und du?

und du?

Wenn wir uns wirklich wandeln, im sieben-jährigen
Pendelschwung, bin ich vom Umkehrpunkt bis dato
weit entfernt. Da liegen Jahre vor mir voller Fragen;
wie: ob du noch immer einem bunten Falter gleichst.

Nein, nicht die Bluse meine ich. Dein Wesen war‘s,
ein Lachen jeder Flügelschlag; es brauchte keinen Witz
dafür, der Frühling und die Wiese waren Grund genug.
Und außerdem: ob heute noch das Reh aus deinen Augen
springt; das scheue Tier, das sich befangen und beherzt
zugleich vom Unterholz befreit und auf die Lichtung wagt.

Schon holt das Pendel wieder aus; bereits zum fünften
Mal Kokon zerrissen, neu entpuppt, ausgeflogen und in
Eisnächten erfroren. Und dito: beim Äsen schnell zum Aas
geworden; mitunter rechtzeitig ein paar Haken geschlagen
und zurück ins Dickicht; am besten für immer verstecken.

Ich jedenfalls bin nach wie vor der Lustigste am Tisch.
Allein, es fehlen mir die Gäste; und weiß sehr wohl
von einem oder anderen:

die Flügel längst verdorrt, kaum mehr als Rudiment; dem
Zweck geweiht, als Accessoire für falsche Freunde und
die Chefetage. Ansonsten viel zu schwer für einen Flug.
Wozu denn auch? Man überblickt den Acker ohnedem;
das Reh vor langer Zeit erlegt; die Furchen sind von uns.

Eine sehr schöne lyrische Erzählung!
Fühlt sich an wie Gemurmel beim Schälen von Äpfeln im späten September. Und in der Ferne hört man Abendglocken.

LG
Scal

Hallo,

ich habe mich von dem Text auch gerne rhythmisch mitnehmen lassen. Doch das ist gefährlich, er ist ja beileibe nicht inhaltslos.
Bei dieser Stelle hat mich ein. Befremden überkommen, eine Art Störgefühl: "und in Eisnächten erfroren. Und dito: beim Äsen schnell zum Aas geworden"; du magst selbst entscheiden, ob dir das gelegen kommt.

Gruß Lé.

Hallöle,
Ich bleibe nachdenklich zurück....
Wie dem auch sei, richtig gute Lyrik!
LG
Oscarchen

Hallo Tula,
dein Stück stimmt mich sehr nachdenklich. Es hat "wunderschöne" Momente.
Vor allem hier:

"Ich jedenfalls bin nach wie vor der Lustigste am Tisch.
Allein, es fehlen mir die Gäste; und weiß sehr wohl
von einem oder anderen: "

Der "Clown" macht Späße wenn er am traurigsten ist. Ich erinnere mich spontan an einen "Witz". Ein MAnn geht zum Psychater und sagt das er tottraurig ist. Der Arzt rät ihm sich abzulenken und mal wieder zu lachen. Jetzt wäre die besten Gelegnheit der große Clown Oleg Popov sei in der Stadt. Der würde sein Gemüt schon wieder aufhellen.

Sagt der Mann: Ich bin Popov...

oder hier:

"Man überblickt den Acker ohnedem;
das Reh vor langer Zeit erlegt; die Furchen sind von uns."

Diese Erkenntnis,metaphorisch ja, aber auch haptisch, visuell:
So einfach "schön" in Worte gesetzt:

Das Leben hinterlässt seine Spuren ( nicht nur im Gesicht).

Soweit erst mal der Applaus von mir.

LG
Ralf

ja. ein text der nachdenklich stimmt, der melancholisch ist, aber kein kitsch. mir gefällt vorallem das ende:

Man überblickt den Acker ohnedem;
das Reh vor langer Zeit erlegt; die Furchen sind von uns

Zum Vergrößern anklicken....

das ist wirklich saustark!

lg
patrick

Hallo in die Runde

mit leichter Verspätung mein Dankeschön für Kommentare und Sternchen.

Lieber Scal,
Den Vergleich des Äpfel-Schälens finde ich sehr treffend. Denn es geht nicht zuletzt um immer wiederkehrende Gedanken und Grübeleien, was aus dem/der einen oder anderen geworden ist. Dem sprichwörtlichen Schäfchen-Zählen nicht unähnlich.

Lieber Lé
ich habe über die Stelle nochmal nachgedacht; ich denke, sie passt zu meiner Idee dahinter, auch wenn „zum Aas werden“ noch eine andere Bedeutung hat (hier natürlich nicht gemeint).

Ja, Liebes Oscarchen, nachdenklich auf jeden Fall wenn man die persönliche Wandlung mancher zu verstehen versucht. Ich bin mir aber so oder so sicher, dass vor allem du noch immer der Lustigste am Tisch bist

Lieber Ralf,
Danke für deinen sehr geschätzten Applaus. Ja, die Anekdote vom traurigen Clown passt hier gut zum Thema.

Lieber Patrick
In der Tat fällt es bei manchen Themen schwer, nicht ins Kitschige bzw. Wehleidige abzugleiten. Diese Sorge hatte ich hier durchaus.

Also nochmals herzlichen Dank und
LG Tula