Kunstbanause
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Es ist ein regnerischer Vormittag, doch im kalten Untersuchungsgefängnis bekomme ich nichts von der Welt da draußen mit. Zwei Polizisten sitzen mir beständig im Genick, eine spröde Glasscheibe mit kleinen Löchern trennt mich von meiner Mandantin, Frau Neverknow. Ihre zerzausten blonden Haare sind zu einem Dutt hochgesteckt, braune müde Augen und ein paar Falten bilden ihr ängstliches Gesicht. Sie wirkt etwas füllig, ist mittelgroß und trägt eine zu enge graue Bluse.
"I-Ich kann nicht glauben, dass er tot ist", nervös zerrt sie an ihrem weißen Schal, "und... und dass ich dafür verantwortlich gemacht werde! Was soll ich denn jetzt machen?" Mit ihren Wurstfingern verdeckt sie ihr Gesicht, das schreckliche Ergebnis, wenn Make-Up auf Tränen trifft. Ich sollte erste Informationen sammeln.
"Bitte beruhigen Sie sich Frau Neverknow, ich bin hier um Ihnen zu helfen. Wenn es für Sie in Ordnung ist, würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen." Seufzend nickt sie und legt sie ihre kraftvollen Hände in den Schoß. "Lassen Sie die Förmlichkeiten und nennen Sie mich Katia."
Ich setzte mich etwas aufrechter hin und versuche zu lächeln. Die Polizisten hinter mir machen mich etwas nervös.
"Also gut, Katia. Zunächst einmal... Warum werden Sie, ähm, weshalb wirstdu verdächtigt?"
"Es hängt eine Überwachungskamera in unserem Anwesen. Ich bin auf Video zu sehen."
Oh, das klingt gar nicht gut. "Kann ich es sehen?"
"Nein, leider nicht. Es ist der Staatsanwaltschaft vorbehalten."
"Gut, könntest du mir dann erzählen, was genau man darauf sieht?"
"Nun, also... ich denke man sieht mich und Tristan im Wohnzimmer streiten.
Tristan ist mein-", traurig blickt sie zu Boden, "er... er war mein Mann."
"Warum habt ihr gestritten?" Sie schaut rasch auf.
"Ich habe einen Slip in unserem Schlafzimmer gefunden!" Katias Stimme bebt vor Wut. "Daraufhin habe ich diesen Mistkerl sofort zu Rede gestellt! Natürlich hat er alles abgestritten."
"Oh nein... das tut mir leid. Wie ging der Streit aus, wenn ich fragen darf?"
"Naja...", nachdenklich neigt sie ihren Kopf und starrt ins Leere, "...ich bin wütend in die Küche gerannt, mein Mann ist im Wohnzimmer geblieben, er hat sich, denke ich, aufs Sofa gesetzt. Aber was man als nächstes auf dem Video sieht, verstehe ich nicht."
Jetzt bin ich neugierig. "Was meinen Sie, äh, was meinst du?" Katia schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. Zusammen mit dem verwischten Lidschatten wirkt sie ein wenig unheimlich.
"Auf einmal... kommt ein Gespenst aus der Küche!"
Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Ein Gespenst, ernsthaft? Am besten nehme ich das erstmal so hin, ich möchte Frau Neverknow nicht unterbrechen.
"Der Geist bewegt sich zu Tristan und... und ersticht ihn!" Katias Stimme klingt durch ihre Nervosität plötzlich sehr hoch. "Tristan schreit laut auf und der Geist flüchtet wieder in die Küche. Als ich den Schrei höre, stürme ich ins Wohnzimmer, a-aber ich habe niemanden gesehen, auch wenn die Gestalt mir hätte entgegenkommen müssen! Als ich meinen Mann sah, lag er regungslos auf dem Ledersofa, es war so schrecklich!" Wieder bedeckt sie ihr Kosmetikwrack mit ihren Pranken. Ihr Seufzen wird dadurch erheblich verstärkt.
