Umzug

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Ralf Langer

Mitglied
Hallo james,

das finde ich wirklich gut.
Ein komplexer philosophischer Gedanke wird hier "leichthin" mit einem Umzug verpaart.

" Die Zeit zieht um"
schon bei der ersten Zeile entwickeln sich meine Gedanken in verschiedene Richtungen.
Vieles ist möglich:
Die Jahreszeit auf der einen bis zur Lebenszeit auf der anderen Seite.
Und was macht lyrich, wenn die Zeit weg zieht, aber er "da" bleibt. Sehr gekonnt verwoben, liegt dies alles vor mir.

Und dann der Schluß:

"Wo zieht man hin?
Es fehlt dem nächsten Ort
zum Ausblick auf den Sinn
ein neues Wort."

Diese Strophe empfinde ich als sehr, sehr gelungen
Ja, wohin geht die "Reise", und ist man erst einmal an dem neuen Ort, muss man in dem dann "da -sein" einen Sinn erblicken.
Allein - genial - es gibt dafür "noch" kein Wort.

Hier schließt sich einmöglicherweise fataler "Umzug" in ein namenloses "Nichts". EineTragödie? - Vielleicht. ich aber erspähe in der letzten Strophe aber auch das Potential, diee Wort unddamit einen Ausblick auf Sinn - im Laufe von Zeit - zu finden und zu benennen.

besitzen wir Menschen doch nur das, von dem wir uns im wahrsten Sinne des Wortes einen Begriff machen können.

Sehr gerne gelesen

Lg
Ralf

P.S
und was ist überhaupt zeit ? Im allgemeinen Sprachgebrauch ist damit immer eine "dauer" von etwas gemeint.Aber vielleicht gibt es nur eine unendliche Kettung von Gegenwarten und wir bewegen uns bzw."ziehen damit um" von Vergangenen Gegenwarten zu gegenwärtigen Gegenwarten bis zu zukünftigen Gegenwarten...
 

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Mitglied
In seiner Knapp- und "Leer"heit wird dein Gedicht dem Inhalt mehr als gerecht, lieber JB.

Wie immer erschaffst du deinen ganz eigenen Rhythmus mithilfe eines originellen Metrums, das den Inhalt nochmals unterstreicht. Da merkt man den erfahrenen Reimprofi.

Eine Frage nur, weil ich da eine kleine Sprachbarriere zwischen D und Ö wahrzunehmen meine:
Ein Wagen hält
mit laufendem Motor,
Betont ihr Deutschen (wie das klingt! Ist aber ganz wertfrei gemeint ;) ) den Motor generell auf der zweiten Silbe? Wir Ösis nämlich auf der ersten - und dann spießt's natürlich.

mit laufendem Motor
x Xxx Xx


Ich habe schon öfter mal bei meinen Gedichten Betonungsfehler aufgezeigt bekommen, von denen ich weiß, dass sie für mich nicht da sind, und vermute, das ist zum großen Teil - wie auch hier, wie ich annehme - der doch unterschiedlichen Sprache geschuldet...

Auf jeden Fall wieder ein gelungenes, spritziges Gedicht aus deiner Feder! Gerne gelesen!

LG,
fee
 

James Blond

Mitglied
Hallo ihr Beiden, vielen Dank für eure Gedanken zu diesem Gedicht!

Ich habe schon öfter mal bei meinen Gedichten Betonungsfehler aufgezeigt bekommen, [...]
Vielleicht das Einfache zunächst: "Motor" lässt sich auf der ersten oder zweiten Silbe betonen, ein regionaler Unterschied ist mir nicht geläufig. Der Duden unterscheidet bei der Betonung zwischen der Maschine (Motor) und einer antreibenden Kraft (Motor), ich habe allerdings auch schon beides mit wechselnder Betonung gehört, daher nehme ich es, wie es gerade passt.

Ja, dieses ist ein sehr nüchtern gehaltenes Gedicht, passend zur Stimmung nach dem Jahreswechsel. Die Zeit zieht um, sie sucht sich ein neues Haus, weiß aber noch gar nicht, wohin sie eigentlich will. Dabei hat sich der aktuelle Bezug zur proklamierten Zeitenwende zufällig ergeben, die Frage stellt sich aber auch hier: Wo will, wo muss man eigentlich hin?

Nicht nur wir sind es – die Zeit zieht manchmal um und wir müssen mit oder wir bleiben in leeren Räumen zurück. Der bisherige Lebensinhalt zu Erinnerungen verpackt, verstaut oder am Boden verstreut, der Aufbruch erzwungen, unvermeidlich, drängend, alles andere als ein hoffnungsvoller Start zu neuen Ufern.

Die Verse, zum Strophenbeginn knapp und ausgeräumt, versuchen zwar eine Erweiterung, die aber jedesmal wieder in einer lapidaren Feststellung zusammenfällt. So wie die Dinge eben sind, mangelt es auch an der Sprache, sie zu benennen.
Ja, wohin geht die "Reise", und ist man erst einmal an dem neuen Ort, muss man in dem dann "da -sein" einen Sinn erblicken.
Du hast die Ambivalenz dieses Umzugs sehr gut wiedergegeben, Ralf.
Hier schließt sich ein möglicherweise fataler "Umzug" in ein namenloses "Nichts". Eine Tragödie? - Vielleicht. ich aber erspähe in der letzten Strophe aber auch das Potential, dieses Wort und damit einen Ausblick auf Sinn - im Laufe von Zeit - zu finden und zu benennen.
Möglicherweise wird uns die Zeit auch das neue Wort liefern.

Liebe Grüße
JB
 



 
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