Urbane Arktis

Salomo

Mitglied
Vielfalt geeint in Enge,
Identität verloren im Gedränge.
Selbstzweifel mit Schminke und teuren Autos kaschiert,
urbane Arktis, in der ein jedes Herz erfriert.

Menschen, die wie Mücken zum Lichte schwirren,
ein Labyrinth, in dem sich viele verirren.
Alles verliert sich im monotonen Gewimmel,
graue Berge, grauer Boden, grauer Himmel.

Die Farbe aus der Welt verbannt,
die Schönheit der Natur verbrannt.
Ihre Asche ist das Fundament,
für die Stadt, in der sich niemand kennt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Deine Verse, Salomo,

sind erwägenswert.
Ich beginne mit dem Anfang:
Vielfalt geeint in Enge,
Identität verloren im Gedränge.
Du fängst mit Begriffen an, die so allgemein sind, daß sie als "Kategorien" bekannt sind: Vielfalt und Einheit. Fehlt nur noch die Allheit.
So ist das gesamte Weltall mit der Fülle seiner Individuen - sie sind alle irgendwie geeint in Dingen, Zusammenhängen, Welten, vom unfaßlichsten Elementarteilchen bis zur kosmischen Virgo-Gruppe. Mehr oder weniger eng. Nun ja, "Städte" sind auch solche geeinten Vielfalten.
"Identität" - kann die eigentlich verloren gehen? Ich würde sagen, wenn irgendeine Selbstbestimmung verloren gehen kann, hat sie mit "Identität" nichts zu tun. Die Fähigkeit, sich als "Ich" zu benennen, geht auch den Städtbewohnern nicht verloren.

Aber dann verdichtet es sich ins Konkretere. Nicht schlecht.

Du hast ein wenig die großen Raumgliederungen und ihre Erkennbarkeit, Lesbarkeit, ihre kartographische und systematische Ordnung vergessen. Die Stadt ist eben nicht wirklich ein Labyrinth, in dem sich irgendwer verliert, sondern eher ein kompliziertes Bezugssystem, in dem der Verkehr, alle Dimensionen von Verkehr, und die Zeitrhythmik des Verkehrs räumlich werden.

Und das reichhaltige Tierleben in den Städten, wie auch die Parks und Gärten, nicht nur die Amseln jeden Morgen, und die Spatzen, Tauben, Papageien usw. -

grusz, hansz
 

Arianne

Mitglied
Guten Tag, Salomo!
Gut ausgedrückt, was Dir Gedanken macht. Diesem Gedicht nach, gehörst Du sicher nicht zu den Discobrüllern, bist eher ein Leidensgefährte auf diesem Planeten. Heute muss man kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, wie es weitergehen wird.
Vor einhundert Jahren wärest Du mit diesem Gedicht auf totales Unverständnis gestoßen.

Sehr gut hast Du ausgedrückt:

Die Farbe aus der Welt verbannt,
die Schönheit der Natur verbrannt.
Ihre Asche ist das Fundament,
für die Stadt, in der sich niemand kennt.


(bzw.
Die Asche ist das Fundament,
für Städte, wo sich keiner kennt.) [wg. Rhythmus]

Gruß
Arianne
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Die Farbe aus der Welt verbannt,


ach ja, das hatte ich übersehen: Nein, das ist ja das Gegenteil von "Stadt".
Vielmehr sind, wie jedes Satellitenbild von Europa und Nordamerika bei Nacht zeigt, Städte die Hauptquellen der sogenannten Lichtverschmutzung in der Moderne.

Und ein großer Anteil des Lichtes ist grell bunt.
Neonröhren. Reklamen. Titelschriften über Läden, Kinos, Funktions- und Kaufhäusern, sogar über den Portalen der Fabriken und zur Kennzeichnung der Röhren, Brücken, Signale.

Überwältigend farbig.
 

Arianne

Mitglied
Die Farbe aus der Welt verbannt.
Weniger ans Farbspektrum habe ich gedacht; zu allererst im übertragenen Sinne aufgefasst, auch gleichzusetzen mit der Kälte der Menschheit, der fehlenden Harmonie und echter Freude, die eine natürliche Welt mit sich bringen kann.
(Philosophisch betrachtet ist selbstverständlich alles natürlich, was die Natur hervorbringen kann, also auch die kranken Geister, die Kriege und der Wahnsinn.)
 



 
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