Turm im Innern

Hera Klit

Mitglied
Für die Revolution ist es nie zu spät (Song in G-Dur)

Die Müllabfuhr rumpelt mich vor der Zeit raus,
aber ich bleibe noch etwas liegen in meinem halb leeren Bett,
weil mich niemand erwartet.
Manche habe ich vergrault, die jetzt hier liegen könnten,
andere zeigten mir den Finger.

Die Kinder an der Bushaltestelle ziehen
dem dummen Alten lange Nasen.
Sie kennen die Gefahr des Alterns noch nicht.
Jugend im Überfluss.
Das Leben wird auch sie dereinst aufklären.

Am Imbiss vor dem C&A hole ich einen Kaffee to go
und zwei trockene Käselaugenstangen.
Frühstück und Mittagessen in einem.

Die Werktätigen sind schon lange werktätig
und langbeinige Studentinnen stricken längst
in überfüllten Hörsälen.

Ich kann tun, was ich will,
das macht die Auswahl so groß.
Warum schmieden wir nie unser Glück,
wenn wir Zeit dazu hätten?

Ich setze mich auf die Bank am
Bismarckbrunnen und werfe
dem Taubenheer Krumen zu,
wie die Rentner es früher taten,
als ich sie noch verachtete.

Refrain:
Für eine Revolution ist es längst zu spät,
wenn man Inkontinenzwindeln trägt.


Hölderlin dämmerte siebenunddreißig Jahre im Turm,
ich gehe noch raus, mische mich aber nicht mehr ein.
Ich bin schon froh, wenn ich mich unters Volk mischen darf.

Dort drüben in der Justus-Liebig-Halle, lauschte ich einst
Joschka Fischers revolutionären Ideen.
Als er fettleibig wurde und Außenminister-Gourmet,
fand ich ihn nicht mehr so sexy.

Wie sagte schon Mike Tyson, der Philosoph?:
„Wenn man in Seidenlaken aufwacht, ist
es schwer, in den Ring zu steigen.“

Das, wofür wir damals kämpften,
haben andere, die heute fest im Sattel sitzen verraten
und ich habe es längst vergessen.

Hölderlin gelangen am Ende noch hübsche Zeilen
und ich kotze so was aus.


Es geht nicht mehr darum, Risse aufzutun,
es geht darum, Risse zu kitten.

Outro:
Für die Revolution ist es nie zu spät,
Für die Revolution ist es nie zu spät,
Für die Revolution ist es nie zu spät,
Für die Revolution ist es nie zu spät,

Fade Out...
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Guten Morgen, liebe Hera,

gefällt mir ausnehmend gut.
Einzig mit der letzten Strophe habe ich ein kleines Problem.
Mal abgesehen davon, dass sie mit einer Zeilenschaltung mehr sich optisch absetzt, sie ist auch als Allgemeinplatz nicht so 'souverän' wie die übrigen 'Erkenntnisse' (Bilder?), die mir sofort einleuchteten. Ich habe sie nicht als Risse wahrgenommen, sondern eher so, dass mit der Reife ein Bild zurechtgerückt wurde - um im Text zu bleiben, J. Fischer wurde nicht über Nacht ein anderer, sondern wir haben nur einen Teil seiner Persönlichkeit wahrgenommen oder wahrnehmen können und haben dieses Bild komplettieren können - ich sehe da keinen Riss. Und da ist auch kein Kitten möglich oder notwendig. Kurz gesagt: Das Bild passt nicht. Die Zeitläufe sind auch nicht so, dass die Jugend Risse auftut und die Alten sie kitten wollten.
Ich ahne, dass das, was Du sagen willst, eher darauf abzielt, dass Dein LyrI Frieden mit sich, seiner Jugend, seiner Zeit machen will und dieses Risse-Bild so ein resignativer Seufzer ist, oder eine Art neuer Schlachtruf? Wie auch immer - hier verlässt du für mein Gefühl den Boden der Allgemeingültigkeit, den das Gedicht für mich ansonsten hat.

