Unheimreise

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trivial

Mitglied
Du siehst aus
wie Mick Jagger,
sagte er –
zu ihr.

Er konnte mal sprechen.

Du bist ein Egoist,
was kümmert mich –
dein Schmerz.

Darüber kann man hier nicht sprechen.

Schweigen,
dir zu Füßen gelegt.
Mit knochigen Fingern
verspinnst du die Welt.
Ungleichnisse, verdrehte –

Du atmest schwer,
als würgst du
Gift und Galle.
Raucherhusten –
er sorgt mich nicht,
hoffen will ich nicht.

Keine Wut, keine Flucht.
Die Ruhe, die keine ist.
Sammeln, opfern, retten.
Planen – wie zu sein.

Gehorsam, Ungehorsam spielen.
Widerstand im Nimmerland.
Ich verschenkte meine Hand,
die Zeit frisst alle –
die nicht in Würde in ihr
gehen.

Es ekelt dich,
aufrecht kriechen.
Aufrichtiges kriechen?
Zerrst am,
Zerrspiegelbild –
widerst dich an.

Mit bewusstem Abstand
laufe ich hinter dir
und schaue auf alte Hände.
Kraftlos sind sie –
die Fäuste.
Kämpfen, kämpfen,
kämpfen.

Hiersein –
bürdet sich mir auf.

Der Raum schließt sich,
als wollte er beschützen,
erdrücken –
eins mit mir werden.
Aber noch kann ich beobachten,
sehe den Hass.
Der ich war,
bin ich noch – mehr.

Wir fahren,
Sonntags –
ruf ich an.

Du siehst aus wie
Mick Jagger
unersättlich

You can't get no ...

Ich muss schmunzeln
und voller Liebe an meine
Kinder denken.
 

Aniella

Mitglied
Hallo Rufus,

zur Form werde ich nichts sagen, ich mag ja solch unkonventionellen Kombinationen, die mir genug Zeit zum Nachdenken geben.

Inhaltlich rate ich dennoch auch ein wenig.
Ich bin nicht sicher, ob es sich um ein altes Ehepaar handelt, welches sich gehörig auseinandergelebt hat und deswegen füreinander keine netten Gefühle mehr aufbringen kann. Es blitzen Erinnerungen auf (er konnte mal sprechen), aber dieser Vergleich mit Mick Jagger scheint auf beide Seiten zuzutreffen und viel Empathie scheint mir auch nicht (mehr) vorhanden. Nicht einmal der mögliche Tod weckt irgendwelche Mitgefühle. Bezeichnend am Ende, dass sie schmunzelnd an ihre Kinder denkt - sind es nicht auch seine? Ist das nicht die verlorene Gemeinsamkeit?
Vielleicht liege ich auch völlig verkehrt damit, aber ich habe es wenigstens versucht. :)

LG Aniella
 

trivial

Mitglied
Liebe Aniella,
danke für Deine netten Worte. Ein Besuch bei den Eltern und ein Reisebericht aus Gefühlen und Erinnerungen. Dementsprechend war das Ende, (mein) Abschluss und Anfang.

Liebe Grüße
Rufus
 

Aniella

Mitglied
Lieber Rufus,

das ergibt jetzt tatsächlich mehr Sinn als meine Version. Danke für die Erklärung!

Liebe Grüße
Aniella
 

petrasmiles

Mitglied
Ja, die alten Eltern ... ob sie wohl eine egoistischere Genration waren, oder einfach durch das Alter so wurden? Ob man mit all der Liebe verhindern kann, dass man selbst einmal solche Resonanz erfährt? Ich habe ja den Vedacht, dass einem die Eltern die ersten narzisstischen Kränkungen zufügen, ob gewollt oder ungewollt - und dass Kinder potentiell niemanden gegenüber so egoistisch sind wie den Eltern, vor allem den liebenden.
Da hast Du mich wieder zum Denken gebracht ... ein feiner Text!

Liebe Grüße
Petra
 

trivial

Mitglied
Meine liebe Petra,
wieder einmal bist Du der Äther, in dem meine Gedanken überhaupt erst Substanz erhalten.
Ich danke Dir für diese Resonanz, die mir zu reflektieren hilft – durch die ich sie überhaupt erst betrachten kann.

Ist das Ideal der Liebe bedingungslos …?
Sorry, ich habe versucht, das nun sachlich aufzudröseln, aber so einfach und offensichtlich es erscheint – es verknotet sich immer wieder. Es ist und bleibt wohl eine dogmatische Behauptung, das Axiom des Seins.

„Vor allem: liebe die anderen wie dich selbst, dies ist die Hauptsache und es ist auch alles, mehr ist eigentlich nicht nötig: dann wirst du sofort wissen, wie du leben sollst. Im Grunde genommen ist das ja eine alte Wahrheit, die billionenmal gesprochen und gelesen worden ist, und doch hat sie sich nicht eingelebt.“
– Dostojewski

Liebe Grüße
Rufus
 

petrasmiles

Mitglied
Das freut mich sehr, lieber Rufus, ich scheine gut aufnehmen zu können, was alles so in einem Thema mit herumschwingt.

Danke für das Zitat von Dostojewski - das ist eine sehr tiefsinnige Formulierung 'sich nicht eingelebt' - ob es ander Sprache bzw. Übersetzung liegt?
Und er hat so recht: Manchmal ist dieses 'Wissen' wie ein Fremder, der vor der Tür bleiben muss und keine Heimat findet.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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