unerkannt (2 Zeiler) (gelöscht)

A

aksapo

Gast
Hallo Jacko,
...ich versteh ja so wenig von diesen kurzen Gedichten, von zwei Zeilern schon gar nichts.

Das Chamäleon schleicht am gelblich-braunen Blatt vorbei,...aber was ist dann,...??? verändert es die Farbe oder züngelt es,...?

Ich weiß nicht, was Du meinst.
Ich denke, Du beobachtest, wie es vorbei schleicht,..aber was schließt Du daraus?...ich warte, daß da noch was kommt....?

Schönen Nachmittag,
Lg Aksapo
 
A

aksapo

Gast
Oja, jetzt seh ich erst den Titel "Unerkannt", ...
Also es schleicht in der Tarnfarbe vorbei und man sieht es nicht, eben wegen der Tarnung.
Jetzt kapier ich ...
Ja, das ist eine gute Idee!
Lg Aksapo
 
P

Pelikan

Gast
Ein Chamäleon schleicht
am gelblichbraunen Blatt vorbei

Hallo, JackoF
diese zwei Zeilen beschreiben eine Situation in welche man jetzt beliebig vieles hineinlegen kann. Ich würde hier zum Beispiel einen Menschen nehmen, welcher ein so genannter
Tausendsassa ist, ein sich ständig wandelnder, einer der sich jeder Sitaution anpassen kann/will um vielleicht nicht allzu
viel Beständigkeit zu offenbaren - dieser wechselt ständig seinen Typus, trägt stets andere Kleidung, hat meistens eine schnell sich ins Gegenteil wandelnde Meinung. Kurz gesagt:
Eine Person die sich nicht so leicht fassen läßt. Und diese Person nimmt jetzt ein Herbstblatt voll ins Visier und erschrickt vielleicht über dessen Wandlung. Jetzt könnte solche ein Chamäleon(Mensch)in einer Grün-Phase sein.Grün wäre hier Jugend. Was könnte es denken dieses menschliche Chamäleon? "Pah, ich bin jung, werde also noch viele Lenze, Sommer,Herbste und Winter erleben - die Natur kann mich mal mit ihrem Hinweis auf den Verfall!" Gedacht und vorbeigeschlichen. Es könnte aber auch gelb sein, dieses Chamäleon, dieses menschliche, sprich im Lebens-Spätsommer stehen - da wären die Gedanken vielleicht schon andere:
"Oha, so schnell geht das in der Natur- eben noch prall und grün (wie ich) und nun schon ein sich bräunendes Blatt...
und ich bin auch nicht mehr der Jüngste!" denkt das Chamäleon vielleicht und schleicht ein wenig betrübt am Blatt vorbei.
Ich weiß jetzt nicht ob das echte Chamäleon noch diese und andere Farben hat, ganz sicher, aber nehmen wir mal an, dessen gelbe Farbe hat sich ein wenig ins Braun gewandelt.
"Ui.ui..."denkt es vielleicht, das menschlieche Chamäleon,
wir sind uns ja ziemlich ähnlich, beide leicht angewelkt...
ui...ui..wie viel Zeit bleibt mir noch? Gott, die Natur scheint mich ja zu warnen - ich sollte meine Zeit vielleicht mit mehr Tiefsinnigem verbringen, nicht so viel Wert auf Oberflächlichkeit geben...ui..ui.." Das Chamäleon schleicht tief betrübt am Blatt vorbei und nimmt sich fest vor, sein Leben zu verändern...

Tja, so habe ich ein wenig um Deinen Zweizeiler herumgesponnen, lieber JackoF ;) und eigentlich mag ich solche Zeilen...man ist gezwungen nachzudenken, zu spinnen,zu fantasieren. Anregend sind sie allemal!

mit lieben Grüßen, Pelikan ;)
 

JackoF

Mitglied
Hallo aksapo,

habe nun in Anlehnung an Deine erste Verwirrung den Titel „Unerkannt“ direkt über den Zweizeiler gesetzt - Danke für den Hinweis :))

Unerkannt

Ein Chamäleon schleicht
am gelblichbraunen Blatt vorbei

Ja - hier bezieht sich meine gemeinte Assoziation auf das Farbenwechsel-Spiel des Chamäleon - und zwar direkt(Natur), oder eben figuriert auf den Menschen/Umgebung bezogen.
Und wie Du es treffend sagst,
hier geht es um eine Tarnung,
entweder, um nicht in seiner Wirklichkeit erkannt zu werden,
oder, um in einer verstellenden Vortäuschung eigene Egoziele zu manipulieren....

