trümmer lied

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Mimi

Mitglied
trümmer lied

verweile, liebe nacht, verweile
der morgen brächte nichts als weh.
sei balsam mir für eine weile
eh fort in fremde welt ich geh.

hinaus in eine graue öde,
brach liegt das land im trüben matt,
vom klagen ward das herz mir spröde,
weh dem, der keine heimat hat.

spiel auf mein lied zur letzten zeile,
ich wünscht dein mond wär mir geleit.
verweile, liebe nacht, verweile,
sei mir ein trost in banger zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Liebe Mimi,

traurig, aber schön – schlicht, aber ansprechend – so ließe sich dieses Reimgedicht mit wenigen Worten charakterisieren. Sehr tröstlich, wenn im Gereimten solche harmonischen Verse aufblitzen. Hier zeigt sich sehr gut, wie eine passende Form den Inhalt trägt.

Anmerkungen:
Vers 2:
der morgen brächte bloß mir weh

Dieser Vers scheint mir etwas verunglückt. Gemeint ist hier ja (wohl): 'mir bloß weh', (im Sinne von 'nichts als weh'), die Umstellung in 'bloß mir weh' lässt jedoch vermuten, dass es allen anderen besser erginge.

Auch stört die Wiederholung des Personalpronomens (mir) im folgenden Vers 3.
Daher mein Vorschlag: der morgen brächte nichts als weh


Vers 8:
wohl dem, der eine heimat hat.

Die deutliche Anlehnung an den bekannten Nietzsche Vers (Vereinsamt: Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat! ) ist sicher beabsichtigt, ich würde aber angesichts des vorausgehenden Verses (vom klagen ward das herz mir spröde) eine negative Formulierung vorziehen: weh dem, der keine heimat hat.

Das sind allerdings nur Marginalien, die mir beim Lesen auffielen. Das Gedicht ist liedhaft schön (traurig), hat eine sanfte Melodie und wird durch die beiden letzten Verse wunderbar abgerundet. Die Sprache wirkt nicht erzwungen, ist einfach gehalten und doch eindringlich.

Gern gelesen & kommentiert.

Grüße
JB
 

Mimi

Mitglied
Vielen Dank, lieber James Blond, für Deinen aufmerksamen und konstruktiven Kommentar zu meinem Gedicht!

Zu Deiner ersten Anmerkung:
Du hast vollkommen recht, dass die Formulierung „bloß mir weh“ eine Lesart zulässt, die ich so nicht beabsichtigt hatte. Dein Vorschlag, „der morgen brächte nichts als weh“, ist in seiner Klarheit und Schlichtheit tatsächlich überzeugender und passt hier sehr gut zur Stimmung des Gedichts. Ich werde diesen Vorschlag übernehmen - er verbessert die Deutlichkeit der Aussage, ohne die Emotion zu mindern.


Zu Anmerkung Numero zwei:
Ich verstehe deine Überlegung zur negativen Formulierung in Vers 8 sehr gut, insbesondere da sie das Klagen über den Verlust und die Sehnsucht nach Heimat noch stärker betont.
Auch hier teile ich Deine Einschätzung.
Und ja, die Anspielung auf Nietzsches Gedicht war tatsächlich beabsichtigt.

Vielen Dank nochmals für diese wertvollen Anregungen ... Ich denke, jetzt klingt das Gedicht wesentlich "runder".

Gruß
Mimi

PS
würde mich freuen, (demnächst) wieder etwas von Dir hier zu lesen ...
 

Frodomir

Mitglied
Liebe Mimi,

ich finde dein Gedicht auf mehreren Ebenen bezaubernd und gut. Zu nennen wären die sanfte Melodie, die dein Lied durch das Reimschema und die Wortwahl vermittelt, aber die gerade durch den Vorschlag von James Blond (weh dem, der keine Heimat hat) eine gute Portion Dunkelheit und Kraft bekommt. Das ist in meinen Augen eine richtig gute Verbesserung.

Und zu nennen wäre auch die Wahl der Sprache, welche wie eine aus dem 19. Jahrhundert anmutet. Und dies meine ich in keiner Weise negativ im Sinne von antiquiert oder obsolet, sondern ich empfinde dein Gedicht trotz dieser Sprache nicht als unmodern. Eher ist es zeitlos und von solcher Lyrik bin ich ein großer Fan!

Liebe Grüße
Frodomir

PS: Frohe Weihnachten :)
 



 
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