Unnahbar

3,00 Stern(e) 1 Stimme

Sta.tor

Foren-Redakteur
Unnahbar


Es läutete. Ich nahm den Hörer der Gegensprechanlage ab: „Ja, bitte?“
Eine Frauenstimme: „Ja, hallo, ist Sebastian da?“
Sebastian ist mein Sohn. 15 Jahre alt. „Nee , der ist grad nicht da.“
„Äähm, ich muss was für ihn abgeben.“
„OK, erster Stock, links!“ Ich drückte den Türsummer.
Im nächsten Moment klingelte es erneut. Ich öffnete die Wohnungstür und wunderte mich.
Kleine junge Frau, zirka mitte 20 und wie es aussah, hoch schwanger stand davor. Ein bisschen zu alt für Sebastian, dachte ich. Und viel zu schwanger.
Sie lächelte: „Würden sie ihm das bitte geben?“ fragte sie und steckte mir einen Umschlag entgegen. Unbeschriftet und unverschlossen, den Briefdeckel nur eingeklemmt.
„Ja sicher.“ Verunsichert griff ich zu.
„Na denn, alles Gute!“ Flink drehte sie sich um und flitzte, trotz ihres Umstandes die Treppe hinunter.
Mein „Ja, gleichfalls“ kam viel zu spät.
Ich schloss die Wohnungstür und stand unschlüssig mit dem Brief in der Hand im Flur herum. Mal reinkucken? Ist ja mein Sohn, ich darf seine Post ja wohl noch kontrollieren, zumal, wenn sie unverschlossen daherkommt. Ich zog das Papier des Umschlags auseinander und spionierte den Inhalt aus. Aha, eine Ansichtskarte. Kurz darauf hatte ich sie in der Hand, genauer gesagt, das, was ich für eine Ansichtskarte hielt.
Es handelte sich nämlich um eine Autogrammpostkarte. Von einer Musikband. Von RAMMSTEIN!
Abgebildet waren die Köpfe der sechs Bandmitglieder, die mit geschlossenen Augen wie in Trance in einer Art Nebel schwebten. In dünner, silberner Schrift hatte jeder einzelne neben seinem Kopf seine Unterschrift gesetzt und über allem stand in ebenfalls silberner Handschrift „für Sebastian von RAMMSTEIN“.
Na toll. Da renne ich seit Jahren schon von Konzert zu Konzert und bin noch nicht mal in den Dunstkreis einer personifizierten Autogrammkarte gekommen und dem Sohnemann wird so was auf dem Silbertablett in die Wohnung geliefert. Von schwangeren Frauen.
Äußerst erstaunt über diese ungewöhnliche Zustellung, steckte ich die Karte wieder in den Umschlag zurück und legte sie auf Sebastians Schreibtisch.
Kurze Zeit später kam er nach Hause.
„He, du hast Post bekommen“, rief ich vom Flur aus in sein Zimmer.
„Ja, hab schon gesehen“, nuschelte er zurück.
„Den hat `ne junge Frau für dich abgegeben“, hakte ich nach.
„Ach ja, kam sie selber?“, fragte er zurück, „Ist ja geil.“
„Es war so’ne kleine. Sie war schwanger. Kennst du sie schon länger?“, wollte ich es genau wissen.
„Ich kenne sie eigentlich gar nicht. Es ist die Freundin von Paul Landers...“
„Was? Wie bitte? Du kennst die Freundin von Paul Landers?“
„Nein, ich war nur kurz bei ihr zu Hause...“
„Sag mal, moment mal, reden wir eigentlich über die selbe Person, ich meine, ich meine Paul Landers, ja? Paul Landers, den Gitarrist von Rammstein, verstehst du. Und du willst mir weismachen, du warst bei seiner Freundin zu Hause?“
„Nein, bei ihm selbst“
„Wie? Der junge Herr geht mal kurz Rammstein besuchen, natürlich in den eigenen vier Wänden, oder was? Was treibt denn so Frau Lindemann? Hat Flake eigentlich auch eine Freundin und Ritchy, was geht denn bei dem so ab?“
„Ach Papa, hör doch auf mit dem Quatsch?“
„Quatsch, ich mach Quatsch? Hör mal, was du da erzählst, dagegen ist ja der Quatsch-Comedy-Club ein Kirchenchor“
„Es stimmt aber. Paul Landers wohnt gar nicht weit weg von uns. Hinten, am Helmholtz. Mein Kumpel Kevin wusste die Hausnummer und dann sind wir hoch zu ihm, haben geklingelt wegen einem Autogramm. Es war aber nur die Freundin da. Ja genau, die ist schwanger und Autogrammkarten hatte sie leider auch keine. Aber sie gab uns einen Zettel, wo wir Name und Anschrift draufschreiben sollten und versprach dafür zu sorgen, dass wir unser Autogramm bekommen. Und sie hat Wort gehalten.“
Zerknirscht fiel ich in den Sessel. “Ja, das hat sie wohl. Aber ich muss dir sagen, dass ich das nicht gut finde.“
„So? Und wieso nicht“
„Es zerstört mein Rammsteinbild“
„Wieso das denn?“
„Ich hielt sie immer für unnahbar.“
„Na da beweist ja schon das Autogrammfoto das Gegenteil.“
„Stimmt auch wieder.“

