Tussi Schwafel

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hdlukas

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Tussi Schwafel und das Gelbe Huhn

"Natürlich bin ich gelb", sagte das gelbe Huhn."Sieht man doch."

"Ja, aber...", sagte Tussi Schwafel.

"Nix, ja aber", unterbrach das gelbe Huhn. "Ich war als Kind schon gelb."

"Als Küken", sagte Tussi Schwafel. "Küken nennen wir das."

"Mag ja sein, dass ihr das so nennt", sagte das gelbe Huhn ärgerlich. "Aber ich bin ein Huhn"

"Ja, eben", erregte sich Tussi Schwafel.

"Du scheinst ja furchtbar kompliziert zu sein", meinte das gelbe Huhn.

Tussi Schwafel wechselte das Thema.
"Warum zuckt dein Kopf denn immer zum Boden?"

"Weil ich alles aufpicke, was man essen kann."

"I gitt", ekelte sich Tussi Schwafel. "Das kann doch alles nicht schmecken."

"Hah, und wie", schwärmte das gelbe Huhn.
"Was frisst du denn?"

"Isst", sagte Tussi Schwafel. "Also ich esse am liebsten ein schönes gegrilltes halbes.....äh.....äh.....Stück Tofu.“

Tussi Schwafel lächelte etwas verkrampft.
"Und du hältst das also für völlig normal, gelb zu sein?", lenkte sie ab.

"Selbstverständlich!"

"Warum sind denn die anderen Hühner nicht gelb?"

"Es gibt eben immer Angeber, die auffallen wollen", sagte das gelbe Huhn. Und nach einer Pause: "Sag mal, wieso hast du mich überhaupt angesprochen?"

"Weil Gelb meine Lieblingsfarbe ist", erklärte Tussi Schwafel.

"Jetzt reichts aber mit der Farbe. Fällt dir denn sonst
nichts an mir auf?"

Tussi Schwafel schüttelte den Kopf.

"Na, denk mal richtig nach", regte das gelbe Huhn an.

"Ne, weiß nicht", resignierte Tussi Schwafel.

"Oh Mann", sagte das gelbe Huhn. "Ich kann sprechen!"

"Andere Hühner nicht?", staunte Tussi Schwafel.

"Das ist doch wohl nicht dein Ernst!", lachte das gelbe Huhn.

Etwas beschämt flüsterte Tussi Schwafel: "Du bist doch
das erste Huhn, das ich angesprochen habe."

Das gelbe Huhn bewegte den Kopf jetzt nicht mehr senkrecht
sondern ausgiebig waagerecht.

Tussi Schwafel wechselte wieder das Thema.
"Solltest du bei dir nicht mal gründlich saubermachen?", fragte sie.
"Du kriegst beim Essen ja lauter Dreck in den Mund."

"Du meinst, beim Fressen lauter Mist in den Schnabel", korrigierte das gelbe Huhn.
"Das stört mich nicht. Wozu saubermachen, und wie denn?"

"Ich könnte dir den Staubsauger von meiner Mutter leihen."

"Ich hab hier doch keinen Strom!"

"Es ist ein Akkustaubsauger."

"Aha", sagte das Gelbe Huhn.

"Der ist klein und leicht, den kannst du ohne weiteres in
die Hand nehmen", meinte Tussi Schwafel.

"Guck mich mal genau an", empörte sich das gelbe Huhn,
"und dann sag das noch mal!"

Tussi Schwafel guckte, dachte nach, begriff und schwieg.

Plötzlich lief das gelbe Huhn eilig in eine Ecke, blieb dort gackernd eine Weile sitzen und hinterließ stolz ein frisches Ei.

Das Ei war grün!

"Das Ei ist ja ganz grün", rief Tussi Schwafel.

"Eier sind nun mal grün", erklärte das gelbe Huhn. "Du scheinst ja wirklich so gut wie gar nichts zu wissen."
"Welche Farbe haben denn die Eier, die du legst?"

"Ich lege doch keine Eier!"

"Ach ne", sagte das gelbe Huhn. "Dann bist du ja ziemlich nutzlos. Oder?"

"Nun lenk mal nicht ab", erregte sich Tussi Schwafel.
"Wieso sind deine Eier grün?"

Das gelbe Huhn wandte sich pikiert ab.
"Wenn dir alles farbliche an mir nicht passt, dann rede doch mit anderen Hühnern."

"Ich denke, die anderen Hühner können nicht sprechen."

"Dann redest eben nur du, und die Hühner hören dir zu."

Dieser Vorschlag gefiel Tussi Schwafel nicht schlecht.
Sie erzählte deshalb in der nächsten Zeit allen Hühnern
ausführlich, was ihr gerade einfiel. Die Hühner hörten ihr
ohne Widerspruch zu, und ab und zu brachte sie frische
Eier mit nach Hause. Braune und weiße.

Doch kurz vor Ostern dachte sie, dass ein grünes Ei zu
Ostern ganz passend wäre.

Sie fand das gelbe Huhn auf einem Wiesengelände nahe
einem Bauernhof zwischen vielen anderen Hühnern.

"Wie gut, dass du gelb bist", freute sich Tussi Schwafel.
"So kann man dich gut finden."

Das gelbe Huhn schwieg.
Es wusste inzwischen, dass normalerweise Hühner nicht
gelb waren und keine grünen Eier legten.
Das war nicht so gut für das Selbstbewusstsein.

"Sag mal, wie heißt du eigentlich?", fragte Tussi Schwafel.

"Was heißt, wie heißt du?"

