Verfrüh(ling)t

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Walther

Mitglied
Verfrüh(ling)t


Das helle Blau verspeist die letzten Wolken,
Und Bienenvölker stürmen erste Blüten.
Mag in uns auch der Winter heftig wüten:
Der Schnee ist hie und da schon abgemolken.

Die Augen wundern sich. Ein Liderreiben
Vernebelt kaum den Blick auf frühes Blühen.
Man möchte das Erstaunen oft bemühen:
Der Winter will wohl Schabernack betreiben.

Er hat die Narrenkappe auf und kommt
Als Frühling, zeigt die Heldenbrust entkleidet:
Er weiß nicht, was erlaubt ist und was frommt.

Die Volte wird Allergikern verleidet,
Weil‘s Nasentriefen Grippen überdauert.
Doch gibt es keinen mehr, der sie bedauert.
 

anbas

Mitglied
Hallo Walther,

mir gefällt's.

Zu überlegen wäre:
Mag in uns [blue]noch[/blue] der Winter heftig wüten:
Ferner empfinde ich das Wort "frommt" als Fremdkörper in dem Text. - Klar, es hat mit der Suche nach einem passenden Reimwort zu tun, doch so wirkt die Zeile auf mich sehr konstruiert.

Liebe Grüße

Andreas
 

Walther

Mitglied
lb. anbas,

danke für deinen eintrag. das "auch" oder "noch" ist eine frage, die mich selbst umtreibt. ich habe das "noch" bereits dort stehen gehabt und mich dann doch für das "auch" entschieden, weil es dem vers einen interessanten spin gibt.

die ironie des sonetts erlaubt m.e. das "frommt", weil es sie zugleich verstärkt. man sollte den bezug der faßnacht zur katholischen kirche an dieser stellte nicht übersehen. daher ist das "frommt", gerade auch aus protestantisch-puritanischer sicht, besonders geeignet, um das irrwitzige der aktuellen wetterkapriolen zu fassen. kurz: das "frommt" war vor dem "kommt" da, also ist der hinweis auf ein reim-dich-oder-ich-freß-dich-konstrukt auch sachlich nicht richtig.

lg w.
 

Label

Mitglied
vielleicht

Als Frühling, zeigt die Heldenbrust entkleidet:
Er weiß nicht, was erlaubt ist und bekommt.

gibt zwar einen anderen Sinn und ist auch zwei mal kommt, wobei kommt und bekommt sich nur äußerlich ähneln, da kommen und gut tun, hingegen ist "erlaubt sein" und "was frommt" sich inhaltlich SEHR ähnlich bis identisch

lieber Gruß
Label
 

Walther

Mitglied
lb. label,

bei faßnacht, der schwäbisch-alemannische variante davon, geschieht alles, was nicht frommt. daher ist das, was und ich es schrieb, schon korrekt. erlaubt sein und frommen sind verschiedene begrifflichkeiten: die erstere kommt aus dem säkularen bereich, die zweitere aus dem kirchlichen.

aber danke für deinen vorschlag, den ich zwar für passend halte, aber verworfen habe, weil das doppelte "kommt" in meinen ohren schlechter klingt als das treffende, aber eher altertümliche "frommt".

lg w.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
bedauert

huch, ausgerechnet am Schluss, wie eine fehlgetretene Pointe, ein identischer Reim? - betrauert, versauert, gekauert, ummauert - tschuldigung, bin hier vielleicht zu genauert und verschlauert,
grusz, hansz
 
Hallo Walther,
mir gefällt dein Gedicht sehr.

Hiervon bin ich besonders begeistert:

Das helle Blau verspeist die letzten Wolken,
Und Bienenvölker stürmen erste Blüten.
Warum soll man das Wort „frommt“ nicht benutzen. Es passt doch in ein Sonett.

Nur mit „Volte“ komme ich nicht so ganz klar. Meinst du die Volte aus dem Pferdesport?

Viele Grüße
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
huch, ausgerechnet am Schluss, wie eine fehlgetretene Pointe, ein identischer Reim? - betrauert, versauert, gekauert, ummauert - tschuldigung, bin hier vielleicht zu genauert und verschlauert,
grusz, hansz
huch, ein echter witzbold. hatten wir schon eine weile nicht mehr.

zum kritikpunkt: nö, das ist kein identischer reim. weil die beiden verben zwei unterschiedliche bedeutungsstränge darstellen. sollte man als literaturwissenschaftlich vorgeprägter aber wissen.

also doch nur ein schlechter witz, das ganze. :)

grusz w.
 

Walther

Mitglied
hi marieluise,

wenn einer "eine volte macht", dann tut er etwas unvorhergesehenes. hilft das weiter?

danke für deinen freundlichen eintrag und deine wertung!

lg w.
 

