Und wieder

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juttavon

Mitglied
Grüß Dich Einsprengsel, Dein Gedicht spricht mich sehr an, trägt eine Spannung von vielschichtigen Widersprüchen in sich, die ungeheuer lebendig ist. Nur über das "so Unruhen" stolpere ich irgendwie.
Herzlichen Gruß, Jutta
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Juttavon

ein kleines Gedicht auf den Frühling. Muss auch mal sein.
Das mit den Unruhen, die Flügel schlagen, verstehst du nicht? Ich weiß gar nicht, ob man das muss. Die Poesie ist ja die zweite Wirklichkeit, und da kann allerhand passieren, das macht die Poesie erst aus. Aber zum Verständnis: Früher hatten Uhren Unruhen im Gangwerk.

Einsprengsel
 

juttavon

Mitglied
Ja, soweit hatte ich es poetologisch und technisch schon begriffen und zudem finde ich "Unruhen" auch im Zusammenhang mit Frühling und mit "Flügel schlagen" durchaus stimmig... Doch die Stelle ("so Unruhen") empfinde ich in dem Fluss der Bilder als holprig. Es geht mir mehr um das "so". Wenn ich soweit, solange, sobald... und ähnliches einsetze, klärt das für mich den Zusammenhang zu den davor stehenden Bildern auch nicht. - Aber der Frühling kommt trotzdem bei mir an. Danke! Jutta
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Juttavon

"so" ist hier als Konjunktion benutzt, im Sinne von falls, wenn, sofern usw. Es ist die poetische Form, die, zugegeben, im Alltag eigentlich nicht benutzt wird. Aber hier geht es ja um Poesie und nicht um Alltag und da ist das "so" schon richtig gebraucht.

Einsprengsel
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo einsprengsel
im frühjahr schlagen nicht nur die bäume sondern auch die frühlingsgedichte um sich.

ich nehme dein gedicht, liebes einsprengsel, um einmal aufzuzeigen was ich an gedichten unfertig, ungelungen finde.

es ist nichts persönliches. es ist nur so, das meine welt des lyrischen ein anderer ort ist, ein andere welt.

ich möchte mich als erstes mit dem formalen beschäftigen.
ein gedicht hat eine form. die strophen dann die verse dann die zeilen. das ist so.

und das sollte einen sinn ergeben. es muß keine strenge form sein, es gibt mittlerweile gängige unterarten der lyrik. aber, form ist etwas elementares, der dichter gliedert mit den strophen sein wortgebilde, und mit den versen und zeilen gibt er betonungsarten und lesevorgaben vor.

du hast dich für ein drei strophiges gebilde entschieden.

die erste erschließt sich mir

die zweite da gerate ich sofort ins holpern:

Und Schatten werden die
Bäume werfen, die Uhren werden
Lieder spielen, so Unruhen
die Flügel schlagen

die erste zeile endet auf „die“, wie ich es aber auch drehe und wende, diese lesevorgabe ergibt für mich keinen sinn.

lesetechnisch müßte es doch so aussehen:

und Schatten werden die Bäume werfen,
die Uhren werden Lieder spielen
so unruhen die Flügel schlagen

in strophe drei ist wieder ein zeilenumbruch hinter „der“. In allerdeutlcihkeit: das ist unsinnig, lesetechnisch
falsch. welchen zweck also haben diese zwei umbrüche?

zurück zur zweiten strophe:

hier bleibe ich stecken:

…, so Unruhen
die Flügel schlagen

hier versteheich den text sprachlich nicht: was bedeutet das „so“
und die „unruhen“ flügel schlagen, das klingt in meinen ohren grammatisch falsch. ich weiß aber hier auch nicht was du sagen willst.
In meinen ohren klingt das verquast. es imitiert einen lyrischen habitus. ist aber nur ein plazebo, ein wortplazebo.
Wenn ich mich irre oder etwas nicht versteh, bitte ich hier um aufklkärung.

zu den metaphern:

eigentlich bleiben die worte im zeigenden verhaftet. das ist in ordnung. Lyrich wirft einen inneren blick voraus in das kommende. der leser blickt lyrich dabei sozusagen über die schultern. das ist eine gängige praxis. ist in sich stringend. um so wichtiger werden die beiden metaphern die du eingbaut hast:

der schmerz der farben

die uhren werden Lieder spielen

(eigentlich auch : so unruhen die flügel schlagen. Diese metapher beachte ich aber nicht, dai ch , wie ich schon sagte, hier keinen zugriff erhalte)

„der schmerz der farben“ finde ich spannend. ein interessanter widerspruch.denn eigentlich ist der frühling etwas auf das man sich freut, das man mit spanung erwartet.
hier einen schmerz anzusiedeln finde ich erwähnenswert.

wo mag dieser schmerz hinführen. hier zeigst du etwas spannendes auf, und ich als leser bin gespannt, wie du mit dieser wendung umgehst.