Liebe Grüße
Petra
 
G

Gelöschtes Mitglied 24694

Gast
Hallo Hera Klit,

auch mir gefällt dein Text mit der Erkenntnisgewinnung sehr gut, die natürlich ein Stück weit lebensresümierend sind.

Stufe um Stufe
geht Lyrich den Turm im Inneren herunter, aus dem Selbsterhaltungstrieb heraus
da es gilt die Risse, die beim Aufsteigen enstanden sind zu schließen
Ein wenig schwingt revoluzzermäßger Trotz mit.

Wie man den ein oder anderen Menschen sieht, gesehen hat ist der Zeit und der eigenen Entwicklung/Meinungsbildung geschuldet, die sich eben verändern kann.

Ein lieber Gruß
AVALON
 

Hera Klit

Mitglied
Guten Morgen, liebe Hera,

gefällt mir ausnehmend gut.
Einzig mit der letzten Strophe habe ich ein kleines Problem.
Mal abgesehen davon, dass sie mit einer Zeilenschaltung mehr sich optisch absetzt, sie ist auch als Allgemeinplatz nicht so 'souverän' wie die übrigen 'Erkenntnisse' (Bilder?), die mir sofort einleuchteten. Ich habe sie nicht als Risse wahrgenommen, sondern eher so, dass mit der Reife ein Bild zurechtgerückt wurde - um im Text zu bleiben, J. Fischer wurde nicht über Nacht ein anderer, sondern wir haben nur einen Teil seiner Persönlichkeit wahrgenommen oder wahrnehmen können und haben dieses Bild komplettieren können - ich sehe da keinen Riss. Und da ist auch kein Kitten möglich oder notwendig. Kurz gesagt: Das Bild passt nicht. Die Zeitläufe sind auch nicht so, dass die Jugend Risse auftut und die Alten sie kitten wollten.
Ich ahne, dass das, was Du sagen willst, eher darauf abzielt, dass Dein LyrI Frieden mit sich, seiner Jugend, seiner Zeit machen will und dieses Risse-Bild so ein resignativer Seufzer ist, oder eine Art neuer Schlachtruf? Wie auch immer - hier verlässt du für mein Gefühl den Boden der Allgemeingültigkeit, den das Gedicht für mich ansonsten hat.

Liebe Grüße
Petra
Vielen Dank, liebe Petra.


Nun, die Altersmilde verleitet dazu, keine Risse mehr aufreißen zu wollen, aber das gilt eher für das private Umfeld.

Joschka Fischer habe ich nie verziehen, ihm würde ich immer noch gerne im Frankfurter Straßenkampf
einen Knüppel überziehen für seinen Verrat an unserer Generation. Da ich Gewalt ablehne, wird es nie dazu kommen.


Liebe Grüße
Hera
 

Hera Klit

Mitglied
Hallo Hera Klit,

auch mir gefällt dein Text mit der Erkenntnisgewinnung sehr gut, die natürlich ein Stück weit lebensresümierend sind.

Stufe um Stufe
geht Lyrich den Turm im Inneren herunter, aus dem Selbsterhaltungstrieb heraus
da es gilt die Risse, die beim Aufsteigen enstanden sind zu schließen
Ein wenig schwingt revoluzzermäßger Trotz mit.

Wie man den ein oder anderen Menschen sieht, gesehen hat ist der Zeit und der eigenen Entwicklung/Meinungsbildung geschuldet, die sich eben verändern kann.

Ein lieber Gruß
AVALON
Vielen Dank, lieber Avalon.

Ich sehe Fischer immer noch genauso wie damals, als er die Turnschuhe plötzlich auszog.


Liebe Grüße
Hera
 

petrasmiles

Mitglied
Vielen Dank, liebe Petra.
Nun, die Altersmilde verleitet dazu, keine Risse mehr aufreißen zu wollen, aber das gilt eher für das private Umfeld.

Joschka Fischer habe ich nie verziehen, ihm würde ich immer noch gerne im Frankfurter Straßenkampf
einen Knüppel überziehen für seinen Verrat an unserer Generation. Da ich Gewalt ablehne, wird es nie dazu kommen.


Liebe Grüße
Hera
Das kann ich beides gut nachvollziehen!

Liebe Grüße
Petra
 



 
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