Unser Ende (Sonett)

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amelie_franzi

Mitglied
Ein knappes Wort zu ihm, ein Schluck vom Rotwein.
Ich kann ihm nichts erklären, will nur schweigen.
Begründung meiden, Tatsachen umtreiben.
Sein schwarzer Blick, der sagt mir: du sollst tot sein.

Erinnert mich an Nächte, heller Mondschein.
An Hände, die an meinem Körper reiben.
Zerbricht vor meinen Augen, ich solle bleiben!
Doch ich, beharrlich, blicke kühl drein.

Bemerke dann, dass ich nur Mitleid spüre,
wenn er sich austobt, er mich wütend anfaucht.
Ein Wrack, für das ich keinen Finger rühre.

Als er dort sitzend seine Kippe einhaucht,
erkenne ich, schon halb durch seine Türe:
ich liebe ihn nur dann, wenn er mich nicht braucht.

______

Anmerkung: Hier also mein zweites Gedicht, wieder in Anlehnung an die Erkenntnisse aus dem letzten Forengespräch. Dieses Mal mit fester Form, wobei ich gestehe, wenig Ahnung davon zu haben. Ich habe mich einfach an das gehalten, was ich bei kurzer Recherche herausfinden konnte. Erneut bitte ich ausdrücklich um Eure Ratschläge und Verbesserungsvorschläge. Ganz lieben Dank!

Herzliche Grüße,
Amelie
 
G

Gelöschtes Mitglied 22239

Gast
Hallo Amelie,

du beschreibst hier sehr ansehnlich das Hin und Hergerissen sein am Ende, oder am Anfang einer Liebesbeziehung. Das ist meine Interpretation.
Unkonventionell geschrieben und das ist keine Aufforderung, könnest du das alles nochmal mit zwei Gläschen Wein intus umschreiben.
Sonett das klingt nach Barock und Perücke.
Siehe Bewertung.

Viele Grüße
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Amelie,

als zweites Gedicht gleich ein Sonett, das ist mutig.
Mein erstes Sonett war viel schlechter und ich habe diese feste Form dann auch wieder gelassen.

Hier gibt es Profis, die dir sicher weiterhelfen können.
Aber von meiner Seite: Hut ab!

Liebe Grüße
Manfred
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
"Ein knappes Wort zu ihm, ein Schluck vom Rotwein.
Ich kann ihm nichts erklären, will nur schweigen.
Begründung meiden, Tatsachen umtreiben.
Sein schwarzer Blick, der sagt mir: du sollst tot sein."

Ein knappes Wort zu ihm, ein Schluck vom Wein
Ich kann ihm nichts erklären, will nur schweigen
Begründung meiden, Tatsachen umtreiben
Sein schwarzer Blick sagt mir: du sollst tot sein

so wäre dieses quartett metrisch etwas geglättet. die aus der geraden driftende betonung von "du sollst tot sein" lässt sich kaum beheben, aber es klingt auch ganz nett, weil die aussage durch ihre metrische unstimmigkeit hervorgehoben wird.


"Erinnert mich an Nächte, heller Mondschein.
An Hände, die an meinem Körper reiben.
Zerbricht vor meinen Augen, ich solle bleiben!
Doch ich, beharrlich, blicke kühl drein."

Erinnert mich an Nächte, heller Mondenschein
An Hände, die an meinem Körper reiben.
Zerbricht an meinen Augen, ich soll bleiben
Doch ich, beharrlich, blick kühl drein.


"Bemerke dann, dass ich nur Mitleid spüre,
wenn er sich austobt, er mich wütend anfaucht.
Ein Wrack, für das ich keinen Finger rühre."

Bemerke dann, dass ich nur Mitleid spüre
wenn er sich austobt und gehässig faucht
Ein Wrack, für das ich keinen Finger rühre.

"Als er dort sitzend seine Kippe einhaucht,
erkenne ich, schon halb durch seine Türe:
ich liebe ihn nur dann, wenn er mich nicht braucht."

Als er doch dort sitzend seine Kippe raucht
erkenne ich, schon halb durch seine Türe
Ich liebe ihn nur dann, wenn er mich gar nicht braucht.

das nur als Ideen, wie man es metrisch etwas glätten könnte. an sich ist es ganz nett geworden, aber ich denke, da geht noch mehr ;)

lg
patrick
 

Tula

Mitglied
Hallo Amelie
Ich stimme mit meinen Vorgängern überein was Lob und kritische Punkte betrifft. Hier noch kleine Ergänzungen nach Kriterien:

Form:
Hast du eingehalten. Auch was die These und Anti-These der ersten beiden Strophen anbelangt. Wie allerdings schon angedeutet: man sollte lieber ein erkennbares Metrum durchziehen. Ausnahmen sind möglich, müssen aber als solche besondere Wirkung erzielen.

Inhalt und Originalität:
Ok. Die Überlegenheit der Dame in diesem Spiel überzeugt mich. Könnte aber noch "frecher" bzw. spöttischer sein. Unter dem Motto: Nimm dir von ihm was du willst, aber gib nichts zurück!

Sprache:
Es liest sich mehr oder weniger locker vom Hocker. Das ist zwar richtig, aber dennoch ist mehr poetische Sprache drin. Keine pathetische Blumensprache. Bei diesem Gedicht passen ein paar originelle Ausdrücke, die den wutschnaubenden Kerl ins Lächerliche ziehen. Da reichen zwei drei Highlights im Gedicht, um es insgesamt zu einem Knaller zu machen.