„die uhren werden lieder spielen“

da mache ich mal ein großes fragezeichen hinter. Eeine metapher die ich mir irgendwie aus der nase ziehen muß um eine „erklärung“ zu finden.

vielleicht sind es die inneren uhren, aber in derselben zeile mit den bäumen kriege ich das nicht zusammen.
vielleicht meinst du auch eher statt „uhren“ die „zeit“ oder ähnliches?

nun ja dann die unruhen, eine uhr hat eine unruh, ein mechamisches teil, ein schwungrad sozusagen, aber auch hier kann ich nicht folgen.

es bleibt der schmerz der farben und die frage : wie kann man mit so viel Gewissem leben.

eine spanneden frage. In einem mäßigen gedicht, das gerade in der zweiten strophe große schwachstellen aufweist.

eine kurze eigene version:

Doch das frühjahr kommt;
grün wird es sein
und erdiges braun
und gelb und rot:
ein schmerz der farben

wie leben mit so viel Gewissem
mit dem dschungel
dem Sinneszauber
und dem blauen fliederbusch

(hier ergänzte ich:
zum beispiel mit
an deinem grab)

soweit meine auslassungen

lg
Ralf
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Ralf

da hast du dir aber sehr viel Mühe mit meinem mäßigen Gedicht gegeben. Hab Dank, ich weiß den Umfang der Arbeit zu schätzen.

Nun willst du wissen, was das "so" bedeutet. So in diesem Fall als Konjunktion der Bedingung gebraucht im Sinne von wenn, falls, sofern usw. Alles klar?

Und dann die Unruhen, die Flügel schlagen. Dies ist eine Metapher, ich gehe davon aus, dass ich sie dir bei deinem Wissensstand nicht erklären muss.

Zum Zeilenbruch: Du bevorzugst offensichtlich den Zeilenstil, ein Enjambement (Hakenstil) ist nicht so das, was dir zusagt. Da kommen wir wohl nicht zusammen, denn ich schreibe viele meiner Gedichte mit modernem Enjambement.

Zum Schluss noch ein Wort zu deiner Version meines Gedichtes:
Ich vermisse meine Metaphern, die für das Gedicht erst interessieren können. Mich würde deine Version, die eine allzu schlichte Betrachtungsweise an den Tag legt, um es direkt zu sagen, nicht wirklich interessieren. Herausgekommen ist bei dir ein blasses, nichtssagendes, überflüssiges Gedicht im braven Zeilenstil, und das, lieber Ralf, lag nicht in meiner Absicht. Ich danke dir für die Mühe und hoffe, du verzeihst mir meine Offenheit.

Einsprengsel
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo einsprengsel,

herzlichen dank für die hinterlassenen erklärungen.
ich werde versuchen den spuren zu folgen.

ich habe im übrigen überhaupt keine probleme mit offenen worten:
nehme nichts persönlich, was nicht persönlich ist.

meine auslassungen zu gedichten sind immer ein spiegel einer persönlichen einstellung.
(wie solltees anders sein)

ich erwarte keinen konsens. der dichter tut was er sich selber auferlegt. dichten ist ein monistischer prozeß. der dichter entscheidet wann , wie und warum sein gedicht seine gültige form erreicht hat.

dann verlässt er das stück und es entschwindet sozusagen seiner eigenen deutungshoheit.



eine kleine richtigstellung:
ich selbst arbeite viel mit enjambements - mit anderen als du -
nur der form halber erwähne ich von meinen letzten veröffentlcihungen in der leselupe:

kain

last order
und
logopädie

ich freue mich auf textliche auseinandersetzungen

und verbleibe
mit freundlichem gruß
ralf
 

Carina M.

Mitglied
Hallo Einsprengsel,


mir gefällt dein Text gut, weil es trotz aller erschreckenden Ereignisse, Kriege und Katastrophen , eine Gewissheit hinter alldem bleibt, dass es immer wieder erneut neuen Frühling geben wird.
So lese ich das aus dem Text heraus.
Manchmal möchte ich es kaum glauben, dass dennoch bei all dem Erschreckenden, welches uns täglich durch die Medien übermittelt wird und möglicherweise auch durch selber Erlebtem, es bunt werden kann und nicht im Grauen versinkt.

Lieben Gruß,
Carina
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Carina

ja, es ist vielleicht ein Segen, dass wir der Natur noch nicht befehlen können. Na, und ein bisschen Anlass fürs Gedicht ist der Frühling ja auch immer. Warten wir erst mal auf den Herbst, da kommt noch was auf uns zu. Wer weiß, wie dann die Welt aussehen wird.

Einsprengsel
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
wir sind doch allesamt nur blausüchtige Frühchen

der Schmerz der Farben
Das Lyri leidet an einer seltsamen Krankheit, an dem Gegenteil von Farbenblindheit. Nehmen wir den Schwarzweißfilm als Norm, können Farbenwahrnehmungen als Krankheit gelten, und man kann ihnen Schmerz unterstellen - vorausgesetzt natürlich, daß man die angebliche Schmerzlosigkeit der Farbwahrnehmung als eine Art Ausblendungs-Halluzination erkennt. Es ist sehr wichtig, das Nichtbemerken von Schmerzen als Halluzination zu entlarven, da die Farbwahrnehmer über ihre Krankheit aufgeklärt werden müssen. Schließlich ist das Farbwahrnehmen eine gefährliche Sucht, wer einmal damit angefangen hat, will nicht mehr in die Nüchternheit des Schwarzweißfilm-Auges zurück.
Blendung könnte heilen.
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Mondnein

du gabst dein Bestes, und mir wird auch schon ganz bunt vor Augen.

Einsprengsel
 



 
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