um dessen glut du

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gestohlenes feuer
ein frevel an dem gotte war’s

der schickte fluch
den sterblichen
doch die

sie zähmten gott und feuer
bannten sie
den gotte in die bücher
das feuer in den herd

geduldig aber ist
der zorn der göttlichen
und groß die gier
der flammen wie
der menschen die
dem brennstoff in der erde
ihren herd erst opfern
dann ihre hütte
die sie sich gebaut

im zweifel auch die erde




ich bin gebeten worden, ein paar gedichte zu einigen fotos eines dorfes zu schreiben, das für kohle weggebaggert wurde. es waren letzte fotos aus dem schon menschenleeren ort, die mich sehr berühren. auf dem foto zu diesem gedicht war so ein alter kohleherd zu sehen, die in den küchen standen. immer warm und immer die kanne mit dem kaffee darauf.
das buch soll dieses jahr vielleicht noch in anderort - verlag für lyrik erscheinen, wo jetzt auch mein neues buch rauskommt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Johnson

Mitglied
hi Charlotte,

es liest sich für mich persönlich, etwas zu sehr wie vom Pastor vorgetragen.

das Thema ist natürlich gut. Aber für mich sind die Bilder nicht so gut greifbar!

gruss
J
 
ah, okay. es ist ja das spiel mit goethes prometheus.
auf dem foto ist ein herd zu sehen, der für den brennstoff, der in der erde liegt,
geopfert wird. und da sind die pastoralen worte fast zitate von johann wolfgang.
liebe grüße
charlotte
 

sufnus

Mitglied
Hey charlotte!
Die Idee für den Text find ich richtig genial, also dass hier quasi ein entgöttlichter Prometheus auf Brennstoffsuche am Ende erst den Herd wegbaggert und dann die ganze Erde. Mit dem Bild wird so richtig die Eskalation des Energiehungers ins Absurde zur Kenntlichkeit entstellt. Die archaische Sprache hat mich übrigens eher an das Reden eines Dürrenmatt'schen Chors (wie beim Besuch der alten Dame oder so) erinnert. Dieses rhetorische Mittel ist definitiv heavy und gibt dem Text auf alle Fälle was ordentlich Widerspenstiges, Gegen-den-(literarischen)-Strich-Gekämmtes.
Am Ende verschluckt dabei dieses ziemlich wuchtige Mittel nach meinem Eindruck ein bisschen die Autorin. Ich mein das jetzt nicht vordergründig-platt, im Sinne von "das-ist-aber-jetzt-nicht-mein-geliebter-charlotte-Stil". Der "Verschluckungseffekt" hat also nichts mit einem ungewohnten Schreibstil zu tun. Es ist eher so, dass dieser spezifisch archaische Stil so "stark" ist, dass man schwer unterscheiden kann, welche(r) Autor(in) hinter dieser Schreibe steckt. Das ist wie ein Gesang mit künstlich verfremdeter Stimme. Jede(r) hört die Verfremdung und es ist dann nicht mehr möglich zu erkennen, wer "wirklich" hinter der Stimme steckt.
Ich könnte mir vorstellen, dass es aus dieser Überlegung heraus einen Gedanken wert wäre (bin ich heut mal wieder umständlich formulierend unterwegs!), dem Text noch irgend etwas ganz anderes hinzuzufügen (vielleicht einfach in der Art der Formatierung?), das den starken Archaik-Effekt wieder ein bisschen bricht oder dem jedenfalls etwas entgegensetzt, so dass am Ende wieder ein stärker individueller Text entsteht.
Hm... bin nicht sicher, ob ich verständlich rüberkomme.... (???)
Und sonst nur noch eine Minikleinigkeit: das -e bei gott in Zeile 8 ist m. E. zu viel, weil auch im altertümlichen Reden ein -e (so glaube ich zumindest) nur im Dativ angehängt wurde (also wie richtigerweise in Zeile 2), aber nicht beim Akkusativ. Vermutlich wäre es aber sicherer, da sonst nochmal eine(n) Spezialist*in für altes Deutsch zu befragen oder zu schauen, ob bei Geheimrat & Co. ein angehängtes -e auch beim Akkusativ vorkommt. :)
LG!
S.
 
