Unter Beobachtung 10. Teil

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Sonja59

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Unter Beobachtung
10. Teil
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In der Küche hörte man das leise Klappen von Schranktüren, Geschirr klapperte. Der Kaffee blubberte schon in der Maschine und es roch nach frisch gebackenen Brötchen.
Dieser Duft stieg den Bewohnern und Gästen des Hauses sofort in die Nasen. Kim glaubte zu träumen, zu Hause bei ihren Eltern zu sein. Doch keiner von ihnen konnte sich diesen Duft hier im Haus erklären, denn es roch wie bei einem Bäcker in der Backstube.
Während die anderen zuerst ins Bad und sich anziehen wollten, hielt es Sebastian vor Neugierde nicht aus. Er wollte wissen, wer da in der Küche war. Und vor allem, wieso es so nach frisch gebackenen Brötchen roch, obwohl er genau wusste, dass sie keine im Haus hatten und wenn, dann hätte das Aufbacken nie so verführerisch gerochen.
Nur mit seinen Boxershorts bekleidet, stieg er die Stufen nach unten und lugte voller Neugier um die Ecke in die Küche hinein. Er traute seinen Augen nicht und rieb sie sich vorsorglich noch einmal.
Da stand sein Freund Andreas leise vor sich hin pfeifend in der Küche und holte gerade ein Blech voller frisch gebackener, knuspriger Brötchen aus dem Backofen des Herdes. Ein Tablett, fertig bepackt mit dem Geschirr, Butter und Marmelade, stand auf der Anrichte. Sebastian schaute ungläubig auf die Uhr. Es war sechs Uhr morgens.
„Guten Morgen, Sebi, schön, dass du da bist. Kannst du mir mal das Tablett ins Wohnzimmer tragen“, kam von Andreas, ohne dass er sich nur einmal zu ihm herumgedreht hatte. „Du hast gesagt, ich soll das Frühstück machen, aber nicht, dass ich auch den Tisch decken muss. Außerdem bin ich mir da im Moment auch ziemlich unsicher, ob ich alles in einem Stück rüberbringen würde, bei meinem Gang.“
„Woher weißt du, dass ich es bin?“, fragte Sebastian überrascht. „Du hast nicht mal zu mir geguckt. Außerdem haste gepfiffen und ich war ganz leise.“
„Nicht leise genug, Kleiner. Dein Holzbein quietscht“, antwortete Andreas scherzhaft, drehte sich mit dem Korb voller Brötchen zu ihm um und lächelte ihn fröhlich an.
„Wenn ich dich hier so sehe und es nicht besser wüsste ...“, begann Sebastian grübelnd und vorsichtig, „ dann würde ich sagen, du hattest letzte Nacht das allererste Mal in deinem Leben Sex und bist dahintergekommen, wie schön es ist.“ Andreas grinste seinen Freund als Antwort nur breit an.
„Du hattest doch nicht etwa wirklich …?“, fragte Sebastian ungläubig, den Satz nicht zu Ende bringend. Dann wollte er wissen: „Funktioniert das alles schon wieder so ganz richtig?“
„Na ja, ich hatte nicht das allererste Mal Sex in meinem Leben und weiß schon lange, wie schön das ist. Aber das erste Mal mit Anne. Und was die zweite Frage angeht, bisher noch nicht wieder ganz so“, gab Andreas zu. „Aber Alter, es ist ein tolles Gefühl zu wissen, dass auch das wieder in Ordnung kommt. Und Anne war ….“ Dabei atmete er tief durch und richtete die Augen zur Zimmerdecke. „Ich bin einfach überglücklich.“
„Ja, Kleiner, das sieht man dir an. Ich freu’ mich für euch.“ Sebastian nahm das Tablett und trug es ins Wohnzimmer. Als er bemerkte, wie Andreas mit den Brötchen langsam und noch etwas unsicher auf den Beinen nachkam, hatte er einen Einfall. Er grinste ihn kurz an und lief die Stufen nach oben.
Andreas verteilte das Geschirr, stellte den Brötchenkorb in die Mitte und die unterschiedlichen Marmeladen, die er im Schrank gefunden hatte, darum. Dann schlurfte er langsam zurück in die Küche, um Kaffee und Milch zu holen.
Anne kam zu ihm, stellte sich auf Zehenspitzen und gab ihm einen lieben Kuss. „Warum hast du mich nicht geweckt? Ich hätte dir doch geholfen.“
„Du hast noch so schön geschlafen, da habe ich es einfach nicht übers Herz gebracht. Aber du duftest gut.“
„Danke, Schatz. Kann ich dir etwas helfen?“, fragte Anne fröhlich. Andreas zeigte auf die Kaffeekanne und nahm selbst die Milch aus dem Kühlschrank. Allmählich trudelten alle ein und wünschten einander einen guten Morgen. Sebastian kam, als sein Freund gerade mit der Milch auf dem Weg zur Stube war, zu ihm. „Gib mir mal die Milch und nimm die hier“, sagte er und drückte ihm zwei Krücken in die Hand. „Ich vererbe sie dir. Das sind meine, als ich noch nicht so gut laufen konnte wie jetzt. Mir haben sie geholfen und nun werden sie dir helfen.“
Andreas nahm sie dankbar an und ließ sich von seinem Freund helfen, sie auf seine Größe einzustellen. „Aber die hast du doch extra als Maskottchen aufgehoben.“
„Ja, das sind sie auch noch. Nur jetzt nutzen sie dir mehr. Kannst sie mir ja zurückgeben, wenn du sie nicht mehr brauchst. Ich habe für den Notfall noch paar andere für mich.“
„Danke Sebi, ich weiß das sehr zu schätzen.“
Voller Stolz ging Andreas aufrecht, sicher gestützt auf nur eine Krücke, da er sich mit der linken Hand noch nicht wieder aufstützen konnte, ins Wohnzimmer zu den anderen, wo er mit Beifall empfangen wurde.
„Und wo kommen die verdammt leckeren Brötchen her, deren Duft uns aus den Betten gelockt hat?“, wollte Kim neugierig wissen.
„Die hab’ ich gebacken“, antwortete Andreas, als wäre es das Normalste auf der Welt. Doch alle sahen ihn nur mit großen Augen erstaunt an. „Was ist denn?“, fragte er unsicher.
„Noch mal. Nur so fürs Protokoll. Du hast sie gebacken? Du meinst nicht zufällig aufgebacken?“, fragte Sebastian und sah Andreas dabei ungläubig an.
„Nein, richtig gebacken. So mit Mehl, Milch, Hefe, Eiern und allem, was man so dafür benötigt“, sagte Andreas ganz ernst. „Was habt ihr für ein Problem damit? Ich habe gesehen, dass ihr alles dafür im Haus hattet und habe das Zeug nur noch zusammengerührt, gehen lassen und in den Ofen gesteckt. Wo ist da also das Problem?“
„Das Problem ist ,Alter, dass du das kannst. Wir wüssten nicht mal, wie es ansatzweise funktioniert“, gab Sebastian ehrlich zu.
Andreas musste laut lachen. „Ach so! .... Wusstest du denn nicht, dass ich, bevor ich zum Bund kam, nach dem Abi eigentlich Bäcker und Konditor gelernt habe? Ich gebe euch gern das Rezept“, antwortete er wie nebenbei und biss ein großes Stück von seinem Brötchen ab.
Aber die anderen schauten ihn noch immer völlig erstaunt an.
„Hey, ihr könnt die Dinger wirklich essen. Die sind genießbar. Hätte selbst nicht gedacht, dass ich das noch kann. Ich hab’s seit gut fünfzehn Jahren nicht mehr probiert.“
Die Freunde waren begeistert von dem Geschmack der noch warmen, knusprig frischen Brötchen.
„Wow, wie Zuhause“, schwärmte Kim und nahm sich schon das Zweite.
„Sag mal, wann bist du dafür eigentlich aufgestanden?“, wollte Sebastian wissen.
„So kurz vor vier. Aber ich habe mich auch noch mal ein Stündchen hinlegen können, als der Teig gehen musste. Und in der Zeit habe ich mein Dornröschen betrachtet, wie es schlief und wohl auch etwas Schönes träumte, denn sie lächelte im Schlaf“, antwortete Andreas und sah Anne dabei verliebt an. Schnell gab er ihr einen kleinen Kuss, als er merkte, wie sie errötete.
Während die Freunde beim Frühstück zusammensaßen, machten sie einen Plan für den Tag. Sebastian und Kim, so wie Rashid und Ahmed, mussten auf Arbeit zur Tauchbasis. Sie würden aber zuvor Andreas und Anne auf einem kleinen Umweg zu Annes zerstörtem Haus bringen, damit sie nachsehen konnten, was noch an Sachen oder Möbeln zu retten war. Danach wollten die beiden mit Sebastians Ford zu seiner Tauchbasis kommen, um in der Mittagspause gemeinsam mit ihnen was zu essen. Dabei wollten sie Kontakt zu Jens aufnehmen, um ihn über die neuen Ereignisse zu informieren und das weitere Vorgehen zu besprechen.
Andreas war seinem Freund sehr dankbar dafür, dass er die >Amun Re< mit seiner Besatzung in seiner Tauchbasis aufgenommen hatte und sie am Gewinn der Ausfahrten, die Rashid und Ahmed, sozusagen als Auftragnehmer machten, beteiligte. Aber das wussten die beiden ägyptischen Freunde bisher noch nicht. Andreas wollte sich das als kleine Überraschung und großes Dankeschön, für die beiden noch etwas zurückbehalten.
Sebastian konnte das sehr gut verstehen, denn auch er mochte die beiden Männer und hatte ihn bei diesem Plan sofort unterstützt. Er freute sich schon diebisch auf die Gesichter der beiden Männer, wenn sie es erfahren würden. Flink war der Frühstückstisch abgeräumt und da alle in der Küche mit halfen, war auch das schnell erledigt.
Sebastian entschied an dem Morgen lieber den Kleinbus zu nehmen, damit sie nicht allzu eng zusammen rutschen mussten. Außerdem nahm er dabei auch auf seinen Freund Rücksicht, der noch nicht ganz so mit seinen Beinen konnte, wie er wollte. Dem außerdem bestimmt auch noch sein Hinterteil und Rücken schmerzte, egal, wie gut er an diesem Morgen auch drauf war.
Dem kleinen Minibus folgten in einigem Abstand zwei Jeeps der Marine, wobei aber Sebastians und Kims Haus auch weiter bewacht wurde. Nachdem sie vor Annes Haus gehalten hatten und die beiden ausgestiegen waren, reichte Kim Andreas noch den Schlüssel ihrer Wohnung, damit sie ihre Sachen dort zwischenlagern konnten. Als sie sich verabschiedet hatten und der Kleinbus weiter Richtung Tauchbasis fuhr, folgte ihm einer der Jeeps. Der andere parkte etwas abseits von Annes Haus, vier bewaffnete Marinesoldaten stiegen daraus aus, um auf sie aufzupassen und die Umgebung zu sichern.
„Bis zu einem gewissen Grad komme ich mir blöd vor“, gestand Andreas leise. „Diese Jungs machen hier meinen Job und das auch noch für mich.“
„Und, machen sie ihn gut?“, wollte Anne wissen.
„Ja, Schatz, sogar hervorragend. Ihre Vorgehensweise ist wie aus dem Lehrbuch. Es sind ausgezeichnete Leute.“ Dann aber erkannte er den Offizier, der die kleine Gruppe befehligte. Es war Kalif.
Andreas’ Augen verfinsterten sich. „Da, ist das nicht der Vater von dem kleinen Jamal?“, wollte er von Anne wissen.
„Ja, das ist er“, antwortete Anne und winkte Kalif fröhlich zu.
„Das gefällt mir gar nicht.“
Sie drehte sich zu Andreas um und sah ihm in die Augen, als sie sagte: „Andy, er trägt eine schusssichere Weste und einen Helm. Er weiß genau, was er hier tut. Er ist ein Offizier der Marine und er tut das nicht nur für dich oder für mich, sondern auch für seine Landsleute und seinen Sohn. Er will, dass er in Frieden aufwachsen kann und seine Heimat nicht zu einem wohligen Nest für dunkle Gestalten und skrupellose Gangster wird. Also respektiere auch seine Beweggründe und Entscheidung für den Job, den er hier freiwillig macht. Denn hierzu haben sich alle freiwillig gemeldet, wie mir Abdul gestern noch beim Abschied sagte“, erklärte sie, dabei schob sie Andreas einfach die Stufen nach oben und sie gingen gemeinsam ins Haus, welches eher einer Ruine glich.
Im Wohnzimmer war nichts mehr zu retten. Anne zog nur noch das Bild ihrer Eltern aus dem zerbrochenen Bilderrahmen und strich es vorsichtig glatt. Dann half sie ihm, über die Trümmer ins Schlafzimmer zu gehen, wo er sich nur langsam auf das Bett setzte.
Anne zog einen Koffer darunter hervor und packte die Sachen aus dem Kleiderschrank hinein. Sie legte das Bild ihrer Eltern obendrauf, verschloss den Koffer und setzte sich neben ihn.
„Es tut mir leid, Anne“, flüsterte Andreas leise, „aber mir blieb in dem Moment keine andere Wahl.“
„Ich weiß, Schatz“, sagte sie ebenso leise. „Die Alternative wäre viel schlimmer für mich und auch für dich gewesen.“
Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er sagte: „Ich hätte es nicht ertragen können, wenn dieser Kerl dich …“
Anne hielt ihm den Mund zu und Andreas umarmte sie fest. „Ich werde dir ein neues, noch schöneres Haus kaufen und einen Wagen auch, damit wir Sebi und Kim den Ford zurückgeben können.“
„Ja, Andy, wir werden uns ein neues Haus zusammensparen. Aber für ein Auto wird es nicht so schnell reichen. Solange es dir noch nicht besser geht, dürfen wir das Auto nutzen und dann nehmen wir wieder meinen Roller“, erklärte Anne.
Andreas nahm seine Freundin bei den Schultern und sah sie ernst an. „Nein, Anne, ich meine, was ich sage. Ich habe gut verdient und brauchte nie groß was davon auszugeben, denn ich hatte Kleidung und Unterkunft, so wie Essen immer vom Bund. Ich habe also alles Geld für die Zeit nach meinem Dienstaustritt gespart. Nun aber wird es seinen Zweck erfüllen. Wir gehen noch heute auf die Suche. Ich möchte Sebi und Kim nicht ewig zur Last fallen. Außerdem würde ich mich um vieles wohler fühlen, wenn du das nächste Mal mit einem Auto zu deinen Freunden in die Wüste fährst, weil du da nicht so böse stürzen kannst wie das letzte Mal mit dem Roller.“ Als er bemerkte, dass Anne nicht gerade begeistert aussah, lachte er und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „Aber keine Sorge, deinen Roller kannst du doch trotzdem weiter fahren. Ich weiß doch, wie gern du das tust. Ich liebe dich, Anne, und ich möchte mit dir mein Leben verbringen. Also gestatte mir doch aber auch, mich um dich zu sorgen.“ Dann lachte er kurz auf und fragte: „Und wie bringen wir jetzt den schweren Koffer und mich Tollpatsch hier aus dem Trümmerhaufen wieder raus?“
