Undenkbares aus dem Buch Ferdinand

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand hat wieder nachgedacht
und im Denken Denkbares vollbracht.
Doch dann dachte er: Wie wunderbar,
was ich denke, wird nie undenkbar.

Kaum war der Gedanke eingedrungen
ins Gehirn, hat Ferdinand gerungen,
weil er also alsobald begriff:
Undenkbar ist ein Gedankenriff.

Undenkbar ist, ist es erst gedacht,
denkbar, das hat undenkbar gekracht.
Ferdinand kann plötzlich Nichts verstehen
und beginnt, die Welt und sich zu sehen.

Ferdinand schlägt los und sagt: "Ich ahne:
was ich schlage, wird zu bester Sahne."
 

mondnein

Mitglied
Das ist schon reizvoll, Bernd,

Undenkbares zu denken zu versuchen. Überhaupt eines zu finden, das einem nicht unter der Hand zerrinnt zu einem zuende gedachten Konzept. Man kommt darüber hinaus, indem man die Konzepte aufsucht, die nicht zuende gedacht werden können. Unendliche Aufgabenstellungen, unendlich offene Fragen im Vollzug ihrer Formulierung,
Aber das Beispiel mit dem substanzialisierten "Nichts" (Null) identisch mit nichts (leere Menge) sucht den Widerspruch von punktgenau fertig-gedachtem "Nichts" zum niemals zuende gedachten Undenkbaren, zum unlösbaren Problem. Deren Identität, coincidentia oppositorum, behauptet die Lösbarkeit des Problems durch die Denkbarkeit des "Nichts", als wäre das Nichterreichenkönnen damit identisch, das Nichts zu erreichen.

Hans der Große Enzensberger hat auch etwas mit Zahlen oder Mathematik geschrieben? Habe ich vorhin im Fernsehen hinter mir gehört. Will ich mal rausfinden.

grusz, hansz
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke, Hansz.
Ist das Undenkbare heterologisch oder autologisch?
Das ähnelt dem Grelling-Nelson-Paradoxon, nur dass es nicht selbstbezüglich im Verhältnis zum Paradoxon ist.

Wenn das Undenkbare denkbar ist, ist es heterologisch. Aber dann ist es nicht undenkbar.
Wenn das Undenkbare autologisch ist, ist es undenkbar, also nicht denkbar. Aber: Wenn ich es niederschreibe ist es denkbar, was einen Widerspruch ergibt.

Das Undenkbare ist aber vorhanden, aber als es ist nicht völlig undenkbar, sonst könnte ich es nicht beschreiben.
 

James Blond

Mitglied
Undenkbar ist, ist es erst gedacht,
denkbar, das hat undenkbar gekracht.
Wenn das Undenkbare autologisch ist, ist es undenkbar, also nicht denkbar. Aber: Wenn ich es niederschreibe ist es denkbar, was einen Widerspruch ergibt.
Wo hast du denn das Undenkbare konkret gedacht oder niedergeschrieben?

Der Begriff "undenkbar" bezeichnet eine Eigenschaft, aber noch keinen Gegenstand, keinen Gedanken. Und "das Undenkbare" ist eine Mengenbezeichnung für alle undenkbaren Elemente, aber selbst eben KEIN Element dieser Menge, sondern nur ihre denkbare(!) Bezeichnung. Über die Menge kann also gedacht und geschrieben werden, ohne in einen Widerspruch zu geraten. Das gilt übrigens auch für die leere Menge, das Nichts.

Ich würde die Metrik überarbeiten - sie ist denkbar schwach. ;)

Grüße
JB
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, James, danke für die Besprechung.
Ich habe Undenkbares weder gedacht noch hingeschrieben.
Die handelnde Person ist Ferdinand, eine fiktive Person.

Die Logik ist selbstbezüglich und zirkulär. Im Realen tritt sie nicht auf.
Der Widerspruch in sich ist das Thema.

Was die Metrik betrifft: Ich spreche es sehr flüssig, aber nicht skandierend, sondern nachdenklich.
Nach Deinem Hinweis habe ich es nochmal aufgesagt, aber keine Probleme gesehen.

