Ungemähtes Gras

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lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ungemähtes Gras

Eine Insel ungemähten Grases an der Ausfahrt
liegt noch summend zwischen uns
und auf der Wäscheleine
bräunt sich eine Klammer die Farbe
aus dem Holz

Was sie getragen hat
hängt müd an mir
und spannt mir ein Lebenslang auf die Haut
das auch der Wind nicht mehr
hinwegfegen mag
wo nur Wespen noch
ein Nagen wagen

Doch hier
überwinter ich nur
bis sich die kahlen Spalten der Kalender
wieder mit Leben füllen
wie an der Ausfahrt
ungemähtes Gras
 

L'étranger

Mitglied
Gute Bilder für ein Stimmungsgemälde, dass den Herbst und den Winter aufs Korn nimmt.

Tröstlich, dass das Gras wieder wachsen wird, über die abgestorbenen Halme hinweg ;-).

Gruß Lé.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo lap,

zuerst muss ich sagen, dass dein Gedicht bei mir Schnappatmung ausgelöst hat. Ich muss nämlich dringend 2000 qm Rasen mähen, aber der Mäher ist seit über einer Woche in Reparatur.

Zum Gedicht: Ein sehr gelungenes Stimmungsbild. Ich mag Gedichte, die sich der gerade herrschenden Jahreszeit entziehen.

Liebe Grüße
Manfred
 

Buchstaben

Mitglied
Hallo,

ich kann mich meinen Vorrednern leider nicht so sehr anschließen.
Einerseits finde ich den Faden nicht glatt durchgezogen, andererseits manche Bilder nicht sauber.

Konkret wären das nach meiner Meinung und mit meinen Änderungsvorschlägen:

"Ungemähtes Gras" ist ein schönes Bild, aber wenn es summt, ist es eine Wiese und nicht nur Gras. Als Betonung des Stehengebliebenseins evtl auch Heu.
Zum "zwischen uns" gehört eine zweite Person, die allerdings nie mehr auftaucht.
Zum Verblassen der Wäscheklammer sollte ein anderes Verb verwendet werden,
"quält", "drückt"... Besser vielleicht mit einem anderen Akteur: "Wettert die Zeit (?) einer Klammer..."

Die zweite Strophe versteh ich überhaupt nicht :confused:, deswegen nur punktuelle Bemerkungen soweit ich es aufzufassen vermeine:
"Spannen" ist etwas Kräftiges, passt also gar nicht zu "müd".
Hat der Wind keine Lust wegzufegen oder kann er nicht? Im ersten Fall säh ich ihn in einer Hauptpersonrolle, wofür er zu kurz und unvermittelt auftaucht. Im zweiten Fall sollte es "wegzufegen vermag" heißen.
"Nagen wagen" bringt etwas Humorvolles, Grinsendes rein. Das passt hier nicht.

Die dritte Strophe gefällt mir gut (hört, hört ;))
Worauf "hier" referenziert, ist unklar nach der längeren bildbehafteten zweiten Strophe.


Ungemähte Wiese

Eine Insel vergessener Wiese
steht noch summend an der Ausfahrt
und auf der Wäscheleine
wettert die Zeit einer Klammer die Farbe
aus dem Holz

Hier überwinter ich
bis sich die kahlen Spalten der Kalender
wieder mit Leben füllen
wie an der Ausfahrt
die ungemähte Wiese
Ist jetzt natürlich nur meine epigonale Meinung.

@Manfred: Wie Gedichte ankommen, hängt sicher vom Leser mit seiner aktuellen Situation und seinen Vorlieben ab, aber ein leichter Abstand schadet mMn nicht.


Lektorale Grüße
Norbert
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Norbert,

vielen Dank für Deine Hinweise und Interpretationen.

"Ungemähtes Gras" ist ein schönes Bild, aber wenn es summt, ist es eine Wiese und nicht nur Gras. Als Betonung des Stehengebliebenseins evtl auch Heu.
Ja, genau, das Summen verweist darauf, dass dort mehr ist. Dieser Teil der Wiese wurde deshalb nicht gemäht.

Zum "zwischen uns" gehört eine zweite Person, die allerdings nie mehr auftaucht.
Das stimmt, war mir so gar nicht bewusst. Es gehört zum Mähen, zum Rest nicht mehr.

Zum Verblassen der Wäscheklammer sollte ein anderes Verb verwendet werden,
"quält", "drückt"... Besser vielleicht mit einem anderen Akteur: "Wettert die Zeit (?) einer Klammer..."
Beim Bräunen hab ich auch überlegt. Wettern steht umgangssprachlich für Schimpfen und das passt nicht. Das lustige an dem Wortspiel ist ja, dass die Klammer unter der Sonne nicht braun wird, sondern Bräune verliert. Letztlich sind es Zeittupfer. Dinge, die sich verändern.

Die zweite Strophe versteh ich überhaupt nicht :confused:, deswegen nur punktuelle Bemerkungen soweit ich es aufzufassen vermeine:
"Spannen" ist etwas Kräftiges, passt also gar nicht zu "müd".
Das Lebenslang steht hier mehr im Fokus.

Hat der Wind keine Lust wegzufegen oder kann er nicht? Im ersten Fall säh ich ihn in einer Hauptpersonrolle, wofür er zu kurz und unvermittelt auftaucht. Im zweiten Fall sollte es "wegzufegen vermag" heißen.
Interessante Frage. Welche Bedeutung hat der Wind hier. Er war da und tat nichts.

"Nagen wagen" bringt etwas Humorvolles, Grinsendes rein. Das passt hier nicht.
Je, ich kann solchen Reimen selten widerstehen und der wind hat ihn hereingetragen.

Die dritte Strophe gefällt mir gut (hört, hört ;))
Worauf "hier" referenziert, ist unklar nach der längeren bildbehafteten zweiten Strophe.
Und da dachte ich, genügend Bilder für das Hier gebracht zu haben :D

Deine Interpretation und die Gedichtversion dreht ein bisschen an dem, was mir bei den Zeilen im Sinn lag. Das ungemähte Gras steht für mich nicht für etwas Vergessenes, sondern für etwas bewusst Dagelassenes. Wie eben der Kalender, der Termine aufnehmen sollte in einer Zeit, da es keine Termine gibt.

cu
lap
 

Buchstaben

Mitglied
Hallo Lap,

noch einen Vorschlag dazu.
Sonst können wir Quartett spielen und jeder legt auf jeden Vorschlag einen neuen besseren und irgendwann muss ich Co-Autorschaft beanspruchen;)
Das ungemähte Gras steht für mich nicht für etwas Vergessenes, sondern für etwas bewusst Dagelassenes.
Da hab ich die Umformulierung von "stehengelassene Wiese steht ..." nicht richtig zurückgenommen, natürlich klammert "ungemäht" viel besser.

Beim Bräunen hab ich auch überlegt. Wettern steht umgangssprachlich für Schimpfen und das passt nicht.
"Entbräunt"
Umdrehen: "(Ent)färbt ... die Bräune .."
"verblasst", "erblasst", "blasst", vielleicht sogar "blässt"
"färbt die Sonne einer Klammer die Blässe in das Holz"

"Wettern" als Schimpfen passt natürlich nicht, da muss der Leser nehmen, was der Autor gemeint hat ;), nämlich abgeleitet von Wetter.

Schöne Grüße
Norbert

PS: Zu "Nagen wagen" kann ich "Zecken in den Ecken" in Gereimtes oder "Multireime" in Fingerübungen vorschlagen. Soll natürlich keine Eigenwerbung sein.

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