Vendetta speciale

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Klaus K.

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Auch er spielte jetzt Golf. Was auch immer ihn getrieben hatte diesen Sport zu erlernen, bereits sein sechster Golflehrer unterwarf sich nach kurzer Zeit der bekannten Erkenntnis, dass diese Freizeitbeschäftigung nun doch nicht unbedingt für Jede und Jeden geeignet ist. Aber: “Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing’…”

Golf hat nicht unbedingt etwas mit angeborenem Talent wie etwa bei Chopin zu tun - dies zur Ehrenrettung aller Novizen -, vielmehr handelt es sich um primär körperlich trainierbare Bewegungsabläufe, die verbunden mit einem hohen Maß an Konzentrationsfähigkeit und mentaler Stärke im Laufe der Zeit zu soliden und reproduzierbaren Golfschlägen führen können. Golf kann man also erlernen. Wie alles andere auch. Natürlich gehört auch Anspruchsvolles dazu, wie zum Beispiel “Sie müssen das Green lesen!” Manch‘ einem könnte es zudem vielleicht auch helfen, einfach mal ein Buch darüber zu lesen.

Jeder Anfänger hofft, sich nach ein paar Trainerstunden dem Niveau von Tiger Woods annähern zu können, stellt dann aber bereits nach kürzester Zeit fest, dass schon ein einstelliges Handicap für ihn zeitlebens eine unüberwindbare Hürde darstellen wird. Zum sportlichen Aspekt zurück: Die erwähnten Bewegungsabläufe sind überwiegend einseitig belastend, können daher auch zu körperlichen Beschwerden führen, und sie stellen alles andere als ein sportlich effektives Ganzkörpertraining dar. Was bleibt?

Ein jedes Mal erneut herausforderndes Ereignis, das sich dann erst in zweiter Linie auf entsprechende Fachsimpelei (“Dieser Schläger ist viel besser!“) und gesellschaftlichen Small-Talk im Clubhaus ausdehnt. Was bleibt noch? Man ist und bleibt in der Regel begeistert bei der Sache und zumindest durch Golf auch immer an der frischen Luft - und man teilt eine gemeinsame Leidenschaft mit anderen. Nicht schlecht!

Der oben erwähnte Protagonist gehörte zu der Sorte der begeisterten Erfolglosen, aber sich selbst gegenüber Uneinsichtigen. Zu allem Unglück gewann er dann in einem Preisausschreiben eine Woche Golfurlaub auf Korsika. Bereits am zweiten Tag erwartete ihn ein lokales Golfturnier in der Nähe von Porto Vecchio. Sein Französisch war so schlecht wie sein Abschlag, kein Problem, er war gemeldet und musste nur seinen Namen nennen. Das Spiel begann, er trat gegen die örtlichen Grössen an. Zwei Lokalmatadoren - Brüder aus Ajaccio, die es gewohnt waren, jedes Turnier auch außerhalb der Saison abzuräumen - bekamen große Augen. Ohne zu viele Details zu schildern: Es war einfach seltsam. Wie von Zauberhand gelenkt landete sein Ball nicht ein einziges Mal im Rough. Das Putten wurde von ihm bei den insgesamt 18 Löchern souverän vorgetragen, sechs Birdies waren die Folge. Er wusste nicht warum, er wusste nicht wieso - er gewann das Turnier mit einem Schlag Vorsprung und qualifizierte sich damit direkt für das Finale dieser Turnierrunde. Finstere Blicke begleiteten ihn, er merkte es nicht.

Das Finalturnier erwartete ihn bei Calvi. Am Vortag spielte er eine Übungsrunde, zwei unter Par, wieder ein für ihn unfassbares Ergebnis. Er war überglücklich und trat am nächsten Morgen erwartungsfroh an. Die beiden Brüder waren auch wieder dabei, er erkannte sie sofort.

Seine Glückssträhne war ungebrochen. Er konnte es nicht glauben, denn anscheinend waren auch magische Kräfte mit im Spiel. Die Flugbahn seiner Bälle folgte nicht der normalen Krümmung, wie sie die Ballistik lehrt. Nein, seine Bälle erhielten vor dem Sinkflug noch einmal einen Schub, zeitweilig auch eine Richtungskorrektur.

Er spielte erneut einige Birdies, einen Eagle, puttete auf eine Distanz von acht Metern problemlos ein und hatte am Ende den Platzrekord um fünf Schläge unterboten.

Das “Hallo” war groß, von der Siegerehrung verstand er kein Wort, auf jeden Fall erhielt er einen riesigen Pokal und eine beachtliche Siegprämie. Und sein Name wurde bereits während der Zeremonie im Clubhaus in Marmor gemeißelt. Na ja, irgendwie war es ihm vielleicht doch etwas unangenehm. Er stammelte eine Verabschiedung und ging, bestückt seinen Gewinnen, zu seinem Wagen.

Im Süden wird es früh dunkel. Auf dem Parkplatz baute sich eine Gestalt vor ihm auf. Das Einzige, woran er sich hinterher noch erinnern konnte, war der stechende Schmerz am Kopf und an der rechten Hand.

Sollten Sie selbst Golf spielen, Sie erkennen ihn leicht. Wenn jemand unverdrossen seine Runden über einen Golfplatz dreht, und ihm fehlen das rechte Ohr und der kleine Finger rechts, dann ist es jemand, der die Höhen und Tiefen des Golfspiels und die Gepflogenheiten südlicher Gefilde hautnah erlebt hat. Jetzt hat er erst einmal eine Golfreise nach Schottland gebucht. Bleibt zu hoffen, dass er dort beim Turnier keinen Kilt trägt.
 

Klaus K.

Mitglied
"Green-Legasthenie", der war gut! Sehr gut! Da muß man dann auch besonders mit einem Schottenrock aufpassen, dass man sich damit nicht zu tief bückt, falls man eine Leseschwäche dadurch kompensieren will.-
Natürlich fehlt im Text diesmal ein "mit" (...und ging, bestückt MIT seinen Gewinnen...") - mein Schwesterherz in Wedel ist übrigens begeisterte Golferin (seit Jahrzehnten) und hatte mir zumindest inhaltlich ihren Segen geben können. Denn ich habe es vor langen Jahren nur mal bis zum Aushilfs-Caddy geschafft - danach hat eine kurze Beschäftigung mit der Historie von Churchill für mich genügt: "No sports!" . Großartig, genau mein Ding!
 



 
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