Unruh

4,00 Stern(e) 1 Stimme

trivial

Mitglied
Meinen Atem und
den Mond will ich zurück.
Glauben will ich euch nicht.
Ihr wachst von oben nach unten,
seht nichts, wo alles ist,
seht nichts, wo nichts ist.
Eure Stille, wie Nebel,
legt sie sich in mich.
Könnte ich euch nur die Augen ausreißen,
damit ich mich nicht mehr sehen muss.

Fragt doch die Sterne, fragt sie doch,
wer ihr seid.
Sie antworten euch nicht.
Du hörst nicht zu.
Renn.
 

Scal

Mitglied
Der Titel „Unruh“ hat mich beim Lesen beunruhigt. Von etlichen Zeilen recht beeindruckt, habe ich dann nach einem anderen Titel getastet, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Jedenfalls entstand in mir das Bild von einem sehr gepeinigten Kind. Von diesem Bild ausgehend, habe ich Deinen Text „anders“ gelesen, was bedeutet, dass ich ihn kürzte. Konkreter: ich habe die Zeilen 3, 6, 13, 14 und 15 gedanklich gestrichen.

LG
 

trivial

Mitglied
Lieber Scal,

wenn ich richtig gekürzt habe, meinst Du:

Meinen Atem und
den Mond will ich zurück.
Ihr wachst von oben nach unten,
seht nichts, wo alles ist,
Eure Stille, wie Nebel,
legt sie sich in mich.
Könnte ich euch nur die Augen ausreißen,
damit ich mich nicht mehr sehen muss.

Fragt doch die Sterne, fragt sie doch,
wer ihr seid.


Eine beeindruckende Reduktion, die mich in ihrer Kraft überrascht hat – obwohl es gerade die Zeilen (wie auch der Titel) waren, mit denen ich selbst gehadert habe. Vielleicht hätte ich den Text noch ein wenig reifen lassen sollen; andererseits: Wenn ich einmal anfange zu kürzen, bleibt am Ende kaum etwas Wesentliches übrig. So ist wohl der Originaltext derjenige, der mir am meisten entspricht. Trotzdem danke ich Dir für Deine Version.

Liebe Grüße
R
 

trivial

Mitglied
P.S.
Es betrübt mich ein wenig, dass dies nicht ich bin – und dass es, nach etlichen Monaten, in denen ich versucht habe, mich zu dekonstruieren und schließlich beschlossen habe, es einfach wuchern zu lassen, ohne ständig alles wieder herauszureißen, immer noch nur Reaktion zu sein scheint.
Immer noch Abhängigkeit, immer noch ein Dagegenhämmern.
Das ist nicht der geplante Neuanfang – obwohl auch dazu gehören sollte, mich nicht mehr zu verstecken.

Liebe Grüße
Rufus
 

Scal

Mitglied
Lieber Rufus,

ich vermute, dass fast alle Schreibenden Phasen durchleben, in denen sie mit ihrem Tun stark hadern und ihre eigenen (wirklichen oder eingebildeten) Unzulänglichkeiten mehr oder weniger stark erleiden. Auch diesbezüglich befinden wir uns in einer Gemeinsamkeit. Im Buddhismus gibt es den Begriff "sanfter Wille".

Lieben Gruß
Scal
 

trivial

Mitglied
Danke, lieber Scal,

sanfter Wille klingt schön, und oft sehnte ich mich danach, dass der Samen der Spiritualität in mir Wurzeln schlägt. Aber ich fürchte, man kann ihn nur pflanzen, wenn man ihn schon in sich trägt – man muss spirituell gewesen sein, um spirituell zu werden. Von außen gibt es wohl keinen Weg, in diesen Kreislauf hineinzukommen.

Ich habe den Text jetzt seziert und wieder zusammengefügt; er gefällt mir so recht gut – auch wegen der neuen Metaebene und dem, was es über mich sagt. Aber vielleicht habe ich es mir auch zu einfach gemacht.

Liebe Grüße
Rufus


Der Schnitt

Meinen Atem
und den Mond will ich zurück.
Ihr wachst von oben nach unten,
seht nichts, wo alles ist.
Eure Stille, wie Nebel –
legt sie sich in mich.
Könnte ich euch nur die Augen ausreißen,
damit ich mich nicht mehr sehen muss.

Fragt doch die Sterne –
fragt sie doch,
wer ihr seid.

Unruh – das, was übrig bleibt.

Glauben will ich euch nicht.
Seht nichts, wo nichts ist.
Sie antworten euch nicht.
Du hörst nicht zu.
Renn.
 



 
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