zum Bild
 
H

Haki

Gast
Hallo Sta.tor,

gute Sprache, glaubwürdige Dialoge, authentische Charaktäre zeichnen deine Kurzgeschichte aus. Jedoch fehlt mir ganz besonders ein Höhepunkt, oder eine Pointe oder beides in einem. Mir fehlt so der letzte "Kick". Es ist gut geschrieben, aber leider benötigt dein Werk ein wenig Pepp meines Erachtens. Andere werden es mögen, du hast es ja gut geschrieben, da bin ich mir sicher, aber für eine Kurzgeschichte ist mir da zu wenig Überraschendes, oder zu wenig Fesselndes. Deine Geschichte hat mich irgendwie nicht gepackt...

Liebe Grüße,
Haki
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Haki,

Du hast ja recht. Im allgemeinen arbeite ich mich auch immer auf eine Pointe drauf zu.
Hier nicht - und zwar mit Grund.
Rock - Pop - Rap oder -fans sonstiger Musik werden verstehen, warum der Text erwähnenswert ist. Sonst wahrscheinlich niemand.

Den Erstgenannten sei er gewidmet! So sie hoffendlich anwesend sind.

Viele Grüße
Thomas
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Unnahbar


Es läutete. Ich nahm den Hörer der Gegensprechanlage ab: „Ja, bitte?“
Eine Frauenstimme: „Ja, hallo, ist Sebastian da?“
Sebastian ist mein Sohn. 15 Jahre alt. „Nee , der ist grad nicht da.“
„Äähm, ich muss was für ihn abgeben.“
„OK, erster Stock, links!“ Ich drückte den Türsummer.
Im nächsten Moment klingelte es erneut. Ich öffnete die Wohnungstür und wunderte mich.
Kleine junge Frau, zirka mitte 20 und wie es aussah, hoch schwanger stand davor. Ein bisschen zu alt für Sebastian, dachte ich. Und viel zu schwanger.
Sie lächelte: „Würden sie ihm das bitte geben?“ fragte sie und steckte mir einen Umschlag entgegen. Unbeschriftet und unverschlossen, den Briefdeckel nur eingeklemmt.
„Ja sicher.“ Verunsichert griff ich zu.
„Na denn, alles Gute!“ Flink drehte sie sich um und flitzte, trotz ihres Umstandes die Treppe hinunter.
Mein „Ja, gleichfalls“ kam viel zu spät.
Ich schloss die Wohnungstür und stand unschlüssig mit dem Brief in der Hand im Flur herum. Mal reinkucken? Ist ja mein Sohn, ich darf seine Post ja wohl noch kontrollieren, zumal, wenn sie unverschlossen daherkommt. Ich zog das Papier des Umschlags auseinander und spionierte den Inhalt aus. Aha, eine Ansichtskarte. Kurz darauf hatte ich sie in der Hand, genauer gesagt, das, was ich für eine Ansichtskarte hielt.
Es handelte sich nämlich um eine Autogrammpostkarte. Von einer Musikband. Von RAMMSTEIN!
