Unentschieden zwischen Gestern und Heute

GerRey

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Prolog
Es hat wieder begonnen. Schlaflos wälze ich mich im Bett lange hin und her wie zwischen den gespannten Flügeln eines Nachtfalters. Da ist Lilly, die zarte Chinesin, deren Schweiß unerfüllter Liebesnächte sich mit meinem Schweiß ebensolcher Nächte vermischt, und fern wie durch den Filter eines Opiumrauschs mit direkter Verbindung ihrer gequälten, nur gehauchten Lustschreie, als hätte sie sich ihrer vor mir zu schämen, von ihren rosigen Lippen aus direkt in mein Ohr und in die Gänge meines Fühlens dringt. Dann Katja, eine blonde russische Schönheit, mit kühlen grauen Augen und abenteuerlicher Trapper-Wildheit, die sich nie ganz ergibt, und im Wodka-Taumel mich fest an ihren vollen, runden Busen drückt, den sie darbietet, um mich nachdrücklich von ihrer erblühten Weiblichkeit zu überzeugen - die eine 25 Jahre jünger als ich, die andere gar um 29 Jahre. Wo waren sie, als ich mich noch zu einer bestimmten Musik voll austanzen konnte?


Wie so oft kam ich nach dem Aufwachen einer kaum geschlafen Nacht nicht sofort in den neuen Tag hinein. Es war, als hielte mich das Gestern - wie von einem großen Stein beschwert - im Bett fest, wie um durch mich noch ein paar Atemzüge vor seinem Sterben zu machen. Meine Gedanken waren träge, eben von Gestern, mit dem sie sich noch beschäftigen, gleich nach dem ersten Blinzeln der Augen im Raum, der in sonniger Morgenfrische durch das offene Fenster erhellt wurde. Wie eine romantische Sehnsucht lag dieser Raum in seiner abgeschiedenen Schönheit da, abgetrennt von der Grenze meines Bettes! Dabei hatte ich nur die Füße auszustrecken und auf den Boden zu stellen - das Bett, das Grab des Gestern, zu verlassen.

Aber die Furcht vor Prokrustes (ein wüster Geselle aus griechischer Sage) tauchte aus den grauen Schleiern meiner Erinnerung, die ebenso nur vom Gestrigen genährt war, auf, er könnte auch mir Arme und Beine abhacken und mich zwingen, wieder einen Fastentag vor dem Heute, das sich ins Gegenwärtige begab, abzuhalten, sollte ich versuchen, aus dem Bett aufzustehen und das Gestern zu verlassen wie eine Geliebte, deren betrügerische Schändlichkeit in mir nachklang, während ihre feuchten Küsse noch auf meinem nackten Leib trockneten.

Ich begann meinen Körper vom Rücken auf die Seite zu drehen. So wollte ich doch noch ein wenig schlafen, um später, in einem geeigneteren Moment und ohne bedrohliches Gestern samt Prokrustes, die doch wohl nur in meinem Kopf bestanden, wieder zu erwachen. Tanzen, tanzen …mit Lilly und Katja …!

Nazareth - Shanghai'd In Shanghai
 



 
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