unterwegs

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James Blond

Mitglied
Ich schritt des Weges für mich hin,
versunken in Gedanken,
ein Ömchen weckte meinen Sinn
und meine Lust zu zanken.

Das Mütterchen schien hochbetagt,
doch rege noch im Gange,
da habe ich es dreist gefragt,
ob's noch zum Laufen lange.

Es blickte kurz zu mir herauf
und sprach mit leisem Stöhnen,
so einfach sei ja wohl kein Lauf,
die Zeit nicht zum Verwöhnen.

Längst wär zu arg des Tages Last,
der Weg nur noch beschwerlich –
mir klang's als Wunsch nach einer Rast
und das schien auch erklärlich.

So habe ich ihm mitgeteilt:
„Solch Kummer lohnt mitnichten –
dein Weg ist sicher fast durcheilt,
das Ende schon zu sichten.“

Da blitzten hell zwei Äuglein auf:
„Halt bloß dein freches Mündchen,
sonst schlägt dir jemand eher drauf,
als mir mein letztes Stündchen!“
 

seefeldmaren

Mitglied
hey james blond,

ich hatte beim ersten und zweiten lesen bei kleineren dingen kleinere kämpfe.
mich also hinterfragt, was stört, warum es stört und ob es hilfreich ist.
jetzt komme ich aber zu dem entschluss: das gedicht ist ein genuss!

was ich mich unter anderem gefragt habe während des lesens: ob gedichte apostrophe brauchen
und ob diese schreibform unterschiede beim rezipieren verursacht?
jedes apostroph, das ich in gedichten lesen muss ist als würde ich mit dem nasenloch dran hängen bleiben, während der körper weiterfließen will.
kurz: ein störfaktor - geht nur mir so? oder habe ich da eine macke?

die letzte strophe ist schon, obwohl bewusst entschärft, sehr scharf - mag ich!
 

Aniella

Mitglied
Hi, hi – das gefällt mir! Das Ömchen ist nicht auf den Mund gefallen und dem LI ist die Lust zu zanken jetzt hoffentlich vergangen. ;-)
Danke für den Schmunzler am Morgen.
Marens Frage zur Nutzung von Apostroph in Gedichten würde mich auch interessieren, obwohl es mich persönlich nicht stört.

LG Aniella
 

Anders Tell

Mitglied
So witzige Verse liest man hier eher selten. Habe mich köstlich amüsiert. Mein lyrisches Vermögen ist schwach ausgeprägt. Aber beim Improtheater liefere ich Stegreifreime. Ohne Apostroph würde ich da untergehen. Man muss eben bisweilen eine Silbe schlucken, um im Takt zu bleiben. Natürlich erinnert dieser Silbenraub an umgangssprachliche Unterschleifungen. Bei humoresken Themen ist das aber zulässig.
 

James Blond

Mitglied
hey james blond,

ich hatte beim ersten und zweiten lesen bei kleineren dingen kleinere kämpfe.
mich also hinterfragt, was stört, warum es stört und ob es hilfreich ist.
jetzt komme ich aber zu dem entschluss: das gedicht ist ein genuss!

was ich mich unter anderem gefragt habe während des lesens: ob gedichte apostrophe brauchen
und ob diese schreibform unterschiede beim rezipieren verursacht?
jedes apostroph, das ich in gedichten lesen muss ist als würde ich mit dem nasenloch dran hängen bleiben, während der körper weiterfließen will.
kurz: ein störfaktor - geht nur mir so? oder habe ich da eine macke?

die letzte strophe ist schon, obwohl bewusst entschärft, sehr scharf - mag ich!
Hey @seefeldmaren,

danke für deine detaillierten Rückmeldungen, die mich neugierig machen:
  • Trotz deines "Entschlusses" interessieren mich auch die "kleineren Krämpfe". Was hat dich (zunächst) gestört?
Sofern es da bereits um die Apostrophen ging, muss ich zugeben, dass ich mir darüber eigentlich noch nie Gedanken gemacht habe. Sollte ich?

Hm, wenn ich auf Wörter wie z. B. "obs" oder "klangs" stoße, würde sich mein Lesehirn womöglich länger damit aufhalten, was hier gemeint ist: Ein Genitiv-"s" oder eine angehängte "es"-Ellision? Satzzeichen sollen uns das Entziffern erleichtern. Ob Gedichte so etwas brauchen, hängt von der Intention des Dichters ab: Manch einer will dem Leser gleich eine ganze Palette verschiedener Auffassungsmöglichkeiten bieten. Hier aber kam es mir auf das flüssige Lesen an, da sind Apostrophen eigentlich keine Hemmnisse.

  • Weshalb dir die letzte Strophe "bewusst entschärft" und dennoch "sehr scharf" erscheint, würde mich schon interessieren. :)
Liebe Grüße
JB
 

James Blond

Mitglied
Ohne Apostroph würde ich da untergehen. Man muss eben bisweilen eine Silbe schlucken, um im Takt zu bleiben. Natürlich erinnert dieser Silbenraub an umgangssprachliche Unterschleifungen. Bei humoresken Themen ist das aber zulässig.
Hey Anders,
du schreibst zum Silbenschluck genau das, was ich auch denke (siehe #5). Mich stören diese Schleifungen auch in der (ernsthafteren) Lyrik nicht, sofern sie nicht gekünstelt (, d. h. allein durch's Metrum erzwungen) wirken.

Wenn dir witzige Versen gefallen, bist du hier (- nicht nur bei mir -) in guten Händen! :)

Liebe Grüße
JB
 



 
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