Trigedon

Basti50

Foren-Redakteur
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Auf einem seicht ansteigenden, mit verwuchertem Gras bewachsenen Hügel in einer längst vergangen Zeit stand er: Sir Edwick Guldhart der Gegeißelte.
Einer der am meist gepriesensten Stratege des Reiches, engster Vertrauter des Königs und nebenbei Hauptmann der Falkenkrallen, welcher von seinen Namensträgern liebevoll, im gemeinen Volksmund auch verächtlich, `Die blaue Horde` genannt.
Wie er waren seine Soldaten fähige Männer, einige stammten sogar aus den Überresten der gefürchteten Kaste der Leibwächter, die in den vielen Generationen ihres Dienstes den Ruf als beste Kämpfer ‚aller Art’ errungen hatten. Doch der Rest musste sich ebenfalls nicht wegen seiner Leistungen verschmähen lassen, denn auch sie waren erfahren im Handwerk des Krieges oder hatten zumindest während ihrer Ausbildung außergewöhnliches Potential gezeigt. Etwas was nur sehr selten vorkam und sich meist später rächte.
Zusammen bildeten sie ein Heer, fünftausend an der Zahl wenn voll eingesetzt, welche bisher weder Niederlage noch Kapitulation erfahren und es ebenso wenig akzeptieren würden, sei es bis zum bitteren Ende.
Wie sah nun der Anführer dieser Armee aus welcher sie in nur so kurzer Zeit, in der das Batallion überhaupt existierte, in noch so hoffnungslose Schlachten und wieder herausgeführt hatte und für deren Erfolg er sich jederzeit persönlich und voller Enthusiasmus einsetzte, mochte es mit dem gesprochenen Wort oder mit kalten Stahl vonstatten gehen.
So gesehen wäre der Betrachter, den es nie gegeben hatte, wohl enttäuscht gewesen, denn die Gestalt Edwicks wurde seinem langen Namen gewiss nicht gerecht. Das prägende, wie bei so vielen anderen Kriegsherren vor ihm, war sein Gesicht, allem voran der Bart. Wo viele ein schlichtes Kinn bevorzugten wuchs bei ihm ein fingerlanger sehr gepflegter roter Spitzbart, der bei seinem Gegenüber immer den Eindruck vermittelte, als strecke er sich ihm kampflustig entgegen. Weiter seinem noch faltenlosen Gesicht und schmal zulaufenden Lippen empor an einer sonderbar neutral wirkenden Nase vorbei zum wichtigsten Teil, den Augen.
Juwelen waren es fürwahr nicht. Allerdings reichte ihr mattgrünes, vor Energie strotzendes Licht welches im sanften Weiß eingebettet war um zumindest als Smaragde durchzugehen. Überraschend wenig war von all den anderen Dingen, die sein verantwortungsvoller Dienst mit sich brachte, wie dem allgegenwärtiger Tod noch Verlust, gelungen einen Teil für sich zu verschlingen.
Aber Edwick hatte bei Leibe noch nicht alles gesehen weder hoffte er, dass er es würde. Erst falls Schicksal oder reiner Zufall ihm keine Wahl mehr ließen, würde er von dem ablassen was ihn ausmachte, und selbst dann nur für kurze Zeit.
Zumindest solange bis der Gram des Alters in sein Leben einfallen würde und er wohl den Rest seines Daseins damit verbrachte auf dem Schaukelstuhl kauernd sich über den Lärm des lieben Nachbarn Knaben zu beschweren. Doch bis dahin würden noch einige Jahre vergehen in denen er zumindest die Gelegenheit hatte, sich vorher den Schädel zertrümmern zu lassen. Das wahrscheinlich Einzige, was er sich fest in seiner Kariere vorgenommen hatte.
Noch weiter, an einer gepiesackten Stirn vorbei, der man förmlich ansah, wie oft sie während des Tages zumindest einer Augenbraue Platz machen musste und auch das linke Ohr ignorierend, von dem ein kleines Stück fehlte, nicht genug um es zu verunstalten, aber doch genug um aufzufallen.
