unendlich

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lasse mich immer wieder verschwinden
von der geputzten selbstbildfläche
bin nur unsichtbarer bildschirmschoner
sperre mich hinter doppelglasscheiben
und wärmedämmung und schaue in
land schaften mich auch nicht
sehe kühe wiederkäuend auf der weide liegen
und singe mir in eigenen warteschleifen
immer wieder „die gedanken sind frei“

und ständig treibt die angst vor freiheit
der sicherheit gefangene zu
 

petrasmiles

Mitglied
Sehr interessante Gedanken!
Aber auch ein wenig - idealistisch?
Sind Freiheit und Sicherheit wirklich Gegensatzpaare?
Ich glaube beide Begriffe als Lebensgefühl betrachtet sind sehr viel umfassender, als dass sie sich wirklich in diese Rolle pressen lassen.
Freiheit statt Sicherheit durch korrumpiert werden - ja.
Sicherheit als Basis für freie Entfaltung - auch ja.
Freiheit kann Angst machen, wer lebt schon im Optimum seiner Möglichkeiten, aber ist es dann wirklich die Angst vor Freiheit? Ist es nicht eher ein Nicht-Begreifen von Zusammenhängen, ein Mangel an Phantasie, oder gar der Geiz an Gefühlen und Energien allgemein?
Und ist in unserem Land nicht weniger die Freiheit bedroht als die Sicherheit - ganz existenziell?
Wirklich sehr interessante Gedanken.

Liebe Grüße
Petra
 

arnoreis

Mitglied
Hallo Karl und Petra,

ganz spontan: Mir gefällt der Text.
Man muß weder alles rational verstehen noch sezieren. Ein lyrischer Text ist selten ein philosophische Abhandlung. Sondern jeder Leser sieht darin, was er sehen mag.

Trotzdem zwei Hinweise:
"und schaue in
land schaften mich auch nicht" - finde ich unglücklich, beim ersten Lesen fast unverständlich.

In der kurzen zweiten Strophe behältst Du das Ich nicht mehr bei - es sind nicht die anderen, die Du meinst, sondern Dich. Oder?

Herzlichst
Arno
 
lasse mich immer wieder verschwinden
von der geputzten selbstbildfläche
bin nur unsichtbarer bildschirmschoner
sperre mich hinter doppelglasscheiben
und wärmedämmung und schaue in landschaften
sehe kühe wiederkäuend auf der weide liegen
und singe mir in eigenen warteschleifen
immer wieder „die gedanken sind frei“

und ständig treibt die angst vor freiheit
meiner sicherheit gefangene zu
 
Hallo petrasmiles,
deine Einwände ich nach deiner Lesart gut verstehen.
Mir ging es darum zu sagen, dass die Angst vor Freiheit der Sicherheit möglicher Weise zu viele Gefangene zu treibt.
Freiheit bedeutet auch immer Risiko.
Herzliche Grüße und Dank für deinen Kommentar
Karl
 
Lieber Arno,
danke für deine Hinweise.
Wie du sehen kannst, habe ich sie in der neuen Fassung verarbeitet.
land schafften sollte ein Wortspiel sein. Da auch freie Landschafften durchaus eine Aufforderung sein können, die sicherer Schreibstube zu verlassen. Ich gebe gern zu, es war nicht leicht verständlich. Habe es daher gestrichen, obwohl vorläufige Unverständlichkeit für mich kein wirkliches Argument gegen ein Gedicht ist...
Herzliche Grüße und Dank für deine Zeilen
Karl
 

Kaleidoskop

Mitglied
Hallo Karl,

ein sehr starkes Gedicht. Du findest außergewöhnliche Bilder für deine Aussage. Der einzige Kritikpunkt meinerseits:
das doppelt vorkommende "immer wieder".

