Vanessa in der Herrenumkleide - Teil 2

Kai Kernberg

Mitglied
Vanessa in der Herrenumkleide - Teil 2

Startposition fürs Finale


Durchatmen. In die Knie gehen. Pömps greifen. Pumps in die Handtasche. Reißverschluss zu, Klappe drüber, Schnalle zu.
Vanessas Herz pochte. Ihre Kleidung war vollständig in der Handtasche verschwunden. Ausgezogen in der Herrenumkleidekabine stehend, bekam sie Gänsehaut. Der nächste Schritt im Plan kostete sie Überwindung. Die Tasche musste auf dem Boden platziert werden und zwar genau unter dem Vorhang und direkt an der Trennwand. Exakt das tat Vanessa; hinuntergebeugt sah sie Schatten und Füße vorübergehen. Hoffentlich würde es gleich leerer werden. Wieder aufgerichtet blickte sie an ihrem entblößten Körper hinunter auf die Tasche. Sie bemerkte, wie ihre Fußsohlen schwitzten, wie sich unter ihren Achseln Schweißtropenfen bildeten, wie sich ihr Hals mit dem heftigen Puls verengte. Sie hörte Männerstimmen um sich herum.
Weiter atmen. Weiter im Plan. Einen Arm heben. Der Vorhang musste auf Kopfhöhe eine Handbreit offen stehen. Andere Seite. Der gleiche Spalt. Nach unten kragte der Vorhang aus und verschloss die Lücke, aber auf Kopfhöhe war eine Handbreit schon sehr viel, musste Vanessa feststellen.
Zaghaft bewegte sie den Kopf, um durch den Spalt zu sehen, riss ihn aber zurück, als plötzlich ein Mann mit suchendem Blick ins Sichtfeld kam.

Mut ist kein Ausdruck

Die Wäsche, das Hemd, die Tasche, der Spalt, so war es vereinbart, so führte sie es aus.
Vanessa drehte sich zu ihrer Bank und betrachtete die von ihr ausgewählten Kleidungsstücke. Die oberschenkellangen Strümpfe erschienen ihr am Wichtigsten. Damit waren ihre zarten Frauenfüße von draußen vielleicht nicht zu erkennen. Behutsam holte sie die Nylons aus der Verpackung, freute sich an dem schönen Stoff mit dem Spitzenrand, stellte einen Fuß auf die Bank und begann, die Strümpfe sorgsam, ohne Laufmasche und genüsslich überzustreifen, während in der Kabine neben ihr der Amerikaner mit breitem Kaugummislang immer lauter telefonierte. Der Stoff schmeichelte ihrer glatten Haut und die Gummibänder unter der Spitze waren weich und kühl. Als sie auf beiden Seiten die gummierte Innenseite bis über die Knie gezogen hatte, blickte sie selbstverliebt in den Spiegel und zuckte vor Schreck zusammen. ER hatte es wirklich getan. ER hatte ihre Tasche mitgenommen. ER hatte sie quasi eingesperrt. Das hier war keine Mutprobe. Es war ein Test. Ein Nerventest. Der Countdown lief.
Vor ihrem Vorhang blieben Personen, stehen, wohl ein Paar. Ein Pullover wurde im Spiegel begutachtet.

Eineinhalb Schritte weiter

Schnell griff sie das Höschen als zweites Accessoire. ER war nun mit ihrer Handtasche auf dem Weg durch die Herrenabteilung.
Sie zog das durchsichtige Spitzenhöschen hastig an. Dabei blitzten ihr die Bilder des lüsternen Mittvierzigers vor den Augen. Er hatte ihr vorhin keineswegs selbstlos beim Aufheben der Kleidung geholfen. Er hatte seine groben Finger am gesamten Stoff dieses Höschens außen und innen abgerieben wie an einem Putzlappen. Widerlich war das und sie spürte seinen Schweiß, der jetzt auf ihren Intimbereich überging. Mechanisch griff sie den BH, dessen feste Cups er regelrecht zerteilt hatte. Zu dem Ekel kam ihr Ärger. Sie hatte nicht auf die Tasche geachtet, nun wusste sie nicht, wie lange ER schon unterwegs war.
Aus Hektik hatte sie das Höschen falsch herum angezogen, das schmale Band für den Po deckte fast nichts von ihrem getrimmten Schamhaar ab. Mist! Egal! Der Plan! Sie musste im Plan bleiben, schlang den BH um den Bauch. Wahrscheinlich stand ER schon auf der Rolltreppe. Nein, ER stand nicht, ER ging auf der Rolltreppe. Mit Sicherheit drängelte ER sich rücksichtslos auf der fahrenden Rolltreppe vor.