„Erst bringe ich den Koffer raus und dann hole ich meinen großen, aber unheimlich lieben Tollpatsch hier ab“, sagte Anne und machte sich daran, den Koffer nach draußen zum Wagen zu schaffen.
Andreas stieg in der Zwischenzeit noch einmal über die Trümmer im Wohnzimmer. Er war auf der Suche.
Als Anne zurückkam, sah sie ihn mitten in dem Chaos sitzen und Steine zur Seite räumen. Seine Krücke hatte er neben sich liegen.
„Was suchst du denn?“, wollte sie wissen.
„Den Harpunenpfeil und in einer kleinen blauen Holzschachtel das Projektil, welches mich so ausgeschert hat. Der Doc hatte es mir bei unserer Entlassung noch in die Hand gedrückt. Ich hatte beides hier hinten auf dem Bord neben der Wand zur Küche liegen.“
Anne kam zu ihm und half mit suchen.
Viele Steine, Schutt und Holz räumten sie zur Seite. Dann endlich, nach einer Weile des Suchens, hatten sie beides gefunden.
„Warum ist dir das Zeug so wichtig, wo es dir doch so viele Schmerzen zugefügt hat?“, wollte Anne wissen.
„Eben genau deshalb, Spatz. Für mich ist es auch das Symbol unserer Liebe, denn du warst immer für mich da. Für mich ist es also von großer Bedeutung. Und eines Tages werde ich unseren Kindern von ihrer tapferen Mutter erzählen und von der Zeit, wie und unter welchen Umständen sich ihre Eltern kennen und lieben lernten.“
Sie verstand, was er meinte, und nickte ihm zu. „Du hast recht damit. Wir werden einen angemessenen Platz dafür in unserem neuen Heim auswählen.“ Sie half ihm, über die Trümmer. An der Tür angekommen, schauten sie noch einmal kurz zurück. Sie stiegen ins Auto und fuhren, gefolgt vom Jeep der Marine, zu Sebastian und Kim auf die Tauchbasis, wo sie schon erwartet wurden.
Sebastian hatte Essen aus dem Hotel nebenan kommen lassen und dafür gesorgt, dass auch die Soldaten eine gute Mahlzeit bekamen.
Während die Frauen auf der Terrasse noch miteinander schwatzten, gingen die beiden Männer ins Büro, um Jens Arend anzurufen. Als dieser sich meldete, schaltete Sebastian auf Laut, damit ihn beide hören und mit ihm sprechen konnten.
Jens war bereits über die Vorfälle vom Vortag durch den Generalstabsarzt informiert worden und hatte sofort reagiert. Er berichtete, dass er mit der Begründung der nationalen und internationalen Sicherheit alle weiteren Besuche für die Gefangenen unterbunden hatte und gerade dabei war, herauszufinden, von wem sie bisher schon besucht wurden. Er kündigte an, dass er in den nächsten Tagen wieder zu ihnen kommen würde, um den neuen Gefangenen zu verhören und die Identität des anderen festzustellen. Dann fragte er besorgt nach dem Gesundheitszustand von Anne und Andreas. Er hatte zwar auch da schon Informationen von Doktor Mechier, aber er wollte es lieber noch einmal von Andreas persönlich hören.
Jens mahnte zur erhöhten Vorsicht und riet dazu, auf jeden Fall die Sicherheitsvorkehrungen der ägyptischen Marine in Anspruch zu nehmen, bis alle Zweifel ausgeräumt seien.
Er dankte Sebastian dafür, dass er Andreas und Anne in der Zeit bei sich aufgenommen hatte, aber schloss vorerst auch weitere Angriffe nicht aus.
„Seid vorsichtig, Jungs und schlaft mit einem offenen Auge. In drei Tagen bin ich bei euch und ich hoffe, bis dahin wissen wir dann mehr. Bussard Ende.“ Jens Arend hatte aufgelegt. Die beiden Männer sahen sich an und wussten, dass es noch nicht vorbei war.
„Wir sagen den Frauen nichts davon“, entschied Sebastian und sein Freund stimmte ihm zu. „Morgen und die Folgetage fährst du mit Anne am besten mit raus. Ich halte euch die >Amun Re< frei. Ihr könnt aber auch gern mit anderen Tauchgästen zusammen rausfahren. Das überlasse ich euch. Egal, ob ihr taucht oder nicht“, schlug er vor und begründete es auch gleich. „Auf dem Meer seid ihr tagsüber sicherer als hier. Da reicht es zu, wenn die Marines das Haus ab Nachmittag und in der Nacht sichern.“
Andreas überlegte eine Weile angestrengt. Dann aber stimmte er dem Vorschlag zu. „Okay, Anne und ich nehmen ab morgen die >Amun Re<. Aber ich halte es für besser, wenn wir allein rausfahren könnten. Ich möchte auch mal Sonne an meinen Körper lassen, ohne dass man mich gleich anstarrt und dumme Fragen gestellt werden. Meine Narben sind einfach noch zu frisch dafür, ganz zu schweigen von den Neuen, um damit wie selbstverständlich umgehen zu können. Ich will meine Mitmenschen damit weder verschrecken noch verekeln.“
Das konnte Sebastian nachvollziehen. „Gut, dann steht ab morgen die >Amun Re< nur für euch allein bereit. Rashid und Ahmed werden sich bestimmt darüber freuen, wenn sie die Nachricht heute Nachmittag, wenn sie zurück sind, von mir bekommen. Sie werden da auch weiter auf fremde Boote in eurer Nähe achten. Nur so zur Vorsicht“, sagte Sebastian und fragte: „Und, habt ihr heute noch was vor oder fahrt ihr dann gleich heim?“
Andreas berichtete ihm, dass er für Anne und sich ein neues, gemeinsames Zuhause suchen wolle.
„Du hast dich also wirklich dazu entschlossen, dich fest hier anzusiedeln?“
„Ja, Sebi, solange es Anne will. Du weißt, ich habe keine Verwandten in Deutschland, die mich dazu bewegen könnten, unbedingt dort zu bleiben, und für meinen Job bin ich nicht mehr geeignet, mit der Verletzung. Die mustern mich einfach aus oder verfrachten mich an einen Schreibtisch. Da mache ich mir nichts vor. Außerdem denke ich in der Zwischenzeit schon, ich würde auch ohne diese Verletzungen meinen Dienst quittieren wollen. Ich habe hier gefunden, was ich immer gesucht habe“, erklärte Andreas, es ernst meinend.
„Das höre ich gern, Kumpel. Dann willkommen zu Hause.“ Sebastian gab ihm ein paar Tipps, wo er wusste, dass gerade wieder gebaut wurde und nannte ihm Namen von hiesigen Maklern, die ihnen bei der Suche helfen würden. Gemeinsam gingen sie zu den beiden Frauen, die in einer Ecke unter einem großen Ventilator saßen.
„Kim, mein Schatz“, sagte Sebastian an seine Frau gewandt, „du hast doch nichts dagegen, wenn die beiden noch etwas unsere Gäste bleiben, bis sie ihr eigenes Nest gefunden haben?“
Kim lächelte freudig. „Nein, im Gegenteil. Ich freue mich sehr darüber. Ich könnte mir keine lieberen Gäste wünschen“, antwortet sie und man sah es ihr an, dass sie es ehrlich meinte.
Die vier schwatzten noch eine Weile miteinander, dann verabschiedeten sich Anne und Andreas, bis zum Abend.
Anne nahm hinter dem Lenkrad Platz und wartete, bis Andreas eingestiegen war. „Und wohin jetzt?“, fragte sie neugierig.
„Erst einmal zu deiner Tauchbasis. Wir müssen da noch etwas klären. Ich möchte nicht, dass du da wieder arbeitest, bevor nicht all deine Nägel und Drähte aus dem Arm raus sind und du noch nicht wieder topfit für diesen Job bist. Außerdem habe ich da etwas läuten hören, dass Alfred und Isolde langsam zurücktreten und die Tauchbasis verkaufen wollen. Ich würde deshalb gern mal mit ihnen sprechen.“
Anne sah ihren Freund mit großen Augen an. „Das meinst du nicht ernst. Du willst doch nicht etwa …?“ Annes Augen wurden noch größer.
„Ja, Liebes, ich will. Außer, du möchtest keine eigene Tauchbasis haben und leiten.“ Andreas schaute sie fragend an. Doch als Antwort küsste sie ihn nur wild auf jede Stelle seines Gesichts. „Ist das nun ein Ja oder ein Nein?“, fragte er lachend.
„Ja, ja, ja!“, schrie Anne freudig und küsste ihren Freund nochmals. „Na dann gib Gas, Baby, bevor uns ein Anderer zuvor kommt und uns die Tauchbasis vor der Nase wegschnappt.“
Anne gab Gas. Und wie sie Gas gab. Nur noch eine Wolke feinen, aufgewirbelten Sandes war zu sehen.
Als der Staub sich gelegt hatte, war der Ford verschwunden. Die Marines, die zu ihrem Schutz da waren, hatten ihre liebe Not, dem Wagen so schnell zu folgen.
Freundlich wurden sie auf der Tauchbasis Red Sea Dive Resort von Isolde und Alfred begrüßt. Die beiden Chefs der Basis waren etwas traurig darüber, dass Anne noch nicht wieder zurückkommen würde, aber sie konnten es auch verstehen.
Dann sprach Andreas an, dass er gehört hatte, dass sich die Besitzer der Basis in nicht so ferner Zeit zurückziehen und die Basis verkaufen wollen. Er fragte vorsichtig nach, ob das stimme.
„Ja, Andy. Wir wollen unseren Lebensabend in Deutschland bei unseren Kindern und Enkeln verbringen und genießen“, antwortete Alfred. „Wir waren jetzt viele Jahre hier und haben keinen Tag davon bereut. Doch für uns wird es nun Zeit, endlich wieder heimzukehren.“
„Wir wollen hier noch drei Monate vollmachen und dann die Basis verkaufen“, ergänzte Isolde. „Nur haben wir ein Problem damit, unser Kind, was die Tauchbasis für uns ist, in irgendwelche fremde Hände zu geben. Wir möchten einfach nicht, dass unser Lebenswerk zerstört wird.“
„Wie meint ihr das?“, wollte Andreas genauer wissen.
Alfred und Isolde erzählten ihm, wie sie sich immer dem Schutz der Riffe des Roten Meeres verschrieben hatten. Sie hatten darauf geachtet, dass sauber getaucht wurde. Das Erste, was sie ihren Gästen begreiflich gemacht hatten, war immer, dass sie in dieser Welt nur zu Gast waren. Sie hatten größtes Augenmerk darauf gerichtet, dass Anfänger andere Riffe besuchten als fortgeschrittene Taucher, um die Riffe zu schonen. Auch bei der Ausbildung war dies fest im Programm verankert. Sie hatten immer darauf geachtet, dass keine Messer mitgeführt wurden und Handschuhe bei den Tauchern verboten waren, um so auch vorzubeugen, dass Korallen als Mitbringsel von ihnen einfach abgebrochen werden konnten. Das alles noch bevor die ägyptische Regierung selbst solche Gesetze zum Schutz der Riffe verabschiedet hatte und weite Gebiete zum Naturschutzpark erklärt wurden.
Sie erzählten voller Stolz von den künstlichen Riffhilfen, die sie versenkt hatten, die von den Tieren des Meeres schon angenommen wurden, und von ihrem Einsatz für neue Ankerleinen und Ankerbojen an den einzelnen Tauchplätzen.
„Wir möchten einfach nicht, dass der Name dieser Tauchbasis, die wir vor vielen Jahren gegründet haben, je einen schlechten Ruf bekommt“, schloss Alfred den Bericht ab.
„Und wie wäre es mit uns beiden als eure Nachfolger?“, fragte Andreas und zeigte dabei auf Anne und sich.
Überrascht sah sich das alte Ehepaar an. „Wir verkaufen sie aber nur mit allem Drum und Dran. Und unter der Bedingung, dass auch alle ägyptischen Bootsbesatzung und Angestellten zu den gleichen oder besseren Konditionen übernommen werden. Wir wollen nicht, dass einer von ihnen entlassen werden muss oder es ihnen schlechter geht“, sagte Isolde schnell.
„Das wäre auch in unserem Interesse“, gab Andreas ebenso rasch zurück.
Alfred überlegte kurz und wandte sich dann seiner Frau zu. „Wir kennen Anne schon lange. Sie hat immer unser Konzept vertreten und selbst dafür gekämpft. Dieser Mann hier hat sogar den Respekt der Delfine, wie wir von Rashid gehört haben. Was meinst du, Frau?“
„Ich glaube, es wären würdige Nachfolger für unsere Basis“, gab Isolde mit sicherer Stimme zurück.
„Und ihr würdet hier jederzeit herzlich willkommen sein, um mit uns zu tauchen und um sehen zu können, wie wir euer gutes Projekt fortführen“, versprach Andreas aus reiner Überzeugung.
Alfred und Isolde nickten sich zu, baten sich aber noch ein paar Tage Bedenkzeit aus.
Andreas hatte es nicht anders erwartet und willigte ein.
„Aber du kennst den Preis doch noch gar nicht, den wir fordern würden“, meinte dann Alfred etwas unsicher.
„Ich denke, darüber können wir uns einig werden. Ich glaube nicht, dass ihr weit über Wert gehen werdet. Ihr seid ehrliche Menschen. Darum mache ich mir keine Sorgen“, gab Andreas zufrieden lächelnd zurück. „Aber nun entschuldigt uns bitte. Wir haben heute noch einiges zu erledigen. Ruft einfach an, wenn ihr euch entschieden habt oder sagt Bescheid, wenn ihr einen anderen Käufer habt, damit wir uns anderwärtig umsehen können. Meine Nummer habt ihr ja“, sagte Andreas, stand noch etwas mühsam auf, nahm seine Krücke und reichte den beiden die Hand zum Abschied.
Auch Anne verabschiedete sich von Isolde und Alfred und lief Andreas nach, der schon den Weg zum Auto eingeschlagen hatte. „Und jetzt?“, wollte sie wissen, als beide im Wagen saßen.
„Jetzt fahren wir zu den hiesigen Maklern, die mir Sebi genannt hat, und schauen uns Häuser und Baustellen an. Oder hast du etwas anderes, Besseres vor?“
„Ja, hätte ich eigentlich“, antwortete sie, gab ihm einen Kuss auf die Wange und trat auch schon aufs Gaspedal. Sie hielt an verschiedenen kleinen Läden. Überall wurden sie freudig begrüßt. Anne lud den Gepäckraum des Wagens immer voller. Zuletzt fuhr sie an die Tankstelle.

