Geht an sich in Ordnung. Ich als Leser bin zwar immer eher sauer auf den Autor, dass er mir die Tatsache, dass er keine Lust hat, besonders viel zu arbeiten auch noch als "gewitzt" anzudrehen versucht und dafür gemocht werden will... Geht aber an sich in Ordnung: einige Züge einer Geschichte andeuten, um sie dann zu verweigern. Herr Peter Bichsel kokettierte sein halbes Leben damit, dass er das tat.
Daniel Kehlmann hat in diesem "Ruhm", diesem Zwischending aus Kurzgeschichtensammlung und Roman, also dieser etwas willkürlichen Versammlung unterschiedlicher Protagonisten und unterschiedlicher roter Fäden, die sich hin und wieder alle mal "Hallo" sagen, einen Seicht-Literaten aus Brasilien, dessen Name man weltweit an den Kiosken liest, entweder als Buchautor oder in einer Schlagzeile auf einer Zeitschrift. Dessen Bücher handeln offenbar stets davon, wie man ein "gutes Leben" führt, wie man sich glücklich und zufrieden und aufgehoben auf der Erde fühlt. Er selbst betreibt das aber ganz zynisch, er weiß genau, dass es eine Masche ist, die sich blendend verkauft und die ihn reich macht. Nun erhält er aus der tiefsten brasilianischen Provinz den Brief einer eher naiven und sehr gläubigen Frau, die ihn bestärken will in seinem Tun. Und erkennt, dass diese Frau das alles, was er schon lang nicht mehr glaubt, tatsächlich glaubt und daher wirklich glücklich ist, während er, der alles hat, es nicht ist. Da nimmt er eine Pistole, richtet sie sich vor die Stirn, drückt aber nicht gleich ab, sondern überlegt ... Wie werden sie wohl drauf reagieren, wenn er jetzt abdrückt, wenn er morgen tot ist? Was werden sie über ihn schreiben? Wie werden sich die Bücher verkaufen? Werden Leser wie die Briefschreiberin sich dann von ihm verraten vorkommen?
Das war die Geschichte. Ob er abdrückt oder nicht, steht nirgendwo.
Das Problem dabei ist nur: Ich, als Leser, glaube es nicht. Ich glaube nicht Daniel Kehlmann, weil ich nicht glaube, dass ein einzelner Fanbrief einen so großen Medienstar dermaßen erschüttern kann. Und ich glaube nicht dir: Drei Leute rufen an und sagen, es sei etwas ganz Schlimmes passiert. Da glaube ich einfach nicht, dass keiner nur die geringste Andeutung macht, worum es sich in etwa handelt. Jemand sagt, ruf erst mich an, bevor du sonst jemand anrufst. Ohne dafür einen Grund zu nennen ("Ich muss dir erst noch was sagen, was sonst noch keiner weiß.") oder konkret vor dem Kontakt zu einer anderen Person zu warnen: "Sprich zuerst mit mir! Auf keinen Fall mit deinem Bruder, der dreht jetzt schon durch. Hast du Bargeld im Haus?"
So was. Ist doch auch nett.