aksapo,

wieder ein Danke für Dein interessiertes Reinschauen zu diesem „Kleinen“ :)
und
ein farbenfrohes Tschüss, Jacko

--
 

JackoF

Mitglied
Unerkannt

Ein Chamäleon schleicht
am gelblichbraunen Blatt vorbei
----------------------------------

Hallo Pelikan,

und ein WOW-Danke für Deine so detaillierte und ausführliche Deutung zu diesem Zweizeiler !!!! :)
Tja, so habe ich ein wenig um Deinen Zweizeiler herumgesponnen, lieber JackoF ;)
Deine Kreation „menschliches Chamäleon“ gefällt mir sehr gut :)))))
Und gleichermaßen
Deine Sichtweise, dass Du hier nun gleichermaßen diesem Blatt eine passierte/passierende Wandlung zuordnest / => da bin ich, da ist ein Gegenüber, eine Gegenüber-Situation....

Und schon sind wir doch mitten im Kommunizieren/Austauschen von Menschen/Situationen zu/untereinander !!!

Einmal - der natürliche Fall - dass sich alles Leben wandelt(äußerlich und innerlich), und hier eine Begegnung im offenen Zeigen/Berühren passieren kann...
Dann,
dieser von Dir beschriebene Fall – und so top umfassend - dass Leben/Kommunizieren sich unter den Menschen(z.B.) immer gegenseitig beeinflussen,
und auf der Basis einer natürlichen Akzeptanz stattfinden(stattfinden könnte...),
oder eben,
dass hier Verkleidungen/Tarnungen/Verstellungen um das eigene „tatsächliche“ ICH gebaut werden,
um in einen anderen Wirk-Schein zu kommen.

Einmal ist es doch, eine Realität nehmen zu können – ertragen, anschauen, verarbeiten zu können,
zum anderen,
genau ein "Passiertes"("so" Daseiendes) verdrängen zu wollen - nicht akzeptieren können.

Eine Realität umzubemalen :))) – wenigstens nach außen hin.....
Dieses „falsche“ Chamäleon-Spiel“ zu spielen – der Umgebung gegenüber – und gleichermaßen sich selbst gegenüber(vielleicht/wahrscheinlich der viel schlimmere Fall).

Und ebenso von Dir angesprochen - diese derart einschneidenden ICH-Momente, in denen ein reflektiertes Erkennen über das eigene Spiel ins Bewusstsein kommt,
und hier gleichwichtig,
auch diese Spiel-Arten der Umgebung zu erkennen.

Gesamt -
vielleicht wieder mehr mit seiner inneren Persönlichkeit das Leben zu beleben..., zu offenbaren...., auch offen erleben wollen......


Pelikan,

ein großes Danke für Dein feines Detaillieren zu meinem Zweizeiler,
hat mir echt Spaß gemacht :) - und
ein wieder direktes, unverkleidetes Tschüss, Jacko

--
 

Rhea_Gift

Mitglied
Jetzt weiß ich, was mich die ganze Zeit schon stört - das erkannte Chamäleon! Interessanter fände ich sowas wie -

Ein Gefühl von Schleichen
beim Betrachten des gelbbraunen Blattes -
Chamäleon?
- denn die Unsicherheit zeigt in dieser Version, dass es - noch - unerkannt ist. Dann muss das unerkannt auch nicht drüber stehen.
Bei deinem Zweizeiler ist es jedoch klar erkannt.

oder - mit anderem Titel drüber:

Chamäleon

Ein Gefühl von Schleichen
beim Betrachten des gelbbraunen Blattes

>> nur so Ideen...

LG, Rhea
 

JackoF

Mitglied
Hallo Rhea,

zu Deinen beiden Vorschlägen :
Ein Gefühl von Schleichen
beim Betrachten des gelbbraunen Blattes -
Chamäleon?
---------------
oder - mit anderem Titel drüber:

Chamäleon

Ein Gefühl von Schleichen
beim Betrachten des gelbbraunen Blattes
muss ich mir noch Gedanken machen !

Diese Thematik "schleichen/Chamäleon/(un)erkannt" werde ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen.

Bin also dabei :)))

Antwort kommt dann fast gleich.....