46
Lächelnd fuhr sie los. Sie nahm die Straße, die aus Hurghada heraus Richtung Südosten in die Wüste führte. Weit hinter der Stadt fuhr sie rechts ran und hielt an. Sie schob Andreas ein weiches Kissen zwischen Rücken und Lehne, drückte ihm eine Flasche Wasser in die Hand und zwinkerte ihm verschmitzt zu. „Wenn du Schmerzen hast, dann sag Bescheid“, meinte sie.
Keine Antwort abwartend, beschleunigte sie den Wagen und bog in einer rasanten 90° Kurve von der befestigten Straße auf einen Sandweg ab. Schnell brachte sie den allradgetriebenen Ford auf 130 km/h und raste, den Jeep mit den Soldaten bewusst weit hinter sich lassend, in einer feinen Sandwolke über den teils noch steinigen Wüstenboden davon.
„Ich glaube, wir brauchen für dich kein Auto, sondern einen Panzer“, stellte Andreas trocken fest, als er die rasante Fahrweise seiner Freundin im lockeren Wüstensand erlebte.
„Aber hier gibt es kaum einen Baum, gegen den ich fahren könnte“, gab Anne lachend zur Antwort. Doch dann verringerte sie die Geschwindigkeit und sah ihren Beifahrer an. „Möchtest du lieber, dass ich erst mal anhalte? Tut dir das Geschaukel zu sehr im Rücken weh?“, fragte sie besorgt, trat auf die Bremse und brachte den Wagen zum Stehen.
„Nein, Schatz, ich komme schon damit klar. Aber wenn wir jetzt zu deinen Leuten fahren, werden wir nicht so schnell zurück sein und unsere Freunde werden sich Sorgen machen.“
„Nein, das glaube ich eher nicht. Ich habe Kim schon Bescheid gesagt. Aber geht es wirklich mit deinem Rücken?“
„Wenn ich ehrlich bin. Nicht wirklich. Es wäre schön, wenn ich mir kurz die Beine vertreten könnte.“ Kaum hatte er das gesagt, sprang sie auch schon aus dem Wagen und hielt ihm die Tür auf, damit er gestützt auf die Krücke aussteigen konnte.
„Wie lange brauchen wir bei deinem Fahrstil noch bis zu deinem befreundeten Beduinenstamm, dem du immer hilfst?“, wollte Andreas wissen.
„Woher weißt du davon?“
„Ganz Hurghada weiß davon und mir hat es Abdul erzählt, als ich schnell zu dir wollte, als ich bemerkte, wie sich dein Peilsignal an dem einen Abend so weit entfernte. Eigentlich wissen es alle Einheimischen. Du weißt doch selbst, dass man vor ihnen nichts geheim halten kann.“ Dabei lächelte er Anne an.
„Ich hätte nicht gedacht, dass sie auch das wissen. Denn dieser Stamm meidet eigentlich jede Verbindung zu den ›Stadtmenschen‹.“
„Nichtsdestotrotz waren immer, wenn du zu ihnen unterwegs oder auf dem Rückweg warst, zu deinem Schutz Patrouillen in der Nähe und sind es wohl auch jetzt.“
Sofort sah sich Anne suchend in alle Richtungen um. „Nein, nur Kim und Sebi wussten davon und sie haben bestimmt nichts gesagt.“
„Ja. Sie haben sicher nichts gesagt. Aber die anderen wissen es trotzdem. Meinst du nicht, dass sie sich bei den vielen Einkäufen, die du da machst, ihren Teil nicht auch zusammenreimen konnten? Was denkst du wohl, woher Abdul das weiß, dass er es mir erzählen konnte? Sie wissen es alle und sie finden es gut. Das kannst du mir glauben“, sagte Andreas und fügte leise hinzu, wobei er auf sie zutrat: „Und ich freue mich sehr, dass du mich ihnen vorstellen möchtest. Also fahren wir. Ich werde deinen wilden Fahrstil schon noch aushalten, denn eigentlich würde ich auch nicht anders fahren, wenn ich es bereits wieder richtig könnte.“
Sie sah ihn an, küsste ihn und sagte: „Okay, dann fährst du ab jetzt. Wir werden sehen, wie es geht. Die Wüste ist groß und weit, da kann nichts passieren. Versuche es einfach. Ich sag’ dir, wo wir lang müssen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg sie auf der Beifahrerseite ein und legte den Sicherheitsgurt um.
Andreas reichte ihr die Krücken. Sie legte das weiche Kissen an die Lehne des Fahrersitzes, als ihr Freund einstieg.
Noch einmal holte er tief Luft, schaute seine Freundin an und gab dann Vollgas, dass die Räder im Sand durchdrehten, bis sie wieder festeren Boden fassten.
Sie zeigte ihm die einzelnen Orientierungspunkte, nach denen er sich richten musste, um die kleine Wasserstelle zu finden, an der sich die Beduinen zu dieser Zeit aufhielten. Gelegentlich hatte Andreas mit seinen Beinen noch ein paar Schwierigkeiten bei Kupplung, Bremse und Gas, da er sich sehr darauf konzentrieren musste, dass sich die Beine so bewegten, wie er es wollte. Doch mit der Zeit wurde es besser, und er kam nach etwas Übung gut damit zurecht.
Anne belohnte ihn bei jedem Fortschritt, den er dabei machte, mit einem Kuss auf die Wange.
Nach zweieinhalb Stunden hatten sie ihr Ziel erreicht.
Andreas sah, wie sich schwarz gekleidete, verschleierte Frauen schnell aus seinem Sichtfeld verzogen.
Vorsichtig und neugierig kamen drei vermummte Männer auf das Fahrzeug zu. Anne legte die Hand auf den Oberschenkel ihres Freundes. „Bleib noch kurz hier. Ich gebe dir dann Bescheid. Du bist ihnen noch fremd.“ Damit öffnete sie die Wagentür des silbernen Fords und stieg aus. Sie ging auf die drei Männer zu, welche sie gleich erkannten und herzlich willkommen hießen.
Sie sprach mit ihnen und zeigte dabei immer wieder auf den Wagen. Die Beduinen nickten und Anne winkte Andreas zu, zu ihnen zu kommen. Mühsam quälte er sich nach der langen Fahrt vom Fahrersitz hoch und aus dem Auto raus.
Als die Männer sahen, dass er die eine Hand verbunden hatte und an einer Krücke ging, die, wenn er sich darauf abstützte, im feinen Wüstensand immer wieder tief versanken, kamen sie ihm schnell zu Hilfe und stützten ihn.
Sie führten ihn zu einem freien Platz, auf dem einige jüngere Männer damit begannen, Holz aufzustapeln, und setzten Andreas dort vor einem Kamelsattel ab, an den er sich bequem lehnen konnte. Langsam und schüchtern kamen die schwarz gekleideten, verschleierten Frauen wieder aus ihrem Versteck und begrüßten Anne, die von ihnen ein farbenprächtiges Seidentuch wie einen Turban um den Kopf gelegt bekam und damit auch ihr Gesicht verhüllten.
Während sich die Männer um Andreas scharten und ihn genauer beäugten, räumten die Frauen gemeinsam mit Anne den Kofferraum des Wagens aus und brachten die Sachen zwischen die alten, windschiefen Mauern, die mit Stoffplanen überspannt waren.
Andreas entdeckte Kinder, die sich, neugierig geworden, langsam näherten und dann schnell Anne umkreisten, als sie sie erkannt hatten. Die Männer boten Andreas Tee an, welchen er dankbar, aber auch etwas unsicher entgegennahm. Er war sehr froh und erleichtert, als Anne endlich neben ihn trat und sich zu ihm setzte.
Ohne selbst etwas zu sagen, lauschte er dem Gespräch, welches Anne mit dem Scheich und den Dorfältesten führte. Er hörte, wie sie sich dafür entschuldigte, dass sie sie so lange nicht besuchen konnte. Auf die Frage des alten Scheichs hin, erklärte sie es ihnen.
Andreas hörte, wie sie alles nur vage andeutete und bagatellisierte. Er beobachtete dabei genau die Gesichter der Männer.
Nach einer Weile aber konnte er nicht mehr an sich halten und sprach die Runde der Männer auf Arabisch an. Er erklärte ihnen offen und ehrlich die wahren Hintergründe.
Der alte Scheich nickte zufrieden. „Das ist auch das, was wir hier schon erfahren haben. Die Wüste hat keine Geheimnisse vor uns“, sagte er. „Schließlich leben wir mit ihr. Andreas Wildner, du bist ein ehrlicher, mutiger Mann. Herzlich willkommen hier neben unserer wilden Wüstenblume.“
Andreas verstand nicht ganz, was der Scheich damit meinte. Schnell klärte ihn einer der jüngeren Männer darüber auf, dass Anne in diesem Stamm den Namen >Wilde Wüstenblume< trug. Er fand diesen Namen gerechtfertigt, nachdem er ihren Fahrstil in der Wüste kennengelernt hatte. Lächelnd nickte er dem jungen Mann zustimmend zu.
Als die Sonne hinter dem Gebirge unterging, entzündeten die Männer das zusammengetragene Holz und alle Beduinen fanden sich darum ein.
Andreas hatte Ähnliches schon auf dem Siedlungsplatz erlebt, doch hier in der Wüste, bei den Beduinen, war es ganz anders. Während des gesamten Abends und auch des gemeinsamen Essens am Lagerfeuer saß Anne verschleiert bei den Frauen, streng getrennt von den Männern. Doch er fühlte sich wohl dabei, denn er wusste instinktiv, dass sie hier sicher war, diese Menschen sie sehr mochten und auf sie aufpassen würden. Allein das zählte für ihn.
Als das große, zentrale Feuer fast erloschen war, wurde Anne dem Mann, den sie liebte, feierlich von zwei der verschleierten Frauen zugeführt. Andreas erhob sich mit der Unterstützung von zwei seiner neu gewonnenen Freunde und nahm Anne dankend entgegen. Er lüftete auf Geheiß der Männer ihren Schleier und küsste sie liebevoll. Wobei die Frauen einen seltsamen Gesang anstimmten und die Männer ihre Trommeln im Rhythmus erklingen ließen.
„Ich möchte dich warnen, Andy“, flüsterte Anne leise, „Noch ein Kuss von dir und wir sind für diese Menschen hier vermählt.“
„Das ist genau das, was ich will“, sagte Andreas und lächelte sie an. Er ließ seine Krücke fallen, nahm Anne ganz fest in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich. Dazu schrien die Frauen noch lauter ihre jodelnden Töne hervor und die rhythmische Trommelbegleitung der Männer wurde schneller, dass es durch die ganze Wüste zu schallen schien.
„Wilde Wüstenblume und großer Delfin sind damit vereint für immer“, verkündete der alte Scheich feierlich, laut hörbar für alle.
Die Frauen brachten ihnen eine gewebte, wunderschöne, mit Ornamenten versehene Decke aus Kamelhaar als Geschenk. Die Männer setzten der Braut einen Kopfschmuck aus Gold, mit besonders schönen, bearbeiteten und eingefassten Steinen, die sie in der Wüste gefunden hatten, auf. Ihr offenes, blondes Haar glänzte unter dem dünnen Schleier wie ein goldenes Vlies.
Andreas konnte sich nicht satt daran sehen. Dabei versank sie in seinen himmelblau leuchtenden Augen. Er fühlte sich sehr wohl im Kreise der Menschen, die Annes Freunde waren.
Er lernte durch sie eine neue Welt kennen und lieben. Für die Nacht wurden die beiden in eine Art Nische geführt. Es waren nicht mehr als drei niedrige Wände, die vor dem Wind schützten. Die Beduinen hatten den Innenraum schon mit Kamelfellen und Decken für das Paar weich ausgelegt.
Vor der nächtlichen Unterkunft angekommen, verneigten sich beide und dankten ihren Gastgebern mit einem: „Schukran.“
„Afran und eine gute Nacht euch“, verabschiedeten sich die Männer, die sie hingeführt hatten, freundlich.
„Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich nicht auf Haussuche wollte, sondern dich hierher entführt habe“, flüsterte Anne leise, als sie sich an die Schulter von Andreas lehnte und zu den unzähligen Sternen hochschaute.
„Nein, Schatz, im Gegenteil. Ich bin dir sogar sehr dankbar dafür. Hier ist es wunderschön.“ Er nahm sie in den Arm und sie schauten noch eine Weile in den Sternenhimmel, der in der Wüste viel näher und leuchtender erschien. Als sie eine Sternschnuppe fallen sahen, lagen sie sich in den Armen und lächelten sich vielsagend an.
Leicht gebückt betraten sie ihre niedrige Schlafstätte, die nur von einem Tuch überspannt war. Andreas hatte Mühe, sich so hinzulegen, dass er sowohl bequem und ohne Schmerzen liegen, als auch Anne im Arm halten konnte.
„Anne, schläfst du schon?“, fragte er nach einer Weile leise.
„Nein, noch nicht. Warum?“
„Was möchtest du lieber? Morgen hier bei deinen Freunden bleiben oder raus aufs Meer fahren?“
Anne stützte sich auf ihre Ellenbogen auf und drehte sich so, dass sie ihm in die Augen sehen konnte, die selbst im Dunklen zu leuchten schienen. „Warum fragst du das?“ Skeptisch sah sie ihn an. „Sei ehrlich. Es ist noch nicht vorbei?“
Andreas schüttelte mit dem Kopf, dann sagte er: „Wir wissen es nicht genau. Keiner weiß, wie viele Kerle uns der Pockennarbige noch auf den Hals gehetzt haben könnte.“ Er sah sie an und fragte erneut: „Also was nun, Wüste oder Meer?“
„Hier bleiben würde ich schon gern, aber das geht nicht, denn der Stamm zieht morgen weiter und mit dem Auto nebenher fahren macht sich nicht so gut, erst recht nicht für dein geplagtes Hinterteil und den Rücken. Da wäre auch der Kamelsattel eine Qual.“
„Auch wenn ich diesen Vorschlag jetzt nicht gern mache, denn ich hätte dich viel lieber bei mir, doch hier bist du zur Zeit, wie mir scheint, am sichersten aufgehoben. Bleib bei deinen Freunden hier, ziehe mit ihnen weiter. Ich fahre zurück und hole dich, wenn alles vorbei und sicher für dich ist“, schlug er vor.
Anne musste kichern. „Und wie willst du mich finden? Die Wüste ist groß und Steckdosen zum Handyaufladen gibt es hier nicht.“
„Stimmt, mein Schatz, und doch würde ich dich überall, auf der ganzen Welt finden“, flüsterte er und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du trägst doch den kleinen Peilsender noch. Oder?“ Er musste grinsen, als er ihr erstauntes Gesicht sah.
Sie legte sich zurück an seine Schulter und hörte das gleichmäßige Pochen seines Herzens. Zärtlich legte sie ihre Hand auf seine Brust und kuschelte sich dicht an ihn. „Nein, Andy, wir bleiben zusammen. Wir fahren gemeinsam morgen früh zurück. Ich hätte keine ruhige Minute hier. Ich habe zu viel Angst um dich. Ich möchte dich immer bei mir wissen. Wir haben es bis jetzt gemeinsam durchgestanden und ich werde auch das noch mit dir gemeinsam durchstehen.“
Andreas zog Anne die Decke zurecht und legte seine noch obenauf, sodass sie schön warm eingepackt war. Denn die Nächte in der Wüste sind kalt.

