Vanessa in der Herrenumkleide - Teil 1

Kai Kernberg

Mitglied
Vanessa in der Herrenumkleide - Teil 1

Vorbereitung ist alles


Vanessa wusste was sie tat. Es war geplant. Auf die Minute geplant. Sie hatte es mitgeplant. Es war eine Vereinbarung. Oder war es eine Wette? Mal sehen. Im Kaufhaus hatte sie die Sachen von der Liste schon weitgehend zusammengesucht. Es waren ein Schalen-BH, ein transparentes Spitzenhöschen, hüfthohe Stay-Up-Strümpfe und High Heels. Alles hatte sie selbst ausgewählt, auch die disharmonischen Farben grün, weiß, lila und rot. Sie war sich sicher, die Aufgabe meistern zu können. Da wäre ein farbenfrohes Happy End sehr passend.
Jetzt hielt sie die leckere Wäsche gut sichtbar auf dem Arm und fuhr die Rolltreppe hoch. Dort stieg sie von der Treppe auf den heutigen Spielplatz, die "Herrenoberbekleidung".
Als letztes Element war ein Herrenhemd zu finden, ein abstoßend gemustertes wäre genau das Richtige. Von Weitem sah sie schon die Hemden, blickte auf ihre Armbanduhr, nickte zufrieden und ging in die entgegengesetze Richtung. Sie war im Plan, hatte noch reichlich
Zeit, um den einen oder anderen Herren für ihre, noch unbezahlte, Unterwäsche zu begeistern. Möglichst unauffällig schlenderte sie umher, an scheinbar hochkonzentrierten Männern vorbei, welche Hosen taxierten, Preisschilder studierten oder mit ihrer Frau telefonierten ("... dann nehme ich lieber den grauen Pulli...").

Der Abzweig

Sie hatte sich gerade mittig in Sichtweite von drei Typen unterschiedlichen Alters positioniert. Da ließ sie, aus berechneten Missgeschick, die Wäsche von ihrem Arm gleiten. Die Bügel klapperten zart auf den Boden und eine Sekunde später rumsten die Highheels auf das Linoleum.
Die Herren schauten interessiert auf und einer eilte ihr tatsächlich zur Hilfe. Vanessa ging in die Hocke, griff zuerst nach den Schuhen, von denen ihr einer direkt wieder polternd zu Boden fiel. Der Hilfsbereite, ein Mittvierziger, grapschte derweil nach BH und Höschen. Er tastete Vanessa mit Blicken ab. Sie trug eine dünne Strickjacke und eine weiße Bluse darunter. Er erkannte keinerlei Abdrücke eines BHs am Rücken. Auch der Blick auf die Front zeigte unter dem hellen, geknöpften Oberteil keine Schattierung von anderem Stoff. Dafür fiel ihm die leuchtend weiße Knopfleiste auf. Der mehrlagige Streifen stand im Kontrast zu dem fast grau wirkenden Stoff, der sich unter der Strickjacke fortsetzte. "Das musste ein sehr dünner Stoff sein", hoffte er und kroch mit seinen Blicken weiter hinein.

Falscher Film

Vanessa wurde rot in Gesicht. Das wollte sie eigentlich nicht. Allerdings passte es ihr jetzt sehr gut in den Kram. Sie übernahm die Unterwäsche von ihrem Helfer. Sein stierer Blick auf ihre Brust, seine krallenden Griffe in den zarten Stoff und seine aufgeblähten Nasenflügel wirkten zu aufdringlich. Die Cups hatte er regelrecht gequetscht, sodass sie sich nach innen wölbten. Sie und er waren noch in der Hocke. Der Mann versuchte nun zwischen Vanessas knielangem Rock und ihren Beinen ihre Muschi zu erspähen. Schon als Teenager hatte sie an Röcken ohne Unterwäsche Spaß. Ihre Freundinnen waren durchaus neidisch auf Vanessas Beine und auf ihren Mut, kurze Röcke zu tragen und besonders auf die Unverfrorenheit, bei Gelegenheit einen Blick in die Tiefen ihres Schoßes zu gewähren. Nun war es kein Lehrer, der ihr eine gute Note geben konnte. Auch kein Mitschüler, der ihr etwas Geld leihen würde. Erst recht kein Kollege, der sie zum Essen einladen würde. Hier tastete ein wildfremder Mittvierziger ihre Schenkel mit Blicken ab. Natürlich hatte sie das irgendwie provoziert und sie hatte -na klar- weder BH noch Höschen drunter. Aber dieser Mann gehörte nicht auf das sorgsam vorbereitete Spielfeld. Ihm lief wohl gleich der Sabber aus dem Mund. Das war eine Schippe zuviel. Mit zittriger Stimme fragte sie ihn: "... O-Ober-(schluck)-hemden?"
Beide standen auf. Auch die zwei weiteren Männer waren auf das Schauspiel aufmerksam geworden. Den BH hielt Vanessa am offenen Verschlusshaken vor sich. Die Cups und Träger hingen vor ihrem Körper herab. Zwei weitere, ziemlich junge Kerle hatten sich dazugesellt und raunten sich wohl anzügliche Dinge zu. Zumindest kicherten sie blöde. Sie meinte den Satz "die verträgt was", herauszuhören. Vanessas Puls hämmerte an ihre Schläfen. Mit eckigen Bewegungen und betont großen, langsamen Schritten machte sie sich auf den Weg in Richtung der Hemden.