"Glaubt die Polizei wirklich, dass es sich um ein Gespenst gehandelt hat?", schalte ich mich wieder ein. Katia gibt ihr entstelltes Gesicht zum Vorschein. Ich würde ihr zu gerne ein Taschentuch reichen, wenn nur diese Glasscheibe nicht im Weg wäre.
"Nein, sie denken ich hätte mir ein Kostüm angezogen, ihn umgebracht, es in der Küche wieder ausgezogen und dann so getan, als habe ich die Leiche entdeckt."
"Das ist absurd." Wie kann die Polizei so etwas glauben!?
"Ja, aber das ist die einzig logische Erklärung."
"Was ist mit der Tatwaffe?"
"Sie wird noch gesucht."
"Und ihre angebliche Verkleidung?"
"Die ist auch nirgends aufzufinden. Man hat mich bereits quälende Stunden zu besagten Objekten verhört, ich konnte jedoch keine Angaben dazu machen, bis sie schließlich nachgaben." Das sieht man ihr deutlich an, die arme.
"Mit welchen Beweisen möchte man Sie dann belasten? Gab es denn keine Zeugen?" Sie stößt einen sehr langen Seufzer aus.
"Nein, und wegen dem Video braucht die Polizei auch keine. Zur Tatzeit waren nur ich und mein Mann anwesend."
"Hätte sich niemand im Haus verstecken können?"
"Nein, die Kamera filmt 24 Stunden." Den ganzen Tag? Moment mal.
"Wie erklärt sich die Polizei dann die Tatsache, dass du deinen Mann in einer Geisterkluft getötet haben sollst? Zumal du ja Kenntnis von der Kamera hattest, die dich klar und deutlich filmt. Sich zu verkleiden wäre doch völlig sinnlos."
"Oh... naja." Geistesabwesend schaut sie an mir vorbei. "Ich denke, daran bin ich selbst Schuld. Wissen Sie... das letzte, was ich im Streit zu Tristan gesagt habe war: 'Sollen dich doch die Geister holen.' " Ich schaue verdutzt drein. Das kann doch nicht wahr sein...
"Die Polizei sieht diese Aussage als Beweis, dass ich mich verkleidet habe."
"Hm... ich verstehe." Rein gar nichts. Aber gut, weiter im Text. "Weshalb vermutete man überhaupt, dass du ihn getötet hast? Du hast doch kein Motiv, oder?"
"Aus Eifersucht ermordet. Das ist die offizielle Version. Aber auch wenn ich in diesem Moment wütend auf ihn war, so hätte ich doch niemals solch eine Tat verüben können!" Hm... so kommen wir nicht weiter.
"Erzähl mir bitte nochmal von der Geistergestalt. Wie genau sah sie auf dem Video aus?"
"Puh, lassen Sie mich nachdenken." Sie lehnt sich, die Arme verschränkt, auf dem Stuhl nach hinten, dieser knarrt bedrohlich." Er war... unheimlich. Blau, leuchtend und irgendwie mehr Licht als Mensch, wie ein echter Geist eben.
Ich bekomme Gänsehaut. Wie man es dreht und wendet, momentan kann ich keine schlüssige Erklärung finden. Diese ganze Geistergeschichte mutet sehr bizarr an. Es kann sich doch nicht wirklich um ein Gespenst handeln. Oder doch?
"Haben Sie, also hast du vielleicht irgendeine Vermutung, wer die Gestalt im Geisterkostüm gewesen sein könnte? Hat dein Ehemann irgendwelche Feinde?"
"Nein, nicht dass ich wüsste." Katia rutscht wieder näher an die Glasscheibe. "Aber ich versichere Ihnen, ich habe niemanden gesehen! Ich bin fest überzeugt, dass ich mit Tristan alleine war!"
