TÜV...

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yza

Mitglied
TÜV...:eek:


Ein junger Mann betritt die Bildfläche. Es ist 1969, genauer gesagt, es ist der 13. Juli 1969 und er überquert den großen Startplatz, der Apollo 11 Rakete in Houston Texas und erreicht die Abschussrampe unbemerkt um 02:17:43 UTC-Zeit, in einer klaren, wolkenlosen Nacht. Allein der weiß glänzende Mond steht hoch am Himmel. Es ist Vollmond und er strahlt kugelrund in seiner ganzen Schönheit.

Am Fuße der Startrampe, an der imposanten Saturn V Rakete nach oben blickend, schüttelt der junge Mann fassungslos den Kopf. Er blickt weit nach oben in das bizarre Gebäude aus Stahl, welches die Aufrecht stehende Saturn V Rakete stabilisiert. Er nimmt die Treppe der Startrampe, hin und wieder berührt er die losen verlegten Kabel, befingert die Außenhaut des Flugkörpers, welcher Menschen auf den Mond bringen soll. Oben an der Kanzel, in die sich 3 Menschen hineinzwängen werden, angekommen, muss er lachen. Sein Lachen ist fröhlich, ein wenig spöttisch. Er klettert hinein in die Luke, sieht sich um und holt ein kleines Gerät aus der Tasche. Immer noch ein Grinsen auf den Lippen, betastet er die Armaturen in der Kapsel, zwängt sich in einen der unbequemen Sitze. Das kleine Gerät piepst lustig vor sich hin und leuchtet bunt auf.

Nachdenklich schüttelt er den Kopf, steckt sein kleines funkelndes und piepsendes Gerät wieder weg und verlässt die Bildfläche.



Wir sehen diesen jungen Mann einige Tage vorher wieder, in Baikonur, an der russischen Raketenabschussbasis, wo er sich am Tage unter die russischen Menschen gemischt hat. Hier ist das Trainingslager der Kosmonauten, die tagtäglich in metallenen Zentrifugen herumgewirbelt werden, in Wassertanks tauchen, in Behälter pusten und sich an Gummiseilen befestigt, in die Tiefe stürzen. An der Rampe steht die Soyuz 5 Rakete, welche sowjetische Kosmonauten in den Weltraum bringen soll.



Er bleibt im Hintergrund und beobachtet was während der Startvorbereitungen passiert...

Er weiß, das Kosmodrom Baikonur ist neben Cape Canaveral in der USA, der berühmteste Raketen Startplatz der Welt. Er weiß genau über die beiden Örtlichkeiten Bescheid. Hier wurde der erste künstliche Satellit der Menschheit, Sputnik 1, gestartet. Baikonur dient im Augenblick des Jahres 1969 als Startplatz für sämtliche bemannte und unbemannte Missionen Russlands.

Unauffällig belauscht er ein Gespräch in einem der Aufenthaltsräume. Ein Mann namens Igor sagt: “In so einer Kapsel sitzt du am Sonntag mindestens 4 Stunden lang. Eingepackt in deinen Raumanzug und festgeschnallt, kannst du im eigenen Schweiß lange warten, bis sich da draußen Mal was bewegt.“
Der andere sagt: „Klar, mach ich doch, um das Erleben zu können. Ist doch nur Training.“
Der Beobachter lächelt in sich hinein und verschwindet ungesehen.

Nachts kommt er wieder und geht durch die Gänge des Hauptgebäudes der russischen Station. Etliche Bilder hängen an der Wand von verschiedenen Besatzungen der russischen Weltraumgeschichte. Er erkennt die Pioniere: Gagarin, Leonov, Komarow und der Kopf der gesamten sowjetischen Raumfahrt Koroljow, um nur einige wenige zu nennen.

"Verdammt", denkt er, "Sie hatten Mut!".


Die Zeit drängt, schnell noch zur Zentrifuge und ans Tieftauchbecken. Die Zentrifuge ist unglaublich groß. Er steht in einem Raum, der mindestens 50 oder 60 Meter breit ist und 20 Meter hoch. Sie ist unvorstellbar groß und ihm wird irgendwie flau im Magen, als er sich vorstellt, mit diesem Stahlkoloss auf eine, im wahrsten Sinne des Wortes, Rundreise zu gehen und zu fühlen, was es heißt, mit 4, 6, 9 oder sogar 10G in den Sitz gepresst zu werden!

In den letzten Nächten war er öfters hier gewesen, genauso wie in Cape Canaveral wollte er alles wissen. Gestern hatte er den Jastreb-Raumanzug, wie auch den völlig neu entwickelten Sokol Raumanzug ausprobiert und das Ausziehen des Sokols erwies sich als martialische Tortur.