"Na, wie ist dein Name?"

"Ich brauch keinen Namen", sagte das gelbe Huhn.
"Wenn man Gelbes Huhn sagt, weiß jeder, wer gemeint ist."
"Hast du denn einen Namen?"

"Ich heiße Tussi Schwafel. Das heißt, eigentlich Tusnelda
von Schwafel. Tusnelda, weil meine Urgroßmutter so hieß,
und ein von Schwafel erhielt seinen Namen vor langer Zeit
als erster Pressesprecher von Kaiser Karl dem Kuriosen."

Tussi Schwafel bemerkte plötzlich einen Ring am Hühnerbein.

"Sag mal, bist du etwa verlobt?", fragte sie.

"Quatsch!" Das gelbe Huhn lächelte. "Mich hat ein Züchter gekauft."

"Gekauft?", staunte Tussi Schwafel. "Ich glaube, meine Eltern haben mich umsonst gekriegt."

"Na ja", ätzte das gelbe Huhn. "Für jemanden, der keine
Eier legt, würde ich auch keinen Cent ausgeben."

Schnippisch sagte Tussi Schwafel: "Wenn sogar ein Huhn
wie du Eier legen kann, werde ich das ja wohl auch hinkriegen."

"Das möchte ich sehen", höhnte das gelbe Huhn.

"Mein Vater sagt, man kann alles gugeln.“
Keck fügte Tussi Schwafel hinzu, bevor sie verschwand:
"Ich komme morgen wieder und werde dir zeigen, was ich kann."

Am nächsten Tag kam Tussi Schwafel triumphierend mit
drei bunten Eiern zum gelben Huhn.
Aber der Schwindel flog sofort auf, als das gelbe Huhn mit
einem kurzen Pick feststellte, dass die Eier gekocht waren.

"So nicht, Tusnelda von Schwafel", giftete das gelbe Huhn.

"Das ist nur eine Übergangslösung", stotterte Tussi Schwafel verlegen. "Mein Vater war nicht da, und ich kann noch nicht allein gugeln."

"Ich hab´ keine Ahnung vom Gugeln", sagte das gelbe Huhn.
"Aber ihr könntet mal rausfinden, was eine Marktlücke ist."

"Marktlücke?"

"Ja. Der Züchter meint, grüne Eier sind eine Marktlücke
und deshalb will er möglichst viele davon. Das kann ich
allein natürlich nicht schaffen."

"Ja, und?"

"Der Angeber dahinten soll mir helfen."
Das gelbe Huhn drehte den Kopf zum Misthaufen.
Jetzt erst sah Tussi Schwafel den großen protzigen
Hahn, der mit lautem KIKERIKI auf sich aufmerksam
zu machen versuchte.

"Und der kann auch grüne Eier legen?", staunte Tussi Schwafel.

"Ne, ne, das funktioniert irgendwie anders."

"Na, da ich bin ich ja mal voll gespannt", zweifelte Tussi Schwafel.

Zu Hause erfuhr Tussi Schwafel, was eine Marktlücke ist.
Nämlich, wenn man etwas anbieten kann, was es bisher noch
nicht gab, und was dann vermutlich viele Leute haben wollen.

Außerdem aber erfuhr sie, dass jetzt ein langer Urlaub
beginnen würde. Sie sah also das gelbe Huhn lange Zeit nicht mehr.

Nach dem Urlaub führte der erste Weg natürlich zum gelben Huhn.
Am gewohnten Platz liefen jetzt viele, viele gelbe ständig schwatzende Küken umher. Der vor Stolz fast platzende Hahn stand auf dem Misthaufen und krähte, aber das gelbe Huhn war nicht zu sehen.

Tussi Schwafel rief laut: "Gelbes Huhn, wo bist du?"

Ganz kurz tauchte der Kopf des gelben Huhnes in einer
Schuppenöffnung auf.

"Du, ich bin voll im Stress", rief das gelbe Huhn gegen den
Lärm an. "Komm wieder wenn die Kinder schlafen."

"Küken", korrigierte Tussi Schwafel. "Ich will sehen, was sich machen lässt."

Abends schlich sich Tussi Schwafel aus dem Haus.
Sie fand das völlig erschöpfte gelbe Huhn neben dem Misthaufen.

"Na, wie gehts?"

"Das siehst du ja wohl", sagte das gelbe Huhn gereizt.

"Klappt das denn mit den grünen Eiern?", fragte Tussi Schwafel.

Das gelbe Huhn war jetzt noch gereizter.

"Seit wann legen Küken, wie du sie nennst, denn schon Eier?"

"Warum bist du denn so gereizt?"

"Hast du das denn nicht gehört?", erregte sich das gelbe Huhn,
"Sie können alle sprechen! Und das tun sie auch! Den ganzen Tag! Von morgens bis abends!"
Das gelbe Huhn war dem Weinen sehr nahe.
"Und dazu noch der Baulärm am Tag. Ich bin fix und fertig."

"Welcher Baulärm?"

"Hier wird ein großer Stall gebaut, um möglichst viele grüne Eier in die Marktlücke zu werfen."

"Oh", sagte Tussi Schwafel. "Das ist ja toll. Dann bekommt ihr also eine schöne neue Wohnung?"

"Ja", sagte das gelbe Huhn. "Ich hoffe, mit ausreichend vielen Kinderzimmern, damit ich mich auch mal zurückziehen kann."

Als Tussi Schwafel das gelegentlich ihrem Vater erzählte,
konnte dieser die Freude seiner Tochter nicht teilen.

