Inga
Mitglied
Vera zog ihren viel zu schweren Koffer über den Bahnsteig des Mailänder Bahnhofs. Ihr vohergehender Zug hatte eine halbe Stunde Verspätung und sie hoffte ihren Anschluss noch zu bekommen.
Ihr blieben nur noch wenige Minuten bis zur Abfahrt nach Rom. Wieder ertönte die blecherne Stimme aus dem Lautsprecher und teilte mit, dass der Zug in wenigen Minuten abfahren würde.
Gerade noch geschafft, dachte sie vollkommen entnervt, während sie in den Zug stieg. Vera entdeckte ein leeres Abteil und ließ sich auf einen der Sitze fallen, sie hoffte für die nächsten Stunden nicht gestört zu werden.
Da wurde vorsichtig die Türe aufgeschoben und ein eleganter junger Herr im mandelgrünen Anzug, mit weißer Samtweste und Krawatte stand vor ihr, er nahm seinen Zylinder ab und fragte in höflichem Ton: ,, Entschuldigen sie bitte gnädiges Fräulein, ich möchte keinesfalls aufdringlich erscheinen, gibt es in ihrem Abteil noch einen freien Platz?"
Vera starrte ihn an und nickte. Sie fragte sich, ob er vielleicht Gast auf einem Kostümball gewesen sein könnte.
Noch bevor sie ihren Gedanken zu Ende gedacht hatte, reichte er ihr die Hand und sagte: ,, Ich danke ihnen vielmals, darf ich mich vorstellen?
Ludwig Steiner, ich komme gerade aus Paris und habe dort die Weltaustellung besucht."
Okay, dachte Vera, war das nicht im 19. Jahrhundert, habe ich es hier vielleicht mit einem Irren zu tun?
Sie stellte sich ebenso vor: ,, Meine Name ist Vera Schneider. Sagen sie, die Weltaustellung fand doch vor über 100 Jahren statt!"
,,Ja,"entgegnete er ihr begeistert, ,,und sie geht noch bis zum 12. November. Es ist die Bilanz eines Jahrhunderts und bereits die fünfte Weltaustellung."
Er schwärmte von den Großprojekten der Brüder Lumiere und dem hölzernen Fahrsteig auf dem die Besucher das Austellungsgelände umrunden konnten.
Paris die Hauptstadt der Künste.
Vera kam gar nicht mehr zu Wort und hatte Gefallen daran gefunden das Spiel mitzuspielen. Seine Faszination und die Wahl seiner Worte amüsierten und entzückten sie.
,, Darf ich sie zu einem Glas Rotwein einladen?" fragte Ludwig während er eine Flasche Bordeaux aus seinem Koffer hervorzauberte.
Vera nahm dankend das Glas entgegen und prostete ihm zu.
,, Auf die Weltaustellung!" sagte sie lachend.
Irgendwann musste sie eingeschlafen sein. Als sie erwachte war der Zug bereits kurz vor Rom. Auf dem gegenüberliegenden Sitzen lümmelte sich ein schlafender junger Mann in zerschlissenen Jeans und T-Shirt. Vera dachte, was war das doch für ein verrückter Traum. Wie hieß er doch gleich? Ach ja, Ludwig und seine Weltaustellung.
Sie musste breit grinsen und schüttelte den Kopf. Dann streckte sie sich und zog ihre hellblaue Bluse glatt.
Da entdeckte sie auf ihrer Bluse einen Rotweinfleck. Sie schaute sich im Abteil um, ob es noch irgendwelche Spuren gab, vielleicht eine leere Flasche?
Nein, nichts dergleichen.
Inzwischen erreichte der Zug Roma Termini. Vera versuchte sich zu sammeln, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Was war geschehen, Traum oder Wirklichkeit?
Die Zugreisenden drängten inzwischen zum Ausgang. Da sah sie den jungen Mann aus ihrem Abteil und fragte ihn auf Englisch wann er sich in ihr Abteil gesetzt hatte?
Er schien etwas überrascht und antwortete ihr kurz und knapp, er sei in Arezzo eingestiegen und sie hätte schon geschlafen, nein er hatte keinen Rotwein getrunken und ihr diesen auf die Bluse getröpfelt.
Vera rollte ihren Koffer Richtung Hotel, sie versuchte zu rechnen, um fünf Uhr ist der Zug in Mailand abgefahren, bis Arrezo waren es normalerweise zweieinhalb Stunden.
Sie erinnerte sich noch an Florenz, da hatte der Zug bereits 40 Minuten Verspätung.