Zurück in die Spur

Ihr Gesicht glühte, ihre Ohren leuchteten knallrot über die Warentische. Bei ihrem Weg durch die Gänge versuchte sie, die Wäsche auf ihrem Arm zu sortieren. Doch war sie zu aufgeregt und zittrig dafür. Die verhakten Kleiderbügel und filigranen Textilien hingen vor ihr herunter, als ob sie ihr gerade vom Leib gerissen geworden wären.
Ohne sich nach der Männermeute umzudrehen erreichte sie, schwitzend vor Aufregung, die Hemden. Sie blieb stehen, atmete tief und stützte sich unauffällig an einem Kleiderständer ab. Es gab einen strengen Plan, wie das hier im Kaufhaus ablaufen sollte. Eine Horde stinkender Bestien, die zwischen Anoraks und Cargohosen auslotet, was sie "verträgt", gehörte auf keinen Fall dazu.
Ihr Blick schweifte über die Hemden. Größe 36/37 war zu lesen. "Männer sind ja etwas größer, wird wohl passen", ging ihr durch den Kopf. Hier würde sie sicher fündig. Dann blickte sie prüfend auf die Uhr. Es sah gut aus, nur trödeln dürfte sie jetzt nicht mehr, stellte sie ganz pflichtbewusst fest.

Weiter im Text

Von Herrenhemdengrößen hatte sie freilich keine Ahnung und hätte nie gedacht, dass 36 die kleinste Kragenweite ist, die es gängig zu kaufen gibt. Eines dieser Hemden sprang ihr jedenfalls ins Auge. Es war unbeschreiblich hässslich und brachte weitere Farben in ihre Kostümierung. Genau so etwas suchte sie. "Ein irres Muster", dachte sie und versuchte sich vorzustellen, wie sie mit einem psychedelischen Karomuster am Leib in einigen Minuten ihre Aufgabe erfüllen würde. Bevor sie es von der Stange nahm, legte sie die anderen Sachen auf einen Warentisch, sortierte sie, zog ihre Strickjacke aus und wickelte die Dessous darin ein. Pötzliche Zweifel überkamen sie, ob sie die bevorstehenden Stufen des Auftrags wirklich durchziehen sollte. Ein paar Meter entfernt stand ein Spiegel. Unverkennbar zeichneten sich die Formen, Farben und Schatten ihrer Brüste darunter ab. Nach der kurzen Überlegung, die Strickjacke wieder anzuziehen, drückte die das Strickjackenbündel quer vor ihre Brust und hob das Hemd von der Stange. So war es vereinbart, so musste sie es jetzt in Angriff nehmen.
Das Schild "Anprobe" fiel ihr direkt ins Auge und wie von selbst liefen ihre Beine los. Vielleicht hatten ihr Füße, Waden und Schenkel schon ein eigenes Pflichtbewusstsein entwickelt?
Auch ihre Hände hatten die Mission verstanden. Die Finger, die das Bündel vor ihr fixierten, begannen darunter im Verborgenen die Knöpfe der Bluse zu öffnen. Der verdeckt immer weiter werdende Ausschnitt trieb Vanessas Puls wieder in die Höhe. Am Eingang zu den Umkleiden waren alle Knöpfe geöffnet. Sie spürte den weichen Strickstoff auf ihrem Brustkorb.

Das Zielfeld vor Augen

Vanessa liebte diese Art Herrenumkleiden. Abgeschirmt vom Verkaufsraum war ein Flur angelegt, in dem zwei Personen gut aneinander vorbeigehen konnten. Auf der einen Seite waren sechs Kabinen mit Vorhängen, an der Wand gegenüber große Spiegel. Und es gab vor Allem keine nervigen, kontrollwütigen Verkäufer. Die Abteile waren erstaulicherweise fast alle zugezogen. Am Eingang stand eine Frau, weiter hinten ein Mann, neugierig auf die Vorführung anprobierter Stücke.
Zum Glück war es unauffällig, als Frau bei den Herren etwas anzuprobieren. Trotzdem registrierten die beiden Wartenden jedes Detail an ihr und sahen ihr nach, als sie bis hinten durchging. Eine Frau in transparenter, locker sitzender Bluse mit einer Rolle Kleidung vor der Brust. Davor ein Herrenhemd auf einem Bügel und eine Handtasche über dem Arm. Darunter ein knielanger Rock und flache Schuhe. Interessant.
Die letzte Kabine war leider besetzt. Dafür lag die Vorletzte genau gegenüber von einem Spiegel. Sie zog >ratsch-ratsch< den Vorhang hinter sich akribisch zu, streifte ihre Pumps ab und schob sie auf dem Boden nach vorne. Gut sichtbar war jetzt "besetzt". Für den Moment war sie sicher. Wie abgemacht streifte sie die leichte Bluse ab und packte sie gefaltet in ihre leere Handtasche. Es folgte der Rock und die dünne Strickjacke. Nun stand sie nackt in der Kabine, betrachtete sich im Spiegel und atmete tief. Auf der Bank lagen ihre Handtasche, der BH, das Höschen, die Strümpfe, die High Heels und dieses hässliche Hemd. In den Umkleidengang kam ein plappernder Amerikaner, >ratsch-ratsch< belegte er die andere Kabine neben Vanessa. "Damit sind alle sechs belegt", stellte sie besorgt fest "das steigert die Gefahr, dass einer die Gardine lupft". Sie brauchte nicht auf die Uhr zu sehen, um zu wissen, dass die lustige Kür vorüber war und das Pendel der Pflicht schon schwang.
 



 
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