"Ach du liebe Zeit", ärgerte er sich. "Noch eine Massentierhaltung mehr."
Dann erzählte er seiner Tochter, unter welchen erbärmlichen
Umständen die Hühner in solchen Ställen leben müssen.
"Nur die Anzahl der Eier ist wichtig!", erregte er sich. "Das Wohl der Tiere zählt überhaupt nicht."

Als Tussi Schwafel anfing zu weinen, hatte ihr Vater eine Idee.

"Du sagst, die Hühner können sprechen?", fragte er.

"Ja. Die reden mehr als ich."

"Oha", sagte der Vater, "das soll schon was heißen!“
Er gab seiner Tochter einen Kuss zur Beruhigung.
„Ich zieh mich mal zum Denken zurück. Wir reden morgen weiter."

Tussi Schwafels Vater war der bekannte Fernsehmoderator
Valentin von Schwafel. Er hatte natürlich beim Fernsehen viele Verbindungen. Und die nutzte er jetzt.

Drei Tage später saßen Millionen von Zuschauern vor ihren
Fernsehgeräten und wartetet auf die Tageschau.
Um Punkt 20 Uhr erklang die übliche Fanfare und der
Sprecher begann: "Guten Abend meine Damen und Herren.
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.
Heute gab es in Krähwinkel einen ungewöhnlichen Demonstrationszug.
Die zukünftigen Bewohner eines neuen Maststalles gingen auf die Straße."

Und dann sah man die Bilder.
Vorneweg Tussi Schwafel mit einem Transparent, das die Hühner aus bekannten Gründen nicht selbst tragen konnten.
Dahinter das gelbe Huhn und die vielen sprechenden Küken.
Sie riefen immer wieder die Parole:

"Große Ställe sind ganz schlecht - wir leben lieber artgerecht!"

Dahinter liefen noch Hunderte von anderen Hühnern, die zwar keine Ahnung hatten, um was es ging, aber im Rhythmus der Parole kräftig gackerten.

Am nächsten Tag stand es in allen Zeitungen. Die Menschen
diskutierten, und wer bisher noch nicht wusste, wie schlecht es den Hühnern in dieser Art von Ställen geht, wurde aufgeklärt.

Millionen von Menschen hörten vorübergehend auf, Eier zu essen,gut informierte Hühner pickten ihre gelegten Eier gleich kaputt.
Außerdem stellte sich bald heraus, dass die Kinder vom gelben Huhn zwar sprechen konnten, aber keine grünen Eier legten.

Die Marktlücke blieb eine Marktlücke und der Stall wurde
nie fertig.

Lange Zeit später, als die Massentierhaltung endlich verboten worden war, trafen sich Tussi Schwafel und das gelbe Huhn noch einmal.
Sie waren beide schon sehr viel älter geworden, und das
gelbe Huhn konnte keine Eier mehr legen. Es hatte aber
für Tussi Schwafel aus Dankbarkeit ein gut verpacktes
Geschenk mitgebracht.

Und heute, wo Frau Tusnelda Sabbel, geborene von Schwafel,
schon Oma ist, zeigt sie ihren Enkelkindern gerührt und stolz das grüne Ehren-Ei in der Vitrine und erzählt immer wieder die Geschichte von Tussi Schwafel und dem gelben Huhn.
 

Languedoc

Mitglied
Hallo hdlukas,

Eine nette Kindergeschichte!

Zum Schreibstil:
Nach meinen Geschmack sind manche Dialogpassagen mit zu vielen Inquit-Formeln gespickt. Z.B.:

"Na, denk mal richtig nach", [red]regte[/red] das gelbe Huhn [red]an[/red].
"Ne, weiß nicht", [red]resignierte[/red] Tussi Schwafel.
"Oh Mann", [red]sagte[/red] das gelbe Huhn. "Ich kann sprechen!"
"Andere Hühner nicht?", [red]staunte[/red] Tussi Schwafel.
"Das ist doch wohl nicht dein Ernst!", [red]lachte[/red] das gelbe Huhn.
Etwas beschämt [red]flüsterte[/red] Tussi Schwafel:...


Manche dieser Redeeinleitungen finde ich nicht so gut geglückt, irgendwie doppelt gemoppelt, wie z.B.:

"[red]I gitt[/red]", [red]ekelte sich [/red]Tussi Schwafel

"Das ist nur eine Übergangslösung", [red]stotterte[/red] Tussi Schwafel [red]verlegen[/red]

"Du, ich bin voll im Stress", [red]rief[/red] das gelbe Huhn [red]gegen den Lärm an[/red]



Nur ein erster Leseeindruck meinerseits ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Der Text könnte durch ein bisschen Feilen an Feinheit gewinnen,
findet
Languedoc
 

hdlukas

Mitglied
Tussi Schwafel und das gelbe Huhn

"Natürlich bin ich gelb", sagte das gelbe Huhn."Sieht man doch."

"Ja, aber...", sagte Tussi Schwafel.

"Nix, ja aber", unterbrach das gelbe Huhn. "Ich war als Kind schon gelb."

"Als Küken", belehrte Tussi Schwafel. "Küken nennen wir das."

"Mag ja sein, dass ihr das so nennt."
Das gelbe Huhn wurde ärgerlich.
"Aber ich bin ein Huhn"

"Ja, eben", erregte sich Tussi Schwafel.

Dem gelben Huhn war das zu kompliziert. Es schwieg.

Tussi Schwafel wechselte das Thema.
"Warum zuckt dein Kopf denn immer zum Boden?"

"Weil ich alles aufpicke, was man essen kann."