47
Die Morgendämmerung hatte noch längst nicht eingesetzt, als Andreas von unterschiedlichen Geräuschen, die er nicht gleich zuordnen konnte, wach wurde.
Im Beduinenlager herrschte bereits geschäftiges Treiben. Die Kamele wurden mit dem wenigen Hausrat, den diese Menschen besaßen, beladen. Wasserkanister festgezurrt und Lebensmittel in Körbe verstaut. Anne half den Frauen beim Zusammenräumen der Decken und Felle. Sie erfuhr von ihnen auch, wann sie ihre Tour wieder hier vorbeiführen würde.
Bevor sie aufbrachen, setzten sich noch einmal alle ums Feuer und tranken gemeinsam Tee. Dann wurde das Feuer gelöscht und die Freunde verabschiedeten sich voneinander.
Während die Karawane nach Süden zog, lenkte Anne den Ford Richtung Nordosten. Sie winkte den Leuten noch einmal nach und hupte, als letzten Gruß, dreimal hintereinander. Dann legte sie den vierten Gang ein und drückte das Gaspedal, dass die Räder kurz durchdrehten.
Andreas sah sie an und schüttelte den Kopf. „Schatz, du bist unverbesserlich.“
Sofort ging Anne etwas vom Gas und entschuldigte sich. Besorgt sah sie ihn an.
„Nein, es ist schon in Ordnung, kannst ruhig weiter rasen. Mir tut nichts weh“, log er.
Sie hatten bereits gut ein Drittel der Strecke hinter sich, als vor ihnen die Sonne aufging.
Anne hielt den Wagen an. Als sich die Staubwolke verzogen hatte, stiegen beide aus, lehnten sich entspannt an die Motorhaube und genossen Arm in Arm das Schauspiel, welches sich ihnen bot.
Sie beobachteten, wie die Wüstenlandschaft erst rot, dann orange und gelb erstrahlte. Die einzelnen Sandkörnchen begannen in den ersten Strahlen der Sonne zu glitzern und zu funkeln wie fein geschliffene Diamanten.
Sie holte eine neue Flasche Wasser aus dem Kofferraum und reichte sie ihm. Er zog sie an sich und küsste sie heiß, dass ihr die Knie weich wurden. „Danke Anne“, sagte er leise und hielt die Frau, die er so sehr liebte, fest im Arm. „Du zeigst mir die Welt neu und so wunderschön.“
Nach einer Weile stiegen sie wieder ins Auto. Anne klappte den Blendschutz runter und setzte ihre Sonnenbrille auf. Dann fuhren sie weiter.
In Hurghada angekommen, machten sie vor dem Haus ihrer Freunde Halt, um ihre Rucksäcke zu holen. Sebastian und Kim waren bereits weg, hatten aber liebevoll für Annes Kater gesorgt. Auch an ihre Freunde hatte sie gedacht und ein kleines Frühstück bereitgestellt.
Sie hatten noch etwas Zeit, bevor sie losmussten. Also bat Andreas Anne, ob sie ihm helfen könnte, die lästigen Pflaster vom Rücken zu entfernen, die ihn langsam zu stören begannen. Vorsichtig zog sie eines nach dem anderen ab und besah sich die kleinen und größeren Wunden.
„Aber ich hoffe doch, du hast heute nicht vor, damit schon ins Wasser zu gehen?“, fragte sie. „Ich glaube nämlich nicht, dass es so gut wäre.“
„Nein, eigentlich habe ich das nicht vor. Außer, ich muss. Ich möchte einfach nur gern aufs Meer raus, Sonne und Wind mit dir genießen.“ Dabei drehte er sich ihr zu und lächelte sie an. „Und ich möchte mit dir allein sein. Wir geben Rashid und Ahmed heute frei. Wie wäre das? Nur du und ich auf dem Meer da draußen?“
„Das klingt verführerisch. Dann rufe ich gleich auf der Basis an, damit Sebi es den beiden sagen kann. Sie müssen doch nicht erst noch umsonst warten. Ahmed wird sich darüber besonders freuen, denn er hat hier eine kleine Freundin gefunden. Da kann er heute mit ihr den Tag verbringen.“
Als sie an der Basis ankamen, warteten doch die beiden Freunde auf sie. Ahmed hatte das Essen in der Kombüse so weit vorbereitet, dass sie es sich nur noch aufzuwärmen brauchten, und Rashid zauberte eine Flasche Rotwein hervor, den er schnell bei Freunden besorgt hatte. Dann verabschiedeten sich die Ägypter und wünschten einen schönen Tag.
Kim und Sebastian kamen gerade vom Hafen zurück, wo sie das Verladen der Pressluftflaschen auf die einzelnen Boote organisiert hatten.
„Wir haben bei euch auch vier mit drauf geladen, auch wenn ihr heute nicht taucht. Aber man weiß ja nie. Ihr könnt gleich mit dem Pickup rüber zum Hafen fahren. Meine Leute wissen Bescheid und helfen dir beim Aufsteigen“, informierte sie Sebastian, dabei klopfte er Andreas leicht auf die Schulter.
Die Augenpaare einiger Tauchgäste, die noch auf der Terrasse saßen, hatten sich auf die vier zusammenstehenden Leute geheftet und versuchten ein paar Wortfetzen von dem, was da gesprochen wurde, zu erhaschen. Besonders interessierte sie dabei der große Mann, den sie zuvor schon den einen Morgen im Rollstuhl gesehen hatten und der nun auf Krücken gestützt vor ihnen stand, wobei seine eine Hand dick verbunden war.
Und wieder tuschelten einige von ihnen hinter vorgehaltener Hand.
Als Andreas das bemerkte, sprach er, damit es die Tauchgäste nicht verstehen konnten, auf Arabisch weiter. „Mein lieber Scholli, ich komme mir hier langsam vor wie ein seltener Affe im Zoo, so werde ich hier begafft. Ob die noch nie einen Mann auf Krücken gesehen haben? Ich kann das absolut nicht ab. Ich gehe lieber.“
„Nun warte doch mal“, hielt ihn Kim zurück.
„Na ja, hier geht so das Gerücht rum, dass du durch einen Tauchunfall zum Krüppel geworden bist und so verrückt wärst trotzdem noch tauchen zu gehen. Ich lass’ sie einfach reden. Du weißt doch: Solange über einen gesprochen wird, solange ist man interessant. Ich lasse sie in ihrem Glauben. Es ist einfach die Mühe nicht wert. Wenn sie wieder abreisen, reist das Gerücht mit ihnen und alles ist vergessen“, erklärte Sebastian leise. Doch dann grinste er frech und meinte: „Du könntest sie natürlich auch alle mal mächtig erschrecken und dich outen. Und wir hätten unseren Spaß dabei.“
„Und wie sollte ich das anstellen?“, fragte Andreas geradezu gelangweilt, doch dann überlegte er es sich anders. „Woran dachtest du dabei?“, wollte er neugierig geworden wissen.
„Hab Mut und zieh wie beiläufig dein Shirt aus. Es ist eh schon ziemlich heiß. Dann drehe dich doch zufällig etwas hin und her. Ich erzähle denen nachher, wenn du weg bist, dass sich mit dir hier im Roten Meer ein kleiner Hai die Beißerchen geputzt hat“, dabei wurde Sebastians Grinsen regelrecht teuflisch. Auch Kim, Anne, Rashid und Ahmed lächelten verschwörerisch.
Andreas überlegte eine Weile, dann fand er die Idee gar nicht so schlecht. „Aber du weißt, dass es passieren könnte, dass du dadurch ein paar besonders ängstliche Kunden verlieren könntest“, warnte er.
„Das ist es mir den Spaß wert, ihre erschrockenen, geschockten Gesichter zu sehen. Solche Leute, die hinter dem Rücken über andere herziehen, verdienen es nicht anders“, meinte Sebastian noch immer grinsend.
Andreas sah die beiden Frauen an, die ihm ebenso grinsend zunickten und damit ermutigten.
„Okay, dann machen wir uns diesen Spaß. Wir hatten letzte Zeit eh viel zu wenig zu lachen“, meinte er und lief gespielt, gelangweilt auf seine Krücke gestützt zum Wagen und lehnte sie da an. „Man, heute ist es aber schon heiß“, sagt er dann wieder auf Deutsch etwas lauter und begann sein T-Shirt auszuziehen. Er drehte sich um, um es auf den Beifahrersitz zu legen und eine Flasche Wasser herauszuholen. Dann ging er auf die Krücke gestützt zurück zur Gruppe seiner Freunde, die sich aber absichtlich so hingestellt hatten, dass er sie erst halb umrunden musste um, dann mit dem Rücken den Tauchgästen auf der Terrasse zugewandt dazustehen. Kein Ton war mehr von den Leuten dort zu hören. Alle sahen ihn nur mit vor Schreck geweiteten Augen an.
„Hey, das Spiel gefällt mir. Darf ich es noch etwas weiter treiben?“, fragte Andreas lächelnd.
„Woran hattest du dabei gedacht?“, wollte Kim wissen.
„Ich habe doch meinen Anzug zerschnitten und bräuchte einen Neuen. Wie sieht es aus, habt ihr einen für mich da?“, fragte er.
Sebastian hatte verstanden. „Klar, ich habe einen Anzug in deiner Größe. Komm mit, mein Kleiner, und bade in der Menge.“
Die beiden Freunde mussten quer über die Terrasse und durch die halbe Basis laufen, um zur Ausgabetheke zu gelangen.
Sofort machten die Männer und Frauen ihnen Platz und ließen dabei keinen Blick vom Oberkörper des Mannes mit der Krücke.
Die Leute sahen die vielen Narben auf seiner Brust und die große an der Schulter so wie die frisch genähten und geklammerten Wunden und etwas älteren rosa Narben auf dem Rücken des Mannes. Sie beobachteten genau jede Bewegung von ihm, wie er einen neuen Anzug probierte und ihn dann zufrieden, dass er gut passte, wieder auszog und über seine Schulter hing.
„Und nun kannst du ihnen ja noch verkaufen, dass ich heute auf die Jagd nach dem bösen Tierchen gehen will, welches sich hier in der Nähe herumtreibt. Ich verspreche dir, dass nicht mehr viele von denen hier heute ins Wasser zum Tauchen gehen wollen“, flüsterte Andreas auf Arabisch, damit die anderen ihn nicht verstehen konnten.
Beide Männer lächelten sich verschwörerisch zu.
„Das wird ein Spaß“, meinte Sebastian. „Ich werde dir heute Abend davon berichten.“ Sie verabschiedeten sich voneinander.
Andreas, mit dem Neoprenanzug über der Schulter, hinkte auf seine Krücke gestützt durch die noch immer schweigende Masse von Urlaubstauchern, zurück zu Anne und Kim, die sich wegdrehen mussten, damit keiner sah, wie sie sich vor Lachen die Bäuche hielten. Er warf den Anzug lässig auf die Ladefläche und stieg zum Fahrer, während sich Anne auf die Ladefläche schwang.
„Jalla, jalla“, rief sie dabei laut.
Fröhlich winkten die beiden Sebastian und Kim zu, als der Wagen anfuhr. Sie sahen noch, wie die Freunde sofort von ihren Gästen umlagert wurden. Beide lachten deshalb laut auf.
Im Hafen angekommen, halfen ihm die ägyptischen Basisangestellten auf das Boot. Anne hing die Anzüge auf, damit die Tarnung komplett war, wenn die Tauchtouristen mit den Pick-ups hier bei ihren Booten eintrafen. Sie hatten sich vorgenommen, noch so lange zu warten und das Spiel zu genießen.
Als die ersten Autos ankamen, setzte sich Andreas sichtbar auf die Reling des Bootes und schliff provokativ sein Tauchermesser und hatte ein zweites, größeres vor sich ins Holz gesteckt. Anne stand mitten auf dem Deck und flocht ihr Haar zu einem Zopf, als die Tauchgäste aufs Nachbarboot stiegen und noch immer nur einen Blick für Andreas hatten, der da saß und seelenruhig sein Messer schliff.
„Na dann wollen wir mal auf die Jagd gehen, Schatz. Machst du die Leinen los“, sagte Anne laut, für alle hörbar.
Andreas stand auf und warf sein Messer kraftvoll aus kurzer Distanz Richtung Reling, wo er zuvor gesessen hatte.
Die Leute auf dem Nachbarboot zuckten erschrocken zusammen, als das Messer, noch schwingend neben dem anderen größeren, tief im Holz stecken blieb. Dann hinkte er ohne Krücke zur Plattform, machte die Leinen vom Poller los und warf sie den Männern auf dem Kai zu. „Kannst los, Liebes!“, rief er nach oben, ohne sich um die neugierig gaffenden Leute auf dem Nachbarboot zu kümmern.
Anne stand auf dem Oberdeck am Ruder und machte langsame Fahrt, während sich Andreas um sein Equipment zu kümmern schien. Dann lief er vorsichtig, sich überall festhaltend zur Leiter und zog sich kraftvoll mit den Armen hoch, um so aufs Oberdeck zu gelangen. Er setzte sich neben Anne und legte einen Arm um sie.
„Und schauen die immer noch neugierig her?“, wollte sie wissen.
„Oh ja, Schatz. Die haben richtige Stielaugen, kann ich dir sagen. Sehe zu, dass du uns hier schnell wegbringst, denn lange kann ich mein Lachen nicht mehr verkneifen.“
„Eigentlich sind wir doch gemein“, stellte sie noch immer grinsend fest und sah ihren Freund an.
„Die wollen es doch so. Bekommen sie keine Geschichte vorgesetzt, dann reimen sie sich selbst was zusammen und zumeist spotten diese Geschichten und Gerüchte dann jeglicher Beschreibung.“ Er gab ihr einen Kuss. „Komm, such uns ein lauschiges Plätzchen, mein schöner Kapitän.“
Anne steuerte die >Amun Re< weit aufs Meer hinaus, wo sie unbesorgt den Anker werfen konnten. Das Boot stellte sich in die Strömung und schaukelte leicht in den Wellen.
Kein anderes Boot war in ihrer Nähe zu sehen. Nur kleine weiße Pünktchen in der Nähe des Küstenstreifens tanzten auf dem Wasser. Es waren die vielen Taucherboote, die weit weg von ihnen an den einzelnen Riffen und Ergs standen.
Anne sprang ins Wasser und schwamm eine Runde ums Boot. Andreas folgte ihr vom Schiff aus mit den Augen und stand mit dem Badetuch bereit, als sie aus dem Wasser stieg. Sanft strich er ihr die Träger ihres Badeanzuges ab und bedeckte ihren Hals und die Schultern mit Küssen, dann legte er ihr das Tuch um und drehte sie zu sich herum. Er nahm sie in seine Arme, drückte ihren nackten Körper an sich und rubbelte ihr den Rücken trocken. Kurz darauf verschwanden sie durch den Salon unter Deck und schlossen die Tür hinter sich.
Erst am späten Mittag kamen sie wieder aufs Deck. Sie blinzelten glücklich in die Sonne und schauten übers weite Meer. Langsam wurde Andreas hungrig. Er ging in die kleine Kombüse, machte das von Ahmed vorbereitete Essen warm, nahm heimlich einige der Schmerzmittel, die er noch vom Doc hatte, und brachte die leckeren Speisen auf zwei Teller verteilt nach draußen.
Anne saß auf der Plattform und baumelte mit den Beinen im Wasser. Er setzte sich zu ihr und sie aßen, ohne ein Wort dabei zu sprechen. Das war auch nicht nötig, denn sie verstanden sich auch so. Nach dem Essen legten sie sich aufs Oberdeck in den Schatten und schliefen nach einer Weile glücklich, eng beieinanderliegend, ein.
Nach einer guten Stunde wurden sie wach.
„Ich gehe noch eine Runde schwimmen, bevor wir wieder heim fahren“, entschied Anne. Andreas ging mit nach unten und sah zu, wie sich seine Freundin grazil im Wasser bewegte.
Doch mit einem Mal wurde sein Gesicht starr vor Schreck. Er sah eine große Rückenflosse aus dem Wasser auftauchen, die sich Anne schnell näherte. Er erkannte den Hai sofort wieder. Es war der, der die Delfine angegriffen hatte, den er mit dem Messer abgewehrt und verletzt hatte. Und genau dieser Hai hielt jetzt geradewegs auf seine Freundin zu. „Anne, raus aus dem Wasser!“, schrie er laut und sprang auch schon auf. Er wusste, dass sie zu weit entfernt vom Boot war und es nicht schaffen würde, vor dem Hai, der rasch näher kam, aus dem Wasser zu sein.
Wie ein geölter Blitz griff er zu den beiden Messern, die noch immer im Holz der Reling steckten, und zog sie mit einem Ruck heraus. Er lief so schnell er konnte übers Deck auf die Taucherplattform zu und schoss mit einem weiten Hechtsprung, über Anne hinweg, ins Wasser direkt auf den Hai zu.
Sie kletterte in aller Eile die Leiter zur Taucherplattform hoch. Wie angewurzelt blieb sie dort stehen und schaute ängstlich zu, wie er mit dem großen Tier kämpfte und herumgewirbelt wurde.
Abrupt zog der Hai Andreas mit sich in die Tiefe.
Laut und verzweifelt schrie sie auf und rief den Namen ihres Freundes. Sie glaubte schon, ihn verloren zu haben. Doch dann tauchte der Hai nach einer langen Minute, die ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen war, an der Backbordseite wieder auf. Andreas stach immer und immer wieder mit seinen Messern auf ihn ein.
„Anne, wirf mir einen Enterhaken zu und mach das Ende des Seils fest“, rief er laut. Schnell lief sie zum Bug und holte einen der Haken, die sie sonst nutzten, um nach den Ankerbojen zu fischen. Sie machte das Ende des Seils fest und warf den Haken so, dass Andreas das Seil davon zu fassen bekam. Er nahm die Klinge eines der beiden Messer zwischen seine Zähne, um die Hand für den Enterhaken freizuhaben. Mit aller Kraft schlug er ihn in den Leib des Fisches. Und schon ging der wilde Kampf weiter. Immerhin konnte der Hai jetzt nicht mehr mit ihm so tief nach unten tauchen. Der gefährliche Raubfisch wand sich und kämpfte verbissen um sein Leben. Immer wieder schlug dabei die Caudalis / Schwanzflosse des Tiers laut krachend gegen den Bootsrumpf. Mal war der Hai oben, mal Andreas. Das Wasser kochte förmlich um sie herum und begann sich rot zu färben.
Anne standen die Tränen in den Augen. Sie zitterte vor Angst am ganzen Körper. Sie wusste nicht, wie sie Andreas helfen konnte.
Nach einiger Zeit glätteten sich die Wellen.
Sie starrte aufs Wasser und sah den Hochseehai, der sich in dem Seil verfangen hatte und nur noch leicht zuckte und zappelte, bevor er sich gar nicht mehr rührte, aber nicht ihren Freund. Das Wasser rings um den Hai färbte sich weiter rot ein und wurde von der leichten Strömung Richten Süden mitgezogen.
Kleinere Fische begannen sich dafür zu interessieren.
Wieder schrie sie laut nach Andreas und war kurz davor, ins Wasser zu springen, um ihn zu suchen.
In dem Moment tauchte sein Kopf knapp neben dem Maul des Hais an der Wasseroberfläche auf. Schwer nach Luft schnappend, verlangte er nach einem zweiten Haken, den er ebenfalls in den nun leblosen Körper des großen Fisches rammte. Dann schwamm er mit letzter Kraft zum Heck des Bootes, erklomm erschöpft die Leiter, warf die beiden Messer auf die Taucherplattform und zog sich völlig außer Atem hoch. „Mach die Seile gut fest, Schatz“, sagte er dann nur noch leise und blieb auf der Plattform liegen.
Anne vertäute auch das Seil des zweiten Hakens und lief so schnell sie konnte zu Andreas zurück. „Was ist mit dir, hat er dich verletzt?“, fragte sie besorgt und schaute ihn, noch immer entsetzt von dem gerade passierten, an.
„Nein, mir geht es gut. Ich bin nur etwas geschafft“, beruhigte er sie und versuchte sich aufzurichten. „Siehst du, so schnell wird aus einem Spaß bitterer Ernst und die Geschichte bekommt ein Stück Wahrheit beigemischt“, sagte er noch immer nach Luft schnappend, aber lächelte Anne dabei liebevoll an. „Der war krank. Durch seine Verletzungen, die ihm die Delfine und ich zugefügt haben, konnte er wohl nicht mehr richtig jagen und ist er zum Killer geworden“, erklärte er und zeigte auf den Hai. „Es hätte nicht lange gedauert und er wäre dahintergekommen, dass er in Küstennähe leichte Menschenbeute machen kann.“
Anne nickte ihm zu und half ihm beim Aufstehen. Dann entdeckte sie, dass er lange und tiefe Biss- oder Risswunden von den Zähnen des Hais an beiden Unterarmen hatte, die stark bluteten.
Sie lief in den Salon, zog sich selbst schnell ein T-Shirt und eine Hose über, weil ihr plötzlich kalt wurde, und lief mit dem Verbandskasten zu Andreas zurück. Notdürftig verband er sich die Arme selbst und legte einen zusätzlichen Verband über den durchgeweichten seiner linken Hand.
Als er sich wieder halbwegs erholt hatte, zogen sie den Hai gemeinsam nahe an den Rumpf des Bootes heran und strafften die Leinen.
Mithilfe einer kleinen Ankerwinde hievte Anne den Anker. Dann machten sie langsame Fahrt Richtung Küste.
Andreas schaltete das Funkgerät ein und rief die Tauchbasis seiner Freunde. Als sich Sebastian selbst meldete, sagte er: „Sebi, mach den Kochtopf fertig, heute Abend gibt es Haifischflossensuppe, Haigulasch und Steaks für alle.“
„Ja klar. Ist schon gut, die glauben auch so schon alle dran“, antwortete Sebastian, dabei lachte er laut. „Am Ende geht hier keiner mehr tauchen, aber ich auch pleite.“
„Nein, Sebi“, meldete sich Anne, „wir haben hier wirklich einen Hai im Schlepp. Es ist der, von dem uns Andy erzählt hat. Dieses Mal wollte er mich als Mahlzeit. Aber Andy hat ihn erledigt. Ich schätze, in zwei bis höchstens drei Stunden sind wir da.“ Dann knackte es eine Weile nur im Funkgerät.
„Ihr meint es wirklich ernst? Oder schiebt ihr mich jetzt auf die Nudel?“, kam die unsichere Frage von Sebastian aus dem Lautsprecher.
„Dafür würde ich mir etwas Besseres für dich einfallen lassen“, gab Andreas noch immer erschöpft zurück. Dann schaltete er das Funkgerät einfach ab. Er wandte sich an Anne zu. „Liebling, hast du was dagegen, wenn ich mich etwas hinlege? Ich bin geschafft.“
Kaum hatte er das ausgesprochen, lag er auch schon auf der seitlichen Bank neben dem Steuer, wo Anne saß und war, vor Erschöpfung totmüde, schnell eingeschlafen. Sie deckte ihn mit ihrem großen Badetuch zu und stellte dabei fest, dass ein paar der frischen Wunden auf dem Rücken wieder aufgebrochen waren und leicht bluteten.
Sie setzte sich zurück ans Steuer und machte etwas mehr Fahrt. Dabei musste sie immer wieder, wegen des großen Hais an der Backbordseite, gegensteuern und aufpassen, dass sich der Körper des Fischs durch den Widerstand des Wassers nicht losreißen konnte.
Als sie endlich den Hafen erreichten, standen da viele Menschen und erwarteten die >Amun Re< bereits.
Ihre Augen wurden groß vor Staunen, als sie den drei Meter fünfzig großen Hai neben dem Schiffsrumpf erblickten. Dann sahen sie die blutigen Messer auf der Plattform liegen und erschraken.
Noch während des Anlegemanövers sprang Sebastian mit Ahmed und Rashid an Bord der >Amun Re<.
„Wo ist Andy? Wie geht es ihm?“, rief Sebastian besorgt.
„Er ist bei mir hier oben und schläft“, rief Anne zurück und schaltete gerade den Bootsmotor ab. Sofort kamen die Freunde aufs Oberdeck.
„Ein paar seiner Wunden sind wieder aufgebrochen und bluten. Seine Arme sehen schlimm aus. Er hat sie sich selbst verbunden“, erklärte Anne leise und hob vorsichtig das Badetuch an.
Sebastian sah sich die Verletzungen am Rücken an und atmete beruhigt auf. „Das ist nicht weiter schlimm, nur die Arme gefallen mir nicht, die Verbände sind schon durchgeweicht“, stellte er fest. In dem Moment wurde Andreas wach. „Waren wir uns nicht einig und hatten wir nicht gesagt, du sollst noch nicht wieder ins Wasser gehen?“, ging ihn Sebastian sofort böse fauchend an. „Nun hast du den Salat. Das Salzwasser hat den frisch genähten Wunden nicht gutgetan und wir müssen dein Fell schon wieder flicken und verpflastern“, dabei unterstützte er Andreas beim Aufstehen.
Vorsichtig brachten seine Freunde den verletzten Mann nach unten und halfen ihm von Bord.
Bereits als sie mit den Booten auf dem Rückweg zum Hafen waren, hatte es sich schnell herumgesprochen, dass die >Amun Re< mit einem besonderen Fang zurückkommen würde, und sie hatten gespannt auf die Ankunft des Bootes gewartet.
Anne reichte Sebastian die Krücke, mit der freien Hand zog er die Freundin auf die Kaimauer hoch.
Schweigend machten die Leute der kleinen Gruppe Platz und so den Weg zum bereitstehenden Pick-up frei.
Während der Wagen schon zur Basis zurückfuhr, sahen die Schaulustigen zu, wie die Einheimischen den großen Hai aus dem Wasser zogen, gleich am Kai fachgerecht zerlegten und das Fleisch in Eimer verteilten.
So war der Jäger zur Beute geworden.
Auf der Basis angekommen, versorgte Sebastian die Wunden seines Freundes und legte ihm dicke Verbände an, während Anne, noch immer ganz aufgeregt, Kim von Andys Kampf mit dem Hai erzählte. Welche Angst sie hatte, als der Hai mit ihm in die Tiefe getaucht und er ewig nicht wieder hochgekommen war.
Gerade als Andreas frisch verpflastert war und auf die Terrasse trat, kamen die zwei Wagen, auf deren Ladeflächen die Eimer mit dem Haifischfleisch standen und der riesige Kopf des Hais lag, vorbeigefahren.

