Vergissdeinnichtblau

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ENachtigall

Mitglied
Glaub mir, die Zeit heilt keine Wunden.

Hinter ihrem schwarzen Rücken streut sie Salz hinein.
Spukgestalten drückt sie aufs Auge.
Schiebt ihre kalte Hand unter die Haut.
Ihr Zahn nagt scharf am Hoffnungsgrün.
Galle spuckt sie in den Blutorangensaft.
Bricht ungestraft mein kleines Licht in
vertrauensseliges Blau,
schwerelos Federweiß,
Trauriggrau,
Angst, knochenschwarz,
flämmchenklein Mutrot,
fixierendes Katzenaugengelb,
Fliederbieder,
das paradoxe Kürbistürkis
und instinktiv Buntgepunktet.
Vorsichtig nehme ich alle in die Hände
und mische sie neu:
Naivolivgrün.
Nun wuchern seltene Narben
Vergissdeinnichtblau.

Nein, Wunden heilt nicht sie, die Zeit.




für R.S. März 2006
 

Mirko Kussin

Foren-Redakteur
Hallo ENachtigall,
es ist immer wieder schön, Schreiberlinge aus meiner Heimatstadt hier zu finden :)
Der Text hinterließ bei mir ein ambivalentes Gefühl. Er ist gut gemacht und wird mit Sicherheit viele Leser begeistern. Mir persönlich ist es von allem etwas zu viel, zu viel Farbe, zu viele Adjektive, zu verspielt. Diese ganzen Neologismen naivolivgrün, kürbistürkis, fliederbieder ... da kräuselt sich das eine oder andere Haar in meinem Nacken. Man hört sich sehr schnell satt an sowas.
Mit der ersten und der letzten Zeile tue ich mich etwas schwer: Das Farbmotiv und die ganzen Wortspielereien sind so dominant in diesem Text, so (über-)deutlich, dass diese zwei Zeilen nicht so recht dazugehören wollen. Du hast sie ja schon abgesetzt, aber eigentlich sind sie überflüssig. Während der erste Satz als einleitendes Element noch funktioniert, bringt der letzte Satz nichts neues und bezieht sich dann noch nicht einmal auf diese ganzen Farbspielereien.
So endet der Text irgendwie "unrund".
Aber wie schon erwähnt, das ist nur mein persönlicher Eindruck ;)
Gruß
Mirko
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Mirko,

danke für die offene Meinung zu diesen "Wortspielereien". Vielleicht sind sie wirklich ein Stückchen zu weit aus der Art geschlagen, so dass der Bezug zum eigentlichen Thema - für Heilungsprozesse, vor allem seeliche, selbst verantwortlich zu sein - darin untergeht. Der Hinweis darauf ist in dem kursiv gedruckten "sie", das sich auf die Zeit bezieht, in der letzten Zeile vielleicht zu gut versteckt.
Auf der anderen Seite finde ich, dass sich gerade anhand dieser Fantasiefarben besonders gut die individuellen, sehr unterschiedlichen Wesenszüge darstellen lassen, unter deren kompletter Einbeziehung so ein Prozess erst möglich wird.

Danke für Deinen "Besuch".

Liebe Grüße

Elke
 
Liebe Elke,

ich finde dein gedicht auch etwas überladen und verwirrend, dennoch bin ich begeistert von deiner phantasie und der kreativen wort-und farbschöpfung. ist schon beinahe genial.

hier musste ich lachen:
"naivolivgrün, fliederbieder ... "

schlaf gut.
heike
 

ENachtigall

Mitglied
Na also,

ich habe das Blau vereinfacht (vom doppelten ver... befreit!)

Danke Heike, auch für Deinen Eindruck und Dein Lachen.

Gruß
Elke
 



 
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