"Also gut, fassen wir nochmal zusammen: Nach eurem Streit bist du in die Küche gegangen. Du hast diese erst verlassen, als du den Schrei deines Mannes vernahmst. Und du hast auch niemanden gesehen, der die Küche betreten oder verlassen hat."
Katia stimmt nickend zu. "Sie halten mich bestimmt für eine Verrückte, was?" Zu meinem Entsetzen tupft sie sich mit ihrem weißen Schal die Augen ab. Er ist jetzt mit lila und blau verschmiert. "Natürlich, jeder normale Mensch täte das. Ich könnte auch verstehen, wenn Sie meinen Fall nicht annehmen wollen."
"Da muss dir widersprechen, ich glaube sehr wohl an deine Unschuld. Zweifellos werde ich dich verteidigen!"
Mit erhobener Augenbraue sieht sie auf. "Ach ja? Was macht Sie da so sicher?"
"Weißt du, deine Schwester, Luna, hat mich aufgesucht und um Hilfe gebeten."
Katia wirkt plötzlich sehr überrascht. "Was? Luna hat Sie engagiert? Ich dachte Sie wären eine staatliche Anwältin..."
"Ja, keine Ahnung warum, aber sie wollte unbedingt, dass ich Ihnen helfe." Ich schenke ihr ein Lächeln. "Ich halte sie für ein sehr ehrliches Mädchen und wenn Luna an dich glaubt, tue ich es ihr gleich. Außerdem habe ich nicht das Gefühl, dass du zu dieser Tat fähig bist." Nein, Katia ist auf jeden Fall unschuldig.
"Arme Luna", sie macht ein bedrücktes Gesicht, welches unerwünscht ihre Falten betont, "das muss alles gerade sehr schwer für sie sein. Ihre Schwester im Gefängnis, ihr Schwager tot... Sie muss am Boden zerstört sein... und das ist allein meine Schuld."
Ich lehne mich näher an die Scheibe.
"Das stimmt nicht", protestiere ich, Katia ist verwundert. "Zunächst einmal bist du unschuldig, du brauchst dir nichts vorwerfen. Außerdem ist deine Schwester alles andere als traurig. Ich habe sie vorhin nur kurz getroffen, aber sie schien mir sehr lebendig." Mit einem herausfordernden Blick lehne ich mich zurück und schlage die Beine über einander. "Sie ist optimistisch, dass du bald frei gesprochen wirst."
"Wirklich? Sie ist nicht traurig?"
"Ganz und gar nicht. Ich glaube da schätzt du Luna falsch ein. Sie ist stärker als dir vielleicht bewusst ist." Zum ersten Mal sehe ich Frau Neverknow lächeln. Auch wenn nun noch mehr Falten zu Tage treten bin ich erstaunt, wie hübsch sie plötzlich aussieht.
"Luna ist eine tolle Schwester, ich bin froh sie zu haben."
Ich nicke. "Gleich bin ich noch mit ihr verabredet. Sie will mich freundlicherweise zu deinem Anwesen führen. Ich möchte den Tatort vor dem Prozess morgen noch nach Hinweisen absuchen."
"Es tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände mache, Frau Starling." Ich schlage meine Beine auseinander und beuge mich vor.
"Kein Problem, ich bin hier nicht die Leidtragende. Du hast mein tiefstes Beileid zu deiner derzeitigen Position. Ich finde es wirklich eine Schande, dass du wie eine Schwerverbrecherin behandelt wirst, obwohl du gerade erst deinen Mann verloren hast."
"Die Besuchszeit ist nun vorbei", erschrocken zucke ich zusammen, "bitte beenden Sie ihr Gespräch."Die beiden Polizisten hatte ich bis eben vollkommen vergessen. Ich wende mich wieder zu meiner Mandantin.
"Ich verspreche dir alles in meiner Macht Stehende zu tun, um deine Unschuld zu beweisen und dich so schnell wie möglich hier raus zu bringen, damit du und Luna euch wiedersehen könnt." Hinter dieser Spukgeschichte steckt noch viel mehr, als es zunächst scheint. Ich werde die Wahrheit herausfinden, koste es was es wolle.
