Unterwegs

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Scal

Mitglied
Die Landschaft quält mich mit Belanglosdingen.
Dort steht ein Haus, da wächst ein Baum. Na und.
Und dass am Horizont die Sonne rund
und rötlich, ach. Sie schmeckt nach Kitsch und Singen.

Die Vögel haben Schnäbel weil sie gieren.
Der Fels grölt dumpf, der Bach hat ausgeleiert.
Die Fische glotzen dumm und wie enteiert.
Den Schwänen geht es nur ums Schnabulieren.

Die Lichtung streckt sich, alt und antlitzleer
in eine Richtung die Vergänglichkeit bekundet.
Mein Schuh behauptet ich sei schwer verwundet.
Ob du mal wiederkehrst? Du fehlst mir sehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 13736

Gast
Moin Scal,
Es hat was von Endzeit und zieht mich runter.
Trotz alledem...herrlich gemacht!
LG
Oscarchen
 

Scal

Mitglied
Hallo Oskarchen,

als Dichter bist du ja mit allerlei Streifzügen und mit diversen Ortserkundungen gut vertraut; da kanns schon mal vorkommen, dass man z.B. zu einem Karriereplanungsgelände gelangt oder in eine minus 40- Grad-Situation.

Es gibt so viele Landschaften und Orte.
Beweglich zu bleiben ist vermutlich eine günstige Tugend.
Danke dir!

LG
Scal
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Scal,
das gefällt mir sehr!
Den langen Vorspann empfand ich zunächst tendenziell als ermüdend und etwas ausgelutscht, aber die letzte Zeile brachte dann die Überraschung und rückte alles zuvor Gesagte in ein anderes Licht. Sehr trauriger, wehmütiger Schluss; das Wesentliche wunderbar beiläufig notiert .
lg wüstenrose
 

Ulritze

Mitglied
Tief berührend.
Die Sprachbilder und der Sprachrhythmus vermitteln den bewegenden Inhalt überzeugend.

Wer vertont das? Der Schubert unseres Jahrhunderts - als "Sommerreise"?
 

Yeti

Mitglied
Hallo Scal!

Ein starkes Stück Dichtkunst, dessen Ende/Auflösung für mich nicht wirklich überraschend ist. Wenn man seinen Ruhepol, sein Refugium (hier die Natur) derart deprimierend empfindet, ist Verlust (Partner) die naheliegenste Ursache.
Gern gelesen und mitgefühlt.

Liebe Grüße,
Yeti
 

James Blond

Mitglied
Hmm,

bei soviel Empathie in den Antworten bekomme ich den Eindruck, dass der Verfasser hier stellvertretend für sein Lyrisches Ich mehr mitfühlend bedauert als für sein Werk gelobt wird, denn ich kann beim besten Willen nur wenig lobenswertes ausmachen. Naturbeschreibungen als Spiegel des inneren Gemütszustands sind in der Lyrik wahrlich nichts neues, sondern eine ihrer geläufigsten Anwendungen.

Dazu ist der Verdruss des LI hier sehr dick aufgetragen und wird zudem noch expliziert, d.h., die Bilder sprechen nicht für sich, sondern werden erklärt.

Allerdings frage ich mich, was mit "enteeiert" gemeint sein könnte.

Weiterhin frage ich mich, ob man die Kernaussage "ohne dich ist alles Scheisse" nicht besser zu einem Satz verdichten könnte. Den habe ich auch schon auf so lustigen Cartoon-Kärtchen gelesen, die man sich zur Versöhnung zusendet. Denn die Naturbeobachtungen sind schematisch und monoton. Einzig die letzte Strophe enthält ein Potenzial, das allerdings kaum ausgeschöpft wurde.

Der Sternchenregen sei dir vergönnt. Ich schreibe lieber.

Grüße
JB
 

Scal

Mitglied
@wüstenrose
Vielen Dank! Hm, Rose und Wüste ... ich errichte einen bildhaften Gedankenbogen zum Gedicht.

@Ulritze
Danke, Ich schätze Deine musikalische und seherische Sensibilität.

@Yeti
Danke dir fürs einfühlsame Lesen und Kommentieren.

@James Blond
Danke für deinen Kommentar!
Ich habe an anderer Stelle schon mal versucht, bildhaft zu charakterisieren, dass es eben verschiedene Standpunkte gibt, von denen aus man auf ein Gedicht hinblicken kann. Dein Standpunkt entspricht mehr dem des Literaturkritikers als dem eines Lyrikers. Bildhaft ausgedrückt: der Literaturkritiker steht mit verschränkten Armen, an die Autotür gelehnt (Auto = Kontext seines umfangreichen fachlichen Wissens), auf dem Analyse-Parkplatz und betrachtet den Vogel (das Gedicht) nicht so sehr in seinem unmittelbaren liedhaften Flug, der zugleich eine spontane Resonanzkunde "äußert", sondern sieht ihn auf einem Maschendrahtzaun sitzen. Er zupft ihn dann gewissermaßen mit seinem Blick zurecht. Das kann den großen Vorteil haben, dass der Vogel nachher noch besser und schöner fliegt, birgt aber auch die Gefahr in sich, ihn zu sehr zu zerrupfen. Die Luft, sein ursprüngliches Element, ist dann ... draußen.

Gefangen
an einem Haken
und schon vergilbt der Horizont

Andererseits: Jeder Vogel braucht die Wasserprobe. Das schöpferische Feuer des Fluges benötigt das kühlende (coole) Wasser des Urteils. Wie erleben die prüfenden Augen des Umkreises meinen Flug?
Eine Gleichgewichtskunst.

