Trink Ich Nicht´Träum Ich Viel

DIESA

Mitglied
Naja, es bewahrheitet sich leider, wenn ich nicht trinke, habe ich Albträume.
Oder habe ich Albträume weil ich sonst trinke und diese tiefsten, vehementesten Gedanken des Unbewussten dann keine Chance haben sich zu entfalten? Keine Chance haben erinnert zu werden, wenn ich nicht mehr betrunken, aber schlaftrunken vor mich hindöse? Dann nämlich, träume ich selten was schlechtes, ein böses Träumlein wirkt dann eher wie ein aggressiver Wecker, eine Erinnerung dass Schlafen zwar wunderbar, der Mensch aber nicht dafür gemacht ist, sich länger als gesund mit ihm zu beschäftigen.
Aber wenn ich nicht trinke, dann schlafe ich auch nicht durch. Gerade mal eine Stunde hab ich geschlafen bevor ich weinend, wimmernd, flehenden dass es aufhören soll aufgewacht bin. Keiner dieser Träume in denen man nicht aufwachen kann vor lauter Alb, sondern einer in dem das wegschauen genau so weh tut wie das weiter träumen.

Aber die nasse Wolle, das Kälte Gefühl das schon auf der Haut brennt, die Hitze die nur von Kälte kommt wird unaushaltbar und von mir in der wachen Welt verbalisiert.
Das Gefühl wenn man auf etwas sehr heißes greift und man zurückschreckt weil es so kalt ist, genau das gleiche Gefühl, wie wenn man im Winter auf eine kalte Metallstange greift und zurückschreckt, weil sie einem die Finger verbrennt. Nasse Elektrowolle! Stöhne ich, als mein Mann mich weckt und umarmt und fragt was denn los ist.

Aber der Sprecher hört nicht auf zu wiederholen, dass die Kinder keinen Vater haben. Keine Suppe haben, keinen Tropfen haben, sie haben nichts, nicht mal sich selbst. Obwohl sie so zahllos Viele sind, wie sie da durch die kalte Tundra wanken.

Die Kinder sind dick eingepackt, aber ich weiß, dass nur Kinder die besonders frieren müssen, so dick eingepackt sind. Und ihre Arme, Hände, Beine sind nackt. Ungeschützt. Ihre Füße kann ich durch die hohen Schneewehen nicht sehen. Die Kinder sind nur tief blaue Schatten vor dem blanken Weiß der Kälte. Und sie wandern, wankend in ihr Verderben. Die Angst vor der Antwort lässt die Frage des wohins nicht zu. Und so kann ich nur weinen: Bitte nicht, bitte tut ihnen das nicht an. Die armen Kinder! Die armen Kinder, denen so kalt ist. Ihnen ist so kalt, dass ich noch immer weinen muss wenn ich daran denke. Ihnen ist so kalt, dass ich nicht wieder einschlafen kann weil ich mich in den Abgrund schämen würde, wenn ich sie und ihre Kälte vergessen würde.

Sie sind Opfer des Kapitalismus.
Sie sind Opfer aller Menschen die sich damit zufrieden geben, dass es ihnen ja gut geht, und dass sie ja keinen kennen, der in solchem Elend lebt.
Und ich schäme mich!
Uns geht es nur so gut weil sie der Chor der erfrorenen Kinder sind der alles Leid, dass wir nicht spüren, tragen und ertragen.

Keinen Vater, keiner Mutter. Kein Bissen, keiner Suppe. Kein Tropfen, keines Wassers. Keinen Vater, keiner Mutter. Kein Bissen, keiner Suppe. Kein Tropfen, keines Wassers. Keinen Vater, keiner Mutter. Kein Bissen, keiner Suppe. Kein Tropfen, keines Wassers. Keinen Vater, keiner Mutter. Kein Bissen, keiner Suppe. Kein Tropfen, keines Wassers....

In den Gesichtern der jüngeren Kinder ist nichts zu sehen außer der Ratlosigkeit warum es denn nur so kalt sein muss. Und die Gesichter der älteren sind nur stumme, erduldende Augen, die nichts anderes gekannt haben und deshalb nichts anderes erwarten, als die immer zu durchwankende, ewig anhaltende Kälte.
Eine Vorhölle.

Ein Höllentraum, wie ich schon einmal hatte, als ich wohl nicht getrunken hatte und darum böse träumte. Von spindldürren Dämonen Menschen die am ewigen Marathon aus den tiefen einer von Bruegel gezeichneten Hölle teilnehmen. Auf riesige Herdplatten fallen und sich vor Angst vor dem brutzelnden Fett in die Löcher der Gaskartuschen flüchten. Die an jeder Station dezimiert werden und sich gegenseitig auf den schmalen Stegen zu Fall bringen um nur noch ein Stück weiter zu kommen als ihre Scheinbare Konkurrenz. Die sich nur Gegenseitig in die Tiefe reißen wenn einer dem anderen doch in einem letzten Funken Empathie zu helfen versucht. Sie fallen wie Asche von einem glühenden Holzscheit und spießen sich an den Mittelalterlichen zugespitzten Pfählen auf.
Wozu denn noch anspitzen, was sowieso so unentrinnbar ist?!

Aber jemand muss seine Freude daran haben, denn da, in der letzten Kurve, die letzte schlammige, rutschige Schräge hinauf, über die hölzerne Konstruktion, an der die Flammen hell und also kühler erscheinen und sich sogar ein Stück Nachthimmel am Ausgang dieser Höllen Höhle erahnen lässt, kippt die Holzplatte zurück, so dass sich nichts halten kann und zurückgeworfen wird, wohin auch immer. Deshalb also eher, weggeschnipst wird dort hin wo auch immer es keine Gewinner gibt, sondern wieder nur Teilnehmer des bevorstehenden nächsten Laufs.
 



 
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