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In unserer Familie ist Aberglaube wenig verbreitet. Was mich betrifft, nur in Form einer Marotte, und hier ist es eher eine Petitesse, die in diese Richtung zeigt. Während meiner aktiven Zeit als Fußballer hatte ich die Angewohnheit, mir den rechten Schuh stets vor dem linken anzuziehen; beim Zuschnüren in der umgekehrten Reihenfolge. Eigentlich ein unbedeutendes Ritual. Aber als ich dieses einmal gedankenversunken anders herum vornahm, erhielt ich im Spiel die Quittung dafür, so glaubte ich zumindest. Denn in diesem Spiel gelang mir unverständlicherweise rein gar nichts, ich spielte grottenschlecht und wurde noch vor der Halbzeit ausgewechselt - und das mir als ansonsten unumstrittenen Stammspieler. Dies passierte mir kein weiteres Mal; ich achtete fortan penibel auf die Einhaltung solcher Abläufe.
Heute kann ich über so etwas lachen, ich bin fern ab von jedem Aberglauben, so wie inzwischen fast alle in meiner Familie. Bis auf meine vier Jahre jüngere Schwester, für die ist das Datum 13. ein besonderes. Ihr Problem damit fing harmlos an, man scherzte gerne über diesen Mythos um die Zahl dreizehn. Später wurde er aber zu einer folgenschweren Belastung für sie, als sie ihre Prüfung zur PTA an einem Freitag, den 13. ablegen sollte. Dieses zu verschieben war nicht möglich, schon gar nicht mit der Begründung Aberglaube. Sie geriet in Panik. Ihre Befürchtung trat ein, sie fiel durch das Examen. Ich meinte, wegen mangelhafter Vorbereitung; sie war vom Fluch dieses Unglücksdatums überzeugt. Das traumatische Erlebnis um diese mystische Zahl herum verursachte bei meiner Schwester in der Folge eine panische Angst vor der Zahl 13. In ihrem Umfeld nahm sie niemand damit ernst. Ja klar, dieser seltsame Freitag, der dreizehnte Platz von Judas beim Abendmahl mit Jesus, die fehlende dreizehnte Etage in Fahrstühlen, keine Reihe 13 in Flugzeugen, kennt man alles, blah, blah, blah..., so die einhellige Meinung. Aber meine Schwester litt. Nachweislich. Und dies nicht unerheblich. Sie musste deswegen fachärztlich behandelt werden, Diagnose, Triskaidekaphobie , volkstümlich: Angst vor der Zahl 13. Die Behandlung zog sich dahin. Und es war keine Verbesserung in Sicht, stattdessen eine signifikante Verschlechterung.
Aus dieser Angststörung, anfänglich ausschließlich in Bezug auf diese spezielle Zahl, entwickelte sich ein generalisiertes Problem; bei ihr wurde eine Arithmophobie diagnostiziert, eine irrationale Angst vor Zahlen im Allgemeinen. Sie musste nun generell Zahlen meiden, so schwierig das auch sein mag. Parallel dazu wurde sie psychotherapeutisch behandelt, mit Gesprächen, Hypnose, sowie zusätzlich mit Psychopharmaka. Nichts davon half, es wurden anfänglich lediglich die Symptome gemildert. Nach einigen Monaten galt sie als austherapiert, ein hoffnungsloser Fall, so hieß es. In dieser desolaten Lage sah meine Schwester nur noch eine Option, den Ausstieg aus ihrem bisherigen Leben. Sie brach alle Therapien ab, dröhnte sich bis an die gerade noch verträgliche Grenze mit sedierenden Substanzen zu, um so einigermaßen unbeschadet das seelische Chaos hinter sich lassen zu können, um an irgendeinem anderen Ort des Planeten wieder bei Null anzufangen – das waren ihre Worte des dramatischen Abschieds an Familie und Freunde.
Ich hörte lange Zeit danach nichts von meiner Schwester. Dann die erste Nachricht, ein handgeschriebener Luftpostbrief, abgestempelt in einer indischen Stadt namens Tiruvannamalai. Sie wäre nur noch analog unterwegs, so erklärte sie diese Art der Nachrichtenübermittlung. Denn obwohl inzwischen von ihrer Phobie befreit, lehne sie digitale Technik inzwischen grundsätzlich ab, wegen der auf Zahlenreihen basierenden Algorithmen. Darauf muss man erst mal kommen. Alles andere fühle sich in ihrem neuen Dasein ebenfalls gut und richtig an, so beschrieb sie es, ein einfaches Leben ausschließlich den natürlichen Bedürfnissen untergeordnet. Ihr neuer Lebensmittelpunkt wäre nun ein Ashram, in dem sie strenge ayurvedische Regeln einhält, perfektioniert durch Meditation und intensives Yoga – ein Streben nach spiritueller Vollkommenheit, so heißt es weiter im Brief meiner Schwester. Und zum Schluss das Beste: Von ihrer Phobie wurde sie auf diese Weise erlöst. Den Erfolg dieser Befreiung hatte sie in einem Selbstversuch demonstriert: Sie hatte ihren Geburtstag absolut beschwerdefrei gefeiert - letztes Jahr im Januar, an einem Freitag, den 13.