Tschüüüss, Jacko

--
 

JackoF

Mitglied
Hi Rhea,

mit Deinem Hinweis ist mir klar geworden, welche beiden grundsätzlichen Sichtweisen mein Zweizeiler im Leser bewirken kann.
(1) / Einmal - die primäre Sichtweise des Chamäleons in sich selbst, seine permanente Haltung sich zu verstellen, um......../ und die Umgebung erkennt dieses Chamäleon-Typus irgendwie(oder auch nicht, oder bemerkt etwas Eigenartiges, wie ein auffälliges Schleichen..)...,
und
(2) / zum anderen - die primäre Sichtweise der Umgebung, irgendwie einen Chamäleon-Typus ausgemacht zu haben(oder, dieses Schleichen irgendwie bemerkt zu haben)....

Mir ging es inhaltlich um die erste Variante - dieser innere Haltung eines solchen schwachen Wankelwesens, wie es mit seiner eigenen Täuschung die Umgebung zu täuschen versucht (und letztlich sich selbst wohl/sicher am allermeisten - wäre aber ein anderes Thema).

Inwieweit die Umgebung dieses Falsch-Spiel bemerkt – dass es dieses Chamäleon schon ausgemacht hat,
ist letztlich für mich unerheblich - oder eben sekundär,
oder :
=> also, da ist ein Chamäleon-Typus !!

Ich denke mal - wie Du es auch sagst, dass meine Überschrift vielleicht zu wenig liniert.

Vielleicht so ? :
-------------------

unerkannt (bleiben)

Ein Chamäleon schleicht
am gelblichbraunen Blatt vorbei

---------------------------------

Dieses Chamäleon richtet sich nach seiner Umgebung aus(aus welchen Zwängen auch immer), kommt in eine (jeweilige) Umgebungs-Situation - und nun was machen, wie verstellen ?? / wie anpassen, um nicht „falsch“ aufzufallen...

Für mich das Interessante,
genau dieser Chamäleon-Mensch besitzt große Empathie-Fähigkeiten, sich in das z.B. „gelbbraune Blatt“ hineinfühlen zu können,
also Werte, Natürliches, Falsches und Realitäten zu bedeuten.
Und doch
erliegt es dem Umgebungs-Zwang(letztlich seinem eigenen Zwang), diese bewerteten Deko-Normen zu übernehmen, und vortäuschen zu wollen - wohl mitmachen zu dürfen.....,
und
vergisst seine eigene Natürlichkeit - oder besser gesagt, verleugnet seine eigene Natürlichkeit - und wird zum permanenten Chamäleon-Schleicher in einer Fassaden-Umgebung(der anderen Masken).

Rhea,
Deine zweite Variante hat echt was :
------------------------------------

Chamäleon

Ein Gefühl von Schleichen
beim Betrachten des gelbbraunen Blattes

----------------------------------------

Bei Deinem gelungenen Bild bekomme ich die Empfindung, dass es sich inhaltlich um meine oben differenzierte Variante(2) handelt.
Der Außenstehende bemerkt dieses Anpass-Wesen......(direkt, oder wird von einem eigenartigen Gefühl berührt, als stimme da etwas nicht...).

Werde nun mal beide Varianten oben einstellen.
Einmal mein Orig mit meiner erweiterten Überschrift - und zum anderen Deine.

Frage : Erkennntest Du mit meiner erweiterten Überschrift nun eher meinen Inhalt(1) ???

Mal sehen,
ob vielleicht noch weitere Leser hierzu sich noch einmischen, und ihre Sicht bedeuten ????? :)

Rhea,
wieder ein Danke für Deine eigenen Gedanken, :)
und wieder ein Tschüss, Jacko
--
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Was ich zusätzlich einwerfen möchte, ist der Beobachter, der die Umgebung beobachtet und nur die Umgebung sieht. Er sieht das Chameleon nicht.
Könnte er es wahrnehmen? Ja, wenn es nicht perfekt ist.

Insofern kann man sehen, dass das Gedicht außer "Zweizeiler" noch weitere Formmerkmale besitzt: 1. Es ist selbstreferentiell. Man kann das Chameleon auch als Metapher für das Gedicht und seine Wahrnehmung betrachten. Das Gedicht verkörpert den Autor, der aber nicht gesehen wird, weil sein Dasein verschwindet - er fällt mit dem Werk zusammen. 2. Es enthält eine Art Paradoxon.

Es ist ein Naturbild, in dem man nichts sieht außer der Natur. Zumindest scheint es so. Man sieht das Chameleon und deshalb sieht man es nicht.