"I gitt, das kann doch alles nicht schmecken."

"Hah, und wie", schwärmte das gelbe Huhn.
"Was frisst du denn?"

"Isst", korrigierte Tussi Schwafel. "Also ich esse am liebsten ein schönes gegrilltes halbes.....äh.....äh.....Stück Tofu.“

Tussi Schwafel lächelte etwas verkrampft.
"Und du hältst das also für völlig normal, gelb zu sein?"

"Selbstverständlich!"

"Warum sind denn die anderen Hühner nicht gelb?"

"Es gibt eben immer Angeber, die auffallen wollen", sagte das gelbe Huhn. Und nach einer Pause: "Sag mal, wieso hast du mich überhaupt angesprochen?"

"Weil Gelb meine Lieblingsfarbe ist."

"Jetzt reichts aber mit der Farbe. Fällt dir denn sonst nichts auf an mir?“

Tussi Schwafel schüttelte den Kopf.

"Na, denk mal richtig nach."

"Ne, weiß nicht." Tussi Schwafel gab auf.

Das gelbe Huhn war fassungslos. "Oh Mann, ich kann sprechen!"

"Andere Hühner nicht?" Tussi Schwafel war ganz erstaunt.

"Das ist doch wohl nicht dein Ernst!" Das gelbe Huhn lachte laut.

Tussi Schwafel war etwas beschämt.
"Du bist doch das erste Huhn, das ich angesprochen habe."

Das gelbe Huhn bewegte den Kopf jetzt nicht mehr senkrecht
sondern ausgiebig waagerecht.

Tussi Schwafel wechselte wieder das Thema.
"Solltest du bei dir nicht mal gründlich saubermachen?
Du kriegst beim Essen ja lauter Dreck in den Mund."

"Du meinst, beim Fressen lauter Mist in den Schnabel."
Genüsslich korrigierte diesmal das gelbe Huhn.
"Das stört mich nicht. Wozu saubermachen, und wie denn?"

"Ich könnte dir den Staubsauger von meiner Mutter leihen."

"Ich hab hier doch keinen Strom!"

"Es ist ein Akkustaubsauger."

"Aha", sagte das Gelbe Huhn.

"Der ist klein und leicht, den kannst du ohne weiteres in
die Hand nehmen", meinte Tussi Schwafel.

"Guck mich mal genau an", empörte sich das gelbe Huhn,
"und dann sag das noch mal!"

Tussi Schwafel guckte, dachte nach, begriff und schwieg.

Plötzlich lief das gelbe Huhn eilig in eine Ecke, blieb dort gackernd eine Weile sitzen und hinterließ stolz ein frisches Ei.

Das Ei war grün!

"Das Ei ist ja ganz grün", rief Tussi Schwafel.

"Eier sind nun mal grün", erklärte das gelbe Huhn. "Du scheinst ja
wirklich so gut wie gar nichts zu wissen."
"Welche Farbe haben denn die Eier, die du legst?"

"Ich lege doch keine Eier!"

"Ach ne, dann bist du ja ziemlich nutzlos. Oder?"

"Nun lenk mal nicht ab", erregte sich Tussi Schwafel.
"Wieso sind deine Eier grün?"

Das gelbe Huhn wandte sich pikiert ab.
"Wenn dir alles farbliche an mir nicht passt, dann rede doch
mit anderen Hühnern."

"Ich denke, die anderen Hühner können nicht sprechen."

"Dann redest eben nur du, und die Hühner hören dir zu."

Dieser Vorschlag gefiel Tussi Schwafel nicht schlecht.
Sie erzählte deshalb in der nächsten Zeit allen Hühnern
ausführlich, was ihr gerade einfiel. Die Hühner hörten ihr
ohne Widerspruch zu, und ab und zu brachte sie frische
Eier mit nach Hause. Braune und weiße.

Doch kurz vor Ostern dachte sie, dass ein grünes Ei zu
Ostern ganz passend wäre.

Sie fand das gelbe Huhn auf einem Wiesengelände nahe
einem Bauernhof zwischen vielen anderen Hühnern.

"Wie gut, dass du gelb bist", freute sich Tussi Schwafel.
"So kann man dich gut finden."

Das gelbe Huhn schwieg.
Es wusste inzwischen, dass normalerweise Hühner nicht
gelb waren und keine grünen Eier legten.
Das war nicht so gut für das Selbstbewusstsein.

"Sag mal, wie heißt du eigentlich?", fragte Tussi Schwafel.

"Was heißt, wie heißt du?"

"Na, wie ist dein Name?"

"Ich brauch keinen Namen. Wenn man Gelbes Huhn sagt, weiß
jeder, wer gemeint ist. Hast du denn einen Namen?"

"Ich heiße Tussi Schwafel. Das heißt, eigentlich Tusnelda
von Schwafel. Tusnelda, weil meine Urgroßmutter so hieß,
und ein von Schwafel erhielt seinen Namen vor langer Zeit
als erster Pressesprecher von Kaiser Karl dem Kuriosen."

Tussi Schwafel bemerkte plötzlich einen Ring am Hühnerbein.

"Sag mal, bist du etwa verlobt?"

"Quatsch!" Das gelbe Huhn lächelte. "Mich hat ein Züchter gekauft."

"Gekauft?", staunte Tussi Schwafel. "Ich glaube, meine Eltern
haben mich umsonst gekriegt."

"Na ja", ätzte das gelbe Huhn. "Für jemanden, der keine
Eier legt, würde ich auch keinen Cent ausgeben."