Heute kann ich über so etwas lachen, ich bin fern ab von jedem Aberglauben, so wie inzwischen fast alle in meiner Familie. Bis auf meine vier Jahre jüngere Schwester, für die ist das Datum 13. ein besonderes. Ihr Problem damit fing harmlos an, man scherzte gerne über diesen Mythos um die Zahl dreizehn. Später wurde er aber zu einer folgenschweren Belastung für sie, als sie ihre Prüfung zur PTA an einem Freitag, den 13. ablegen sollte. Dieses zu verschieben war nicht möglich, schon gar nicht mit der Begründung Aberglaube. Sie geriet in Panik. Ihre Befürchtung trat ein, sie fiel durch das Examen. Ich meinte, wegen mangelhafter Vorbereitung; sie war vom Fluch dieses Unglücksdatums überzeugt. Das traumatische Erlebnis um diese mystische Zahl herum verursachte bei meiner Schwester in der Folge eine panische Angst vor der Zahl 13. In ihrem Umfeld nahm sie niemand damit ernst. Ja klar, dieser seltsame Freitag, der dreizehnte Platz von Judas beim Abendmahl mit Jesus, die fehlende dreizehnte Etage in Fahrstühlen, keine Reihe 13 in Flugzeugen, kennt man alles, blah, blah, blah..., so die einhellige Meinung. Aber meine Schwester litt. Nachweislich. Und dies nicht unerheblich. Sie musste deswegen fachärztlich behandelt werden, Diagnose, Triskaidekaphobie , volkstümlich: Angst vor der Zahl 13. Die Behandlung zog sich dahin. Und es war keine Verbesserung in Sicht, stattdessen eine signifikante Verschlechterung.
Aus dieser Angststörung, anfänglich ausschließlich in Bezug auf diese spezielle Zahl, entwickelte sich ein generalisiertes Problem; bei ihr wurde eine Arithmophobie diagnostiziert, eine irrationale Angst vor Zahlen im Allgemeinen. Sie musste nun generell Zahlen meiden, so schwierig das auch sein mag. Parallel dazu wurde sie psychotherapeutisch behandelt, mit Gesprächen, Hypnose, sowie zusätzlich mit Psychopharmaka. Nichts davon half, es wurden anfänglich lediglich die Symptome gemildert. Nach einigen Monaten galt sie als austherapiert, ein hoffnungsloser Fall, so hieß es. In dieser desolaten Lage sah meine Schwester nur noch eine Option, den Ausstieg aus ihrem bisherigen Leben. Sie brach alle Therapien ab, dröhnte sich bis an die gerade noch verträgliche Grenze mit sedierenden Substanzen zu, um so einigermaßen unbeschadet das seelische Chaos hinter sich lassen zu können, um an irgendeinem anderen Ort des Planeten wieder bei Null anzufangen – das waren ihre Worte des dramatischen Abschieds an Familie und Freunde.
Ich hörte lange Zeit danach nichts von meiner Schwester. Dann die erste Nachricht, ein handgeschriebener Luftpostbrief, abgestempelt in einer indischen Stadt namens Tiruvannamalai. Sie wäre nur noch analog unterwegs, so erklärte sie diese Art der Nachrichtenübermittlung. Denn obwohl inzwischen von ihrer Phobie befreit, lehne sie digitale Technik inzwischen grundsätzlich ab, wegen der auf Zahlenreihen basierenden Algorithmen. Darauf muss man erst mal kommen. Alles andere fühle sich in ihrem neuen Dasein ebenfalls gut und richtig an, so beschrieb sie es, ein einfaches Leben ausschließlich den natürlichen Bedürfnissen untergeordnet. Ihr neuer Lebensmittelpunkt wäre nun ein Ashram, in dem sie strenge ayurvedische Regeln einhält, perfektioniert durch Meditation und intensives Yoga – ein Streben nach spiritueller Vollkommenheit, so heißt es weiter im Brief meiner Schwester. Und zum Schluss das Beste: Von ihrer Phobie wurde sie auf diese Weise erlöst. Den Erfolg dieser Befreiung hatte sie in einem Selbstversuch demonstriert: Sie hatte ihren Geburtstag absolut beschwerdefrei gefeiert - letztes Jahr im Januar, an einem Freitag, den 13.