Über das Anliegen einer Freundschaft.

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San Martin

Mitglied
Über das Anliegen einer Freundschaft

Würden unsre Wege sich
in dieser Stunde trennen,
ich wüßte wenig über dich.
Und würdest du mich kennen?

Und welchen Wert weist du mir zu
als Teil in deinem Leben,
und welchen Namen würdest du
uns beiden heute geben?

Die Fragen stehen auf Papier
und werden nie gefragt.
Sie bleiben zwischen dir und mir
auf ewig ungesagt -

in jedem ungesagten Wort
schläft eine Möglichkeit.
Sie schläft und schwindet und verdorrt
im Fortschreiten der Zeit,

bis sie zuletzt vorüber zieht.
Danach springt sie entzwei.
Ihr Epitaph ist dieses Lied:
Vorbei, vorbei, vorbei.

***

Einem Freund freundlicherweise zum Geburtstag geschrieben. Der heute war.
 
L

Lotte Werther

Gast
An San Martin

Sowohl inhaltlich wie auch formal ist dein Gedicht das, was es wohl sein soll: ein Geburtstagsständchen, und als solches auch in Ordnung. Aber Lyrik?

Dabei fängt es ganz ordentlich an. Bei gereimten Gedichten mag ich, wenn sie sich lesen, als wären sie Prosa und die Reime rein zufällig. Das gelingt dir sogar in den ersten zwei Strophen. Mal abgesehen davon, dass schon zu Beginn der ersten Zeile eine unbetonte Silbe fehlt, um dem Rhythmus der anderen Zeilen gerecht zu werden.

Ab der dritten Strophe ist es nur noch sentimentale Reimerei, dem Freund zu Ehren, nicht aber dem Lyriker.

Vorschlag: leg es wieder in die Schublade und hol es beim nächsten Anlass hervor. Oder arbeite weiter daran, dann aber streiche alles nach den beiden ersten Strophen.

Lotte Werther
 

San Martin

Mitglied
Hallo Lotte,

Danke für deine Kritk; sie überrascht mich, denn eigentlich hätte ich eher die ersten beiden Strophen als zu umgangssprachlich und trivial erachtet. Die 3. Strophe gefällt mir nicht sehr gut, doch die letzten beiden sind nach meinem Geschmack. Soweit meine eigene Einschätzung. Interessant, dass ich von dir so abweiche.

Bei gereimten Gedichten mag ich, wenn sie sich lesen, als wären sie Prosa und die Reime rein zufällig.
Das ist genau das, was ich auch mag, und was ich versuche, zu erreichen. Insofern stimmen wir prima überein - muss nur noch die Ausführung sich dem Ideal möglichst dicht annähern. In der ersten Zeile ohne Auftakt zu beginnen ist zwar nicht toll, wenn man auf durchgehenden Jambus besteht, aber es betont den Konjunktiv und ist sonst nicht so störend, als dass ich eine Änderung für nötig erachtet hätte, denn es behinderte zumindest meinen Lesefluss nicht. Stört es dich denn? Du hast es erwähnt, ich weiß. Hättest du wohl nicht gemacht, wenn du es akzeptabel gefunden hättest. Im Zuge der Überarbeitungen werde ich überlegen, ob sich dort effektiv Jambus einsetzen lässt.

Ab der dritten Strophe ist es nur noch sentimentale Reimerei, dem Freund zu Ehren
Das klingt, als ob ich den Freund ehren wollte, als ob ich ihm etwas nettes sagen würde - oder meintest du es ironisch? Die Aussage, die ich im Gedicht darstellen wollte, ist, dass dieser Freund mir nie sagt, was ich ihm bedeute, und dass in jedem seiner ungesagten Worte eine Möglichkeit vorüber zieht, unsere Freundschaft zu stärken, sie enger zu machen - wenn er so weiter macht, ist von unserer Freundschaft vielleicht irgendwann nichts mehr über. Ich bin dieser Aussage emotional verbunden, nur wenn ich zu sentimental wirke, dann ist Kritik sehr erwünscht - ich selbst merke es nicht. ;)

Soviel als Antwort; ich werde deinem Rat folgen und es erst einmal ruhen lassen, bis ich Abstand habe.

Martin

PS: Deine Anmerkungen zu einer meiner Kurzgeschichten habe ich noch, obwohl ich damals nicht geantwortet habe. Ich hebe sie mir auf, um sie bei der nächsten Überarbeitung einfließen lassen zu können. Denk also bitte nicht, du hättest sie mir umsonst geschickt.
 

Inu

Mitglied
Hallo San Martin

Von mir bekommst Du eine 9 weil die Gedanken so gut und klar sind, sie passen auf so viele Menschen, ich kann mich z.B. 100 % damit identifizieren. Die Reime wirken unaufdringlich und ungekünstelt.

Oft ist es ja so, dass man beim Gehalt oder der Aussage (kleine) Kompromisse machen muss, weil man sonst nicht die passenden Reimworte findet oder umgekehrt, die Reime sind locker, aber der Gehalt kommt nicht mehr so ganz rüber. Das hier ist sehr gut, denke ich



Beim Nochmal- Lesen: eigentlich hätte ich es wagen sollen, Dir eine 10 zu geben. Es ist ein weises Gedicht in seiner Einfachheit


LG
Inu
 

Inu

Mitglied
Hallo San Martin

[blue]ich kann mich z.B. 100 % damit identifizieren

Mit des Subjekts oder des Objekts Seite?[/blue]

Mit dem ich, dem Erzähler, nur mit dem Erzähler vorläufig.

Angesprochen ist für mein Empfinden nicht nur EIN Freund, dem das lyrische ich nahe gewesen und den es am Ende doch verfehlt hat, nein es können eine ganze Anzahl Menschen sein im Lauf der Jahre ... die nahe sind und die man durch Unachtsamkeit oder was auch immer wieder wegdriften lässt Das hab ich in Deinen Text hineingesehen ... die Vergänglichleit auch von Liebesbeziehungen

Ich lebe schon länger als Du ;)

Gruß
Inu
 



 
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