Schließlich erreicht man das flammende Haar des Hauptmanns, erschreckend konservativ gehalten und auf ein Minimum zurückgestuft. Blanker Hohn, bedachte man, dass noch vor nicht all zu langer Zeit die Länge der Kopfbehaarung ein Statussymbol der Macht, des Einflusses und selbstredend der Männlichkeit war.
Doch weder bedurfte es Edwick an Macht noch an Einfluss um den Sieg und einen guten Ruf davonzutragen, was er immer wieder vor ungläubigen Augen demonstrierte, welche gerade auf diesen Grundprinzipien aufbauten. Beliebt machte ihn es nicht, weder auf der einen noch auf der anderen Seite, trotzdem ein Heidenspaß, auch wen er dies niemals öffentlich verlauten ließe schon um sich eine ruhige Nacht zu garantieren. Über die Männlichkeit ließ sich streiten. Nein, es bedarf nicht der Macht einer goldenen Schlangenzunge noch des Moloch der Unterdrückung.
In seinem Falle war es lediglich eine Frage der Verständigung. Edwicks Männer waren die besten, wenn nicht loyalsten Streiter die man sich vorstellen konnte, so sehr man auch versuchte ihren Erfolg als null und nichtig anzusehen so weit es möglich war und was noch weitaus wichtiger war, sie vertrauten sich gegenseitig.
Jemand der laut brüllend auf den Feind zustürmte und sich im Grab selbst dann ruhig damit einlullen konnte für seine Familie, den König oder wen es auch immer sonst dazwischen gab gestorben zu sein, mochte es vielleicht tatsächlich ein befriedigender Gedanke gewesen sein. Die Männer jedoch die er befehligte, glaubten nicht daran, dass sie nur da waren um für Edwick zu sterben. Sie glaubten viel eher, dass sie unter seiner Führung die beste Chance hatten einen Kampf zu überleben und das war den meisten kampfgehärteten Kriegern wichtiger als ein ehrenvoller Tod.
Falls ihre Existenz jemals vor eine Bedrohung gestellt werden sollte denen selbst sie nicht Herr wurden, würden sie kämpfen bis ihr letzter Atemzug getan war.
Nicht früher und sicherlich nicht später.
Wenigstens würden sie sich darauf verlassen können, dass ihr Hauptmann es ihnen gleich tun würde so unwichtig es auch eigentlich war. Bis dahin jedoch beließen sie die Verantwortung auf Edwicks Geschick und allem voran seiner ‚Gabe’, wie sie es mit verborgenen Grinsen zu nennen pflegten.
Er selbst bevorzugte eher die Worte ‚taktische Überlegungen’ aber, so dachte er sich, auch wenn die Männer nun was Übersinnliches darin sahen, ob nun im Scherz oder nicht, konnte es der Truppe eigentlich nur gut tun.
Allerdings war nicht nur Edwicks Talent, sondern auch seine Freundschaft zu vielen der führenden Köpfe seiner Streitmacht ein stützender Eckpfeiler im Ganzen. Etwas was immer mehr zu einer Seltenheit in der königlichen Armee zu werden schien. Vielleicht kannten sie sich auch noch nicht lange genug, um wirklich aneinander zugeraten, aber Edwick bezweifelte, dass es jemals so weit kommen würde.
Und falls doch würden sie noch auf genug Gegner treffen, um ihrem Zorn Luft abzulassen. Meinungsverschiedenheiten ließen sich durchaus auch konstruktiv verarbeiten, aus militärischer Sicht gesehen.