Dann musste sie eingeschlafen sein. Jetzt fiel ihr auch sein Nachname wieder ein, Steiner, Ludwig Steiner aus München und welches Ziel hatte er?
Wollte er nicht auch nach Rom? Aber warum war er nicht in Rom angekommen?
Vera konnte keinen klaren Gedanken fassen. War er wirklich einem anderen Zeitalter entsprungen oder war er einfach nur ein Schauspieler?
Vielleicht hätte sie den Zugbegleiter fragen können, der die Fahrkarten kontrolliert hatte, zu spät.
Nachdem sie ihren Koffer ins Hotel gebracht hatte, schlenderte sie gedankenverloren durch Rom,
auf der Suche nach einem eleganten Herrn aus dem 19. Jahrhundert.
Nachdem sie mehrere junge Männer im Anzug verfolgt hatte und jedes Mal feststellen musste, dass es sich hierbei nicht um Ludwig handelte, zweifelte sie langsam an ihrem Verstand.
Erst sehr spät kam sie in ihr Hotel zurück, sie ließ sich vom Portier ihren Zimmerschlüssel aushändigen. Mit wichtiger Mine überreichte er ihr einen Brief.
,,Signora, dieser Brief wurde für sie abgegeben." Überrascht nahm Vera ihn entgegen. In ihrem Zimmer öffnete sie den Umschlag und auf feinstem Büttenpapier stand in einer schönen Handschrift geschrieben:
Rom 24.Mai 1900
Teure Vera
Ich möchte Ihnen für die wunderbaren Stunden danken, die ich mit Ihnen
verbringen durfte.
Begegnet man auf den dornigen Pfaden des Lebens solchen Menschen wie Ihnen,
so erkennt man, dass die Menschheit nicht so herzlos und selbstsüchtig ist,
wie die Schwarzseher es darzustellen pflegen.
Bitte verzeihen Sie mir mein plötzliches Verschwinden!
Leider darf ich Ihnen keine befriedigende Erklärung geben, da ich mich in einem
wissenschaftlichen Projekt befinde und mir nur ein paar wenige Stunden in ihrem
wunderbaren Zeitalter bleiben.
Denn mein Fehlen würde die Geschichte der Menschheit maßgeblich verändern.
Auf Wiedersehen meine teure Freundin. Leben Sie wohl!
Ich umarme Sie.
Für immer Ihr Ludwig
Ihr blieben nur noch wenige Minuten bis zur Abfahrt nach Rom. Wieder ertönte die blecherne Stimme aus dem Lautsprecher und teilte mit, dass der Zug in wenigen Minuten abfahren würde.
Gerade noch geschafft, dachte sie vollkommen entnervt, während sie in den Zug stieg. Vera entdeckte ein leeres Abteil und ließ sich auf einen der Sitze fallen, sie hoffte für die nächsten Stunden nicht gestört zu werden.
Da wurde vorsichtig die Türe aufgeschoben und ein eleganter junger Herr im mandelgrünen Anzug, mit weißer Samtweste und Krawatte stand vor ihr, er nahm seinen Zylinder ab und fragte in höflichem Ton: ,, Entschuldigen sie bitte gnädiges Fräulein, ich möchte keinesfalls aufdringlich erscheinen, gibt es in ihrem Abteil noch einen freien Platz?"
Vera starrte ihn an und nickte. Sie fragte sich, ob er vielleicht Gast auf einem Kostümball gewesen sein könnte.
Noch bevor sie ihren Gedanken zu Ende gedacht hatte, reichte er ihr die Hand und sagte: ,, Ich danke ihnen vielmals, darf ich mich vorstellen?
Ludwig Steiner, ich komme gerade aus Paris und habe dort die Weltaustellung besucht."
Okay, dachte Vera, war das nicht im 19. Jahrhundert, habe ich es hier vielleicht mit einem Irren zu tun?
Sie stellte sich ebenso vor: ,, Meine Name ist Vera Schneider. Sagen sie, die Weltaustellung fand doch vor über 100 Jahren statt!"
,,Ja,"entgegnete er ihr begeistert, ,,und sie geht noch bis zum 12. November. Es ist die Bilanz eines Jahrhunderts und bereits die fünfte Weltaustellung."
Er schwärmte von den Großprojekten der Brüder Lumiere und dem hölzernen Fahrsteig auf dem die Besucher das Austellungsgelände umrunden konnten.
Paris die Hauptstadt der Künste.
