Unvergessen - Kapitel 17: Sonne, Mond und Sterne

Kunstbanause

Mitglied
"Yuri! Bist du in Ordnung? Hat er dich verletzt!?" Zärtlich streicht er mir über die Wangen. Zunächst bin ich wie versteinert, dann springe ich ihm in die Arme.

"Justin!!" Eine Woge der Erleichterung umhüllt mich, ich bin unendlich froh, ihn zu sehen. Er riecht immer noch nach Zimt, so wie damals.
"Robin... er, er...", schluchze ich. Der Damm bricht, ich kann die Tränen unmöglich länger zurück halten. "Er hat Dr. Neverknow getötet... Er ist der Mörder!" Ich spüre, dass Justin vor Schreck zusammenzuckt. "W-Was?"
Er schaut hinunter auf Robin, der, offenbar bewusstlos, zwischen den Kleinteilen liegt. Dann fasst er sich wieder. "Sch-schon gut. Alles kommt in Ordnung, Yuri." Schweren Herzens löst er sich aus meinen Armen und sieht mich ernst an. "Komm jetzt! Rufen wir die Polizei! Wo ist dein Handy? Ich habe meins im Auto vergessen." Ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht. "Drüben im Wohnzimmer. Ich mache das schon", sage ich, als Justin gerade loslaufen will. "Warte hier."
"Alles klar."

Ich eile zum Esstisch und wähle mit bebenden Fingern den Notruf. Die Zeit scheint still zu stehen, alles wirkt so surreal. Noch immer kann ich nicht glauben, was passiert ist.
"J-Ja, Yuri Starling hier. Mein... mein Freund hat mich mit einem Messer angegriffen. Ja... genau. Frankfurter Straße 7. Nein, es geht mir-
"ARGH!"
Erschocken lasse ich mein Handy fallen und schaue zu Justin am anderen Ende des Wohnzimmers, der urplötzlich am Boden liegt. Robin steht im Türrahmen, sein Messer in Blut getaucht.
"JUSTIN!!" Ich springe auf und möchte zu ihm rennen, doch Robin kommt langsam auf mich zu. Sein Gesicht ist der blanke Horror. "Wer ist das?", schnauzt Robin und deutet auf Justin, der regungslos am Boden liegt. "Dein Neuer oder was!? Hast mich schon abgeschrieben, stimmt's?" Er kommt näher.

Ich bin zerstreut. "Wie bitte!? Wovon redest du?" Langsam bewege ich mich rückwärts. "Du... du bist doch vollkommen irre!!"
"Tu doch nicht so!", faucht er mich an. "Wie ihr euch eben umarmt habt ist der Beweis!" Was zum... Hat er seine Ohnmacht etwa nur vorgetäuscht? Robin bleibt augenblicklich stehen, er weint. "Nein... das darf nicht sein. Die ganze Zeit hast du mich verarscht, o-obwohl mein Bruder gestorben ist... obwohl ich alles für dich getan habe."
"So ein Schwachsinn!", verteidige ich mich. Wie kann er nach allem, was er getan hat, so denken!? "Ich habe nichts mit ihm! Außerdem warst du es, der mich hintergangen hat! Die ganze Zeit über hast du mich belogen, du hast seelenruhig mit angesehen, wie ich mich auf der Suche nach Dr. Neverknows Mörder abrackere! Du wusstest, ich könnte nicht gewinnen! Und wenn-"
"HALT DIE FRESSE", schreit er mit einer rauen Stimme, die mich zusammenfahren lässt. Er deutet mit dem blutigen Messer in meine Richtung, ein Tropfen fällt aufs Parkett. "Sei... sei endlich still! Du hast mich betrogen u-und dafür", er beschleunigt seinen Gang, "VERDIENST DU DEN TOD!" Erhobener Klinge stürmt er auf mich zu. Es gibt kein Entkommen, diese Wohnzimmerecke ist eine Sackgasse. "NEIN ROBIN!" Schützend reiße ich meine Arme vors Gesicht.
"AUFHÖREN!"

