus muss, um es wieder in ein richtiges Verhältnis zu setzen.
Wenn Du einfach was loswerden musst, kannst Du mir auch gern eine PN schreiben, oder vertraue Dich jemandem an, der Dir näher steht, versuche es wenigstens. Ich mache mir jetzt tatsächlich Sorgen um Dich. Der November ist eine typische Zeit für solche Gedanken.

Liebe Grüße
Aniella
 

trivial

Mitglied
Liebe Aniella,

das ist wirklich nett von dir.
Es ist mittlerweile über 25 Jahre her, es dauerte fast 15, bis ich es überhaupt differenzieren und darüber reden konnte.
Weiter 10 bis mir bewusst wurde, dass die externalisierte Wärme und Freundschaft quasi die andere Seite des Traumas, der internalisierten Hilflosigkeit ist. Dass das überstrahlende Schöne lebensnotwendig war, aber zur Heilung losgelassen werden muss.

Insofern denke ich, dass alles seinen Weg geht. Aber deine Fürsorge rührt mich sehr und dafür danke ich dir.

Liebe Grüße
Rufus
 

Aniella

Mitglied
Lieber Rufus,

sehr gerne. Ich finde, (auch) in einem Kreis wie diesen, darf man auch gern mal auf die Zwischentöne hören. Daran fehlt es ja manchmal.

LG Aniella
 



 
Oben Unten