Traum der Unsterblichkeit

Heuli

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Traum der Unsterblichkeit

Dunkle Anhöhen der Angst. Alles ist in Nebel gehüllt. Jegliche Hoffnung erstickt in der Nacht. Der fahle Mond, der letzte Punkt des Lichts, versteckt sich hinter dichten Wolken. Auch er fürchtet das Tal. Kein Leben kann sich hier entfalten. Ein Fluch aus uralten Zeiten lastet auf den Bergen. Eine Narbe der Zeit, geschlagen zwischen sie.
Und doch ist dieser Platz nicht verlassen. Tief in den Wäldern, bewacht von Schrecken der Nacht, erhebt sich eine Burgruine, wie ein längst zerfallenes Nest aus Felsen. Keine Freude, keine Hoffnung hat diesen Platz je betreten. Er wurde erbaut von den gefangenen Seelen böser Dämonen als ein Denkmal der Einsamkeit. Das einzige Licht, dass diesen Ort je betritt, ist das Licht der unerreichbaren Sehnsucht. Der Sehnsucht eines verdammten Wesens.
Hoch auf den geschliffenen Resten eines Turmes umweht der kalte Wind eine unfreiwillige Gestalt der Nacht. Gefesselt an ihr Dasein mit kalten Ketten des Hasses. Ein Gefängnis der Seele. Sie ist gebunden ewig dort zu existieren und sich vom Blut der Lebenden zu ernähren. Nur durch diese stetigen kurzen Flammen der Sterblichkeit ist der Traum aufrechthaltbar. Der Traum der Unsterblichkeit, einmal erhaben über alles zu sein. Gleichzeitig der Verlust der Schmerzen. Doch ohne Schmerz kann die Freude nicht sein. Es ist, als würde man versuchen zu wissen was Großbuchstaben sind, wenn man sein Leben lang nur Kleinbuchstaben gesehen hat. Gefühlskalt und voller Hass auf die Menschheit starrt die Kreatur in die Nacht. Tief in ihrem Innern, tief verborgen in der Kälte des untoten Herzens schlägt noch immer die Sehnsucht. Die letzte Sphäre der Menschlichkeit, das Wissen von der Liebe und dem Schmerz. Fällt diese Bastion, fällt mit ihr die Bindung an das Licht, an das Gute. Eingegliedert in die Reihen der Dämonen, ein weiterer Krieger der Dunkelheit.

Fenrak war einst ein Mensch unter vielen. Ihn faszinierte immer schon das Böse, die Auflehnung gegen den scheinheiligen Frieden im Dorf. Christliche Glückseligkeit, sie widerte ihn an. Er wollte nicht sein wie sie. Hart arbeiten und eine Familie gründen, die nach den selben Regeln lebt. Nach kurzer Zeit wieder diesen Planeten verlassen. Und das alles nur, weil ein Gott es von ihnen verlangte. Ohne Widerrede. Er war anders. Er wollte nicht so sein. Das war alles gegen die Natur. Sie war ewig. Ein fester Bestandteil, unsterblich. Ein verbotener Traum, das war es, was Fenrak packte. Er war intelligent und wusste, dass die Dorfgemeinschaft ihn nur duldete, weil seine Ausstrahlung so finster war, dass niemand es wagte ihn zu vertreiben. Solange er es nicht provozierte, hatte er äußere Ruhe. Doch sein Innerstes tobte. Er musste raus, raus aus dem Gefüge, raus aus der Ordnung. Er suchte jeden Tag aufs neue eine Antwort. In Büchern, in der Natur, in sich selbst. Der einzige Ausweg, so schien es ihm, war die Überwindung der inneren Ketten und die Hingabe zur Magie. Nur Dämonen können ihn aus dieser ihm aufgezwungenen Realität entreißen. Fenrak war zwar bewusst, dass Dämonen kein barmherziges Befreiungskommando sind, die ihm ohne jegliche Gegenleistung seinen Wunsch erfüllen würden, doch war er geblendet von seinem Ziel endlich einen Anfang und ein Ende in seiner ständigen Unklarheit zu sehen. Eine Frage und eine Antwort.

Langsam wärmt ihn die Kälte der Nacht auf. Der Durst kommt zurück, die Erinnerung von Sonne wendet sich endgültig von diesem Flecken der Finsternis ab. Die Gestalt breitet langsam die Arme aus und der Mantel der Schatten hängt ungeduldig von ihren Schultern. Getragen wie vom Wind erhebt sich die Gestalt geschmeidig auf die Zehenspitzen. Mit seinen zu wilden Krallen verwachsenen Füße platziert sich die Bestie auf den Zinnen seines Spähposten. Die gequälten Augen durchstreifen den Wald. Verachtend beobachten sie die Wächter. Das Monster lässt sich fallen. Mit einem erhabenen Anheben der Arme berührt es den Boden und wird eins mit seinem Schatten. Wie ein Geist durchbricht es die Grenzen der Natur und löst seine Form von der Realität. Als hungriger Schatten des Todes fliegt er auf seine Beute zu.