Genau genommen hatte, wenn Edwick darüber nachdachte, er genau soviel Einfluss und Macht wie seine Haare ihre Länge. Nicht viel. Aber er war anerkannt bei denen die unter ihm dienten und niemand würde es wagen es ihm streitig machen zu wollen, so wenig wie man es wagte, um die Hand einer betörenden Amazone anzuhalten, die einem wohl eher einen Kopf kürzer machte, sobald man den Blick von ihr ließ um den Ring hervorzuholen.
Schweift man vom Gesicht nun endlich ab, erscheinen einem die Details, die ein Herr von Ansehen gerne versucht hätte zu übersehen. Genau genommen war das Manko, das an Edwick auffiel, lediglich seine Kleidung.
Sie war schäbig, um es gelinde zu umschreiben.
Einst hatte es sich um ein prächtiges Lederwams gehandelt, mitsamt passenden mit Leder beschlagenden Hosen und die bequemsten Stiefel, die er jemals an den Füßen getragen hatte. Zumindest das war an positiven Eigenschaften geblieben. An dem Restbild hatten die Jahre und allem voran ständig andauernde Konfrontationen gezehrt.
Einige Riemen hatten sich gelöst und in unregelmäßigen Abständen sah man das Werk improvisorischen Flickens. Sehr grob gehalten, aber genug um es auch die nächsten Jahre zumindest zusammenzuhalten. Edwick schien mehr Tagelöhner als irgendetwas anderes. Seine eher schmale Statur bekräftigte dies dazu noch empfindlich. Selbst der ärmste Söldner wäre besser davongekommen, als er es tat. Lediglich ein blauer kapuzenloser Mantel der auch eigentlich nur dazu gedacht war, dass man ihn im Falle eines Kampfes von den anderen unterscheiden konnte, die zweckbetontere Farben gewählt hatten, wie Schwarz.
Es gewährte Edwick zumindest einen Hauch von Würde.
Aber selbst die war ihm im Grunde gleichgültig. Sollte es nötig sein würde er in sein Zelt zurückkehren und die, für ihn unangenehm, hellen Samtkleider eines Hauptmannes anziehen, welche er aus unerklärlichen Gründen immer noch mit sich führte.
Etwas was er sich höchstens für den absoluten Notfall einräumte, der, wie er betete, niemals eintreffen würde.
So stand er nun da, der verwahrloste Hauptmann, der frisch seiner Bleibe entstiegen und ins Freie getreten war.
Neben ihm der eigentlich durch Zufall dort stehende aber großartig ins Bild passende Banner, der im frühen Morgenwind begann sich langsam auf und ab zu bewegen. Wie Edwicks Umhang in dem für die Kompanie üblichen himmelblau gehalten, nichts weiter beinhaltend, als eine schlichte weiße Adlerklaue die durch ein unvorhersehbares Missverständnis des Zeichners hinaufgelangt war.
Für Edwick war es stets großartig zu wissen, in welche kompetenten Hände die Schätze seiner Majestät flossen, aber er hatte dieses Detail aus den Augen verloren und hatte sich vollends in seine Arbeit gestürzt. Oder besser gesagt sie vielmehr auf ihn.
Die erste Zeit war hart gewesen. Die, die folgte, sogar noch härter und er machte keinen Hehl daraus, dass er nicht mindestens zweimal beinahe getötet worden wäre. Nun, dachte er zu sich, dass wäre wohl der Preis welcher Heldenruhm und vor allem Feindesreichtum forderten.
Nichts war umsonst, wie üblich.
Doch schien das Risiko wieder auf ein erträgliches Maß zurückgeschrumpft zu sein, zumindest im Moment.
Genug Zeit sich mit ein wenig Nebengeplänkel die Glieder warm zu halten, bis einer von denen, die heulend und mit blutiger Nase davongelaufen waren, wieder zurückkehrten.
Den großen Bruder an der Hand und entschlossener als jemals zuvor.
Vertragsfrieden war wahrhaftig die beste Zeit für Leute wie ihn um sich die Beine zu vertreten, denn sie mochte, so sehr viele auch daran appellierten, kurz sein.