Abgebildet waren die Köpfe der sechs Bandmitglieder, die mit geschlossenen Augen wie in Trance in einer Art Nebel schwebten. In dünner, silberner Schrift hatte jeder einzelne neben seinem Kopf seine Unterschrift gesetzt und über allem stand in ebenfalls silberner Handschrift „für Sebastian von RAMMSTEIN“.
Na toll. Da renne ich seit Jahren schon von Konzert zu Konzert und bin noch nicht mal in den Dunstkreis einer personifizierten Autogrammkarte gekommen und dem Sohnemann wird so was auf dem Silbertablett in die Wohnung geliefert. Von schwangeren Frauen.
Äußerst erstaunt über diese ungewöhnliche Zustellung, steckte ich die Karte wieder in den Umschlag zurück und legte sie auf Sebastians Schreibtisch.
Kurze Zeit später kam er nach Hause.
„He, du hast Post bekommen“, rief ich vom Flur aus in sein Zimmer.
„Ja, hab schon gesehen“, nuschelte er zurück.
„Den hat `ne junge Frau für dich abgegeben“, hakte ich nach.
„Ach ja, kam sie selber?“, fragte er zurück, „Ist ja geil.“
„Es war so’ne kleine. Sie war schwanger. Kennst du sie schon länger?“, wollte ich es genau wissen.
„Ich kenne sie eigentlich gar nicht. Es ist die Freundin von Paul Landers...“
„Was? Wie bitte? Du kennst die Freundin von Paul Landers?“
„Nein, ich war nur kurz bei ihr zu Hause...“
„Sag mal, moment mal, reden wir eigentlich über die selbe Person, ich meine, ich meine Paul Landers, ja? Paul Landers, den Gitarrist von Rammstein, verstehst du. Und du willst mir weismachen, du warst bei seiner Freundin zu Hause?“
„Nein, bei ihm selbst“
„Wie? Der junge Herr geht mal kurz Rammstein besuchen, natürlich in den eigenen vier Wänden, oder was? Was treibt denn so Frau Lindemann? Hat Flake eigentlich auch eine Freundin und Ritchy, was geht denn bei dem so ab?“
„Ach Papa, hör doch auf mit dem Quatsch?“
„Quatsch, ich mach Quatsch? Hör mal, was du da erzählst, dagegen ist ja der Quatsch-Comedy-Club ein Kirchenchor“
„Es stimmt aber. Paul Landers wohnt gar nicht weit weg von uns. Hinten, am Helmholtz. Mein Kumpel Kevin wusste die Hausnummer und dann sind wir hoch zu ihm, haben geklingelt wegen einem Autogramm. Es war aber nur die Freundin da. Ja genau, die ist schwanger und Autogrammkarten hatte sie leider auch keine. Aber sie gab uns einen Zettel, wo wir Name und Anschrift draufschreiben sollten und versprach dafür zu sorgen, dass wir unser Autogramm bekommen. Und sie hat Wort gehalten.“
Zerknirscht fiel ich in den Sessel. “Ja, das hat sie wohl. Aber ich muss dir sagen, dass ich das nicht gut finde.“
„So? Und wieso nicht“
„Es zerstört mein Rammsteinbild“
„Wieso das denn?“
„Ich hielt sie immer für unnahbar.“
„Na da beweist ja schon das Autogrammfoto das Gegenteil.“
„Stimmt auch wieder.“

zum Bild
 



 
Oben Unten