Andreas hatte sich mit Anne in eine Ecke zurückgezogen. Er war noch immer etwas erschöpft. Sebastian gab zur Feier des Tages die Bar für alle Gäste mit Freibier frei und seine ägyptischen Angestellten bereiteten für alle auf dem großen Grill das Fleisch zu. Andreas wollte, dass der Rest des Fleisches, das noch jede Menge war, an die Familien in der Siedlung ging. Einer der Fahrer machte sich damit sofort auf den Weg.
Sebastian brachte für seine beiden Freunde ein Bier in ihre Ecke und wollte kurz mit ihnen anstoßen. Doch Andreas fiel es schwer, die Flasche zu halten. Seine Hände zitterten und schmerzten noch, weil er die Messer so verkrampft gehalten hatte. Erschöpft lehnte er sich wieder zurück. Die Leute, die ihn so sahen, besaßen so viel Anstand, ihn nicht mit Fragen oder Sprüchen zu belästigen, sondern setzten sich ruhig auf freie Plätze, tranken ihr Bier und erzählten sich leise gegenseitig, was sie gesehen oder gehört hatten. Dabei sahen sie immer wieder zu dem Mann, der diese Bestie erlegt hatte, ehrfurchtsvoll herüber.
Aber Andreas war das egal. Er war einfach nur froh, dass er seine Anne bei sich hatte. Als er merkte, wie sie immer noch zitterte, zog er sie an sich heran und hielt sie fest in seinem Arm.
Das mit dem Hai ging um wie ein Lauffeuer und erreichte auch Doktor Mechier. Sofort rief er bei Sebastian auf der Basis an. „Ich hörte da gerade was von einem Hai. Hat das vielleicht zufällig etwas mit unserem verrückten Freund zu tun?“, wollte er wissen, kaum, dass Sebastian sich an seinem Handy gemeldet hatte.
„Ja, Doc, er sitzt hier neben mir. Hat sich mit einem alten Freund im Wasser rumgeprügelt. Hab ihn schon notdürftig verpflastert und verbunden, aber vielleicht siehst du ihn dir besser selber noch mal an. Außerdem gibt es hier dann gleich feines Haifischsteak. Das solltest du dir nicht entgehen lassen. …Doc? … Bist du noch dran?“ Ungläubig sah Sebastian auf sein Handy. „Komisch, er hat schon wieder aufgelegt. Dabei wollte ich ihm doch noch was erzählen“, sagte er, dann schaute er auf seine Uhr. „Mal sehen, ob Abdul seinen alten Rekord bricht.“
Schon acht Minuten später fuhr ein Jeep der Marine, mit Blaulicht und Sirene vor der Basis vor, bremste stark ab und blieb in einer Staubwolke stehen. Doktor Mechier, dieses Mal in Uniform, stieg bereits aus, bevor sich der Staub und feine Sand wieder gelegt hatte, und lief schnellen Schrittes auf die Basisterrasse zu. „Wo ist Andy?“, fragte er schon von Weitem.
„Hy, Doc, du brauchst doch nicht so zu rennen. Ich sagte doch, ich habe ihn schon verpflastert. Aber trotzdem war das jetzt ein neuer Rekord“, rief Sebastian dem Arzt auf Arabisch entgegen und lachte laut. Ahmed und Rashid stützten Andreas, weil er sich auch auf den Krücken nur schlecht halten konnte, und brachten ihn auf den Wunsch des Arztes in Sebastians Büro zurück, damit er sich seine neuen Verletzungen ansehen konnte. „Du musst mit ins Krankenhaus“, entschied er, nachdem er sich die Arme angesehen und neu verbunden hatte. „Das muss behandelt, teilweise operiert und genäht werden.“
„Ja, Doc, aber doch nicht jetzt. Du willst doch nicht etwa den großen Festschmaus verpassen“, gab Andreas, wenn auch nur aufgesetzt fröhlich, zurück.
Als die ersten Steaks auf dem großen Grill fertig waren, sorgte Kim dafür, dass auch ihre Beschützer, die etwas abseits in ihrem Wagen saßen, und der Fahrer vom Doc etwas davon abbekamen.
Noch keiner hatte bis dahin bemerkt, dass die junge blonde Frau, die mit dem Mann auf der >Amun Re< war und jetzt in einer Ecke leicht zusammengesackt saß, vorhin humpelte und ihr Bein blutete.
Anne selbst hatte es bislang auch noch nicht realisiert, sie fühlte sich nur zunehmend schwächer und müde.
Doch als Andreas mit dem befreundeten Militärarzt aus dem Büro zurückkam, blieb er wie erstarrt stehen und blickte auf das blutdurchtränkte Hosenbein seiner Freundin.
„Was ist Andy? Hast du einen Geist gesehen?“, wollte der Arzt wissen, als er bemerkte, wie sein Freund stocksteif stehen blieb.
„So ähnlich, Doc.“ Andreas drehte sich zu Abdul um und sprach ganz leise weiter: „Schau mal auf Annes rechtes Bein. Der Hai muss sie doch noch erwischt haben. Er war auch dicht genug an ihr dran, bevor ich bei ihr sein konnte. Ich habe gar nicht darauf geachtet, war selbst zu erschöpft. Ich denke, sie steht noch voll unter Adrenalin oder hat einen Schock und es deshalb noch nicht bemerkt.“
Abduls Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er sah, dass das Blut schon auf dem Boden eine große Pfütze bildete. Eilig winkte er Sebastian zu sich, der ganz in der Nähe stand und mit ein paar Tauchgästen sprach.
„Was ist?“, fragte er ernst, als er die Gesichter seiner beiden Freunde sah.
„Sebi tue uns einen Gefallen“, bat der Arzt leise.
„Klar doch, jeden“, gab er unbekümmert zurück.
Abdul machte ihn auf Annes Bein aufmerksam und erklärte ihm, dass sie es wohl selbst noch nicht bemerkt hätte. Er solle sie unter einem Vorwand ins Büro bringen, aber nichts wegen ihres Beines sagen. Und er solle dabei auf jeden Fall in ihrer Nähe bleiben im Falle, dass sie schon zuvor wegklappen sollte.
Nun sah auch Sebastian besorgt zu Anne rüber, die da ruhig in der Ecke neben Kim saß.
Abdul und Andreas gingen ins Büro zurück, wo der Arzt sofort eine Spritze für Anne aufzog.
Sebastian atmete noch ein paarmal tief durch und kratzte sich am Hinterkopf, wie immer, wenn sich schnell etwas einfallen lassen musste, dann setzte er ein Lächeln auf und trat zu den beiden Frauen an den Tisch. „Anne, der Doc braucht dich, Andy ist wohl störrisch und du sollst ihn mal etwas zurechtweisen. Ich komme auch gleich mit dir mit“, sagte er mit gespielter Lässigkeit und ging hinter ihr her, aber zeigte unbemerkt seiner Frau den großen Blutfleck unter dem Tisch und dann wies er auf Annes Hosenbein.
Sofort stand Kim auf und lief den beiden nach.
Als Anne im Büro ankam und wissen wollte, was los ist, bat Abdul sie, sich auf den Bürostuhl zu setzen, hinter dem Andreas schon stand. Kaum, dass sie sich hingesetzt hatte, wies der Arzt auf ihr Bein, bückte sich vor sie und begann, das Hosenbein der längelang aufzuschneiden.
„Was soll das denn? Habt ihr es auf meine Hosen abgesehen oder was? Das ist schon die Zweite, die ihr mir ruiniert“, beschwerte sie sich. Doch als sie das viele Blut sah, wurde sie ohnmächtig.
Sofort hielt Andreas sie fest, damit sie nicht umkippen konnte. Kim zog die Vorhänge zu und verschloss die Tür, um neugierige Gaffer draußen zu halten.
Sebastian leerte die Schreibtischplatte, indem er einfach mit dem Arm drüberfuhr und alles auf den Boden schmiss, was darauf war. Kim riss die Plastikverpackung von großen Badetüchern auf, die sie im Verkaufsstand hatten, zog sie heraus und warf sie ihrem Mann zu, der sie auf dem Schreibtisch ausbreitete. Dann hob er mit Abdul gemeinsam Anne vorsichtig auf den Tisch und Kim legte ihr ein Handtuch, zur Rolle geformt, unter den Kopf.
Sebastian band ihr in der Zwischenzeit schon den Arm ab, um ihr einen Zugang zu legen, und injizierte ihr darüber den Inhalt der Spritze, die ihm Andreas reichte.
Kim band Anne das Bein ab, dann stellte sie sich neben den Arzt und assistierte ihm, indem sie ihm mit einer Pinzette immer neue Tupfer reichte.
Sebastian zog in aller Eile die Schublade seines Schreibtisches auf und holte eines der Notpacks heraus, die er noch hatte, und fragte den Arzt, ob er sie anwenden dürfe.
Andreas erklärte Abdul schnell, welche Präparate es waren und wie sie wirkten.
„Tut, was ihr könnt, Jungs, ihr kennt euch damit aus“, entschied Mechier ohne zu zögern, während er sich weiter um Annes Bein kümmerte.
Die Verbände an Andreas’ Armen und der Hand hinderten ihn daran, sicher eine Injektion zu setzen, also riss er nur die Päckchen auf und reichte seinem Freund eine Ballonspritze nach der anderen, damit er diese entsprechend platzieren konnte.
„Das Biest hat ihr ein kleines Stück Wade und vorn die Haut weg gefetzt. Aber wie es aussieht, sind ihre Sehnen zum Glück unverletzt“, stellte Doktor Mechier fest. „Sie muss das Bein regelrecht noch aus dem Maul gerissen haben, ehe es richtig zubeißen konnte. Andy, ich glaube, da warst du keinen Moment zu spät bei ihr. Der Hai hatte keine Chance mehr, fest zuzubeißen. Sonst wäre das Bein ab gewesen, bei dem großen Vieh.“
„Da liegst du falsch, Doc, ich war sogar viel zu spät, sonst würde Anne jetzt nicht hier liegen“, antwortete Andreas nur leise. „Ich war nicht schnell genug bei ihr. Ich hätte noch schneller sein müssen“, warf er sich selbst vor.
Sebastian machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Andy, sei nicht so hart zu dir. Kannst doch selbst kaum richtig laufen. Du bist auch nur ein Mensch und hast alles in deiner Macht Stehende getan“, versuchte er ihn zu beruhigen.
„Ich hab’ ja noch nicht einmal bemerkt, dass sie verletzt ist. Ich hätte es doch gleich sehen müssen. Ich habe sie noch nicht einmal danach gefragt, ob es ihr gut geht, sondern sie mich, als ich aus dem Wasser kam“, sagte Andreas, sich Vorwürfe machend und stützte seinen Kopf zwischen die Hände.
„Sie hat es nicht gemerkt. Sie stand zu der Zeit voll unter Adrenalin oder aber ihr Schock war zu groß. Wir haben es auch nicht gesehen. Keiner hat etwas bemerkt. Und am Ende hast du es doch auch als erster entdeckt und richtig gehandelt. Es besteht kein Grund dafür, dass du dir Vorwürfe machst“, versuchte Sebastian weiter geduldig seinen Freund zu beruhigen, dessen Hände nun noch mehr zitterten als zuvor.
Der Arzt hatte ihr Bein unter den gegebenen Umständen so gut es ihm möglich war versorgt und verbunden. „Hier kann ich nichts mehr für sie tun“, erklärte er, „Sie muss, genauso wie du auch, ins Lazarett, da habe ich auch Fachärzte für plastische Chirurgie. Also bringen wir sie zu meinem Wagen.“
„Oh nein, Doc, nicht bevor ich ein Stück von der Bestie gegessen habe“, meldete sich Anne leise und schwach. „Immerhin hat sie ja wohl auch ein Stück von mir bekommen.“
Sofort war Andreas an ihrer Seite und küsste sie auf die Stirn. „Liebes, verzeih mir“, flüsterte er und einige seiner Tränen tropften auf Annes Gesicht. „Tut es sehr weh?“
„Nein, gar nicht. Ich denke mal, ihr habt mich schon ordentlich mit Schmerzmitteln oder sogar Morphin vollgepumpt. Oder?“ Langsam richtete sie sich auf und sah auf den Verband an ihrem Bein. Sie rutschte vorsichtig vom Tisch und sagte ganz trocken. „So kann ich hier nicht rausgehen, die Leute machen sich ja ein vor Lachen. Kim, hast du vielleicht eine Hose für mich?“
„Kann es vielleicht sein, dass die junge Dame ebenso verrückt und stur ist wie ihr Verlobter?“, fragte Mechier ernst.
Anne nickte Abdul zu und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich will doch bloß ein Stück Haifisch essen, Doc. Das ist mir das Vieh schuldig. Außerdem will ich wissen, wie Haifischfleisch überhaupt schmeckt. Ach, komm schon … sei nicht so … dann komme ich auch ganz artig mit“, versprach sie und lächelte den Arzt betörend an.
Kim holte ihrer Freundin eine leichte Stoffhose aus dem Warenbestand und half ihr dabei, die kaputte Hose gegen die neue zu tauschen. Langsam und vorsichtig, gestützt von Sebastian und Abdul, versuchte Anne aufzutreten. Ihr tat nichts weh, nur das Bein fühlte sich vollkommen taub an und sie fühlte sich schwach.
Sie stellte sich neben Andreas und wischte ihm sanft eine Träne weg. „Du bist und bleibst mein Held“, flüsterte sie ihm leise zu und drückte ihm die Krücke in die Hand. „Los, lasst uns ein Festmahl halten, bevor es für uns wieder Krankenhauskost gibt“, sagte sie dann laut zu den anderen und hakte sich beim Arzt unter, um sich etwas abstützen zu können.
Das Stimmengewirr erstarb sofort, als die fünf aus dem Büro kamen. Die Blicke der Tauchgäste begleiteten sie bis zu ihren Plätzen in der hinteren Ecke der Basis, wo die beiden Ägypter, Ahmed und Rashid, schon saßen und schnell für sie Platz machten.
Keinem auf der Terrasse war verborgen geblieben, dass die blonde Frau sehr blass aussah, leicht humpelte und von dem Mann in Uniform gestützt wurde und sich ihre Freunde besonders um sie und den Mann kümmerten.
Auch der große Blutfleck unter dem Tisch war nicht unentdeckt geblieben. Die Tauchgäste beobachteten alles ganz genau.Wie der Ägypter in Uniform dafür sorgte, dass die Frau ihr Bein hochlegen konnte, und die Chefin der Basis ihr noch ein weiches Kissen darunter schob. Wie sich die blonde Frau an die Brust des großen Mannes mit dem schulterlangen, schwarzen Haar und den stahlblauen Augen lehnte, der sanft seinen verbundenen Arm um sie legte und zärtlich ihre Wange streichelte. Wie die Einheimischen am Grill besonders zarte Stücke für die sieben Freunde auswählten und sie ihnen persönlich an den Tisch brachten.
Noch immer schauten alle zu der Gruppe rüber. Keiner hatte bisher sein Haifischsteak angerührt. Als Sebastian das bemerkte, erhob er sich, nahm seine Bierflasche in die Hand und sagte laut. „Ein Hoch auf meine Freunde hier. Lasst euch den Killer schmecken.“
Alle hielten nun auch ihre Bierflaschen hoch und jubelten der kleinen Gruppe zu. Dann machten sie sich über ihre Steaks her.
Die meisten von ihnen hatten zuvor noch nie Hai gegessen und probierten zaghaft das erste Stück. Doch keiner von ihnen ließ auch nur ein Stück auf seinem Teller zurück, so gut schmeckte es ihnen dann.
Anne und Andreas aßen sogar noch ein zweites großes Steak. Sie waren ziemlich hungrig nach dem anstrengenden Tag und hatten es sich schließlich schwer verdient. So sagten es die beiden auch zu ihrer Verteidigung, als die anderen sie mit großen Augen verwundert ansahen.
Es war bereits dunkel geworden, als Andreas und Anne, begleitet und gestützt von ihren Freunden, zum Militärfahrzeug des ägyptischen Arztes, gebracht wurden.
Abdul war sichtlich erleichtert und froh, dass die beiden wirklich mit ihm ins Lazarett fuhren, wo er ihr Kommen bereits angekündigt hatte und sie erwartet wurden.
Als sie losfuhren, schrie Andreas seinem Freund noch zu: „Hebt uns den Kopf von dem Biest auf. Ich will ihn als Trophäe.“ Sebastian nickte ihm als Antwort zu. Alle auf der Basis winkten ihnen noch nach, als sie sahen, wie sich einer der Jeeps mit Soldaten dem Wagen anschloss, während aber ein Zweiter hinter dem Gebäude stehen blieb. Doch keiner der Tauchgäste beachtete das weiter.
Allmählich verabschiedeten sich die Gäste und wurden mit den Pick-ups zurück zu ihren Hotels gefahren.
Gemeinsam mit den Tauchlehrern und Ägyptern räumten Sebastian und Kim noch schnell auf. Dann war auch für sie Feierabend. Während Rashid von Kim und Sebastian heimgefahren wurde, luden sie Ahmed wieder mit zu sich nach Hause ein. Der Jeep mit den bewaffneten Soldaten blieb immer dicht hinter ihnen, bis sie ihr Haus erreichten. Dort wurden sie von den anderen Marines abgelöst, die für die Nacht die Wache übernahmen.