Schnippisch sagte Tussi Schwafel: "Wenn sogar ein Huhn
wie du Eier legen kann, werde ich das ja wohl auch hinkriegen."

"Das möchte ich sehen", höhnte das gelbe Huhn.

"Mein Vater sagt, man kann alles gugeln.“
Keck fügte Tussi Schwafel hinzu, bevor sie verschwand:
"Ich komme morgen wieder und werde dir zeigen, was ich kann."

Am nächsten Tag kam Tussi Schwafel triumphierend mit
drei bunten Eiern zum gelben Huhn.
Aber der Schwindel flog sofort auf, als das gelbe Huhn mit
einem kurzen Pick feststellte, dass die Eier gekocht waren.

"So nicht, Tusnelda von Schwafel", giftete das gelbe Huhn.

"Das ist nur eine Übergangslösung."
Tussi Schwafel kratzte sich verlegen am Kopf.
"Mein Vater war nicht da, und ich kann noch nicht allein gugeln."

"Ich hab´ keine Ahnung vom Gugeln", sagte das gelbe Huhn.
"Aber ihr könntet mal rausfinden, was eine Marktlücke ist."

"Marktlücke?"

"Ja. Der Züchter meint, grüne Eier sind eine Marktlücke
und deshalb will er möglichst viele davon. Das kann ich
allein natürlich nicht schaffen."

"Ja, und?"

"Der Angeber dahinten soll mir helfen."
Das gelbe Huhn drehte den Kopf zum Misthaufen.
Jetzt erst sah Tussi Schwafel den großen protzigen
Hahn, der mit lautem KIKERIKI auf sich aufmerksam
zu machen versuchte.

"Und der kann auch grüne Eier legen?"

"Ne, ne, das funktioniert irgendwie anders."

"Na, da ich bin ich ja mal voll gespannt."

Zu Hause erfuhr Tussi Schwafel, was eine Marktlücke ist.
Nämlich, wenn man etwas anbieten kann, was es bisher noch
nicht gab, und was dann vermutlich viele Leute haben wollen.

Außerdem aber erfuhr sie, dass jetzt ein langer Urlaub
beginnen würde. Sie sah also das gelbe Huhn lange Zeit nicht mehr.

Nach dem Urlaub führte der erste Weg natürlich zum gelben Huhn.
Am gewohnten Platz liefen jetzt viele, viele gelbe ständig schwatzende
Küken umher. Der vor Stolz fast platzende Hahn stand auf dem
Misthaufen und krähte, aber das gelbe Huhn war nicht zu sehen.

Tussi Schwafel rief laut: "Gelbes Huhn, wo bist du?"

Ganz kurz tauchte der Kopf des gelben Huhnes in einer
Schuppenöffnung auf.

"Du, ich bin voll im Stress. Komm wieder wenn die Kinder schlafen."

Tussi Schwafel verkniff sich diesmal eine Korrektur.
"Ich will sehen, was sich machen lässt."

Abends schlich sich Tussi Schwafel aus dem Haus.
Sie fand das völlig erschöpfte gelbe Huhn neben dem Misthaufen.

"Na, wie gehts?"

"Das siehst du ja wohl.", Das gelbe Huhn reagierte gereizt.

"Klappt das denn mit den grünen Eiern?", fragte Tussi Schwafel.

Das gelbe Huhn war jetzt noch gereizter.

"Seit wann legen Küken, wie du sie nennst, denn schon Eier?"

"Warum bist du denn so gereizt?"

"Hast du das denn nicht gehört? Sie können alle sprechen!
Und das tun sie auch! Den ganzen Tag! Von morgens bis abends!"
Das gelbe Huhn war dem Weinen sehr nahe.
"Und dazu noch der Baulärm am Tag. Ich bin fix und fertig."

"Welcher Baulärm?"

"Hier wird ein großer Stall gebaut, um möglichst viele grüne
Eier in die Marktlücke zu werfen."

"Oh, das ist ja toll. Dann bekommt ihr also eine schöne neue Wohnung?"

"Ja", sagte das gelbe Huhn. "Ich hoffe, mit ausreichend vielen
Kinderzimmern, damit ich mich auch mal zurückziehen kann."

Als Tussi Schwafel das gelegentlich ihrem Vater erzählte,
konnte dieser die Freude seiner Tochter nicht teilen.

"Ach du liebe Zeit", ärgerte er sich. "Noch eine Massentierhaltung mehr."
Dann erzählte er seiner Tochter, unter welchen erbärmlichen
Umständen die Hühner in solchen Ställen leben müssen.
"Nur die Anzahl der Eier ist wichtig!", erregte er sich. "Das Wohl
der Tiere zählt überhaupt nicht."

Als Tussi Schwafel anfing zu weinen, hatte ihr Vater eine Idee.

"Du sagst, die Hühner können sprechen?"

"Ja. Die reden mehr als ich."

"Oha, das soll schon was heißen!“
Er gab seiner Tochter einen Kuss zur Beruhigung.
„Ich zieh mich mal zum Denken zurück. Wir reden morgen weiter."

Tussi Schwafels Vater war der bekannte Fernsehmoderator
Valentin von Schwafel. Er hatte natürlich beim Fernsehen viele
Verbindungen. Und die nutzte er jetzt.

Drei Tage später saßen Millionen von Zuschauern vor ihren
Fernsehgeräten und wartetet auf die Tageschau.
Um Punkt 20 Uhr erklang die übliche Fanfare und der
Sprecher begann: "Guten Abend meine Damen und Herren.
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.
Heute gab es in Krähwinkel einen ungewöhnlichen Demonstrationszug.
Die zukünftigen Bewohner eines neuen Maststalles gingen auf die Straße."