Er versuchte in den Raumanzug zu steigen. Dazu musste er die beiden V-förmig auf der Vorderseite angebrachten Reißverschlüsse öffnen, um in die darunter liegende große schlauchförmige Öffnung in der Druckhülle vorzufinden. Er versuchte es zum Glück von Anfang an mit den Füßen zuerst und führte dann seine Arme durch die dafür vorgesehenen Öffnungen. Dann steckte er am Ende den Kopf von unten in den Helm. Zur Abdichtung wurde dann alles noch mit elastischen Bändern fixiert. Am Boden wurde dieser Raumanzug mit einem tragbaren Belüftungsgerät verbunden, um die Kühlung des Anzugs zu gewährleisten.

Diese Aktion war für den jungen Mann nicht einfach mit diesem menschlichen Körper!

Er versuchte seinen Hals wie eine Schildkröte, in Richtung Schultern zurückziehen und dabei seinen Rücken ganz gerade durchzudrücken. Alles zu gleicher Zeit. Mit beiden Händen drückte er gegen den Metallring, wo der Helm in einem Stück an den Anzug angepasst war. Nach 5 Minuten flutschte der Aluminium-Ring über seinen Schädel und ein erleichtertes Aufatmen erfolgte.
Nachdem er sich dann des Sokols wieder entledigt hatte, versuchte er ihn wieder ordentlich zusammen- und zurückzulegen. In diesem Prototyp und Vorläufer des Sokol-K kam er sich vor, wie ein kleines Menschenkind, dessen Windeln gewechselt wurden.
Nun folgt noch ein spezieller Kälteschutzanzug, den er auch unbedingt ausprobieren will...

Auch das war eine Tortur. Er muss sich recken und strecken. Dies ist für einen Mann mit seiner Statur nicht einfach! Nachdem dies geschafft ist, empfindet er erneut Hochachtung für diese Kosmonauten der UdSSR.


Er erinnert sich kurz, als er den Wasseranzug "Forell", ein aus Gummi bestehender Ganzkörperanzug, einmal anprobiert hatte. Auch so eine Erfindung der Menschen, nicht um auf andere Planeten zu reisen, sondern um ihre eigene Tiefsee zu erkunden, über die sie im Grunde weniger wussten, als über ihren Mond.

Er zog damals diesen "Forell" über seine Beine bis zur Hüfte, danach all die anderen Sachen über die Schultern, die Hitze wurde schnell unerträglich. Er kam sich vor wie ein Pinguin, auch wenn ihm dazu, der realistische Vergleich fehlte. Wenn er so richtig darüber nachdachte, war der Name des Anzugs, 'Forell', auch irgendwie klar, denn man sollte sich mit diesem Anzug unter Wasser, wie eine Forelle bewegen können. Vielleicht aber doch eher eine Wunschvorstellung, mit 4 Schichten Kleidung unter dem 'Forell', war Bewegung fast unmöglich. Beim Ausziehen wünschte er sich damals mehrere helfende Hände, die an ihm zerren würden, um die vorher angelegten Kleidungsstücke wieder von seinem menschlichen Körper zu bekommen.



Er geht weiter durch die dunklen Gänge und in weitere anschließende Räume. Niemand ist hier. Geschlossene Türen öffnet er wie mit Geisterhand. Das Wasserbassin ist nicht so groß wie das in Houston im Johnson Space Center der NASA, aber irgendwie imposanter. Die Arbeitsbühne ist komplett versenkbar, im Moment steht das Versorgungsmodul mit der Luftschleuse da drauf.

Immer wieder benutzt er sein kleines Gerät, was so lustige Piepstöne erzeugt und bunt aufleuchtet und blinkt. Er scannt damit die verschiedenen Gerätschaften. Dann betritt er noch etliche Büros, kramt in Schubläden, startet Computer.

Langsam macht sich die Müdigkeit des langen Tages bemerkbar, und er geht in Richtung Sputnik Hotel, aber einen anderen Weg, um einen See herum. Irgendwie will ihm nicht in den Kopf, dass diese Menschen so einen starken Ehrgeiz besitzen, in den Weltraum aufzubrechen.

Es ist knapp nach halb vier, am frühen Morgen und er sitzt alleine an einem spartanischen Frühstückstisch im Hotel. Er hatte Glück, dass der nette russische Nachtportier des Sputnik Hotels, ihm noch etwas aus der Küche geholt hat. Er spricht in das kleine Gerät in einer fremden Sprache, er sagt: "Ich bin fertig, ihr könnt mich gleich hochholen."

Prompt kommt eine Antwort aus seinem Gerät: "Und, was sagst du?"

Er lächelt und antwortet: "Sie sind verrückt, mit diesem Schrott aufzubrechen, aber es könnte klappen."

Die Stimme aus dem Gerät fragt: "Und die anderen, von der anderen Seite?"

Er sagt: "Die sind auch nicht besser, aber es ist alles ungefährlich, sie haben keine atomaren Antriebe. Wir können sie fliegen lassen. Lasst mir bitte noch 15 Minuten Zeit, ich gehe dann auf mein Zimmer."

Aus dem Gerät hört man noch: "Ok, wir sind bereit... Ab jetzt genau in 15 Minuten!"