"Vielen Dank", sagt Katia mit schwindenden Lächeln, während sie von einem Polizisten zurück in ihre Zelle gebracht wird.
"I-Ich kann nicht glauben, dass er tot ist", nervös zerrt sie an ihrem weißen Schal, "und... und dass ich dafür verantwortlich gemacht werde! Was soll ich denn jetzt machen?" Mit ihren Wurstfingern verdeckt sie ihr Gesicht, das schreckliche Ergebnis, wenn Make-Up auf Tränen trifft. Ich sollte erste Informationen sammeln.
"Bitte beruhigen Sie sich Frau Neverknow, ich bin hier um Ihnen zu helfen. Wenn es für Sie in Ordnung ist, würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen." Seufzend nickt sie und legt sie ihre kraftvollen Hände in den Schoß. "Lassen Sie die Förmlichkeiten und nennen Sie mich Katia."
Ich setzte mich etwas aufrechter hin und versuche zu lächeln. Die Polizisten hinter mir machen mich etwas nervös.
"Also gut, Katia. Zunächst einmal... Warum werden Sie, ähm, weshalb wirstdu verdächtigt?"
"Es hängt eine Überwachungskamera in unserem Anwesen. Ich bin auf Video zu sehen."
Oh, das klingt gar nicht gut. "Kann ich es sehen?"
"Nein, leider nicht. Es ist der Staatsanwaltschaft vorbehalten."
"Gut, könntest du mir dann erzählen, was genau man darauf sieht?"
"Nun, also... ich denke man sieht mich und Tristan im Wohnzimmer streiten.
Tristan ist mein-", traurig blickt sie zu Boden, "er... er war mein Mann."
"Warum habt ihr gestritten?" Sie schaut rasch auf.
"Ich habe einen Slip in unserem Schlafzimmer gefunden!" Katias Stimme bebt vor Wut. "Daraufhin habe ich diesen Mistkerl sofort zu Rede gestellt! Natürlich hat er alles abgestritten."
"Oh nein... das tut mir leid. Wie ging der Streit aus, wenn ich fragen darf?"
"Naja...", nachdenklich neigt sie ihren Kopf und starrt ins Leere, "...ich bin wütend in die Küche gerannt, mein Mann ist im Wohnzimmer geblieben, er hat sich, denke ich, aufs Sofa gesetzt. Aber was man als nächstes auf dem Video sieht, verstehe ich nicht."
Jetzt bin ich neugierig. "Was meinen Sie, äh, was meinst du?" Katia schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an. Zusammen mit dem verwischten Lidschatten wirkt sie ein wenig unheimlich.
"Auf einmal... kommt ein Gespenst aus der Küche!"
Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Ein Gespenst, ernsthaft? Am besten nehme ich das erstmal so hin, ich möchte Frau Neverknow nicht unterbrechen.
"Der Geist bewegt sich zu Tristan und... und ersticht ihn!" Katias Stimme klingt durch ihre Nervosität plötzlich sehr hoch. "Tristan schreit laut auf und der Geist flüchtet wieder in die Küche. Als ich den Schrei höre, stürme ich ins Wohnzimmer, a-aber ich habe niemanden gesehen, auch wenn die Gestalt mir hätte entgegenkommen müssen! Als ich meinen Mann sah, lag er regungslos auf dem Ledersofa, es war so schrecklich!" Wieder bedeckt sie ihr Kosmetikwrack mit ihren Pranken. Ihr Seufzen wird dadurch erheblich verstärkt.
"Glaubt die Polizei wirklich, dass es sich um ein Gespenst gehandelt hat?", schalte ich mich wieder ein. Katia gibt ihr entstelltes Gesicht zum Vorschein. Ich würde ihr zu gerne ein Taschentuch reichen, wenn nur diese Glasscheibe nicht im Weg wäre.