Vorsicht, Nachbar

In der hinteren Nachbarkabine wurde der Vorhang aufgezogen >rrrraaaattsch<. Vanessa war bewusst, dass ihr Vorhang links und rechts um den vereinbarten Spalt offen stand und sie versuchte, sich aus der Sichtlinie zu bringen, indem sie sich mit dem Rücken dicht an den Vorhang stellte und sich lang machte. Mit den BH-Enden in den Händen blickte sie in den Spiegel ihrer Kabine. Sie zwischen Vorhang und Trennwand hindurch. Sie sah einen Mann mit schnellem Schritt aus der Nachbarkabine gehen. Vanessa fror, ein Kälteschauer rann über ihren Rücken. Sie atmete aus, nestelte am BH-Verschlus und schloss einen von drei Haken vor dem Bauch. "Nimmst Du die Grüne", fragte eine Männerstimme von weiter weg. Sie drehte die BH-Cups nach vorne. "Ach, ... ich nehme beide", hörte sie von direkt hinter ihrem Vorhang. Der Mann ging zurück in die Kabine und warf einen flüchtigen Blick durch den Spalt. Gerade noch rechtzeitig zog sie die Cups hoch. Ihr Nachbar griff schnell die zweite Hose und ging auffallend langsam rückwärts wieder heraus. Vanessa hatte hastig die Träger auf die Schultern geschoben und eine Hand vor ihren Schoß halten können. Trotzdem freute sich der Herr sehr über ihren Anblick und zwinkerte unverhohlen. Sie war gefangen. Plötzlich spielte die Kaufhausmusik lauter, konnte das sein?

Schneller als gedacht

Vanessa hatte Zeit verloren. Die Gummierung der Strümpfe war zwar erst kurz über den Knien, aber immerhin hatte sie die Strümpfe an, das Höschen war irgendwie am Platz, der BH saß, wenn auch schief. Vanessa setzte sich und stieg in die Highheels. Die Schnallenbändchen am Knöchel waren sehr filigran, Vanessas Hände zitterten, sie bekam den Dorn nicht in das Loch. Auf keiner Seite wollte das nicht klappen. "Ich gebe auf. Hauptsache die Schuhe sind an den Füßen! Weiter", machte sie sich Mut.
Ob ER sein Zwischenziel schon erreicht hatte, ging ihr durch den Kopf, als sie Gewissheit bekam. "Sehr geehrte Kundinnen! Am Serviceschalter im Ergeschoss wurde eine grüne Handtasche abgegeben. Sie kann dort abgeholt werden." Diese Durchsage zeigte ihr, dass ER die Etappe erreicht hatte und schon auf dem Rückweg war. Der Amerikaner quasselte immer weiter. "Der soll abhauen", zischte Vanessa vor sich hin.

Kurz vorm Ziel

Sie griff nach dem Hemd. ER war wahrscheinlich schon wieder auf der Rolltreppe. Beim Hinstellen auf die High Heels bereute sie, es bei den Schnallen nicht noch ein weiteres Mal versucht zu haben. Ein BH-Träger rutschte ihr dabei von der Schulter. "Verflixt Träger, verflixt Hemd ist noch zugeknöpft", fluchte sie murmelnd. Schnell das Hemd an den Haken hängen und Knöpfe öffnen. Knopf eins, mit ihren verschwitzten Fingern war das fast unmöglich. Knopf zwei, hier musste sie das Fähnchen "slim line" entfernen. "Wo kommt dieses Schildchen plötzlich her", fragte sie sich entgeistert. Knopf drei, diese rutschigen Schuhe! Knopf vier, dieses diabolische Hemd! Oben herum würde "slim Men" bei ihr vielleicht nicht zugehen. Knopf fünf, sie stand direkt neben dem Vorhangspalt. Vor ihrer Kabine war Bewegung. Knopf sechs, der Spalt neben ihr war breit genug, um sie von draußen in voller Länge sehen zu können. Knopf sieben, ein Schweißtropfen kroch brennend ihr Auge. Knopf acht, endlich, der letzte. "Gleich hab' ichs", gluckste Vanessa.
 
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