Und dann sah man die Bilder.
Vorneweg Tussi Schwafel mit einem Transparent, das die Hühner
aus bekannten Gründen nicht selbst tragen konnten.
Dahinter das gelbe Huhn und die vielen sprechenden Küken.
Sie riefen immer wieder die Parole:

"Große Ställe sind ganz schlecht - wir leben lieber artgerecht!"

Dahinter liefen noch Hunderte von anderen Hühnern, die zwar
keine Ahnung hatten, um was es ging, aber im Rhythmus der
Parole kräftig gackerten.

Am nächsten Tag stand es in allen Zeitungen. Die Menschen
diskutierten, und wer bisher noch nicht wusste, wie schlecht
es den Hühnern in dieser Art von Ställen geht, wurde aufgeklärt.

Millionen von Menschen hörten vorübergehend auf, Eier zu essen,
gut informierte Hühner pickten ihre gelegten Eier gleich kaputt.
Außerdem stellte sich bald heraus, dass die Kinder vom gelben
Huhn zwar sprechen konnten, aber keine grünen Eier legten.

Die Marktlücke blieb eine Marktlücke und der Stall wurde
nie fertig.

Lange Zeit später, als die Massentierhaltung endlich verboten worden war, trafen sich Tussi Schwafel und das gelbe Huhn noch einmal.

Sie waren beide schon sehr viel älter geworden, und das
gelbe Huhn konnte keine Eier mehr legen. Es hatte aber
für Tussi Schwafel aus Dankbarkeit ein gut verpacktes
Geschenk mitgebracht.

Und heute, wo Frau Tusnelda Sabbel, geborene von Schwafel,
schon Oma ist, zeigt sie ihren Enkelkindern gerührt und stolz
das grüne Ehren-Ei in der Vitrine und erzählt immer wieder
die Geschichte von Tussi Schwafel und dem gelben Huhn.
 

hdlukas

Mitglied
Tussi Schwafel und das gelbe Huhn

"Natürlich bin ich gelb", sagte das gelbe Huhn."Sieht man doch."

"Ja, aber...", sagte Tussi Schwafel.

"Nix, ja aber", unterbrach das gelbe Huhn. "Ich war als Kind schon gelb."

"Als Küken", belehrte Tussi Schwafel. "Küken nennen wir das."

"Mag ja sein, dass ihr das so nennt."
Das gelbe Huhn wurde ärgerlich.
"Aber ich bin ein Huhn"

"Ja, eben", erregte sich Tussi Schwafel.

Dem gelben Huhn war das zu kompliziert. Es schwieg.

Tussi Schwafel wechselte das Thema.
"Warum zuckt dein Kopf denn immer zum Boden?"

"Weil ich alles aufpicke, was man essen kann."

"I gitt, das kann doch alles nicht schmecken."

"Hah, und wie", schwärmte das gelbe Huhn.
"Was frisst du denn?"

"Isst", korrigierte Tussi Schwafel. "Also ich esse am liebsten ein schönes gegrilltes halbes.....äh.....äh.....Stück Tofu.“

Tussi Schwafel lächelte etwas verkrampft.
"Und du hältst das also für völlig normal, gelb zu sein?"

"Selbstverständlich!"

"Warum sind denn die anderen Hühner nicht gelb?"

"Es gibt eben immer Angeber, die auffallen wollen", sagte das gelbe Huhn. Und nach einer Pause: "Sag mal, wieso hast du mich überhaupt angesprochen?"

"Weil Gelb meine Lieblingsfarbe ist."

"Jetzt reichts aber mit der Farbe. Fällt dir denn sonst nichts auf an mir?“

Tussi Schwafel schüttelte den Kopf.

"Na, denk mal richtig nach."

"Ne, weiß nicht." Tussi Schwafel gab auf.

Das gelbe Huhn war fassungslos. "Oh Mann, ich kann sprechen!"

"Andere Hühner nicht?" Tussi Schwafel war ganz erstaunt.

"Das ist doch wohl nicht dein Ernst!" Das gelbe Huhn lachte laut.

Tussi Schwafel war etwas beschämt.
"Du bist doch das erste Huhn, das ich angesprochen habe."

Das gelbe Huhn bewegte den Kopf jetzt nicht mehr senkrecht
sondern ausgiebig waagerecht.

Tussi Schwafel wechselte wieder das Thema.
"Solltest du bei dir nicht mal gründlich saubermachen?
Du kriegst beim Essen ja lauter Dreck in den Mund."

"Du meinst, beim Fressen lauter Mist in den Schnabel."
Genüsslich korrigierte diesmal das gelbe Huhn.
"Das stört mich nicht. Wozu saubermachen, und wie denn?"

"Ich könnte dir den Staubsauger von meiner Mutter leihen."

"Ich hab hier doch keinen Strom!"

"Es ist ein Akkustaubsauger."

"Aha", sagte das Gelbe Huhn.

"Der ist klein und leicht, den kannst du ohne weiteres in
die Hand nehmen", meinte Tussi Schwafel.

"Guck mich mal genau an", empörte sich das gelbe Huhn,
"und dann sag das noch mal!"

Tussi Schwafel guckte, dachte nach, begriff und schwieg.

Plötzlich lief das gelbe Huhn eilig in eine Ecke, blieb dort gackernd eine Weile sitzen und hinterließ stolz ein frisches Ei.

Das Ei war grün!

"Das Ei ist ja ganz grün", rief Tussi Schwafel.