"Nein, sie denken ich hätte mir ein Kostüm angezogen, ihn umgebracht, es in der Küche wieder ausgezogen und dann so getan, als habe ich die Leiche entdeckt."
"Das ist absurd." Wie kann die Polizei so etwas glauben!?
"Ja, aber das ist die einzig logische Erklärung."
"Was ist mit der Tatwaffe?"
"Sie wird noch gesucht."
"Und ihre angebliche Verkleidung?"
"Die ist auch nirgends aufzufinden. Man hat mich bereits quälende Stunden zu besagten Objekten verhört, ich konnte jedoch keine Angaben dazu machen, bis sie schließlich nachgaben." Das sieht man ihr deutlich an, die arme.
"Mit welchen Beweisen möchte man Sie dann belasten? Gab es denn keine Zeugen?" Sie stößt einen sehr langen Seufzer aus.
"Nein, und wegen dem Video braucht die Polizei auch keine. Zur Tatzeit waren nur ich und mein Mann anwesend."
"Hätte sich niemand im Haus verstecken können?"
"Nein, die Kamera filmt 24 Stunden." Den ganzen Tag? Moment mal.
"Wie erklärt sich die Polizei dann die Tatsache, dass du deinen Mann in einer Geisterkluft getötet haben sollst? Zumal du ja Kenntnis von der Kamera hattest, die dich klar und deutlich filmt. Sich zu verkleiden wäre doch völlig sinnlos."
"Oh... naja." Geistesabwesend schaut sie an mir vorbei. "Ich denke, daran bin ich selbst Schuld. Wissen Sie... das letzte, was ich im Streit zu Tristan gesagt habe war: 'Sollen dich doch die Geister holen.' " Ich schaue verdutzt drein. Das kann doch nicht wahr sein...
"Die Polizei sieht diese Aussage als Beweis, dass ich mich verkleidet habe."
"Hm... ich verstehe." Rein gar nichts. Aber gut, weiter im Text. "Weshalb vermutete man überhaupt, dass du ihn getötet hast? Du hast doch kein Motiv, oder?"
"Aus Eifersucht ermordet. Das ist die offizielle Version. Aber auch wenn ich in diesem Moment wütend auf ihn war, so hätte ich doch niemals solch eine Tat verüben können!" Hm... so kommen wir nicht weiter.
"Erzähl mir bitte nochmal von der Geistergestalt. Wie genau sah sie auf dem Video aus?"
"Puh, lassen Sie mich nachdenken." Sie lehnt sich, die Arme verschränkt, auf dem Stuhl nach hinten, dieser knarrt bedrohlich." Er war... unheimlich. Blau, leuchtend und irgendwie mehr Licht als Mensch, wie ein echter Geist eben.
Ich bekomme Gänsehaut. Wie man es dreht und wendet, momentan kann ich keine schlüssige Erklärung finden. Diese ganze Geistergeschichte mutet sehr bizarr an. Es kann sich doch nicht wirklich um ein Gespenst handeln. Oder doch?
"Haben Sie, also hast du vielleicht irgendeine Vermutung, wer die Gestalt im Geisterkostüm gewesen sein könnte? Hat dein Ehemann irgendwelche Feinde?"
"Nein, nicht dass ich wüsste." Katia rutscht wieder näher an die Glasscheibe. "Aber ich versichere Ihnen, ich habe niemanden gesehen! Ich bin fest überzeugt, dass ich mit Tristan alleine war!"
"Also gut, fassen wir nochmal zusammen: Nach eurem Streit bist du in die Küche gegangen. Du hast diese erst verlassen, als du den Schrei deines Mannes vernahmst. Und du hast auch niemanden gesehen, der die Küche betreten oder verlassen hat."