lieber sufnus,
vielen dank!
hm, also wenn ich dich richtig verstehe, ist es irgendwie genau die intention, dass nichts individuelles mehr bleibt.
denn das ist ja mit dem ort passiert. alles weg. es ist belanglos. was gibt es archaischeres als ein riesiges nichts im
boden? eine kleine umstellung am ende hatte ich noch vorgenommen.
vielleicht kommt das individuelle dann im ganzen der gedichte. es werden vielleicht 14, mal schauen. sechs und ein
altes sind schon eingeplant. das ist ganz neu für mich. :)
liebe grüße
charlotte
 

revilo

Verboten
gestohlenes feuer
ein frevel an dem gotte war’s

der schickte fluch
den sterblichen
doch die

sie zähmten gott und feuer
bannten sie
den gotte in die bücher
das feuer in den herd

geduldig aber ist
der zorn der göttlichen
und groß die gier
der flammen wie
der menschen die
dem brennstoff in der erde
ihren herd erst opfern
dann ihre hütte
die sie sich gebaut

im zweifel auch die erde




ich bin gebeten worden, ein paar gedichte zu einigen fotos eines dorfes zu schreiben, das für kohle weggebaggert wurde. es waren letzte fotos aus dem schon menschenleeren ort, die mich sehr berühren. auf dem foto zu diesem gedicht war so ein alter kohleherd zu sehen, die in den küchen standen. immer warm und immer die kanne mit dem kaffee darauf.…
das buch soll dieses jahr vielleicht noch in anderort - verlag für lyrik erscheinen, wo jetzt auch mein neues buch rauskommt.
ich muss Dir ganz ehrlich sagen, dass ich zwischen der Thematik und Deinem Gedicht keinen Zusammenhang finden kann … Du hast das ja eher von der intellektuellen Ebene her bearbeitet … Ich hätte endlich er etwas über den Kohleherd und die Menschen drumherum geschrieben … Aber das ist natürlich Ansichtssache … da hat Johnson mit seinem Einwand, es sei zu sehr vom Altar aus gepredigt meine Empfindung ganz gut getroffen … Aber die muss ja nicht unbedingt maßgeblich sein …Nichtsdestotrotz würde es mich für Dich freuen, wenn das mit Foto veröffentlicht wird …auf jeden Fall finde ich Deine Projekte wirklich spannend und freue mich jedes Mal, wenn Du darüber berichtest …
 
lieber revilo,
das ist für mich wirklich spannend, weil ich das von verschiedenen leuten gehört habe.
und das ist ja auch neu für mich. vielleicht wird es im buchganzen deutlicher.
hier wollte ich wirklich den prometheus umdrehen und den gedanken von benjamin
sozusagen aufgreifen, wonach wir den gedanken des fortschritts in der katastrophe
verorten müssen. dass es so weiter geht, ist die katastrophe.
denn die menschen sind ja schon weg.
sind wir wirklich für das feuer gemacht?

vielleicht werden die anderen gedichte anders. aber es geht um ein dorf, dass weggebaggert wurde
für ein bisschen kohle.

trotzdem nehme ich das sehr ernst. vielleicht erfinde ich mich neu, aber gefühlt ist das eben auch
für mich fremd. wenn auch mit absicht.
liebe grüße
charlotte
 

revilo

Verboten
Hallo Charlotte, ich finde es wirklich spannend, wenn Du Dich diesem Thema auf einer anderen Ebene noch einmal nähertest … Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Gedicht anders wirkt, wenn es gewissermaßen bebildert ist … Bei Deiner Herangehensweise, die ich überhaupt nicht schlechtheißen will, sehe ich nur die Gefahr, dass bei dem sicherlich beachtenswerten intellektuellem Ansatz das eigentliche tatsächliche Geschehen in Form des Untergangs eines ganzen Dorfes oder besser gesagt ganzer Dörfer ein wenig untergeht …Ich habe mehrere Dokus darüber gesehen, was dies bei den betroffenen Menschen auslöst und war mehr als erstaunt, wie viel Widerstand entstand aber auch wie viel Kraft für einen Neuanfang generiert wurde … Vielleicht ist es ganz gut, sich zu fragen, was ein direkt Betroffener mit so einem Gedicht anfangen kann… Denn das sind ja eigentlich „ganz normale“ Leute, wobei ich natürlich nicht suggerieren will, dass das Gedicht für einen Betroffenen (mit vielleicht etwas anderem intellektuellen Hintergrund) unverständlich wäre … Ich versuchte, die ganze Angelegenheit noch mal aus der Sicht der Menschen zu sehen, die in solchen Dörfern immer noch leben und lebten …

Herzliche Grüße von Oliver
 
lieber revilo,
es sind 13 bilder und die gedichte unterscheiden sich. also es sind nicht alle so.
hier war es halt die irre verbindung von dem herd und der kohle, die darin
verbrannt wird und der er nun zum opfer fällt.

gerade hab ich eins fertig, was die erinnerungen an das leben stark macht.
ich glaube, es sind noch sechs bilder offen. da bleibt noch raum.

und ich weiß nicht - so fremd das vielleicht ist (kein charlotte-gedicht ;) ) -
mir ist dieses so doch wichtig.

liebe grüße
charlotte
 



 
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