Label

Mitglied
ich bin der Überzeugung dass damit

3.3.3. rührender Reim

besonders auffällige Übereinstimmung der Reime
Reimwörter weiblich schließender Verse enden meist mit schwachtoniger Silbe, weibliche Reime mit einem Vollvokal in der letzten Silbe fallen deshalb schon auf
z.B. Múnd weit / Gesundheit
licht war / sichtbar
als rührende Reime gelten auch solche mit gleicher Konsonanz schon vor dem Tonvokal
z.B. schwirrt es / wird es
Gleichklänge in der vorausgehenden Senkung
z.B. ich male / finale

gemeint war
freundliche Grüße

PS. ich habe einen Kater, lieb und umgänglich, aber er lässt nicht die geringste Provokation ungenutzt verstreichen. Darum sieht der Arme auch reichlich zerfleddert aus. ;)
 

Walther

Mitglied
lb. label,

ich weiß. aber die gibt es hier nicht (-leidet / -kleidet gehört grammatisch nicht in diese kategorie). daher: er mich auch. er hat, obgleich er es besser wissen müßte, eben voll daneben gelangt.

die sonettlehre erlaubt mittlerweile, männliche und weibliche kadenzen zu mischen, wie es paßt. davon mache ich gebrauch.

das mit dem kater ist sehr bedauerlich. nur bin ich kein kater. :D und wenn, dann keiner, der aus solchen geschichten zerfleddert rauskommt. ;)

lg w.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
die Schlußklausel ist rührend!

Natürlich ist das - ausgerechnet im Schlußakkord - ein rührender Reim. Klingt häßlich und wird durch verbale Ausfälle gegen mich wie "Du mich auch" und "hat voll daneben gelegen" nicht gerettet.
 
O

orlando

Gast
Hallo Walther,
ich kehre mal zurück zum Text.
Das Sonett gefällt mir gut.
An zwei Stellen ist es m. E. überdenkenswert:

1. Den Titel finde ich aufgrund der Klammer nicht sonderlich passend. "Verfrüht" hätte vielleicht gereicht. Oder etwas mit "Lenz" ... ich mag Wortspiele, aber wenn es nur eines gibt, ausgerechnet im Titel, bleibe ich skeptisch.

2. Bezogen auf die beiden Endverse gebe ich Mondnein Recht, völlig unabhängig davon, wer das nun rührend oder empörend finden wird. :D:eek:

Dieses Patzerlein ließe sich doch leicht vermeiden, indem du nämlich beispielsweise "dies betrauert" schreibst.

Natürlich sind solche kleinen Freiheiten nicht "verboten", das wäre ja auch noch schöner! Aber ich bin mir sicher, dass ein so erfahrener Autor wie du empfänglich für kleinere Renovierungen ist. Gerade jetzt im Frühling. ;)

Dir einen lächelnden Gruß
Orlando

Grandios übrigens: der "abgemolkene Schnee"
 

Walther

Mitglied
Verfrüh(ling)t


Das helle Blau verspeist die letzten Wolken,
Und Bienenvölker stürmen erste Blüten.
Mag in uns auch der Winter heftig wüten:
Der Schnee ist hie und da schon abgemolken.

Die Augen wundern sich. Ein Liderreiben
Vernebelt kaum den Blick auf frühes Blühen.
Man möchte das Erstaunen oft bemühen:
Der Winter will wohl Schabernack betreiben.

Er hat die Narrenkappe auf und kommt
Als Frühling, zeigt die Heldenbrust entkleidet:
Er weiß nicht, was erlaubt ist und was frommt.

Die Volte wird Allergikern verleidet,
Weil‘s Nasentriefen Grippen überdauert.
Doch gibt es keinen mehr, der dies betrauert.
 

Walther

Mitglied
hallo orlando,

danke für die auflösung des problems. habe ich oben nachgezogen.

das mit dem titel ist eine spielerei, die hier ihre fortsetzung findet:
Groovy times!
- oder: Verfrüh(ling)t II -

Heut ist der Frühling angeeckt,
Weil er den jungen Jüngling neckt.
Das Mädchen, das sein Werkzeug war,
Mit blauen Augen, wunderbar,

Und der bezauberndsten Figur:
Da tanzt sie, schau, als Frühling pur.
Der Jüngling starrt in ihre Richtung,
Hat Träume, wilde, ob der Sichtung,

Denn es bringt eine kleine Regung
Die ganze Chose in Bewegung.
Das Auge blitzt, das Mündchen spitzt,
Und da die Zunge locker sitzt,

Ertönt ein Pfiff und dann ein Ruf:
"Hat Deine Hose zuviel Groove?"
das teil habe ich gelöscht wegen der schlechten wertungen. :D vielleicht baue ich noch ein zweites sonett dazu, dann wäre das tryptichon voll.

danke für deinen hinweis!!! manchmal steht man eben auf der leitung! ;)

lg w.
 
O

orlando

Gast
Deine "routinierte" Reaktion freut mich, Walther. :)
Und ich verstehe jetzt auch, warum du den Titel beibehalten möchtest. Obwohl "verlenzt" ... ichmeinjanur ... :D;)
Dir einen herzlichen Gruß
Heidrun
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Dreiteiler, Dreiflügler, Delphine usw.

Triptychon (nominales Kompositum: Tri-ptychon, Plural Triptycha), "Drei-Flügel-Bild", meistens als "Drei-Flügel-Altar". Sind jetzt große Mode.
 

Walther

Mitglied
in der tat. sie sind groß in mode, die triptychons. man liest sie oft und immer wieder. und immer dreimal. :D
 



 
Oben Unten