48
Anne wurde noch immer operiert.
Andreas, der selbst kurz zuvor aus dem Operationssaal kam, wo ihm Abdul die Wunden an seinen Armen behandelt hatte, ließ es sich nicht nehmen, sondern bestand darauf, vor Annes OP-Saal warten zu dürfen. Er wollte ganz nahe bei ihr sein.
Doktor Mechier hatte in der Zwischenzeit bereits dafür gesorgt, dass seine beiden Freunde ein gemeinsames Zimmer bekamen, auch wenn das eigentlich nicht so üblich war im Lazarett. Doch er wusste genau, dass Andreas ohnehin nur bei seiner Anne sitzen würde. So aber schlug er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Abdul setzte sich neben ihn und musterte ihn genau. „Andy, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Anne ist in den besten Händen.“
„Ich weiß, Doc. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn du mit bei ihr wärst“, gab Andreas besorgt zu und schaute auf die Uhr. „Sie ist da jetzt schon seit drei Stunden drin.“
„Wenn du möchtest, gehe ich zu ihr und informiere mich über ihren Zustand“, bot Doktor Mechier an.
Sein Freund, der in der letzten Zeit so viel durchgemacht und selbst mit seinen Verletzungen und Schmerzen zu kämpfen hatte, sah den Arzt aus tief liegenden Augen dankbar an.
„Gut, aber es kann eine Weile dauern, bis ich wieder bei dir bin“, sagte Doktor Mechier und stand auf.
„Warum tust du das alles für uns? Wir fallen doch eigentlich nicht in deinen Zuständigkeitsbereich“, wollte Andreas wissen, dabei sah er den Arzt fragend an.
„Weil ihr meine Freunde seid. Außerdem bist du ja wohl immer noch deutscher Armeeangehöriger und somit unser Verbündeter. Und schon ist es offiziell gerechtfertigt, dass ihr nicht im zivilen Krankenhaus seid“, antwortete Abdul kurz und wollte gerade weitergehen.
„Aber wir haben noch gar nichts für dich tun können. Immer warst du nur für uns da und hast uneigennützig geholfen.“
„Da irrst du dich gewaltig. Ihr habt sehr viel für mich getan und tut es noch immer“, antwortete Abdul. Dabei drehte er sich zu Andreas um. „Ihr gebt mir den guten Glauben an die Menschheit und die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander zurück“, erklärte er, dann verschwand er hinter der Tür zum OP-Bereich und ließ ihn allein auf dem Gang sitzen.
Erst nach einer langen halben Stunde kam Abdul noch im grünen Kittel, Kopfhaube und Mundschutz, den er sich gerade vom Gesicht riss, zurück. Fragend sah ihn Andreas an. Der Arzt nickte ihm lächelnd zu. „Meine Kollegen leisten eine hervorragende Arbeit. Dank plastischer Chirurgie und der guten Ausbildung meiner Kollegen in Deutschland und den USA wird Annes Bein wie neu aussehen. Ich habe nur die Besten meines Stabes an ihren OP-Tisch gestellt“, erklärte Abdul und legte die Hand auf die Schulter seines Freundes, als er sagte: „Ihr zwei habt verdammtes Glück gehabt. Als ich den Kopf des Hais gesehen habe, war mir offen gestanden ganz schlecht geworden. Ich hätte nicht deinen Mut gehabt, ihn nur mit Messern zu bekämpfen. Deine Liebe zu Anne ist sehr stark“, stellte Abdul fest. Andreas lächelte seinen ägyptischen Freund an. „Weißt du, dass wir bei den Beduinen sogar gestern schon vermählt wurden? Da ist Anne schon meine Frau und auch hier und in Deutschland möchte ich sie ganz offiziell dazu machen. Kannst du das verstehen? Abdul, ich liebe diese Frau mehr als mein Leben und alles andere auf der Welt“, gestand er dem Arzt. „Ich möchte mit ihr hier bei euch in Frieden leben dürfen. Aber wir können es noch nicht.“
„Wieso nicht?“, wollte Mechier wissen und sah seinen Freund ernst an.
„Weil es wahrscheinlich noch nicht die Letzten waren, die es auf Anne und mich abgesehen haben. Das Netz dieser Schurken scheint riesig zu sein. Du schlägst drei Schlangenköpfe von der Hydra ab und sechs neue wachsen nach. Verstehst du, was ich damit meine, Doc?“
„Dann müssen wir eben die Hydra selbst erwischen“, gab der Arzt leise zur Antwort und legte seine Hand auf die Schulter seines Freundes, der sehr müde und erschöpft aussah. „Aber erst einmal musst du selbst wieder zu Kräften kommen. Und hier seid ihr zwei vor der Hydra und ihren Auswüchsen erst einmal sicher.“ Abdul reichte ihm einen Becher Kaffee und sagte, nachdem er den Becher geleert hatte: „Bei Anne dauert es noch eine Weile. Hier kannst du ohnehin nichts für sie tun, also komme mit, ich bringe dich auf euer Zimmer. Lege dich dort etwas hin, damit du dann ausgeruht und bei Kräften für Anne bist. Wir bringen sie dir, sobald meine Kollegen fertig sind.“ Abdul schob Andreas in einem neuen Rollstuhl den Gang entlang. Denn mit den Armbandagen waren die Krücken für ihn nicht geeignet. Außerdem wollte der Arzt, dass er seiner Wirbelsäule noch weitere Erholung gönnte und sie nicht so sehr belastete wie die letzten Tage bereits wieder.
„Ich hoffe, du jagst diesen Rollstuhl nicht auch gleich wieder in die Luft. Ich begreife es eh noch immer nicht ganz, der andere war doch noch wie neu. Was hattest du an dem nur auszusetzen?“, sagte Doktor Mechier mit gespielter Empörung und beide Männer mussten lachen.
Nachdem Abdul seinem Freund aufs Bett geholfen hatte, sah der ihn ernst an und fragte: „Doc, wird Anne wieder ganz gesund? Ich meine so richtig. Wird sie normal laufen können?“
Doktor Mechier setzte sich mit auf den Bettrand. „Narben wird sie behalten, Andy“, erklärte der Arzt leise. „Aber die werden sich mit der Zeit verwachsen und verblassen, sodass sie kaum noch zu sehen sein werden. Ich habe die besten Kollegen für Hauttransplantation und plastische Chirurgie da bei ihr am Tisch, die alle ihr Bestes geben. Und da keine der Sehnen verletzt sind und trotz allem ihr Muskelgewebe noch intakt ist, glaube ich, dass sie auch ihr Bein wieder ohne jegliche Einschränkungen bewegen und belasten kann.“ Dann überlegte er und sprach wie in Gedanken weiter: „Ihr hattet beide wieder einmal unheimliches Glück. Obwohl ihr doch eigentlich so richtige Pechvögel seid und immer von irgendwem angegriffen wurdet, dass ihr kaum Zeit hattet, euch dazwischen mal davon zu erholen. Doch solange ihr hier seid, werdet ihr ruhig schlafen können. Dafür werde ich sorgen. Ihr müsst wieder zu Kräften kommen. Du ebenso wie Anne.“
„Ich danke, Doc.“
„Keine Ursache, für meine Freunde bin ich immer gern da“, antwortete Abdul, dann lachte er und sagte: „Aber tut mir einen Gefallen, macht meine Flure mit euren Rollstühlen nicht wieder zur Rennstrecke. Wenn doch, dann stecke ich euch dafür höchst persönlich die Strecke ab und lasse im Vorfeld lieber zur allgemeinen Sicherheit die Gänge räumen.“
Dann verabschiedete sich Doktor Mechier und versprach vorbeizuschauen, sobald Anne aus dem OP kam. Draußen wurde es bereits hell.

