Totgeschrieben - 4. Misserfolg

xavia

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4. Misserfolg

Tonis Nachforschungen verlaufen im Sand

Nach diesem Anruf fehlten Toni die Worte und das wollte bei ihr schon etwas heißen: So ein Wechselbad der Gefühle! Eben noch hätte sie mit Rudolf auf der Straße tanzen können, weil gleich der erste Anruf einen Erfolg versprach, dann das quälende Warten vor der letzten Gewissheit, ihn gefunden zu haben und dann das! Diese Frau wusste doch bestimmt mehr, als sie zugab! Möglicherweise hatte sie hinterhältig verschwiegen, dass es sich bei ihrem Chef um den Gesuchten handelte. Oder sie kannte ihn und wollte das nicht zugeben. Sie hakte die Nummer vorsichtshalber nicht ab sondern markierte sie für weitere Nachforschungen.
[ 5] Rudolf hatte neben ihr gesessen, jetzt blickte er hoffnungsvoll zu ihr hoch und erhob sich.
[ 5] »Na gut«, sagte sie, »dann machen wir einen weiteren Rundgang, bevor ich den nächsten anrufe.«
[ 5] »Wuff!« – Anscheinend mochte der Hund es, wenn man ihn ansprach.
[ 5] Die nächsten Nummern brachten nichts Neues. Allerdings zeigten sich die meisten Empfangsdamen kooperativer. Widerstandslos gaben sie Informationen über das Aussehen ihrer Chefs preis, ohne dass Toni ihren Traum-Mann beschreiben musste. Nur eine schien Spielchen mit ihr zu treiben; die versuchte, ähnlich wie die erste, den Spieß umzudrehen und sie auszufragen. Da war sie aber an die Falsche geraten! Auch diese Nummer kennzeichnete Toni für weitere Nachforschungen. Einen Empfangs-Herrn gab es auch dabei. – Einen einzigen nur! Die Anzahl der durchgestrichenen Telefonnummern wuchs und die Zeit schritt voran. Fast hätte sie ihre Verpflichtung vergessen: Rudolf musste zurück ins Heim.
[ 5] Es tat ihr beinahe leid, sich von ihm zu trennen. Andererseits konnte sie es gar nicht abwarten, die verbleibenden Nummern anzurufen, um endlich dem Mann ihrer Träume näherzukommen. Am besten würde es wohl sein, wenn sie von zu Hause aus anrief. Inzwischen war ja die Chance, dass der Angebetete noch einmal an den Ort ihres Zusammenpralls zurückkehren würde, ohnehin unter den Nullpunkt gesunken. Da brauchte sie keinen Hund mehr für ein unverfängliches Herumlungern, machte es sich lieber auf dem Sofa gemütlich. Der Gedanke an ihr gemütliches Sofa, einen Cappuccino und eine Packung Pralinen zum Trost bei erfolglosen Anrufen ließen den Abschiedsschmerz sogleich verfliegen. Vielleicht könnte sie auf die Pralinen sogar ganz verzichten, denn schon der nächste Anruf konnte der entscheidende, der erfolgreiche sein – wozu sollte sie dann Trost brauchen?

Sie stellte sich vor, Sarah heute Abend von diesem sensationellen Erlebnis zu berichten. Sicherlich hätte sie dann schon die Adresse ihres Traum-Mannes ermittelt und ihre Freundin würde über ihre Findigkeit staunen. Gemeinsam könnten sie die Kontaktaufnahme planen, dafür brauchte sie auf jeden Fall Sarahs Hilfe. Als Single aus Überzeugung wusste die, dass ihr kein Mann widerstehen konnte und sie kannte alle Tricks und Kniffe. Dagegen fühlte Toni sich wie eine blutige Anfängerin. Sie wartete normalerweise, bis sich ein Mann um sie bemühte und das kam selten genug vor. Aber jetzt war sie entschlossen, aus der Opfer-Rolle zu entkommen und zur Tat zu schreiten. Und wenn sie erfolgreich wäre, würde sie ohnehin diese Spielchen nicht mehr brauchen.

Das Detektiv-Spielen war eigentlich Sarahs Leidenschaft. Sie selbst hatte Spaß daran, mitzumachen, war aber bei weitem nicht so mutig und abgebrüht wie ihre Freundin. Sie erinnerte sich daran, wie sie einmal die Untermieterin einer Nachbarin ausspioniert hatte. Die junge Frau hatte im Rotlicht-Milieu Ärger gehabt und sich in einem der Nachbarhäuser versteckt. Damals hatten sie sich gegenseitig darin übertroffen, Informationen von offiziellen Stellen herauszubekommen, Informationen, die nicht hätten weitergegeben werden dürfen. Mit jeder Kleinigkeit, die eine von ihnen erfuhr, öffneten sich ihnen weitere Informationsquellen und schon bald hatten sie sicherlich mehr über ihr Opfer gewusst als die Frau, in deren Wohnung es sich versteckte. Es kam nur darauf an, in die richtige Rolle zu schlüpfen, die richtigen Fragen zu stellen und hier und da eine gute Geschichte zu erfinden.
[ 5] Als ihnen klar geworden ist, dass sie für ihre Streiche bestraft werden konnten, falls jemand ihren Anruf zurückverfolgte, haben sie schweren Herzens damit aufgehört, es nur so zum Spaß zu tun. Toni überlegte, ob sie nicht als nächstes einen Detektiv-Roman schreiben sollte mit Sarah in der Hauptrolle. Sandra würde sie sie nennen.

Sie steckte das Handy in die Tasche und sofort hörte Rudolf auf, herumzuschnüffeln, lief nun freudig schwanzwedelnd neben ihr her und sah zu ihr hoch. Kluger Hund – er weiß sofort, wenn etwas Neues kommt. Als sie ihren Mini aufschloss sprang er mit geübtem Schwung auf den Rücksitz ihres Autos, wo er sich gemütlich hinlegte. Sie lächelte wohlwollend: Er benahm sich, als wäre er schon immer ihr Hund gewesen.
 



 
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