Bornstein
Mitglied
Umkehrung
Meine Mutter hatte eine Idee. Der Alte sollte auf die Kinder aufpassen. Dafür war er noch gut genug, und so hatte sie mehr Zeit für sich und ihre Sachen.
So kam es, dass jetzt der Opa mit uns öfter spazieren ging. Weil er nicht mehr viel laufen konnte, ging es bis zum nächstliegenden Spielplatz. Er setzte sich auf eine Bank, machte es sich gemütlich, zündete eine Zigarre an, und sah uns beim Spielen zu. Am Anfang ging alles friedlich her. Da aber Frieden etwas langweilig ist, wurde ihm bald der Kopf schwer, er nickte, und die Lider fielen zu. Er zog schon seit langen nicht mehr an seiner Zigarre, sodass diese inzwischen ausgegangen war, und auf den Boden fiel. Manchmal fiel sie auch auf die Bank oder den Schoß.
Wir beobachteten die Szene und warteten gespannt auf diesen Moment. Wir liebten nämlich den Opa und wollten die Liebe auch beweisen. Deswegen sammelten wir die Zigarre, säuberten sie sorgfältig, wickelten sie in ein Taschentuch, Papier oder Serviette, was gerade zur Hand war, und steckten sie in die Tasche seines Jacketts. Alles natürlich mit sehr viel Vorsicht um ihn nicht aufzuwecken.
Nicht nur aus Liebe warteten wir auf das Kippen der Zigarre. Uns kam das Nickerchen sehr gelegen, denn nun konnten wir ohne Aufsicht toben und raufen. Wir waren jetzt frei zu machen was wir wollten. Selbstverständlich haben wir zu Hause nichts gesagt und auf Fragen so kurz wie möglich geantwortet. Vielleicht deswegen hat meine Mutter lange gebraucht um es zu entdecken. Ihr Plan lief jetzt umgekehrt. Jetzt passten wir auf den Alten auf.
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