Eine Lichtung fern von allen heiligen Gedanken. 5 Kerzen erhellten die Nacht als Fenrak den Dämonenpakt vorbereitete. Das Licht der Dunkelheit hielt seine Hände um den Ort des Bösen. Finstre Dämonen begannen auf das Ritual aufmerksam zu werden. Wie durch überirdische Schnüre gesteuert tanzte der Besessene um das aus Blut geschriebene Pentagramm. Mit immer mehr ins geistesabwesend rutschender Stimme sang er Lieder in einer menschenunbekannten Sprache. Das Blut begann zu glühen wie Feuer. Fenrak näherte sich der Mitte des unheiligen Symbols. Er zog einen wie brennendes Eisen gleißenden Dolch aus seinem Mantel und hielt ihn hoch in die Luft. Beide verirrten Hände umschlossen seinen Griff. Der Dolch drehte sich, die Spitze genau auf des Beschwörers Herz gerichtet. Er schloss die Augen. Nie wieder würde er das Tageslicht erblicken. Nie wieder würde er Mensch sein. Das Instrument des Todes raste auf ihn zu. Das menschliche Herz verstummte.

Sturmlampen erhellen die Nacht. Panische Schreie hallen durch das Dorf. Es ist wieder Vollmond und monströse Schreie sollen aus dem Wald vernommen wurden sein. „Vampire !“ „Werwölfe !“ Der ansässige Priester eilt aus seiner Hütte neben der Kirche, bewaffnet mit einem großen goldverzierten Kreuz. Etwa ein Dutzend der stärksten Farmer hat sich auf dem Marktplatz versammelt. „Alfred und Daniel, ihr kommt mit mir ! Ihr anderen geht den Weg nach rechts am Metzger vorbei !“, hallt es durch das Dorf. Die Dorfbewohner teilen sich in Patrouillen ein. Angsterfüllt versteckt sich alles, was nicht in der Lage ist eine Mistgabel oder dergleichen zu halten, in seinen Häusern. Doch kein von Menschen gebautes Versteck vermag es die Kräfte des Bösen aufzuhalten.
„Wo mag sich diese unheilige Kreatur der Hölle verstecken ? Findet sie ! Diese gottlosen Missgeburten müssen vernichtet werden ! Es ist sein Wille ! Er geschehe !“, verkündet der Diener Gottes dem Volk. Doch retten wird diese Aufhetzerei das Opfer des Vampirs nicht. Der Schatten Fenraks rast über das Kopfsteinpflaster des Dorfzentrums. Wie ein Adler erhebt er sich kurz vor dem Haus des Schmiedes in die Luft, nimmt wieder seine materielle Form an und schwebt nach oben. Mit nach vorne gestreckten Krallen durchschlägt er die Holzläden des Fensters und kracht in das Dachgeschoss hinein. Mit wackligen Fingern formt die Tochter des Schmiedes ein Kreuz und schreit „Weiche, Vampir ! Lass mich in Frieden ! NEIN ! HERR, SCHÜTZE MICH !“ Angsterfüllt weicht sie nach hinten und fällt über einen Heubarren. Unbeeindruckt stürzt sich die Bestie auf sie und zerfetzt mit ihren Klauen ihre Arme. Ein weiterer Hieb reißt ihre Brust auf. Mit einem intensiven Biss zerrt es ihr Herz raus und verschlingt es. Mit einem gleichzeitigen Aufschmettern der Dachluke entkommt die Gestalt wieder durch das Fenster. Ein entsetzter Vater brüllt ihr noch verzerrte Schmerzensschreie entgegen während sie wieder als Schatten entkommt. Noch lange erhellten die menschlichen Irrlichter die Nacht. Noch lange störten die Schreie des Vaters die Ruhe.

Und wieder ist der Blutdurst gestillt. Und wieder steht Fenrak auf den Zinnen seiner Festung und blickt ins Leere bis der Morgen graut. Innerliche Leere in einem Gefängnis des Hasses. Sein Mantel weht im Wind. Bis in alle Ewigkeit...



PS : Ich hoffe doch, dass die Geschichte hier richtig ist O:)
 

TupperWal

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Erstmal "Hallo".
Herzlich Willkommen in der Leselupe. :)

Dein Text ist richtig schön "Gothic" und meiner Meinung nach passt er auch genau hierhin! ;)

Jetzt hat der olle Fenrak ja was er will, oder?
Du hast eine klare und deutliche Sprache und es gelingt dir ohne überflüßige Attribute eine "dunkle" Stimmung zu verbreiten. Der weitgehende Verzicht auf wörtliche Rede entspricht ebenfalls meinem persönlichem Geschmack. Ich komme nur nicht so gut auf "Dunkles" klar, aber dies wiederum ist persönlicher Geschmack!

Lese ich hier bald mehr von dir?
Grüße
Frank
 

Heuli

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Dange für die lobenden Worte :) Ich werd einfach jeden Fall weiter schreiben, ganz egal ob's jemand liest ;) Werd mal sehen, wenn ich ein bisschen aus meiner depressiven Phase raus bin und mir was einfällt, gibt's die nächste Geschichte :)
 

Rems Florian

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Hi Heuli,

Die Geschichte schildert sehr lebendig und spannend den Auftritt des Bösen. Da kommt wirklich Stimmung auf. Nur der zweite Absatz ist etwas zu dick aufgetragen. Metaphern und Motive machen den Text zwar interessanter, tiefsinniger und sprechen für deinen guten Stil, aber zu viel auf Einmal wirkt einfach zu kompliziert und wirr.
Aber sonst kann ich absolut nichts aussetzen. Ich hoffe, dass deine depressive Phase bald zu Ende ist und es mehr von dir zu lesen gibt.

Rems Florian
 

Heuli

Mitglied
Auch hier dange, aber ich wollte einfach auch etwas Vergangenheit einbauen, die auftretende Verwirrung ist wohl in gewissen Maßen schon gewollt ;) =)
 



 
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