Unser tägliches Brot gib uns heute
Die Bitten beginnen nun die menschliche Ebene einzubeziehen. Gott wird gebeten, uns das tägliche Brot zu geben. Brot ist aber das zentrale Symbol für den Leib Jesu und so ist neben der körperlichen auch die seelische Speise angesprochen. Wir können uns zwar heute in Deutschland das tägliche Brot leisten, doch die seelische Nahrung fehlt uns fast völlig und gerade nach dieser hungern wir. Wir verstehen heute den tiefen Sinn des Abendmahls nicht mehr, verstehen nicht, dass an die Hostie und den Wein die für uns notwendigen seelischen Informationen gebunden sind, die wir nur in uns bewusst integrieren müssen.
Wir sehen heute nur das Materielle und sind darin so stark verankert, dass wir nur schwer erkennen können, dass uns zu unserem Heil die seelische Speise fehlt. In diesem Sinne ist die obige Bitte heute dringender denn je.
Unser tägliches Brot gib uns heute, es wird nur für die Gegenwart, für heute, für das Hier und Jetzt gebeten und nicht für die Zukunft. Unser Leben findet im Augenblick statt. Wir sorgen uns viel zu sehr um die Zukunft, fragen nur, was morgen ist, ängstigen uns vor zukünftigen Atomexplosionen oder Kriegen und vergessen dabei, im Hier und Jetzt zu leben.
Doch das ist leichter gesagt als getan, denn jeder weiß, wie schwer, wenn nicht sogar unmöglich, es ist, ganz bewusst nur an den Augenblick zu denken, an das, was man gerade tut. Die Gedanken eilen unseren Taten immer weit voraus und es ist unmöglich, sie an den Augenblick zu fesseln. Wem es gelingt, im Hier und Jetzt zu leben, der ist erleuchtet und kann ins Himmelreich eingehen.
Die Angst, ob wir morgen wieder gespeist werden, wenn wir heute gespeist wurden, ist ein Grundübel des Menschen. Denn Angst hat mit Enge zu tun und wenn wir eng sind, dann haben wir auch nicht die notwendige Offenheit, um alles in uns aufzunehmen und so zur Einheit zu gelangen. Angst, hat immer zur Folge, dass uns ein großer Teil unserer Lebensenergie genommen wird und uns fehlt es dann an Lebensfreude. Angst lähmt uns, und wenn wir gelähmt sind, kann Leben nicht stattfinden. Diese Angst ist es, die wir überwinden müssen und die wir durch das Brot überwinden können, wenn wir es als Heilsnahrung ansehen. Die Information des Heils ist durch das Abendmahl, das Jesus seinen Jüngern gab, an Brot und Wein gebunden worden. Ähnliches wird ja auch in der Homöopathie durchgeführt, wo hochpotenzierte Mittel sicherlich kein materielles Atom der ursprünglichen Substanz mehr enthalten, sondern die Flüssigkeit nur als Träger der Information dient.
Die Überwindung der Angst bedeutet auch, im Hier und Jetzt, im Schnittpunkt von Vergangenheit und Zukunft zu leben und nur in diesem Punkt findet das Leben statt. Doch es ist so unendlich schwer, in diesem Augenblick zu leben.
So beinhaltet die Bitte auch das Verlangen, wirklich in der Gegenwart leben zu können, frei von Zukunftsängsten, die in der Gegenwart nicht existieren können; frei von Verhaltensmustern, die nur in der Vergangenheit geprägt werden konnten. Durch das tägliche Brot erhalten wir den Stoff, der uns Energie und Kraft für das Leben gibt.
Khalil Gibran schreibt in seinem Propheten über die Zeit:
"Ihr wollt die Zeit messen, die maßlose und unermessliche. Nach Stunden und Jahreszeiten wollt ihr euern Wandel richten und sogar den Lauf des Geistes lenken.
Aus der Zeit wollt ihr einen Strom machen, an dessen Ufer ihr sitzt und zuschaut, wie er fließt.
Doch das Zeitlose in euch ist sich der Zeitlosigkeit des Lebens bewusst und weiß, dass Gestern nichts anderes ist als die Erinnerung von Heute und Morgen der Traum von Heute.
Und dass, was in euch singt und sinnt, immer noch innerhalb der Grenzen jenes ersten Augenblicks weilt, der die Sterne in den Weltraum schleuderte.
Wer unter euch fühlt nicht, dass seine Kraft zu lieben grenzenlos ist?
Und wer fühlt dennoch nicht, dass die Liebe, obgleich grenzenlos, im Kern seines Seins eingeschlossen ist und nicht von Liebesgedanken zu Liebesgedanken oder von Liebestat zu Liebestat zieht?
Und ist nicht die Zeit wie die Liebe, ungeteilt und ungezügelt? Doch wenn ihr in eurem Denken die Zeit in Jahreszeiten messen müsst, lasst eine jede Jahreszeit all die anderen umfassen, und lasst das Heute die Vergangenheit mit Erinnerung umschlingen und die Zukunft mit Sehnsucht."