49
Kim, ihr Mann und Ahmed saßen gerade beim Frühstück, als sie vor dem Haus laute Rufe und dann Schüsse hörten. Kurze Zeit später war es wieder still. „Bleibt hier“, entschied Sebastian, „ich gehe mal nachsehen, was da los ist.“
Er gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss und ging zur Haustür, die er vorsichtig, erst nur einen Spaltbreit, öffnete und nach draußen schaute. Er sah, wie zwei Männer rücklings mit erhobenen Händen an seinem Minibus standen und die Soldaten mit ihren Waffen auf sie zielten, während zwei von ihnen die Männer abtasteten.
Schnell konnten sie kleine Sprengsätze in den Jacken der Kerle entdecken und sicherstellen. Sebastian ging zu dem Offizier der Gruppe. „Kalif, was ist los?“, fragte er den Vater des kleinen Jamal auf Arabisch.
„Die wollten sich an deinem Kleinbus zu schaffen machen und dann abhauen“, antwortete der Offizier, bückte sich, griff unter den hinteren Radkasten des Minibusses und zog eine kleine Sprengladung hervor und zeigte sie hoch.
„Wow, das hätte für ein Himmelfahrtskommando gereicht. Es ist also wirklich noch nicht vorbei“, stellte Sebastian wie für sich selbst fest. „Ich danke euch für eure Wachsamkeit. Sonst wären wir in wenigen Minuten erledigt gewesen.“
„Ich schlage dir vor, dass wir euch mit unseren Fahrzeugen zur Basis bringen und euch auch einen Zivilschutz mitgeben. Nimm, wenn du selbst mit rausfährst, einen unserer Leute mit aufs Boot und zum Tauchen. Kim bekommt einen Mann in zivil für die Basis zusätzlich zu unseren Soldaten“, schlug Kalif vor.
Sebastian brauchte nicht lange darüber nachzudenken und nickte zustimmend. „Ich danke euch herzlichst.“
„Gib mir eine halbe Stunde, dann habe ich die Männer hier und wir können fahren.“
Sebastian beobachtete, wie die beiden Kerle gefesselt und weggebracht wurden. „Kalif, hier muss es irgendwo ein Waffenlager geben“, schlussfolgerte er, sich vollkommen sicher. „Mit den Flugzeugen können sie das Zeug nicht in ihrem Reisegepäck mitgebracht haben. Ich werde mit unserem Mann darüber sprechen. Er kommt eh her, um den anderen Kerl in die Mangel zu nehmen. Da kann er den und die beiden auch gleich mit ausquetschen. Das muss endlich ein Ende haben.“
Der Offizier nickte und versprach auch seine Vorgesetzten über seine Vermutung zu informieren.
Noch darüber nachdenkend, ging Sebastian wieder zurück ins Haus. Er erzählte Ahmed und seiner Frau, was vorgefallen war und dass sie direkt mit den Marines zur Basis fahren würden. Er erklärte Kim, dass sie ihren eigenen Personenschutz bekommen würde und den Mann als neuen Angestellten im Büro vorstellen sollte. Er sagte ihr, dass noch ein zweiter Mann dazu käme, den sie bitte immer mit auf die Bootsliste als Taucher setzen solle, auf dem er selbst mitfuhr. Den Namen des Mannes, der ein guter Marinetaucher sein sollte, würde sie noch erfahren. „Kim, teile mich ab heute nur noch auf die >Amun Re< mit ein, damit sind auch Rashid und Ahmed sicher. Ich kann mir nämlich sehr gut vorstellen, dass auch sie schon mit auf der Liste der Kerle stehen.“ Das sagte ihr Mann, aber auf Deutsch, sodass es Ahmed nicht verstehen konnte. Er wollte vermeiden, dass dieser sich noch zusätzlich Sorgen machte. Dann setzte er sich ans Telefon und rief Jens Arend an, um ihm von den Vorfällen und seiner Vermutung zu berichten. Er sagte ihm auch, dass Andreas und Anne im Lazarett liegen und dort wenigstens sicher seien. Als Jens danach fragte, warum die beiden wieder im Lazarett sind, erzählte Sebastian kurz die Geschichte mit dem Hai.
„Ich schicke euch sofort einen guten Mann, der frei ist zur Verstärkung. Ich setze ihn gleich in die nächstbeste Maschine. Er wird sich noch heute bei dir auf der Basis melden. Er heißt Eric Thomson, genannt Ric, du kennst ihn nicht, er ist lange nach dir gekommen. Ich stelle ihn unter Andys und auch dein Kommando. Es spielt dabei keine Rolle, ob du in der Zwischenzeit Zivilist bist oder nicht. Du bist für unsere Jungs und mich noch immer Kapitänleutnant und das beste Pferd im Stall. Er erhält die entsprechenden Befehle von mir. Ich selbst kann leider nicht vor übermorgen Mittag bei euch sein. Haltet bis dahin die Ohren steif und grüße Andy und Anne von mir. Ich hänge mich sofort ans Rohr und spreche mit unseren ägyptischen Freunden.“ Damit beendete Jens das Gespräch.
Sebastian schrieb den Namen, den Jens ihm genannt hatte, auf einen Zettel und reichte ihn seiner Frau. „Wenn sich dieser Mann bei dir meldet, dann teile ihn für den nächsten Tag mit auf die >Amun Re< ein. Und zeige ihn mir unauffällig, wenn ich zurück bin. Ich will ihn mir erst mal beschnuppern und testen, ob er wirklich so gut ist, wie Jens sagt.“
Kim nahm das Stück Papier, las den Namen, dann zerriss sie den Zettel.
Sebastian bewunderte immer wieder das gute Namensgedächtnis seiner Frau. Er lächelte ihr zu und sagte: „Ab morgen wirst auch du mit rausfahren. Ich will dich und unsere Kinder bei mir in Sicherheit wissen.“ Dabei streichelte er sanft über ihren Bauch und nahm die Bewegungen ihrer Babys wahr.
Eine halbe Stunde später, verließen die drei, bepackt mit ihren Rucksäcken das Haus.
Sofort kamen vier der ägyptischen Soldaten auf sie zu und geleiteten sie, nach allen Seiten absichernd, zu dem Militärjeep. Ihnen wurde Hasan und Kasim vorgestellt, die ihren persönlichen Personenschutz übernehmen sollten.
Wenig später, als sie auf der Tauchbasis ankamen, waren bereits die ersten Tauchgäste eingetroffen. Sofort stieg Ahmed auf den nächsten Wagen, der mit den vollen Pressluftflaschen zum kleinen Hafen fuhr, um schnell zur >Amun Re< zu kommen und Rashid beim Verladen der Flaschen zu helfen. Kasim blieb immer nahe bei Kim und wurde von ihr bei den angestellten Tauchlehrern als neues Mitglied des Office vorgestellt. Schnell trug sie den Namen Hasans mit auf die heutige Liste der Taucher für die >Amun Re<, auf der ihr Mann für diesen Tag als Guide schon eingetragen war.
„Hasan, hast du deine eigene Tauchausrüstung mit oder müssen wir dich noch einkleiden?“, fragte Sebastian auf Arabisch den Ägypter, der zu seinem Schutz eingeteilt war.
„Du kannst auch gern Deutsch mit mir reden“, antwortete dieser höflich. „Danke, ich habe meine eigene Ausrüstung dabei.“ Und zeigte auf eine große schwarze Tasche, die vorn seitlich an einem der Ausgänge von der Terrasse stand.
„Gut“, stellte Sebastian fest und sagte dann: „Ich hoffe, es ist nicht deine Dienstausrüstung, oder?“ Als Hasan das verneinte und noch dazu erklärte, dass es ganz neues und normales Equipment sei, war er erleichtert. „Das ist gut. Dann nehme ich dich als Anfänger mit, damit wir zusammenbleiben können. Also zeig nicht dein wirkliches Können.“
„Das ist mir klar“, antwortete der junge Mann und lächelte ihm zu. Hasan hatte schon sehr viel von Sebastian Rothe und seinem Freund Andreas Wildner gehört und sah zu diesem Mann auf, der für ihn neben Korvettenkapitän Wildner ein großes Vorbild war.
Sebastian legte die Hand auf seine Schulter. „Na, Hasan, dann wollen wir mal. Wir werden als erste mit den anderen zu unserem Boot fahren“, erklärte er und winkte noch einmal seiner Frau zu, neben der Kasim stand. Er nahm seine Equipmenttasche, ging vor an den Rand der großen Terrasse und rief laut: „Die Leute für die >Amun Re<, der Pickup steht hier links für euch bereit. Los geht’s!“
Geduldig wartete er, bis alle Gäste mit ihrem Gepäck auf der Ladefläche Platz genommen hatten. Er zählte noch einmal durch, dann hievte er seine Tasche über die Heckklappe der Ladefläche, stellte den Koffer mit dem Sauerstoffgerät daneben und sprang schnell mit auf, als der Wagen bereits anrollte.
Er blinzelte Hasan freundlich zu, als er bemerkte, dass dieser ihm dabei helfen wollte. „Ich bin kein alter Mann oder schwacher Krüppel Hasan, auch wenn ich eine Beinprothese trage. Geh es locker an“, flüsterte er ihm auf Arabisch zu.
Hasan nickte unauffällig und entschuldigend.
„Okay Leute, herzlich willkommen auf der >Amun Re<“, begrüßte Sebastian laut und fröhlich seine Tauchgäste an Bord des Bootes und stellte die Besatzung des kleinen Schiffes vor. „Für die Neuen hier an Bord, die Schuhe könnt ihr da in den Kasten stellen.“ Dabei wies er auf eine Kiste hinter der Leiter, die zum Oberdeck hoch führte. Dann erklärte er, wo sich was an Bord befand. Er riet dazu, die Atemregler noch nicht an die Flaschen anzuschrauben, da etwas raue See herrschte und er nicht wolle, dass ihre ersten Stufen kaputtgingen, sollte sich eine der Flaschen aus den Halterungen lösen.
Er fragte, wer alles an Bord mit zu Mittag essen wolle und gab die Anzahl der Leute dann an Ahmed weiter. Noch während die Gäste ihre Anzüge auf die Bügel in der Mitte des Decks hängten, legte die >Amun Re< ab und nahm Fahrt auf.
Erst als alle Gäste ihr Tauchequipment ausgepackt und sich aufs Oberdeck verzogen hatten, kümmerten sich Hasan und Sebastian um ihre Ausrüstung.
Dabei sah sich Sebastian sehr genau die Tauchausrüstung von Hasan an und wies ihn darauf hin, sein Tauchermesser nicht offen am Jackett zu tragen. Ebenso sollte er die Neoprenhandschuhe verschwinden lassen. Er erklärte ihm, dass er drei der Tauchgäste schon gut kannte und sie nur auf zwei neue achten mussten, die zum ersten Mal auf dieser Tauchbasis und hier auf dem Boot waren. Sie würden auch mit Hasan und ihm im Buddyteam sein.
So genau wie möglich beschrieb er ihm die beiden Männer, die er meinte und zeigte ihm das dazugehörige Tauchzeug und die Taschen. „Hasan, ich gehe jetzt hoch aufs Oberdeck und lenke alle ab. Sehe du flink das Zeug von den beiden durch und komme dann zu uns. Ich will wissen, ob sie clean sind. Aber nimm ihnen nichts weg, solltest du etwas finden, sondern gib mir nur ein Zeichen“, bat er.
Der junge ägyptische Marinesoldat hatte verstanden. Als Sebastian nach oben gegangen war, wartete Hasan noch einen Moment. Erst als er lautes Lachen hörte, nahm er das Equipment und das restliche Gepäck von den beiden Tauchgästen, welches im Salon lag, genau unter die Lupe.
Danach ging er mit einer Wasserflasche hoch aufs Oberdeck zu den anderen. Als Sebastian ihn nur wie zufällig ansah, gab er ihm ein unauffälliges Zeichen, dass er fündig geworden war. Sebastian ließ sich nichts davon anmerken, sondern scherzte lustig weiter. Wenig später wendete er sich Rashid zu und bat ihn leise nur noch langsame Fahrt zu machen. Er brauchte unbedingt etwas Zeit.
Als einer der neuen Tauchgäste nach unten ging, folgte Hasan ihm kurze Zeit darauf nach und tat so, als würde er noch etwas unsicher an seinem Equipment basteln. Dabei ließ er aber den Mann keine Sekunde aus den Augen, der erst auf die Toilette verschwand, dann zu seiner Tasche ging und darin herumkramte. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sich der Mann an dem Zeug des Tauchguides zu schaffen machte, bevor er auf ihn zukam. „Na mein Freund, hast du Probleme?“, fragte er und legte seine Hand auf Hasans Schulter.
„Ja, ich tauche das erste Mal nach meinem Tauchlehrgang. Ich bin sehr aufgeregt und unsicher, ob auch alles mit meinem neu gekauften Zeug wirklich in Ordnung ist“, gab Hasan in einem ziemlich guten Deutsch zur Antwort.
„Wir haben alle mal so angefangen, mein Junge. Das wird schon“, sagte der Mann kumpelhaft und stieg dann wieder die Leiter zum Oberdeck hoch.
Hasan ging zum Equipment von Sebastian und schaute es sich genauer an. Schnell entdeckte er die Manipulation daran und entfernte den unscheinbar kleinen Sprengsatz mit Zünder, der direkt am Atemregler angebracht war. Als er wieder zurück aufs Oberdeck kam, zeigte er Sebastian unauffällig das Teil und wies auf seinen Mund. Sebastian hatte verstanden.
Diese Kerle wollen mir also den Schädel wegpusten, dachte er und betrachtete sich die beiden Männer durch seine dunkle Sonnenbrille genauer. Er fragte sich, ob es nur der eine Kerl war oder ob sie zu zweit handelten. Er bat Rashid darum, noch einen unauffälligen Umweg zu nehmen, bevor sie zum Riff kamen, welches sie zum Tauchen ansteuern wollten.
Hasan reagierte sofort und wollte von dem Tauchguide einen Rat, seine Ausrüstung betreffend, bei der er dachte, dass etwas nicht stimmte. Gemeinsam gingen sie nach unten. Während sie so taten, als würden sie an Hasans Equipment werkeln, entwarfen sie einen Schlachtplan für den bevorstehenden Tauchgang.
Sebastian erfuhr von Hasan, dass er auch im Jackett des anderen Mannes eine kleine Harpunenwaffe, die er aber schon unbrauchbar gemacht hatte, so wie ein Messer entdeckt hatte. Sebastian ließ sich von Hasan die Sprengkapsel und den Zünder geben, den er in seinem Atemregler gefunden hatte. Er knapste vorsichtig den kleinen Sprengsatz ab. Dann nahm er den Zünder und brachte ihn dort an, wo er zuvor war. Er führte einen dünnen ummantelten Draht, den er aus seiner Tasche holte, bis zu seinem Mundstück und legte das blanke Ende, fast unsichtbar, um die Bisswarzen. Das andere Ende verband er mit dem Zünder und erklärte: „Wenn einer den Zündmechanismus auslöst, werde ich es merken.“
„Und wie?“
„Na, denk mal nach.“
„Du bekommst einen kleinen Stromschlag von dem Zünder verpasst?“
„Genau Hasan. Aber nun gucke nicht so erschrocken. Das wird nur ein Kitzeln sein bei der kleinen Energiequelle. Aber das wird mir reichen, um dann entsprechend reagieren zu können“, sagte Sebastian und fragte: „Welcher von den Kerlen hat den Auslöser in der Tasche?“, wollte er wissen. Dann erklärte er ihm, was er vor und Hasan dabei zu tun hatte.
Als die beiden neuen Tauchgäste vom Oberdeck kamen, saß Sebastian im Salon und bereitete die Briefingtafel vor. Hasan kam, fröhlich pfeifend, von der Toilette zurück, um wieder aufs Oberdeck zu den anderen zu gehen.
Freundlich lächelte Sebastian den beiden Männern entgegen, als die den Salon betraten. „Macht euch ruhig noch einen Tee, ihr findet alles dafür hier hinten“, sagte er höflich und zeigte in die Ecke, wo die Gläser, der lösliche Tee und die große Thermoskanne mit heißem Wasser standen. „Wir brauchen bestimmt noch eine Viertelstunde bis zum Erg. Ich rufe euch dann zum Briefing aufs Oberdeck“, erklärte er und vertiefte sich wieder ins Malen seiner Zeichnung des Ergs auf der Tafel. Gelegentlich nahm er einen Schluck aus seiner Wasserflasche, um Zeit zu schinden, damit er die Kerle nicht aus den Augen lassen musste, solange sie sich hier unten in der Nähe des Tauchequipments aufhielten.
Da die beiden keine Anstalten machten, wieder nach oben zugehen, er aber vermeiden wollte, dass die sich auch an der Ausrüstung der anderen Taucher zu schaffen machten, beendete er seine Arbeit. „Jungs, es wird Zeit fürs Briefing. Also lasst uns nach oben gehen“, sagte er und achtete darauf, dass die Männer vor ihm den Salon verließen und aufs Oberdeck kletterten. Sebastian kam zuletzt hoch und setzte sich freundlich lächelnd auf die Bank hinter dem Kapitän, der gerade mit dem Anlegemanöver am Riff beschäftigt war. „Danke Rashid“, raunte er ihm auf Arabisch zu. „Wäre gut, wenn ihr euch nachher an Bord bereithalten würdet.“ Dann begann er laut mit dem Briefing und erklärte den Gästen sehr ausführlich den Tauchplatz mit der Strömung, den Tiefen, wie der Platz am günstigsten zu betauchen war und was sie da vielleicht an bestimmten Stellen entdecken könnten.
Dann zog er einen Zettel aus seiner Hosentasche und las die Namen vor und teilte die Buddyteam ein. „Roger, Lothar und Dana. Ihr bildet das erste Team. Ich wünsche euch viel Spaß. Und ab“, sagte er und wartete eine Weile, bis die drei nach unten gestiegen waren und begannen sich fertigzumachen. Nach einer Pause sprach er weiter: „Kai, du wirst mein Buddy sein und gut auf mich aufpassen“, dabei lächelte er dem Mann freundlich zu. „Jochen und Hasan, ihr werdet das zweite Team bilden und bleibt bitte direkt hinter uns. Wir haben aber noch einen Moment Zeit. Wenn die erste Gruppe im Wasser ist, machen wir uns fertig. Und vergesst bitte den gegenseitigen Buddycheck nicht.“
Als das Dreierteam abgetaucht war, gingen die vier Männer, gefolgt vom Kapitän, nach unten.
Ahmed und Rashid halfen den drei Tauchtouristen, ihre Anzüge anzuziehen und die Geräte anzulegen, während Sebastian allein damit zurechtkam und auf seine Gruppe geduldig wartete, bis sie fertig waren. Er bemerkte schnell, dass sich die beiden Männer absichtlich, aber dabei auch sehr ungeschickt, etwas dumm anstellten. Damit war ihm klar, dass er es nicht mit Laien, sondern mit Tauchprofis zu tun hatte. Er sah aber auch, dass es Hasan ebenfalls bemerkt hatte. Das beruhigte ihn etwas. Allerdings nicht völlig, denn er wusste nicht, wie schnell und gut Hasan unter Wasser sein würde.
Sebastian sprang als Letzter vom Boot und versammelte die kleine Gruppe um sich. Er fragte jeden einzelnen mit dem Okayzeichen ab, ob alles in Ordnung sei. Als er es von den drei Männern zurückbekommen hatte, zeigte er mit dem Daumen nach unten und gab so das Zeichen zum Abtauchen.


