... über das Chaos und die Erleuchtung

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Hagen

Mitglied
... über das Chaos und die Erleuchtung



Alles,

was aus zwei oder mehr Teilen besteht,

fällt früher oder später auseinander.

Al Murphy

Da die Natur naturgemäß das größtmögliche Chaos anstrebt, wird sie, wie es in ihrer eigenen Natur liegt, alles tun, um Deinem neuen, besseren Leben entgegenzuwirken.

Seit der Erkenntnis, dass ein neues, besseres Leben möglich ist, versucht der Mensch mit allen Mitteln dieses zu leben und einen gewissen Einklang mit der Natur herzustellen. Die menschliche Vorstellung von diesem Einklang wirkt allerdings den Vorstellungen der Natur konträr entgegen.

Eine fatale Erkenntnis, denn, weil es die Natur schon länger als 'den Menschen' gibt, war die Natur in der Lage, Hinterhältigkeit und Verschlagenheit optimal zu entwickeln.

Unser Freund Laotse hat zu seinen Lebzeiten die Erkenntnis formuliert, dass es dem Wasser egal ist, wohin es fließt.

Unserem Freund Laotse ist mit Sicherheit nie eine Tasse Kaffee, die zu einem hohen Prozentsatz aus Wasser besteht, auf dem Schreibtisch umgekippt.

Boshafter Weise, so lehrt uns die Natur, kippt eine Tasse Kaffee nur dann um, wenn sie voll ist, und sie kippt so um, dass der größtmögliche Schaden entsteht.

Die auslaufende Flüssigkeit wird sich mit gnadenloser Präzision ihren Weg zu einem unwiederbringlichen Dokument, Brief (selbstverständlich bevor Du ihn gelesen hast), geliehenen Buch und wichtiger Computerfestplatten bahnen und alles für immer unlesbar machen.

Ebenso selbstverständlich wird die Flüssigkeit die Aufzeichnungen verschonen, von denen Kopien existieren

Solltest Du ein neues, besseres Leben anstreben, musst Du davon ausgehen, dass alle Teile des Universums bestrebt sind, sich in größtmöglicher Unordnung anzuordnen um Dich daran zu hindern, zu einem wie auch immer gearteten, neuen, besseren Leben zu gelangen.

Bedenke stets, dass auch unbeseelte Gegenstände in der Lage sind, sich selbständig soweit zu bewegen dass sie Dir zumindest im Wege stehen, wenn sie nicht gar Schlimmeres anrichten!

Befinden sich Gegenstände in einer gewissen Höhe; - z.B. auf einem Tisch; - werden sie die erstbeste Möglichkeit nutzen, herunterzufallen. Grundsätzlich fallen die wertvollsten Gegenstände zuerst herunter und sie treffen stets so auf, dass der größtmögliche Schaden entsteht.

Deine Bemühungen, einen Gegenstand in letzter Sekunde zu fangen, werden unweigerlich größere Zerstörungen anrichten, als wenn Du ihn hättest fallen lassen, ohne dich darum zu kümmern. Wenn diese Gegenstände ausnahmsweise nicht kaputt gegangen sind, rollen sie aus purer Bosheit in die am Schwersten zugänglichste Ecke des Raumes.

Alle mit natürlicher Perfidität ausgerüsteten Elementarteilchen, aus denen jede Materie besteht, scheuen sich auch nicht, sich selbständig zu harten und schweren Gegenständen zu formieren, die nichts anderes im Sinn haben, als Dir auf die Füße oder gar den Kopf zu fallen.

Mir persönlich ist der Fall des Gurus Sri O. bekannt, der sich in den Schatten einer Kokospalme setzte, um meditierend über den Umweg der ebenso komplexen wie altmodischen Erleuchtung zu den Erkenntnissen für ein neues, besseres Leben zu gelangen.

Sri O. hat den Vietnamkrieg und 150 Folgen Denver sowie die Lindenstraße unbeschadet überstanden. Zudem besitzt er die goldene Ehrennadel der Geisterfahrer.

(Anmerkung des Verfassers: Die goldene Ehrennadel der Geisterfahrer bekommt, wer das Frankfurter Kreuz zu Verkehrsstoßzeiten als Geisterfahrer unbeschadet überquert und mindestens dreimal im Verkehrsfunk erwähnt wird.)

Boshafter weise fiel dem Guru Sri O. die einzige Kokosnuss, die sich bis dahin auf der Palme aufhielt, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt und mit perfider Präzision auf den Kopf, in dem Sri O. zu meditieren begann.

Sri O. erinnert sich, während der folgenden Ohnmacht ein hämisches Lachen gehört zu haben.

Die ebenso komplexe wie altmodische Erleuchtung ist wiederum der geglückte Versuch der Natur, Einzelerkenntnisse und Fehlinformationen in der Form zu produzieren, dass der Erleuchtete so viel mit dem Verarbeiten dieser Erkenntnisse zu tun hat, dass er für ein neues, besseres Leben vollständig blockiert ist.