Viel zu kurz um ein Land zu erobern. Das kleine Tal, was vor ihnen lag, würde fürs erste allerdings ausreichen um zumindest die Spesen der Reise zu decken.
Langsam schweifte sein Blick über das Gelände, so dass er sich zum wiederholten Male ein Gesamtbild verschaffen konnte.
Wieder war es dasselbe und es war günstig für sie ausgelegt. Zwischen dem Lager und dem angrenzenden Waldstück waren es ungefähr zweihundert Schritt. Dazwischen existierte nichts weiter als eine ausdruckslose grüne Fläche, die für einen ausreichenden Spielraum sorgte.
Leider würden sie fast gänzlich auf Bogenschützen verzichten müssen, zumindest falls sie Wert darauf legten nicht von den eigenen Pfeilen niedergestreckt zu werden. Doch im Grunde würde es so ablaufen wie er es dutzende Male vorher erlebt hatte. Sie würden sich der undurchdringlichen Wand aus Bäumen und Geäst näher. Erst nur langsam Schritt für Schritt. Dann, falls sie sie noch nicht wahrgenommen hatten, was Edwick bezweifelte, würden sie spätestens dann hervorkommen aus ihren Verstecken und sich genau zwischen Wald und Grasplateau aufstellen.
Die unsichtbare Grenze die es zu überschreiten galt.
Ein kurzer Pfeilhagel von ihrer Seite, dann einer von der anderen. Mindestens einer von ihnen wird bald darauf zusammenbrechen, ob verletzt oder tot, und dann würden seine Begleiter nicht mehr zu halten sein. Der Rest würde auf einem Porträt enden oder in der schlecht gesungenen Hymne eines Barden. Für den Anfang sollte dieser Plan reichen, was danach kam würden seine Männer erledigen notfalls mit seiner Hilfe.
Zum ersten Mal seit einer scheinbaren Ewigkeit ließ er vom Anblick des zukünftigen Schlachtfeldes ab und glitt zu seiner Waffe herunter, die er wie selbstverständlich am Gürtel trug. Es war nicht mehr als ein Florett schmal und zerbrechlich. Allerdings auch scharf und tödlich falls es solcher Zwecke bedurfte.
Für Edwick war das genug Verschwendung von Gedanken an das Töten und so besann er sich erneut auf den Grund, warum er sich überhaupt hierher begeben hatte.
Mit einer weit ausgestreckten Geste zog er seine Arme in die Länge und ließ sie einen ausgedehnten Halbkreis zeichnen. Nur mit der Tapferkeit eines Kriegers unterdrückte er das Gähnen, welches ihm bereits jetzt wieder auf der Zunge lag. Als er sich schließlich um das Wohlergehen seiner Schulter gesorgt hatte reckte er kurz den Hals links, rechts und nochmals links und war zumindest mit dem offiziellen Teil seiner Morgenzeremonie fertig.
Schwermütig begab er sich langsamen Schrittes hinter das Zelt, welches sich zu seinem Glück weit hinten im Lager befand, so dass man die Rückseite von deren Seite aus nicht mehr sehen konnte. Gut, um jemanden im Auge zu behalten, aber auch um sich vor schadenfrohen Blicken zu verbergen, die der Ruf von Mutter Natur nach sich zog.
Für einen Augenblick überlegte sich Edwick wie angenehm es doch wäre sich im ewigen Grün des Waldes zu befinden, von allem Blicken geschützt und allein für sich wähnend. Doch er wusste, dass er dort nicht alleine wäre und er wusste auch, dass, falls er wirklich zu den Bäumen rüber gehen würde um das zu tun, was er plante, würde er für solch ein Frevel noch teurer bezahlen als für einen Gefallenen auf ihrer Seite.
‚Die Welt ist wirklich ein komischer Ort’, dachte er sich bevor er vollends hinter seinem Zelt verschwand.
Irgendwo weiter im Hintergrund ging die Sonne auf.
 



 
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