Was ich nicht verlieren möchte: Die Fähigkeit, mich an einem eichendorffschen Gedichtlein oder einem schlichten Minnegesang unmittelbar erfreuen zu können.
Hab mir mal einige Worte von Dirk von Petersdorff notiert: "Versteht ihr? Ich kann alle Diskurse, doch wenn der Wind weht, so bin ich nimmer da und meine Stätte kenne ich nicht."

Danke für den - indirekten - Hinweis auf den Tippfehler, werde ich korrigieren.
Die Kernaussage kann man natürlich in einem Satz auf einem Kärtchen zusammenfassen, klar, es braucht dazu kein Gedicht.

LG
Scal
 

James Blond

Mitglied
Ich bin selbst großer Eichendorff-Fan und denke schon, dass ich hier Gedichte sowohl als Lyriker wie auch als Kritiker lesen kann. (Dass hier von mir mittlerweile keine eigenen Gedichte mehr zu finden sind, hat andere Gründe.) Ich denke aber auch, dass ohne einen analytischen Blick Textarbeit und -interpretation schwer möglich ist. Doch es stimmt auch, dass hier zumeist Gedichte eher oberflächlich konsumiert als analysiert werden. Wer das analytische Vorgehen nu7r als ein Zerrupfen seines Textes empfindet, sollte ihn besser nicht zur Textarbeit freigeben.

Auf den zentralen Vorwurf eines recht unlyrischen, zu dick aufgetragenen, teilweise noch explizierenden Vorgehens des Bilderklärens im Text bist du nicht eingegangen.

Grüße
JB
 

Scal

Mitglied
Hallo James,

ich habe meine Antwort nicht aus dem Eindruck heraus formuliert, dass du den „Vogel“ zu sehr zerrupft hättest, sondern wollte allgemein auf Tendenzielles, die jeweiligen Lese- und Beurteilungs-Standpunkte betreffend, hindeuten.
Ich kann verstehen, was du mit „zu dick aufgetragen“ und explizit meinst. Man kann das Gedicht allerdings auch so auffassen, dass darin auf eine drastisch pointierende Weise eine ödnisleere, wegwerfende Gestimmtheit zur Sprache gebracht wird und somit ein gewisser Seelenort lyrisch schroff gekennzeichnet wird, einer, der eben nicht „lyrisch“ oder poetisch ist (der Wüste fehlt die Wüstenrose).
Natürlich könnte dieser Kontrast lyrisch auch noch auf eine ganz andere Art, also weniger explizit und „drastisch dick“ gestaltet werden. Aber das wäre dann ein anderes Gedicht.

LG
Scal
 

wüstenrose

Mitglied
Da melde ich mich auch noch mal zu Wort. Mein indianischer Name lautet sicherlich nicht "Der-mit-Theoriewissen-glänzt"; soll an dieser Stelle kein Joke sein, sondern darlegen, wo ich mich da einordne, was theoretische Diskussionen angeht.

Ich schrieb weiter oben, jetzt leicht verkürzt gesagt: Der lange Vorspann sei ermüdend und ausgelutscht. Lyrisch hochwertig ist das wahrlich nicht. Und doch, vom Ende her betrachtet finde ich es passend, es ist ein desperater, untröstlicher Tonfall. Die Landschaft spiegelt nicht den Gemütszustand, sondern sie quält, sie nervt; es ist überhaupt kein Raum da, dass diese Landschaft lyrischen Eindruck erzeugen könnte, am besten wäre es, wenn die Landschaft einfach mal ihre verdammte Schnauze hielte, wenn alles Seiende aushauchte.
Im Moment der Stille wird es denkbar, über den Verlust zu sprechen.
Derart kommen die Zeilen bei mir an und erzeugen starke Resonanz in mir.
 

Scal

Mitglied
Danke Wüstenrot,
was du hier im Zusammenhang mit dem Tonfall erläuterst, ist - von meiner Warte aus gesehen - "stimmig".

LG
Scal
 

James Blond

Mitglied
Und doch, vom Ende her betrachtet finde ich es passend, es ist ein desperater, untröstlicher Tonfall. Die Landschaft spiegelt nicht den Gemütszustand, sondern sie quält, sie nervt; es ist überhaupt kein Raum da, dass diese Landschaft lyrischen Eindruck erzeugen könnte, am besten wäre es, wenn die Landschaft einfach mal ihre verdammte Schnauze hielte, wenn alles Seiende aushauchte.
Das habe ich auch genauso verstanden: Die Landschaft spiegelt nicht den Gemütszustand - ich schrieb, die Landschaftsbeschreibung spiegelt ihn, oder jetzt noch genauer: Die Verweigerung einer Beschreibung spiegelt den Gemütszustand. Es klingt ja wie ein bockiges Kind, dass gezwungenermaßen einen Spaziergang unternehmen muss. Die seelische Erschütterung, die hier manche zu vernehmen glauben, zeigt sich mir darin allerdings nicht. Es sind in S1, S2 zunächst nur trotzige Momente der Ablehnung bis zum Sprung in S3, der sich recht unvermittelt und unerwartet um eine lyrische Aufarbeitung bemüht, indem sich das LI, wenn auch nur kurz und oberflächlich, mit seiner inneren Verwundung zu beschäftigen beginnt.

Gern geantwortet.

Grüße
JB
 

Trist

Mitglied
Klasse.
Einerseits so herrlich abwinkend - fast teilnahmslos.
Auf der anderen Seite das wache, gut beobachtende Auge.
Mir gefällt das hin - und her von beiden.
Dann der erlösende Schlusssatz.
Toll gemacht.

Beste Grüße
Trist
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Oh, dieses Schätzchen habe ich damals wohl übersehen.
 



 
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