"Eier sind nun mal grün", erklärte das gelbe Huhn. "Du scheinst ja
wirklich so gut wie gar nichts zu wissen."
"Welche Farbe haben denn die Eier, die du legst?"

"Ich lege doch keine Eier!"

"Ach ne, dann bist du ja ziemlich nutzlos. Oder?"

"Nun lenk mal nicht ab", erregte sich Tussi Schwafel.
"Wieso sind deine Eier grün?"

Das gelbe Huhn wandte sich pikiert ab.
"Wenn dir alles farbliche an mir nicht passt, dann rede doch
mit anderen Hühnern."

"Ich denke, die anderen Hühner können nicht sprechen."

"Dann redest eben nur du, und die Hühner hören dir zu."

Dieser Vorschlag gefiel Tussi Schwafel nicht schlecht.
Sie erzählte deshalb in der nächsten Zeit allen Hühnern
ausführlich, was ihr gerade einfiel. Die Hühner hörten ihr
ohne Widerspruch zu, und ab und zu brachte sie frische
Eier mit nach Hause. Braune und weiße.

Doch kurz vor Ostern dachte sie, dass ein grünes Ei zu
Ostern ganz passend wäre.

Sie fand das gelbe Huhn auf einem Wiesengelände nahe
einem Bauernhof zwischen vielen anderen Hühnern.

"Wie gut, dass du gelb bist", freute sich Tussi Schwafel.
"So kann man dich gut finden."

Das gelbe Huhn schwieg.
Es wusste inzwischen, dass normalerweise Hühner nicht
gelb waren und keine grünen Eier legten.
Das war nicht so gut für das Selbstbewusstsein.

"Sag mal, wie heißt du eigentlich?", fragte Tussi Schwafel.

"Was heißt, wie heißt du?"

"Na, wie ist dein Name?"

"Ich brauch keinen Namen. Wenn man Gelbes Huhn sagt, weiß
jeder, wer gemeint ist. Hast du denn einen Namen?"

"Ich heiße Tussi Schwafel. Das heißt, eigentlich Tusnelda
von Schwafel. Tusnelda, weil meine Urgroßmutter so hieß,
und ein von Schwafel erhielt seinen Namen vor langer Zeit
als erster Pressesprecher von Kaiser Karl dem Kuriosen."

Tussi Schwafel bemerkte plötzlich einen Ring am Hühnerbein.

"Sag mal, bist du etwa verlobt?"

"Quatsch!" Das gelbe Huhn lächelte. "Mich hat ein Züchter gekauft."

"Gekauft?", staunte Tussi Schwafel. "Ich glaube, meine Eltern
haben mich umsonst gekriegt."

"Na ja", ätzte das gelbe Huhn. "Für jemanden, der keine
Eier legt, würde ich auch keinen Cent ausgeben."

Schnippisch sagte Tussi Schwafel: "Wenn sogar ein Huhn
wie du Eier legen kann, werde ich das ja wohl auch hinkriegen."

"Das möchte ich sehen", höhnte das gelbe Huhn.

"Mein Vater sagt, man kann alles gugeln.“
Keck fügte Tussi Schwafel hinzu, bevor sie verschwand:
"Ich komme morgen wieder und werde dir zeigen, was ich kann."

Am nächsten Tag kam Tussi Schwafel triumphierend mit
drei bunten Eiern zum gelben Huhn.
Aber der Schwindel flog sofort auf, als das gelbe Huhn mit
einem kurzen Pick feststellte, dass die Eier gekocht waren.

"So nicht, Tusnelda von Schwafel", giftete das gelbe Huhn.

"Das ist nur eine Übergangslösung."
Tussi Schwafel kratzte sich verlegen am Kopf.
"Mein Vater war nicht da, und ich kann noch nicht allein gugeln."

"Ich hab´ keine Ahnung vom Gugeln", sagte das gelbe Huhn.
"Aber ihr könntet mal rausfinden, was eine Marktlücke ist."

"Marktlücke?"

"Ja. Der Züchter meint, grüne Eier sind eine Marktlücke
und deshalb will er möglichst viele davon. Das kann ich
allein natürlich nicht schaffen."

"Ja, und?"

"Der Angeber dahinten soll mir helfen."
Das gelbe Huhn drehte den Kopf zum Misthaufen.
Jetzt erst sah Tussi Schwafel den großen protzigen
Hahn, der mit lautem KIKERIKI auf sich aufmerksam
zu machen versuchte.

"Und der kann auch grüne Eier legen?"

"Ne, ne, das funktioniert irgendwie anders."

"Na, da ich bin ich ja mal voll gespannt."

Zu Hause erfuhr Tussi Schwafel, was eine Marktlücke ist.
Nämlich, wenn man etwas anbieten kann, was es bisher noch
nicht gab, und was dann vermutlich viele Leute haben wollen.

Außerdem aber erfuhr sie, dass jetzt ein langer Urlaub
beginnen würde. Sie sah also das gelbe Huhn lange Zeit nicht mehr.

Nach dem Urlaub führte der erste Weg natürlich zum gelben Huhn.
Am gewohnten Platz liefen jetzt viele, viele gelbe ständig schwatzende
Küken umher. Der vor Stolz fast platzende Hahn stand auf dem
Misthaufen und krähte, aber das gelbe Huhn war nicht zu sehen.

Tussi Schwafel rief laut: "Gelbes Huhn, wo bist du?"

Ganz kurz tauchte der Kopf des gelben Huhnes in einer
Schuppenöffnung auf.