Vera kam gar nicht mehr zu Wort und hatte Gefallen daran gefunden das Spiel mitzuspielen. Seine Faszination und die Wahl seiner Worte amüsierten und entzückten sie.
,, Darf ich sie zu einem Glas Rotwein einladen?" fragte Ludwig während er eine Flasche Bordeaux aus seinem Koffer hervorzauberte.
Vera nahm dankend das Glas entgegen und prostete ihm zu.
,, Auf die Weltaustellung!" sagte sie lachend.
Irgendwann musste sie eingeschlafen sein. Als sie erwachte war der Zug bereits kurz vor Rom. Auf dem gegenüberliegenden Sitzen lümmelte sich ein schlafender junger Mann in zerschlissenen Jeans und T-Shirt. Vera dachte, was war das doch für ein verrückter Traum. Wie hieß er doch gleich? Ach ja, Ludwig und seine Weltaustellung.
Sie musste breit grinsen und schüttelte den Kopf. Dann streckte sie sich und zog ihre hellblaue Bluse glatt.
Da entdeckte sie auf ihrer Bluse einen Rotweinfleck. Sie schaute sich im Abteil um, ob es noch irgendwelche Spuren gab, vielleicht eine leere Flasche?
Nein, nichts dergleichen.
Inzwischen erreichte der Zug Roma Termini. Vera versuchte sich zu sammeln, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Was war geschehen, Traum oder Wirklichkeit?
Die Zugreisenden drängten inzwischen zum Ausgang. Da sah sie den jungen Mann aus ihrem Abteil und fragte ihn auf Englisch wann er sich in ihr Abteil gesetzt hatte?
Er schien etwas überrascht und antwortete ihr kurz und knapp, er sei in Arezzo eingestiegen und sie hätte schon geschlafen, nein er hatte keinen Rotwein getrunken und ihr diesen auf die Bluse getröpfelt.
Vera rollte ihren Koffer Richtung Hotel, sie versuchte zu rechnen, um fünf Uhr ist der Zug in Mailand abgefahren, bis Arrezo waren es normalerweise zweieinhalb Stunden.
Sie erinnerte sich noch an Florenz, da hatte der Zug bereits 40 Minuten Verspätung.
Dann musste sie eingeschlafen sein. Jetzt fiel ihr auch sein Nachname wieder ein, Steiner, Ludwig Steiner aus München und welches Ziel hatte er?
Wollte er nicht auch nach Rom? Aber warum war er nicht in Rom angekommen?
Vera konnte keinen klaren Gedanken fassen. War er wirklich einem anderen Zeitalter entsprungen oder war er einfach nur ein Schauspieler?
Vielleicht hätte sie den Zugbegleiter fragen können, der die Fahrkarten kontrolliert hatte, zu spät.
Nachdem sie ihren Koffer ins Hotel gebracht hatte, schlenderte sie gedankenverloren durch Rom,
auf der Suche nach einem eleganten Herrn aus dem 19. Jahrhundert.
Nachdem sie mehrere junge Männer im Anzug verfolgt hatte und jedes Mal feststellen musste, dass es sich hierbei nicht um Ludwig handelte, zweifelte sie langsam an ihrem Verstand.
Erst sehr spät kam sie in ihr Hotel zurück, sie ließ sich vom Portier ihren Zimmerschlüssel aushändigen. Mit wichtiger Mine überreichte er ihr einen Brief.
,,Signora, dieser Brief wurde für sie abgegeben." Überrascht nahm Vera ihn entgegen. In ihrem Zimmer öffnete sie den Umschlag und auf feinstem Büttenpapier stand in einer schönen Handschrift geschrieben:
Rom 24.Mai 1900
Teure Vera
Ich möchte Ihnen für die wunderbaren Stunden danken, die ich mit Ihnen
verbringen durfte.
Begegnet man auf den dornigen Pfaden des Lebens solchen Menschen wie Ihnen,
so erkennt man, dass die Menschheit nicht so herzlos und selbstsüchtig ist,
wie die Schwarzseher es darzustellen pflegen.
Bitte verzeihen Sie mir mein plötzliches Verschwinden!
Leider darf ich Ihnen keine befriedigende Erklärung geben, da ich mich in einem
wissenschaftlichen Projekt befinde und mir nur ein paar wenige Stunden in ihrem
wunderbaren Zeitalter bleiben.
Denn mein Fehlen würde die Geschichte der Menschheit maßgeblich verändern.
Auf Wiedersehen meine teure Freundin. Leben Sie wohl!
Ich umarme Sie.
Für immer Ihr Ludwig