Überraschung

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Nostoc

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„Ist das Dein Ernst?“ fragte Er leise. „Ja. Ich trenne mich von Dir.“ Ihre Stimme klang erstaunlich fest, so, als hätte sie geübt, diesen Satz zu sagen. Hatte sie? Wie oft übt man einen Satz, mit dem man 12 Jahre Beziehung beendet? Und wo? Im Bad vor dem Spiegel, bevor man zur Arbeit geht? Im Auto und setzt dabei verschiedene Gesichtsausdrücke auf? Oder abends im Bett? Hatte sie dabei geweint? Gelacht? Gab es dabei überhaupt Emotionen, die sie verspürte, oder einfach nur Erleichterung? Er wusste es nicht. Emotionen stürmten auf ihn ein. Alle gleichzeitig. Entsetzen, Wut, Trauer, Unglaube. Hin und wieder zurück. Dann nochmal durcheinander. Die Geschwindigkeit, in der die Wechsel stattfanden, machten ihn schwindelig. Ihm wurde schlecht, er dachte, er müsse sich gleich übergeben. Es verging.

Das nächste Gedanken-Karussell begann sich zu drehen. Was wird mit den Kindern, dem Haus, den Autos? Keine Luxusschlitten, durchaus betagte Fahrzeuge, aber sie versahen ihren Dienst und brachten alle einigermaßen klaglos von A nach B.

Mord? Er blickte über seine linke Schulter, als hätte jemand hinter ihm etwas zu ihm gesagt. Keiner da. Er musste es wohl gedacht haben. Aber der Gedanke wirkte, als hätte jemand das Licht in seinem Kopf angemacht. Hell und strahlend. Das musste es sein. Die Lösung. Natürlich.

Aber es sollte schnell gehen. Sie sollte trotzdem nicht leiden müssen. Aber – warum eigentlich nicht?

Die nächsten Tage waren geprägt von einer inneren Leere und Trostlosigkeit, die er so nicht von sich kannte. Natürlich gab es immer mal Probleme in einer Ehe, vor allem nach so langer Zeit. Aber Trennung?

Wieder dieses Wort, das in seinen Gedanken aufleuchtete wie der Schein der Lampe eines Leuchtturms, der immer wieder in regelmäßigen Abständen das Auge traf. Mord. Wieder wurde ihm schlecht. Egal. Er hatte sich entschieden. Eine Waffe musste her. Aber woher nehmen? Er kannte niemanden, der ihm eine solche Tötungsmaschine besorgen könnte. „Hallo, entschuldigen Sie die Frage, könnten Sie mir eine illegale Waffe besorgen? Ich frage für einen Freund.“ Blöde Idee.

Sie stritten wieder einmal um Belanglosigkeiten, als er sich plötzlich mit einem Schrei in der Küche auf sie stürzte. Seine Hände schlossen sich um ihren Hals und drückten zu. Ein erstickter Schrei kam noch aus ihrer Kehle, als er eine schnelle Bewegung ihres Armes wahrnahm. Schmerz. Blut, dass aus seinem Brustkorb schoss. Ein ungläubiger Blick auf das Messer. Sie war schon wieder schneller als er. Dunkelheit.
 



 
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