Viele Grüße von Bernd
 

James Blond

Mitglied
Hmm, dann würde mich interessieren, wie du
Undenkbar ist, ist es erst gedacht,
betonst. Für mich geht das nicht ohne Hebungsprall.
Die meisten Verse sind trochäisch, allerdings wird der Trochäus oft nicht nicht durchgehalten, z.B. :

Ferdinand hat wieder nachgedacht
und im Denken Denkbares vollbracht.
Doch dann dachte er: Wie wunderbar,

was ich denke, wird nie undenkbar.



Das Gedicht berichtet zwar von Ferdinand als Protagonisten, aber du hast über das Thema nachgedacht und die Aussagen getroffen und niedergeschrieben - oder war Ferdinand selbst der Autor?

Im übrigen sehe ich hier immer noch keinen Selbstbezug.
Ich kann z. B. auch über "rote Farbe" mit schwarzen Lettern schreiben. Die Bezeichnung muss demnach nicht die Eigenschaft des Bezeichneten aufweisen, das gilt auch für die Bezeichnung "undenkbar". Ebenso kann ich "unaussprechlich" ausprechen, nur nicht das, was unaussprechlich ist.

Grüße
JB
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Undenkbar ist, ist es erst gedacht,
Als Einschub. Mit Gedankenstrichen wird es deutlicher.
Undenkbar ist - ist es erst gedacht -
(Oder mit Klammern)
Undenkbar ist. (ist es erst gedacht)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Undenkbar ist zunächst autologisch, aber da undenkbar undenkbar gedacht nicht gedacht werden kann, sonst wäre es denkbar, ist es, auf sich selbst bezogen, heterologisch.
Wir haben auch mehrere Personen.
Ich bin der Autor, dann ist da noch der Ich-Erzähler, also der Kommentator, da, der über Ferdinand nachsinnt. Ferdinand als fiktive Figur hat sich in der Logik verstrickt.

Ferdinand selbst ist denkbar, aber nicht von ihm selbst. Von ihm selbst ist die ganze Sache undenkbar, einfach, weil er nicht denken kann, denn er existiert nicht als Wesen, sondern nur als gedachtes, imaginäres, eingebildetes Wesen, über das der Ich-Erzähler nachsinnt, was er auch nicht kann, nur ich als Autor kann es, der mit langer Nase vor dem Tisch sitzt, die auf jeder stufe zwischen Lang und Kurz hin-und-herschwankt. Jeder folgende Traum, jede folgende Stufe ist weiter von der Realität entfernt.
 

James Blond

Mitglied
Undenkbar ist zunächst autologisch, aber da undenkbar undenkbar gedacht nicht gedacht werden kann, sonst wäre es denkbar, ist es, auf sich selbst bezogen, heterologisch.
"Undenkbar" ist nicht undenkbar; es trifft keine Aussage über sich selbst, sondern über anderes, das damit noch nicht gedacht wird.
Undenkbar ist, ist es erst gedacht,
denkbar, das hat undenkbar gekracht.
Das trifft genau genommen nicht zu. Richtig wäre:

Undenkbares gedacht
hat es denkbar gemacht.

"Undenkbar" hingegen kann nicht auf sich selbst bezogen werden, es ist nicht autologisch. Es ist eine Bezeichnung, die sich nicht selbst bezeichnen kann.

Ich sehe hier eigentlich nur zwei Personen: Den Autor Bernd und seinen Protagonisten Ferdinand, dem der Autor Gedanken als Einsichten in den Mund legt. Ist Ferdinands Logik denn eine andere als die des Autors oder des Lesers? Dann wäre es wohl keine.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass wir gehörig an einander vorbei reden (oder schreiben). Auch was das Metrum anbelangt. Sicherlich lässt sich alles irgendwie betonen (und auch denken).
Also was soll's? ;)

Grüße
JB
 

Tula

Mitglied
Hallo Bernd
Ist doch in der Tat ein interessanter Ungedankengang, wofür der Leser durchaus dankbar sein sollte.
Die Pointe selbst erscheint mir etwas aufgesetzt bzw. losgelöst vom eigentlichen Inhalt.

Schön auch:
Ferdinand kann plötzlich Nichts verstehen
und beginnt, die Welt und sich zu sehen.


Dass er und die Welt eigentlich das Nichts verkörpern wäre natürlich ebenfalls undenkbar. Andererseits ist das ja wirklich alles nichts bzw. nicht sehr viel. Werden wir heute abend sehen ... ;)

LG
Tula
 



 
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