Katia stimmt nickend zu. "Sie halten mich bestimmt für eine Verrückte, was?" Zu meinem Entsetzen tupft sie sich mit ihrem weißen Schal die Augen ab. Er ist jetzt mit lila und blau verschmiert. "Natürlich, jeder normale Mensch täte das. Ich könnte auch verstehen, wenn Sie meinen Fall nicht annehmen wollen."
"Da muss dir widersprechen, ich glaube sehr wohl an deine Unschuld. Zweifellos werde ich dich verteidigen!"
Mit erhobener Augenbraue sieht sie auf. "Ach ja? Was macht Sie da so sicher?"
"Weißt du, deine Schwester, Luna, hat mich aufgesucht und um Hilfe gebeten."
Katia wirkt plötzlich sehr überrascht. "Was? Luna hat Sie engagiert? Ich dachte Sie wären eine staatliche Anwältin..."
"Ja, keine Ahnung warum, aber sie wollte unbedingt, dass ich Ihnen helfe." Ich schenke ihr ein Lächeln. "Ich halte sie für ein sehr ehrliches Mädchen und wenn Luna an dich glaubt, tue ich es ihr gleich. Außerdem habe ich nicht das Gefühl, dass du zu dieser Tat fähig bist." Nein, Katia ist auf jeden Fall unschuldig.
"Arme Luna", sie macht ein bedrücktes Gesicht, welches unerwünscht ihre Falten betont, "das muss alles gerade sehr schwer für sie sein. Ihre Schwester im Gefängnis, ihr Schwager tot... Sie muss am Boden zerstört sein... und das ist allein meine Schuld."
Ich lehne mich näher an die Scheibe.
"Das stimmt nicht", protestiere ich, Katia ist verwundert. "Zunächst einmal bist du unschuldig, du brauchst dir nichts vorwerfen. Außerdem ist deine Schwester alles andere als traurig. Ich habe sie vorhin nur kurz getroffen, aber sie schien mir sehr lebendig." Mit einem herausfordernden Blick lehne ich mich zurück und schlage die Beine über einander. "Sie ist optimistisch, dass du bald frei gesprochen wirst."
"Wirklich? Sie ist nicht traurig?"
"Ganz und gar nicht. Ich glaube da schätzt du Luna falsch ein. Sie ist stärker als dir vielleicht bewusst ist." Zum ersten Mal sehe ich Frau Neverknow lächeln. Auch wenn nun noch mehr Falten zu Tage treten bin ich erstaunt, wie hübsch sie plötzlich aussieht.
"Luna ist eine tolle Schwester, ich bin froh sie zu haben."
Ich nicke. "Gleich bin ich noch mit ihr verabredet. Sie will mich freundlicherweise zu deinem Anwesen führen. Ich möchte den Tatort vor dem Prozess morgen noch nach Hinweisen absuchen."
"Es tut mir leid, dass ich Ihnen solche Umstände mache, Frau Starling." Ich schlage meine Beine auseinander und beuge mich vor.
"Kein Problem, ich bin hier nicht die Leidtragende. Du hast mein tiefstes Beileid zu deiner derzeitigen Position. Ich finde es wirklich eine Schande, dass du wie eine Schwerverbrecherin behandelt wirst, obwohl du gerade erst deinen Mann verloren hast."
"Die Besuchszeit ist nun vorbei", erschrocken zucke ich zusammen, "bitte beenden Sie ihr Gespräch."Die beiden Polizisten hatte ich bis eben vollkommen vergessen. Ich wende mich wieder zu meiner Mandantin.
"Ich verspreche dir alles in meiner Macht Stehende zu tun, um deine Unschuld zu beweisen und dich so schnell wie möglich hier raus zu bringen, damit du und Luna euch wiedersehen könnt." Hinter dieser Spukgeschichte steckt noch viel mehr, als es zunächst scheint. Ich werde die Wahrheit herausfinden, koste es was es wolle.
"Vielen Dank", sagt Katia mit schwindenden Lächeln, während sie von einem Polizisten zurück in ihre Zelle gebracht wird.