Va banque (Sonett)

5,00 Stern(e) 1 Stimme

James Blond

Mitglied
Du spürst, wie sich die Blicke auf dein Leben richten,
es scheint, als käm das Ende allem sehr gelegen –
als wolltest du, statt weiter Hoffnungen zu pflegen,
was du erreichtest, nun im letzten Schritt vernichten.

All jene, die ein unbekanntes Ufer sichten,
ziehn statt der Landung einem Risiko entgegen –
Fortunas Küste lockt mit trügerischem Segen
und lässt Erfahrene auf Ladung gern verzichten.

Doch du hast die vertrauten Wege stets gemieden
und liebtest immer jene, die so ganz verschieden
dir mehr versprachen und dich jedesmal verführten.

Nun blickst du von der schwindelhohen Lebenswarte
herab auf deine allerletzte Schicksalskarte
und setzt darauf, dass Götter dich im Schmerz berührten.
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 16867

Gast
Im freien Rhythmus bist Du stärker, lieber James. Hier schmeckt es nach einem nach 1900 versetzten Hölderlin, der sich im Konjunktiv verkrampft.
 

James Blond

Mitglied
In freien Rhythmen wirst du von mir nichts finden, da frage ich mich, worauf sich deine Einschätzung gründet, Abra. Und der Konjunktiv-Krampf löst sich bereits im 1. Quartett, den zeitversetzten Hölderlin lasse ich mir jedoch auf der Zunge zergehen ... :)
Nur gut, dass der alte Knabe davon nichts mehr mitbekommt.

Nein, dies ist – aus gegebenem Anlass – ein Lehrsonett, meinetwegen auch ein Leersonett, zwar kein Meisterwerk, aber doch eine Studie zu Übungs- und Demonstrationszwecken, formal und inhaltlich.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe das starke Gefühl, dass es das "Du" ist, welches "Ich bedeutet, also ein innerer Monolog.
Schön sind die gezielten Rhythmenschwankungen, die die Monotonie aus den Versen nehmen.

Hauptbetonungen fett:

Du spürst, wie sich die Blicke auf dein Leben richten,
es scheint, als käm das Ende allem sehr gelegen –
als wolltest du, statt weiter Hoffnungen zu pflegen,
was du erreichtest, nun im letzten Schritt vernichten.

Würde man dagegen skandieren, ergäbe das 6 Betonungen. Und es würde langweilig.
 

James Blond

Mitglied
Sicher beides. Es kann (zunächst) als warnender Appell an ein Gegenüber aufgefasst werden. Später verdeutlicht sich der Eindruck, dass es dabei um eine kritische Selbstbetrachtung geht.

Danke, dass du das mit den Hauptbetonungen herausgearbeitet hast. 6-hebige Jamben nur herunterzuleiern (oder zu stampfen) ist nicht gerade ein Vergnügen, klingt sehr trocken und verstaubt. Allerdings ergibt sich hier aus der durchgängen Jambenstruktur ein verlässlicher roter Faden für eine natürliche Betonung, die den Jamben nie zuwider läuft. Und so bleibt auch ein Spielraum für eigene Gewichtungen.

Danke für die Auseinandersetzung mit dem Text.

Grüße
JB
 
Beim letzten Terzett hat Moneypenny kurz geweint, James. Wir hielten uns am den Händen und waren uns einig, dass es nicht berührten heißen darf. Das wäre zu endgültig.
Gruß vom Hans
 



 
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