Die Schlußzeilen sind große Klasse!

lg,
Kalei
 
lasse mich immer wieder verschwinden
von der geputzten selbstbildfläche
bin nur unsichtbarer bildschirmschoner
sperre mich hinter doppelglasscheiben
und wärmedämmung und schaue in landschaften
sehe kühe wiederkäuend auf der weide liegen
und singe mir in eigenen warteschleifen
„die gedanken sind frei“

und ständig treibt die angst vor freiheit
meiner sicherheit gefangene zu
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,

vorab ein Klasse Thema!
Ich gehe gleich mal ans Eingemachte, sprich konstruktiv gemeinte Anregungen:

lasse mich immer wieder verschwinden
von der geputzten selbstbildfläche
-> selbst ist unnötig, da es sich aus dem "lasse mich ..." erschließt

bin nur unsichtbarer bildschirmschoner
-> Bildschirmschoner sind i.d.R. nicht unsichtbar, ich würde es weglassen, denn das LI als Bildschirmschoner ist doch ein tolles Bild.

sperre mich hinter doppelglasscheiben
und wärmedämmung und schaue in landschaften
-> Doppelglasscheiben und Wärmedämmung sagt das gleiche aus, ich würde nur die wärmedämmung, vielleicht in Verbindung mit Wänden nehmen, weil die Scheibe schon im Vorbild steckt.

sehe kühe wiederkäuend auf der weide liegen
und singe mir in eigenen warteschleifen
„die gedanken sind frei“
-> das "mir" finde ich entbehrlich.

und ständig treibt die angst vor freiheit
meiner sicherheit gefangene zu
-> hier würde "neue" Gefangene die Fantasie des Lesers öffnen.

Ich hoffe, es ist was dabei, diesen tollen Text noch aufzuwerten.

LG
Manfred
 
Lieber Manfred,
danke für deine Anregungen.
Einige sind mir einsichtig, daher nehme ich sie gern an.
Das "selbstbild" und die Wärmedämmung möchte ich gern erhalten, weil sie mir als Aussagen wichtig sind.
Herzliche Grüße
Karl
 
lasse mich immer wieder verschwinden
von der geputzten selbstbildfläche
bin nur bildschirmschoner
sperre mich hinter doppelglasscheiben
und wärmedämmung
schaue in landschaften
sehe kühe wiederkäuend auf der weide liegen
und singe in eigenen warteschleifen
„die gedanken sind frei“

und ständig treibt die angst vor freiheit
meiner sicherheit neue gefangene zu
 
A

AchterZwerg

Gast
Auch wenn ich mal ein paar Takte nicht anwesend war, weiß ich doch: Karl schreibt klug durchdacht wie eh&je.:):)
In diesem Gedicht gefällt mir der "Bildschirmschoner" ausnehmend gut. Fast ein Schimpfwort ...
(Ich habe unlängst eine Sammlung angefangen. Am gemeinsten fand ich bislang: "Du Flicken!" Aber: "Du Bildschirmschoner" klingt ebenfalls schön böse. :D
Liebe Grüße
Heidrun
 

MarenS

Mitglied
und singe in eigenen warteschleifen
„die gedanken sind frei“


das und würde ich noch weglassen, es ist nicht nötig. Zudem folgt in der nächsten Zeile wieder und.
Ansonsten ist das meine Lieblingszeile in deinem Gedicht, Karl.

Ansonsten nach den Änderungen für mich rundum gelungen.

Grüße von der Maren :)
 
lasse mich immer wieder verschwinden
von der geputzten selbstbildfläche
bin nur bildschirmschoner
sperre mich hinter doppelglasscheiben
und wärmedämmung
schaue in landschaften
sehe kühe wiederkäuend auf der weide liegen
singe in eigenen warteschleifen
„die gedanken sind frei“

und ständig treibt die angst vor freiheit
meiner sicherheit neue gefangene zu
 

MarenS

Mitglied
Karl, ich heiße Maren oder Gisa aber nienicht Monika. Welcher Erinnerungsschalk an schöne Stunden hat dich denn da geleitet? *schmunzelt

Grüße von der MarenGisa
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo karl,

hier ist dir ein stück gelungen,
das je nach lesart eher politisch oder "persönlich"
verstanden werden kann
außerdem besticht es durch seine starken unverbrauchten metaphern, die schon von anderen gelobt worden sind.


was ist der mensch?
ein eher ängstliches wesen.
er sperrt sich ein, und nennt es sicherheit.
anscheinend schliessen sich der wunsch nach freiheit
und sicherheit aus.
wir müssen lernen vor dem "unheimlichen" die angst zu verlieren,
sonst wird das internierungslager mit den gefangenen zu voll...

lg
ralf
 



 
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