Robin streift meinen Ärmel mit dem Messer, als er sich umdreht, um den Ursprung dieses Schreis festzustellen. Auch ich folge seinem Blick, als ich Luna auf der obersten Treppenstufe stehen siehe.
"LUNA LAUF WEG! KOMM NICHT HER!"
"Was ist denn hier los!?", meckert Robin. "Noch jemand, der sterben will? VON MIR AUS!!"
Zu Tode verängstigt aus verharrt Luna in einer Schockstarre, Robin läuft geradewegs auf sie zu. Plötzlich kommt sie wieder zu sich, sie dreht sich um und rennt polternd die Treppe hinab, doch zu spät, Robin hat sie bereits am Arm gepackt.
In Sekundenschnelle hat er das wehrlose Mädchen in die Mangel genommen und hält ihr das Messer an die Kehle, während er sie ins Wohnzimmer führt. Ihre Augen weiten sich, als sie Justin regungslos am Boden liegen sieht.
"LASS SIE LOS ROBIN!", flehe ich. "LUNA HAT HIERMIT NICHTS ZU TUN!" Ich mache einen Schritt auf die beiden zu.
"BLEIB STEHEN ODER ICH STECHE SIE AB!" Sofort mache ich Halt.
Robin fängt an, Luna zu begutachten. "So, du bist also Luna, ja? Weißt du schon, dass dein Schwager ein Mörder ist?"
"W-Wovon re-reden Sie?!", wimmert sie, ihre Zähne klappern unaufhörlich. Er überhört sie. "Pah, natürlich weißt du das. Und was hast du gemacht? Nichts... NICHTS HAST DU GEMA-"
"LASS SIE SOFORT IN RUHE!"
Auf wackligen Beinen renne ich auf ihn zu. Mein Kopf ist leer, ich weiß nur, dass Luna nichts passieren darf. Ein überwältigender Schmerz trifft mich ins Gesicht, kraftlos sacke ich zusammen, als ich Luna kreischen höre. Er... er hat... Robin hat... mich wirklich geschlagen...
"ICH HAB GESAGT DU SOLLST STEHEN BLEIBEN, SCHLAMPE! D-Du kommst gleich noch dran, keine Sorge!" Erschöpft schaue ich auf, Luna rinnen Tränen über das Gesicht.
"Erstmal ist die kleine Verräterin hier dran." Luna kneift die Augen zusammen, Robin holt aus und ich kann nichts tun!
"NEIN ROBIN HÖR-"
"AAAAARGH!"

Mit einem Mal ist der Raum mit Robins qualvollen Schreien erfüllt. Klirrend fällt das Messer knapp neben meinem Kopf zu Boden, fast zeitgleich zersplittert etwas im Werkraum. Das Foto von Chris...?
Robin kauert auf dem Parkett, während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht sein rechtes Handgelenk hält. "AAH, WAS IST DAS?" Luna nutzt ihre Chance, sie rennt schnell zu Justin herüber und kniet neben ihm nieder. Ich raffe mich auf und schnappe mir das blutige Messer. Schützend stelle ich mich vor Luna und Justin. "Alles in Ordnung, Luna!?", frage ich, ohne von Robin abzusehen. Sie japst nach Luft. "Ja... nichts passiert."
"Was ist mit Justin, atmet er noch?"
"J-Ja, ich glaube schon."
Es ertönen Polizeisirenen, kurz darauf dringt Getrampel durch das Treppenhaus nach oben. Zwei Polizisten stürmen ins Wohnzimmer und drücken Robin auf den Boden. Auch ich eile nun zu Justin, behalte die Szenerie jedoch weiterhin im Auge.
Robins Kopf wird seitlich zu Boden gedrückt, als unsere Blicke sich kreuzen.
"Es... es tut mir Leid", seufzt er, Tränen kullern über seine roten Wangen. Trotz allem brechen seine Wort mein Herz. "Ich wollte... ich wollte das alles nicht. I-Ich will doch nur meinen Bruder zurück..."
"Erzählen Sie das dem Richter", sagt der Polizist und lässt die Handschellen klicken.
 



 
Oben Unten