"Du, ich bin voll im Stress. Komm wieder wenn die Kinder schlafen."

Tussi Schwafel verkniff sich diesmal eine Korrektur.
"Ich will sehen, was sich machen lässt."

Abends schlich sich Tussi Schwafel aus dem Haus.
Sie fand das völlig erschöpfte gelbe Huhn neben dem Misthaufen.

"Na, wie gehts?"

"Das siehst du ja wohl." Das gelbe Huhn reagierte gereizt.

"Klappt das denn mit den grünen Eiern?", fragte Tussi Schwafel.

Das gelbe Huhn war jetzt noch gereizter.

"Seit wann legen Küken, wie du sie nennst, denn schon Eier?"

"Warum bist du denn so gereizt?"

"Hast du das denn nicht gehört? Sie können alle sprechen!
Und das tun sie auch! Den ganzen Tag! Von morgens bis abends!"
Das gelbe Huhn war dem Weinen sehr nahe.
"Und dazu noch der Baulärm am Tag. Ich bin fix und fertig."

"Welcher Baulärm?"

"Hier wird ein großer Stall gebaut, um möglichst viele grüne
Eier in die Marktlücke zu werfen."

"Oh, das ist ja toll. Dann bekommt ihr also eine schöne neue Wohnung?"

"Ja", sagte das gelbe Huhn. "Ich hoffe, mit ausreichend vielen
Kinderzimmern, damit ich mich auch mal zurückziehen kann."

Als Tussi Schwafel das gelegentlich ihrem Vater erzählte,
konnte dieser die Freude seiner Tochter nicht teilen.

"Ach du liebe Zeit", ärgerte er sich. "Noch eine Massentierhaltung mehr."
Dann erzählte er seiner Tochter, unter welchen erbärmlichen
Umständen die Hühner in solchen Ställen leben müssen.
"Nur die Anzahl der Eier ist wichtig!", erregte er sich. "Das Wohl
der Tiere zählt überhaupt nicht."

Als Tussi Schwafel anfing zu weinen, hatte ihr Vater eine Idee.

"Du sagst, die Hühner können sprechen?"

"Ja. Die reden mehr als ich."

"Oha, das soll schon was heißen!“
Er gab seiner Tochter einen Kuss zur Beruhigung.
„Ich zieh mich mal zum Denken zurück. Wir reden morgen weiter."

Tussi Schwafels Vater war der bekannte Fernsehmoderator
Valentin von Schwafel. Er hatte natürlich beim Fernsehen viele
Verbindungen. Und die nutzte er jetzt.

Drei Tage später saßen Millionen von Zuschauern vor ihren
Fernsehgeräten und wartetet auf die Tageschau.
Um Punkt 20 Uhr erklang die übliche Fanfare und der
Sprecher begann: "Guten Abend meine Damen und Herren.
Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.
Heute gab es in Krähwinkel einen ungewöhnlichen Demonstrationszug.
Die zukünftigen Bewohner eines neuen Maststalles gingen auf die Straße."

Und dann sah man die Bilder.
Vorneweg Tussi Schwafel mit einem Transparent, das die Hühner
aus bekannten Gründen nicht selbst tragen konnten.
Dahinter das gelbe Huhn und die vielen sprechenden Küken.
Sie riefen immer wieder die Parole:

"Große Ställe sind ganz schlecht - wir leben lieber artgerecht!"

Dahinter liefen noch Hunderte von anderen Hühnern, die zwar
keine Ahnung hatten, um was es ging, aber im Rhythmus der
Parole kräftig gackerten.

Am nächsten Tag stand es in allen Zeitungen. Die Menschen
diskutierten, und wer bisher noch nicht wusste, wie schlecht
es den Hühnern in dieser Art von Ställen geht, wurde aufgeklärt.

Millionen von Menschen hörten vorübergehend auf, Eier zu essen,
gut informierte Hühner pickten ihre gelegten Eier gleich kaputt.
Außerdem stellte sich bald heraus, dass die Kinder vom gelben
Huhn zwar sprechen konnten, aber keine grünen Eier legten.

Die Marktlücke blieb eine Marktlücke und der Stall wurde
nie fertig.

Lange Zeit später, als die Massentierhaltung endlich verboten worden war, trafen sich Tussi Schwafel und das gelbe Huhn noch einmal.

Sie waren beide schon sehr viel älter geworden, und das
gelbe Huhn konnte keine Eier mehr legen. Es hatte aber
für Tussi Schwafel aus Dankbarkeit ein gut verpacktes
Geschenk mitgebracht.

Und heute, wo Frau Tusnelda Sabbel, geborene von Schwafel,
schon Oma ist, zeigt sie ihren Enkelkindern gerührt und stolz
das grüne Ehren-Ei in der Vitrine und erzählt immer wieder
die Geschichte von Tussi Schwafel und dem gelben Huhn.
 

hdlukas

Mitglied
Vielen Dank für hilfreiche Kritik. Habe mich bemüht, in der 2. Fassung einige Verbesserungen (hoffentlich) einzubringen.
Mit besten Grüßen
hdlukas
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo hdlukas,

gefällt mir sehr gut, und ich habe vor einigen Tagen schon entsprechend gewertet.
Noch besser käme der Text rüber, wenn Du einige Absätze und Zeilenumbrüche herausnehmen würdest.

Gruß Ciconia
 

hdlukas

Mitglied
Vielen Dank ciconia,
werde entsprechend dem Vorschlag noch einmal selbstkritisch prüfen.
Mit nächtlichem Gruß
hdlukas
 



 
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