Viele Grüße von Bernd
 

JackoF

Mitglied
Hallo Bernd,

Mensch Meier,
nun hast Du noch eine weitere Ebene(zwei Ebenen) herausgearbeitet / gefällt mir echt :))
------------------------------
Unerkannt

Ein Chamäleon schleicht
am gelblichbraunen Blatt vorbei
---------------------------------------------

Sagen wir, dieses sogenannte dritte Auge, dass dieses quasi Paradoxon begreift.
So eine Art bewusstseiendes Auge :)))
Was ich zusätzlich einwerfen möchte, ist der Beobachter, der die Umgebung beobachtet und nur die Umgebung sieht. Er sieht das Chameleon nicht.
Könnte er es wahrnehmen? Ja, wenn es nicht perfekt ist.

2. Es enthält eine Art Paradoxon.
Es ist ein Naturbild, in dem man nichts sieht außer der Natur. Zumindest scheint es so.
Man sieht das Chameleon und deshalb sieht man es nicht.
Da ist mein Bezug Natur(oder was auch immer) als Beobachter - und sie(das) ist so, wie ich es sehe,
und da ist doch mehr, was ich zunächst nicht sehe,
ich ahne es(oder weiß es),
da schleicht doch was - eben dieses Chamäleon(Figuration), das ist !!

Dieses „gelblichbraune Blatt“ wird vom Beobachter zu einer eigenen Immanenz, die so ist, wie sie gesehen wird - und parallel symbolisiert dieses unerkannte Chamäleon nun dieses daseiende, und dahintersteckende,
und zunächst nicht erkennbare „Mehr“,

eben dieses, was hinter dem ersten Blick noch weiter verborgen ist.

Oder, wie Du die Sichtweise hierzu führst :
Es ist ein Naturbild, in dem man nichts sieht außer der Natur. Zumindest scheint es so. Man sieht das Chameleon und deshalb sieht man es nicht.
Das Chamäleon hat sich mit dem „gelblichbraunen Blatt“ gleichfarbig getarnt, schleicht unerkannt daran vorbei, und ist da - und doch letztlich nicht erkennbar.
Soll heißen, da ist immer etwas,
Zwischenzeiliges,
was außerhalb des ersten Blickes real außerdem ist - eben aus der Sicht des
wollenden, „pro-paradoxen“ Beobachters. :))

Bernd, für mich ist dieser Deine Ansatz irgendwie die fortführende Konsequenz des Tarnens/Täuschens aus der vorigen breiten Diskussion und Gedankenkette, die hier im Faden ablief/läuft :))

-------------------------------------------------------------

Und dieser Deine Ansatz der „Selbstreferentialität“ zu diesem Zweizeiler
1. Es ist selbstreferentiell. Man kann das Chameleon auch als Metapher für das Gedicht und seine Wahrnehmung betrachten. Das Gedicht verkörpert den Autor, der aber nicht gesehen wird, weil sein Dasein verschwindet - er fällt mit dem Werk zusammen.
ist natürlich ein genießbarer, theoretische Hammer :) / für mich.......

Und ehrlich - hatte natürlich nicht diese weiten Gedanken beim Niederschreiben dieses Zweizeilers :)))

Das/Dieses Gedicht selbst - in seiner Immanenz - als Abbild dessen wird, wie der Autor ein Werk bedingend schafft(schreibt,....) - und gleichzeitig in dem Werk sich beteiligt auflöst, mit dem Werk zusammenfällt,
als wäre er dieses Chamäleon(was er natürlich mMn auch ist - immer sein muss ;) )

Bernd - ich sage nur Hach, wirklich ein top Gedanke in theoretischer Sicht :)

--------------------------------------------

Ähnlich/hierzu
hatte ich mal eine wochenlange Diskussion über das Thema „das Lyrische Ich“,
inwieweit es komplett,
als eine vom Autor getrennte Größe,
in seiner Selbst/Wirkung/Funktion
im Gedicht/Text existieren kann - egal ob autobiographisch oder fiktiv erfunden.....

Auch hier war ein Ergebnis(was natürlich viele Autoren abstreiten mögen....), dass ein „Lyrisches Ich“ letztlich immer vom Autor „Ich empathisch“ geformt wird,
Ich empathisch „so“ in die Rezeption wirkt,
und
zumindest den Autor in seinem "LI" als immer daseiendes Chamäleon mitschwingen lässt.

War jetzt nur so ein kleiner Ausflug :))))))

-------------------------------------------------------

Bernd,
ein großes Danke für Dein hier Reinschauen, und mich gedanklichem inspirieren :)

und wieder ein blattiges Tschüss, Jacko

--
 



 
Oben Unten