Der junge Mann stopft sich noch das Vollkornbrot, mit einer undefinierbaren Wurst belegt, in den Mund. Er kaut hastig. Dann stopft er eine einsame Tomate von seinem Teller hinterher. Er schlürfte an seiner Tasse, die mit schwarzer Flüssigkeit gefüllt war, jedoch mit dem Kaffee, den er in den USA getrunken hatte, nicht zu vergleichen war. Dann verlässt er den Raum und benutzt den Fahrstuhl, der ihn in den 5. Stock des Sputnik Hotels bringt. Er geht auf sein Zimmer, entledigt sich seiner Kleidung, setzt sich nackt auf das Bett und wartet.

Kurz darauf verändert er seine Farbe. Seine Haut fängt an, leicht bläulich zu schimmern. Dann verformt sich sein gesamter Körper zusehends und er wird zu einem insektenhaften Wesen mit auffallend großen Augen. Er leuchtet förmlich in einem türkisblauen Farbton. Aus dem kleinen Gerät kommt ein kräftiger gleißend weißer Lichtstrahl und saugt ihn komplett in sich hinein. Er ist weg, keine Spur mehr von ihm. Das Zimmer ist leer, nur das kleine Gerät liegt auf dem Bett und blinkt noch immer lustig vor sich hin. Mal rot, mal blau. Dann ein kurzer weißer Blitz und das Gerät verschwindet und hinterlässt Nichts.



In der Umlaufbahn der Erde befindet sich ein Raumschiff mit ebensolchen insektoiden Lebewesen an Bord. Dort spuckt ihn eine Maschine mit weißen Lichtstrahlen wieder aus. Die gesamte Besatzung erwartet ihn. Er wird herzlich begrüßt und viele freundliche insektenhafte Gesichter blicken ihn erwartungsvoll an. Sie scheinen aus dem Häuschen zu sein und wollen sofort seinen Bericht hören. Sie setzten sich alle in den gemeinschaftlichen Aufenthaltsraum des Raumschiffs und er fängt an, zu erzählen. Sie können es nicht fassen, dass diese Humanoiden in den Weltraum aufbrechen wollen.

Er schlürft einen doppelten Sirius-Centauri-Cocktail. Mit am Tisch sitzen seine türkisbläulich leuchtenden Freunde, die irgendwie fast körperlos erscheinen und er erklärt mit lächelnder Miene, wie die Untersuchung, sozusagen eine Art Überprüfung oder Abnahme, dieser irdischen Weltraumstationen gelaufen ist. Er war nun insgesamt 3 Wochen auf der Erde und sowohl im Westen, wie im Osten. Dann sagt er abschließend: "Sie sind wirklich keine Bedrohung für uns. Nur für sich selbst…! Mit diesem Schrott zu ihrem Mond und überhaupt in den Weltraum aufzubrechen, verlangt unseren Respekt."

Dann lacht er sehr herzhaft und seine Zuhörer mit ihm.

Der Menschheit erste Weltraumgerätschaften erhielten in diesen Tagen den ersten offiziellen, intergalaktischen "TÜV" Stempel, einer vereinigten außerirdischen Abordnung, in Vertretung durch diese insektenhaften Aliens.

Später wurde der intergalaktische Rat darüber informiert und alle atmetet erleichtert auf, dass diese Menschen, erstmal keine Gefahr für den Weltraum darstellten. Man wusste, dass sie schon in der Lage waren nukleare Waffen herzustellen, doch sie waren weit davon entfernt in die weiten des Weltraums aufbrechen zu können. Man konnte für diese Menschen nur hoffen, dass sie mit diesen Gerätschaften heil bis zu ihrem Mond und zurückkommen werden. Diese Raketen, wie sie sie selbst nannten, machten keinen vertrauenswürdigen Eindruck, aber waren anderseits technisch auch nicht zu verachten. In jedem Fall hatten diese Menschen Mut und die Außerirdischen neideten Ihnen nichts und hofften für sie, dass ihre Reisen erfolgreich verlaufen werden.

Wie wir alle wissen, erreichten nur die Amerikaner den Mond und die Russen stoppten ihr Vorhaben, aufgrund der hohen Kosten.
 
G

Gelöschtes Mitglied 27550

Gast
Das kleine Menschlein mit seinen ach so großen Visionen.
Gerne gelesen.

LG.
S.
 

petrasmiles

Mitglied
Auch gerne gelesen, der opulente Stil hat kaum gestört, weil viele Informationen gegeben wurden - und man doch sehr gerne wissen wollte, wer sich da so unerkannt und mühelos durch die Top-Secret-Areas bewegen kann.
Nur den letzten Satz würde ich weglassen. Bis dahin ist man drin in der Geschichte, dann habe ich auf einmal den Autor vor der Nase. Das ist, als würde ein Schauspieler nach seiner Szene fröhlich in die Kamera winken ...
Liebe Grüße
Petra
 



 
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