tristan

G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]tristan


und als ich aufwachte füllte ein
[ 4]liebes gesicht meine spiegel
wimpern strahlten von grünen
[ 4]sternen durch lider wie disteln

schnell warf das kopfkissen ich vor die
[ 4]kamera legte die hände
um ihren nacken und als ich mich
[ 4]drehte da rissen die schläuche

aus meinem arm und mein saft über
[ 4]schwemmte das weißzeug der ärztin
mit ihren tränen ertränkte sie
[ 4]mich dann verschluckte sie selbst sich

an meinem blut nein sie atmet es
[ 4]ein und vergurgelt ihr leben
klappe zu alle tot stille braust
[ 4]auf in der brandung der hörer
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Es hätte natürlich auch unter "feste Formen" stehen können, da es konsequent daktylische Hexameter sind, d.h. ohne Spondeen. Aber ich wollte die Verse lieber so aufbrechen, wie hier zu sehen ist. Der erste Vers steigt auch nicht unbedingt anfangsbetont ein.
Das Brangäne-Lied, das sich auf den Gesang der Wächterin bezieht ("Einsam wachend in der Nacht ..."), ist das eine der beiden hier nun unter die Lupe gelegten Tristan-Gedichte, dies hier nun ist das "eigentliche", aber ironisch distantiertere andere Lied zur mystischen (schopenhauerianisch-buddhistischen) Wagner-Oper.
 

Perry

Mitglied
Hallo Mondnein,

die skurrilen Bilder sind wohl der Handlungsvorlage geschuldet, weshalb ich mich mehr auf die sprachliche Umsetzung konzentrieren möchte:

"wimpern strahlten von grünen
sternen durch lider wie Disteln"

Hier lässt mich mein Vorstellungsvermögen im Stich. :)
Dass Wimpern wie Disteln getuscht sind finde ich gut getroffen, aber dass sie wie grüne Sterne durch Lider strahlen ist mir zu abgehoben.

Den Hinweis auf die feste Form hast Du ja gegeben,
weshalb ich die Satzverdrehung

"schnell warf das kopfkissen ich vor die"

nicht für gelungen halte, aber das ist als freier Schreiberling nicht meine Baustelle.
(Ähnlich bei "sie selbst sich")

Ist der Wechsel in die Gegenwartsform in der letzten Strophe Absicht?

Soweit meine Anmerkungen, vielleicht helfen sie Dir ja weiter.

LG
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
@Perry

Ich denke, es ist nicht so schwierig, wie Du es Dir machst, Perry.
Du hast offensichtlich noch nie gesehen, daß ein Text vom Präteritum ins Präsens springt. Das kann man tun, um in die Dramatik einzusteigen (es handelt sich immerhin um ein Drama), aber es kann auch die Perspektive anzeigen: Das im Präteritum Erzählte ist vorbei, das im Präsens Gegenwärtige ist aktuell, geschieht gerade (noch).

Die harmlosen Inversionen lasse ich so, wie sie sind.

Wichtiger die Anmerkung zum ersten Bild. "Sterne" als Metaphern für "Augen" sind wohl redundant abgesichert durch die "Lider". Von der Pupille und der ("grünen") Iris aus kann man die wimpern strahlenförmig vor den Lidern sehen, ihre Striche streichen durch das Feld der Lider. Sieht aus wie Disteln. Die Bilder sind zweidimensional, denn das Bühnenwerk ist hier zum Film verflacht.

Die New Yorker Met läßt ihre Operninszenierungen live als Filme miterleben, morgen z.B. Puccinis Turandot; aber ich "verfilme" (verflache und pointiere) hier das berühmte Initiationswerk der musikalischen Moderne gewissermaßen selbst.

Das Skurrile der Handlung ist von mir nicht kopiert worden, es ist meine Ver-Dichtung (und Verflachtung, s.o.) des Wagnerschen Tristan.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
@Perry

Wenn wir uns hier über "konstruktive Vorschläge unterhielten, würde ich mich um die von Dir, Perry, durchaus zu Recht angemerkten Inversionen kümmern. Aber der Forenredakteur sieht unsere Argumente als bloße "spontane Leseeindrücke" an, und dem beuge ich mich.
 

Perry

Mitglied
Hallo Mondnein,

natürlich sind mir Zeitenwechsel als Stilmittel geläufig, ich sah nur hier für mich keine dramatische Steigerung.
Konstruktive Vorschläge zu den Inversionen möchte ich nicht machen, weil ich da vermutlich mit der festen Form in Konflikt käme. :)
LG
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
natürlich reißt der Erzähler die Szene an sich mit seinem "nein! ...", und das heißt: er beobachtet unmittelbar, im Präsens.
"sie selbst verschluckte sich", nicht: "sie verschluckte sich selbst"; "selbst" ist Subjekt, nicht Objekt. Deshalb ist das keine Inversion.
Die andere Stelle, wo das Adverb den Satzanfang macht ("schnell warf ..."), ist eher frei (denn Deutsch ist nicht Englisch, wir haben keinen P-O-Block), bietet auch keine Verwechslungsgefahr von Subjekt und Objekt. Leider, denn ich liebe Mehrdeutigkeiten.

Danke fürs Reinschauen und Lesen.
Aber dennoch: Analytische Anmerkungen sollten nicht unter Textassoziationen eingebracht werden, sonst muß ich ja in diesem albernen Textassoziationen-Modus antworten, und das geht zu sehr am Lied vorbei.
 



 
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