Fortsetzung folgt
 
Zuletzt bearbeitet:

Sonja59

Mitglied
Hallo Leselupe-Mitstreiter und Leser,

okay, der 10. Teil mit den Kapiteln 45 bis 49 ist da.
Ich würde mich über von Euch aufgestöberte Fehler und jede Art von Kritik freuen, wenn sie konstruktiv ist und dabei hilft, es besser zu machen.


In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen
 
Hi Sonja,

ich weiß, ich bin verrückt, aber meine Frau hat gerade genug zu tun mit ihrem Gitarrenpuzzle. Außerdem bin ich bisher sehr gut durchgekommen, weil es nur noch wenige Fehlerstellen zu bemängeln gibt.

Also: Kapitel 45:
„Noch mal. … Nur so fürs Protokoll. … dDu hast sie gebacken? und die Auslassungspunkte würde ich streichen
was man so dafür benötigt“, sagte Andreas ganz ernst,Punkt „Was habt ihr
„Das Problem istKomma Alter, dass du das kannst.
Andreas und Anne auf einem kleinen Umweg zu Annes zerstörten zerstörtem Haus bringen, das ist echt krass, ich musste drei mal überlegen, aber es ist so, dass der Name davor es ausmacht, denn schreibst Du 'ihrem', 'deinem' oder so, dann wäre Deine Schreibweise richtig.
wie bringen wir jetzt den schweren Koffer und mich,kein Komma Tollpatsch,kein Komma hier aus dem Trümmerhaufen wieder raus?

Kapitel 46:
Sie nahm die Straße, die aus Hurghada heraus,kein Komma Richtung Südosten in die Wüste führte.

Sie legte das weiche Kissen an die Lehne des Fahrersitzes, als ihr Freund einstieg.
Noch einmal holte er tief Luft, schaute seine Freundin an und gab dann Vollgas, dass die Räder im Sand durchdrehten, bis sie wieder festeren Boden fassten.
hier sind keine Fehler drin, aber der guten Ordnung halber und Deiner Liebe für's Detail müsstest Du erwähnen, dass Andreas, da er deutlich größer ist als Anne, den Sitz nicht unwesentlich verstellen muss - und nachdem ich weitergelesen hatte: 2,5 Stunden eine Richtung? Dann sollten sie vorher volltanken. Tankstellen und Steckdosen für's leere Handy gibt es in der Wüste nicht so viele, schätze ich.;)

setzten Andreas dort vor einen einem Kamelsattel ab, an dem den er sich bequem lehnen konnte.
sondern dich hier her hierher entführt habe“,
„Warum fragst du das?“ Skeptisch sah sie ihn an,Punkt „Sei ehrlich.

Kapitel 47:
„Aber ich hoffe doch, du hast heute nicht vorKomma damit,kein Komma schon ins Wasser zu gehen?“
Ihr könnt gleich mit dem Pickup hinter ?hinunter, meinst Du, oder? Hinunter zum Hafen fahren.
Im Hafen angekommen, halfen ihm die ägyptischen Basisangestellten,kein Komma auf das Boot.
erklärte er und zeigte auf den Hai,Punkt „Es hätte nicht lange gedauert
Notdürftig verband er sich die Arme selbst und legte einen zusätzlichen Verband über den durchgeweichten,kein Komma seiner linken Hand.
lag er auch schon auf der seitlichen Bank,kein Komma neben dem Steuer, wo Anne saß und warKomma vor Erschöpfung tot müde todmüde, schnell eingeschlafen.
den großen Hai aus dem Wasser zogen, gleich am Kai,kein Komma fachgerecht zerlegten und das Fleisch in Eimer verteilten.
Sebastian brachte für seine beiden Freunde ein Bier hinter in ihre Ecke und wollte kurz mit ihnen anstoßen.
„Wo ist Andy?“, fragte er schon von weiten Weitem.

So, jetzt muss gut sein für heute.:):cool:

Liebe Grüße,
 
Huhu, Sonja,

da bin ich schon wieder.:)

Kapitel 48:
macht meine Flure,kein Komma mit euren Rollstühlen,kein Komma nicht wieder zur Rennstrecke.

Kapitel 49:
Es ist also wirklich noch nicht vorbei.“ vorbei", stellte Sebastian wie für sich selbst fest,Punkt „Ich danke euch für eure Wachsamkeit.
sich aufs Oberdeck verzogen hatten, kümmerten sich Hasan und Sebastian um ihre Ausrüstung.

Na, das ging ja schnell ...;)
Dann kann ich ja sogar schon zu Teil 11 gehen.:)

Liebe Grüße,
 

Sonja59

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Hallo Rainer,

hierzu habe ich etwas anzumerken.


hier sind keine Fehler drin, aber der guten Ordnung halber und Deiner Liebe für's Detail müsstest Du erwähnen, dass Andreas, da er deutlich größer ist als Anne, den Sitz nicht unwesentlich verstellen muss - und nachdem ich weitergelesen hatte: 2,5 Stunden eine Richtung? Dann sollten sie vorher volltanken. Tankstellen und Steckdosen für's leere Handy gibt es in der Wüste nicht so viele, schätze ich.
Der Ordnung halber und wegen meiner Liebe zum Detail. Ganz am Ende von Kapitel 45, als kurz bevor der Wüstentrip beginnt, fährt Anne an die Tankstelle. Logisch, um zu tanken.
Der Tank vom Ford Escort fasst 55 Liter. Die durchschnittliche Reichweite bei 60 % Stadtfahrten und 40 % Autobahn beträgt zwischen 650 und 750 Kilometer. Da die Strecke dort erstens gerade ist, es keine Ampeln gibt, sodass man ständig vom Gas runter und wieder hochschalten muss, als sehr gleichmäßig fahren kann, kommt man im Schnitt auf einen Verbrauch von 4,8 bis 5,5 Liter pro 100 km. Zumindest war es bei mir so, als ich mit solch einem Teil dort herumgefahren bin. Und nein, man fährt garantiert nicht die gesamte Strecke mit 130 km/h je nach Beschaffenheit des Untergrundes zwischen 80 und 100 km/h, wenn es hochkommt.
Dazu kommt, wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, dass die eine Pause dazwischen gemacht haben. Nehmen wir also an, sie sind insgesamt viereinhalb Stunden mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 100 km/h unterwegs gewesen, haben sie also 450 Km zurückgelegt. Nehme ich nun den Benzinverbrauch sogar auf 6 l/100 km an. Liegt der Verbrauch bei ganzen 27 Litern. Selbst bei 10 l/100 km wären noch 10 Liter im Tank übrig. Aber glaube mir, so viel braucht man auf dieser Strecke nicht. Du siehst also, ich habe darauf geachtet. ;)
So, jetzt mache ich mich aber an die Arbeit, Du hast mir ja einen ordentlichen Haufen davon dagelassen. Bloß Gut, dass Du mich in der persönlichen Nachricht schon vorgewarnt hast. Denn die hatte ich zuerst gelesen.

Viele liebe Grüße und tausend Dank sowie morgen eine ruhige Fahrt.

Sonja
 

Sonja59

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Hallo Rainer,
ich noch einmal.

Ihr könnt gleich mit dem Pickup hinter ?hinunter, meinst Du, oder? Hinunter zum Hafen fahren.
Nein, das »hinter« ist in diesem Fall schon richtig. Die Basis liegt auf gleicher Höhe wie der Hafen. Anders beim Militärlazarett, da liegt der Hafen tiefer bzw. das Lazarett weiter oben.
LG
 
Hallo Sonja,

trotzdem verstehe ich das 'hinter' nicht. Hinter was denn? Scheint ein hier im Rheinland unübliches Sprachgebaren zu sein. 'mit dem Pickup hinfahren' würde ich verstehen. Das 'hinter' ergibt für mich keinen Sinn. Verstehst Du?

Liebe Grüße,
 

Sonja59

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Hallo Rainer,
aber sagt ihr denn nicht auch manchmal: Ich gehe gleich mal hinter und hole das. Der Hafen ist eben hinten. Hinter der Hotelanlage.
Und dass der Hafen gemeint ist, geht doch aus den Sätzen wenig später hervor. Aber klar, ich kann es auch ändern, wenn es wirklich stört.
Liebe Grüße
 
Hallo Sonja,

ich will Dich nicht unterdrücken. Aber diese Formulierung muss was Regionales aus Deiner Ecke sein. Wäre schön, wenn sich auch mal jemand anderes dazu äußern würde. Ich kann mit diesem Wort echt nix anfangen. Sorry.

Liebe Grüße,
 

Sonja59

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Hallo Rainer,

einen wunderschönen guten Abend wünsche ich. Ich bin gerade vom Schwimmen rein.
Und ja, ich fände es auch gut, hier mal etwas von anderen zu lesen. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte hier keiner eine Meinung. Dabei beißen wir doch nicht. Oder?
Tja, wenn sich keiner dazu äußert... gehe ich mal hinter ;) hole dort einen großen Hammer aus dem Spind und schlage mir das aus dem Kopf. Ich meine, dass man hier auch mal konstruktive Kritik von den anderen Lesern bekommt. :confused:
Nee, schon gut, kann man ja nicht erzwingen.
Ich werde den Satz noch abändern. Nur möchte ich sie nicht auch runter zum Hafen fahren lassen. Vielleicht nicht hinter, aber dafür rüber zum Hafen. Kann man damit eher etwas anfangen?

Liebe Grüße
 
Hallo Sonja,

da bin ich noch mal.
'rüber zum Hafen' klingt ganz "normal", das verstehe ich ...;)

Schade, dass da nicht so viel Resonanz von anderen kommt. Dabei ist Deine Geschichte wirklich spannend, manchmal auch lustig und romantisch. Eigentlich ist alles drin.
Aber andersherum lese und kommentiere ich natürlich auch nicht so viel. Dafür lese ich einfach zu langsam, da fehlt die Zeit. Also muss ich Prioritäten setzen.

Liebe Grüße,
 

Sonja59

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Hallo Ralf,

ich habe sie schon rüber zum Hafen geschickt. Das ist sowohl hier als auch in meinem Manuskript dahingehend bereits abgeändert.
Ich gehöre auch eher zu den langsamen Lesern, denn ich lege dabei immer großen Wert auf das Kopfkino. Wenn das beim Lesen nicht anspringt, werde ich sogar noch langsamer. Na ja, und dann macht das Lesen offen gesagt auch keinen Spaß.
Und danke, dass mein Manuskript mit zu Deinen Prioritäten zählt. :)
Oh ja, da gibt es für Dich öfter etwas Lustiges beim Lesen.
Wenn ich da zum Beispiel: LÖSCHER in die Luft gucke, was schon gruselig genug ist. Ich frage mich, wie die Dinger sich in der Luft halten, und was passiert, wenn sie herunterfallen und dabei noch unter Druck stehen. Nicht auszudenken. Oder wenn ich Andreas noch während des Auftauchens bereits tief einatmen lasse. Ja, das hat schon was. So kann man seine Protagonisten bereits mitten in der Geschichte killen.
Je mehr ich über solche Fehler von mir gemacht und von Dir gefunden lachen kann, desto schneller lerne ich daraus. Hat also etwas Gutes für sich.
Und ja, ich habe in die 660 Seiten von allem etwas hineingepackt. So wie das Leben auch ist. Bunt und abwechslungsreich. Wäre doch langweilig, nur auf einer Schiene zu reisen und nicht auch mal in die Nebenstraßen gehen zu können.
Ich hoffe, Dir gefällt der 12. Teil auch etwas und Du hast Spaß beim Lesen. Ich hatte ihn beim gründlichen Recherchieren dafür und dann natürlich auch beim Schreiben.

Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende.
 

petrasmiles

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Hallo Rainer,
ich noch einmal.

Nein, das »hinter« ist in diesem Fall schon richtig. Die Basis liegt auf gleicher Höhe wie der Hafen. Anders beim Militärlazarett, da liegt der Hafen tiefer bzw. das Lazarett weiter oben.
LG
Also, damit ich 'nicht nur' lese, sondern auch was 'beitrage': Ich kenne 'hinter' durchaus, aber nur als Umgangssprache, die ja gerne an der Schriftsprache rumkratzt. Würde ich in der Schriftsprache nicht verwenden.
Mir war noch beim Lesen eine falsche Redewendung aufgefallen, aber weil ich 1. zu sehr im Bann der Geschichte war, und 2. so spät lese, dass das Meiste wohl schon korrigiert wäre, habe ich das nicht angemerkt, und stelle nun fest, dass es wohl überlesen worden ist.
Ich mache noch einen kleinen Versuch, ob ich es wiederfinde.

Liebe Grüße
Petra
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Petra,
bitte entschuldige, dass ich nicht schon längst reagiert habe, aber ich kränkle derzeit etwas vor mich hin und war deshalb nicht am Rechner.
Ja, ich habe dieses: fahre ruhig schon hinter zum Hafen, bereits abgeändert. Wobei es eigentlich von mir in der wörtlichen Rede verwendet wurde. Ich finde es trotzdem sehr lieb und für mich hilfreich, wenn ich auf solche Sachen mit der Nase darauf gestoßen werde. ;)
Recht herzlichen Dank dafür.

Liebe Grüße
Sonja
 

Sonja59

Mitglied
Hallo Petra,

danke für die Besserungswünsche. Kann ich gut gebrauchen.
Und na ja, ich sagte doch, da ist von allem etwas dabei. Freut mich, wenn Dich die Geschichte neben dem Schnulzigen auch fesseln kann.
Aber wenn Du wieder über etwas stolperst, was nicht so passt, dann tue Dir keinen Zwang an und beanstande es. Es hilft mir weiter.
Danke.
Ich wünsche Dir einen schönen Nachmittag

Liebe Grüße
Sonja
 



 
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