Mit zunehmendem Erleuchtungsgrad ist der Erleuchtete somit in der Lage, Fehlinformationen über den Daseinssinn zu produzieren und mit zunehmender Popularität in immer höherer Geschwindigkeit zu verbreiten.

Dabei wird ständig übersehen, dass eine erlangte Erleuchtung stets eine naturgewollte Eigendynamik entwickelt, die der Natur, die bekannter weise das größtmögliche Chaos anstrebt, in ihrer Perfidität entgegenkommt. Der wachsenden Anzahl der Erleuchteten stehen auf der anderen Seite die immer geringer werdende Zahl der Mitmenschen gegenüber, die ohne je was von einer Erleuchtung gehört zu haben, in der Lage sind, ein glückliches Leben zu führen.

Ganz zu schweigen von der noch geringeren Zahl der Menschen, die trotz Erleuchtung in der Lage sind, ein glückliches Leben zu führen, was durchaus ein neues, besseres Leben sein kann; - aber nicht muss!

Solltest Du in Anbetracht dieser Erkenntnis versuchen, mit Deiner Erleuchtung zu leben, versuche sie nicht auf das neue, bessere Leben anzuwenden. Solltest Du es trotzdem tun, wirst Du Dein neues, besseres Leben lang in keine Situation geraten, auf die Deine Erleuchtung anwendbar ist, da eine Erleuchtung grundsätzlich dem Selbstzweck dient und mit dem Leben, das wir heute kennen, nicht kompatibel ist.

Spätestens an dieser Stelle sollten wir uns klar machen, was eine Erleuchtung überhaupt ist:

Eine Erleuchtung ist nichts anderes als der geglückte Versuch der Natur, eine möglichst chaotische Anordnung von Erkenntnissen und Fehlinformationen zu einer komplexen Einheit zusammenzufassen, innerhalb derer sich Fehlinformationen gegenseitig als 'Wahrheit' beweisen, was zur Folge hat, dass sich die Fehlinformationen dahingehend optimieren, dass sie ständig weitere Fehlinformationen produzieren, die wiederum nichts weiter im Sinn haben, als sich in ihren verschiedenen Erscheinungsformen als kompakte Hinterhältigkeit zu formieren und Deinem neuen, besseren Leben entgegenzuwirken. Die Erleuchtung wird sich genau wie Materie verhalten; - wie in diesem Beitrag beschrieben!

Die einzige Aufgabe, die eine Erleuchtung erfüllt - neben der Fähigkeit, die Konten der Gurus zu füllen - ist, reibungslos und aufgabengemäß so zu versagen, dass in kürzest möglicher Zeit der größtmögliche Schaden an Physis und Psyche des Erleuchteten angerichtet wird und einem neuen, besseren Leben entgegenwirkt.

Die erste Folgerung daraus ist:

Jede Erleuchtung hat mindestens einen Fehler.

Die zweite Folgerung daraus ist:

Jede Weitere Erleuchtung hat immer einen Fehler mehr.

Die dritte Folgerung daraus ist:

Die Erkenntnis eines Fehlers ruft mindestens zwei neue hervor.

Die erste persönliche Ableitung daraus ist:

Wenn sich ein Fehler in einer Erleuchtung bemerkbar macht, dann ausgerechnet bei Dir!

Die zweite persönliche Ableitung daraus ist:

Wenn Du endlich gelernt haben solltest, die Fehlinformationen von den Wahren Erkenntnissen zu unterscheiden und für eine perfekte Erleuchtung n Erkenntnisse nötig sind, wirst Du in diesem Leben maximal n-1 Erkenntnisse erlangen.

Die dritte persönliche Ableitung daraus ist:

Solltest Du trotzdem der Ansicht sein, die perfekte Erleuchtung erlangt zu haben, wird sie Dir nichts nützen.

Die Erkenntnis daraus ist:

Je perfekter Deine Erleuchtung ist, desto weniger ist sie auf Dein Leben anwendbar, und desto gründlicher wird sie, wenn es darauf ankommt, versagen.
 

hein

Mitglied
Hallo Hagen

da hat sich Murphy sich aber gewaltig in die eigene Erleuchtung hineingesteigert.

Das Beste im Leben ist doch immer noch: nicht viel denken, Augen zu und durch!

LG
hein
 

Hagen

Mitglied
Hallo Hein,
danke für die Beschäftigung mit meiem Text und das fulminante Lob sowie die gute Bewehrtung.
Deinen Rat: nicht viel denken, Augen zu und durch! habe ich übrigens bei der Erstellung dieses 'Werks' schon beachtet.
Herzlichst
Yours Hagen

Wir lesen uns!
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Murphys Gesetz wurde nicht von Murphy selbst formuliert, sondern von einem Mann gleichen Namens.
 



 
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