Dann die Feinheiten: weibliche und männliche Kadenzen wechseln wäre besser. Das "tot sein" und "Mondschein" sind da so etwas wie ein Zwitter, nicht wirklich weiblich. Davon abgesehen, sollte sich das klanglich voneinander abheben. Hier haben wir '-ein' und 'eiben'. Nicht die beste Idee.
In S3 und S4 wird das Problem mit "anfaucht" und "nicht braucht" deutlich. Da die Betonung auf der vorletzten Silbe liegt, handelt es sich hier nicht wirklich um einen Reim. Das wäre der Fall bei: "Ich liebe ihn nur dann, wenn es den Mann braucht".
Rezepte gibt es nicht, aber weniger schön sind Sonette, die ausschließlich weibliche Kadenzen aufweisen. Noch langweiliger sind Verben im Infinitiv.

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo Amelie
Ich stimme mit meinen Vorgängern überein was Lob und kritische Punkte betrifft. Hier noch kleine Ergänzungen nach Kriterien:

Form:
Hast du eingehalten. Auch was die These und Anti-These der ersten beiden Strophen anbelangt. Wie allerdings schon angedeutet: man sollte lieber ein erkennbares Metrum durchziehen. Ausnahmen sind möglich, müssen aber als solche besondere Wirkung erzielen.

Inhalt und Originalität:
Ok. Die Überlegenheit der Dame in diesem Spiel überzeugt mich. Könnte aber noch "frecher" bzw. spöttischer sein. Unter dem Motto: Nimm dir von ihm was du willst, aber gib nichts zurück!

Sprache:
Es liest sich mehr oder weniger locker vom Hocker. Das ist zwar richtig, aber dennoch ist mehr poetische Sprache drin. Keine pathetische Blumensprache. Bei diesem Gedicht passen ein paar sprachlich originelle Ausdrücke, die den wutschnaubenden Kerl ins Lächerliche ziehen. Da reichen zwei drei Highlights im Gedicht, im es insgesamt zu einem Knaller zu machen.

Dann die Feinheiten: weibliche und männliche Kadenzen wechseln wäre besser. Das "tot sein" und "Mondschein" sind da so etwas wie ein Zwitter, nicht wirklich weiblich. Davon abgesehen, sollte sich das klanglich voneinander abheben. Hier haben wir '-ein' und 'eiben'. Nicht die beste Idee.
In S3 und S4 wird das Problem mit "anfaucht", "eintaucht" und "nicht braucht" noch deutlicher (ebenso wie bei. kühl in S2). Da die Betonung auf der vorletzten Silbe liegt, handelt es sich hier nicht wirklich um einen Reim. Das wäre der Fall bei: "Ich liebe ihn nur dann, wenn es den Mann braucht" (als Reim auf anfaucht).
Rezepte gibt es nicht, aber weniger schön sind Sonette, die ausschließlich weibliche Kadenzen aufweisen. Noch langweiliger sind Verben im Infinitiv.

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

LG
Tula
 

Didi Costaire

Mitglied
Hallo amelie,

das wirkt sehr experimentell und recht originell.

Eine Anmerkung von mir: Reime beginnen immer mit einer betonten Silbe. Der bloße Gleichlaut nachfolgender unbetonter Silben klingt nicht gut.

Bei Rotwein/ tot sein hast du es intuitiv richtig gemacht, den Mondschein dazu kann man noch so durchgehen lassen. Kühl drein danach passt aber nicht. Nach dem Mondschein sollte der Prot unbedingt wie gewohnt dreinschauen. Die entscheidenden Silben sind Rot/ tot bzw. Mond/ wohnt.

Die Reimversuche anfaucht/ einhaucht/ nicht braucht in den Terzetten klingen leider gar nicht. An, ein und nicht reimen sich nun mal nicht im Geringsten.

Ansonsten aber gar nicht übel.

Schöne Grüße,
Dirk
 

Tula

Mitglied
Mein Kommentar jetzt doppelt ... wie kommt das schon wieder?
Ein letzter Tipp: der Titel - sollte als Teaser wirken, hier nimmt er die Spannung, du musst das nicht gleich verraten. Lass ihn auch im Gedicht etwas zappeln und erst am Ende sein Ende verkünden.
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Hallo Amelie,

mir geht es hier fast wie Manfred weiter oben. Sonett ist nicht mein Metier. Ich habe mich da gar nicht rangetraut, umgehe Gereimtes generell, mag es einfach nicht. All das ist nicht meine Welt.

Doch so wie ich die Künste der Sonettschreiber hoch anerkenne, so bewundere ich auch deinen Mut, dass du dich mit dem zweiten Versuch an das Sonett traust. Für mich als Nichtfachmann liest es sich recht ordentlich und vermutlich hätte ich es so sauber gar nicht hinbekommen.

Wie schon Manfred schrieb, gibt es hier einige Autoren, die sich regelmäßig in Sonetten ausprobieren. Du hast ja schon profunde Tipps bekommen. ich bni fast sicher, es folgen noch welche. Zumindest wünsche ich dir das.

LG
Cellist
 



 
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