Die Geschichte der Weihnachtsmärkte reicht zurück bis ins deutsche Spätmittelalter. Sie waren nie auf „Besinnlichkeit“ bedacht und entsprechend angelegt, sondern immer schon astreine Handwerkermärkte mit all ihren Begleiterscheinungen.
Wer ausgerechnet heute in diesen Märkten nach dem zu suchen beginnt, was er unter „Besinnlichkeit“ versteht, und meint, wenn er nicht fündig wird, den „Idioten“, die sich durch die Budenreihen schieben, mit seiner selbstgebastelten Moralinsäure-Brause kommen zu müssen, macht nicht das dortige Treiben schlecht, das nie ein anderes war, sondern sich selbst zum Narren.
Wer sich über Menschen erhebt, die eine Stadt und deren Märkte dicht zu besiedeln imstande sind und die es schaffen, sich so zu organisieren, dass jeder noch ein Maximum an Freiheit und Wohlleben finden kann, wenn er denn möchte, hat nicht begriffen, wie städtisches Zusammenleben funktioniert.
Wie dumm muss man sein, sich über ein paar Besoffene, die es immer und überall gibt, über den Geruch von Stoffwechselprodukten, über „Gedudel“ und „bettelnde Gören“ zu erheben, ja, alle miteinander in Bausch und Bogen als „besinnungslose Konsumenten“ abzustempeln, statt zu erkennen, dass diese Menschen gern zusammenkommen und dabei fröhlich sein und feiern wollen? Und nicht auf dem Schirm zu haben, dass die den Menschen ureigene Fröhlichkeit und ihre Fähigkeit zum friedlichen Miteinander gerade vor die Hunde zu gehen droht – nicht durch das Zeigefingergefuchtel und alberne Geuqäke ein paar frustrierter Besinnlichkeits-Pharisäer, sondern knallhart durch die Nagelbomben und die Schwerlastwägen außer Rand und Band geratener, halbirrer „Glaubens“fanatiker?
Niemand hinderte den kühnen Dichter, allein daheim zu bleiben, Früchtetee zu trinken, im neuen Testament oder einem Pornohefterl zu blättern und sich in „Besinnlichkeit“ zu üben. Sich aber mitten unter das Volk und seinen Trubel zu mischen, sich die Nase vor ihm zuzuhalten und von ihm zu verlangen, die Lichter auszudrehen, die Musik abzustellen und den Glühwein in den Gully zu schütten, ist nicht lührisch, sondern lächerlich.
@Ali verteilt keine Zensuren, schon gar keine anonymen. Das findet er blöd. Müsste er deine gegen die Menschheit gerichtete Suada benoten, o @Drickes, bekämest du eine glatte, runde Null.
Und jetzt: Nicht moralinsaure, sondern frohe Weihnachten!
Falls du doch heimlich über einen Weihnachtsmarkt schlurfen solltest: Denk auch an die vielen Bulletten und Bullen, die sich, damit du’s gefahrlos tun kannst, stundelang und schwer beladen vor Ort die Beine in den Bauch stehen und im Bedarfsfall den Kopf für dich hinhalten. Wünsch ihnen auch frohe Weihnachten und biete ihnen dein Lebkuchenherz an. Auch wenn sie’s nicht annehmen dürfen – freuen tun sie sich trotzdem ob der Geste. Es macht ihnen das berühmte, warme Weihnachtsgefühl, auch wenn’s draußen Minusgrade hat, die Latrine riecht und etwas aus einem Lautsprecher dudelt.
Heiter bis unsinnlich
aligaga