Verlust und Trost

G

Gelöschtes Mitglied 22614

Gast
Hallo Scal,

Da trau ich mir auch keine Interpretation zu.

Wer reist hier? Die Katze oder die Uhr? Und die letzten beiden Verse? Also doch die Katze - ohne Uhr? Müsste es dann nicht "umkreist" heißen?

Ach, ich bin so schlecht im Entschlüsseln!

LG
atira
 

Scal

Mitglied
Dein abspürendes Befragen macht (mir) wieder ein Dilemma bewusst. Ich kann sehr gut verstehen, warum beispielsweise revilo in der Lupe schon öfter deutlich die Meinung vertrat, dass es „schädlich“ (in meinen Worten) für das poetisch zum Ausdruck gebrachte sei, wenn der Autor sein Gedicht interpretiere. Wesentlich sei, was sich im Lesenden beim Nachvollzug innerlich entfalte, welche Resonanz in ihm der Text auslöse, welche atmosphärischen „Erlebniswege“ er in ihm bewirke. So interpretiere ich revilos Gesichtspunkt, den ich im Wesentlichen teile, mit dem ich gewissermaßen befreundet bin. Es können sich zudem, meiner Erfahrung nach, sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen mitunter „fensteröffnende“ Momente ereignen, intuitive Einsichten und neue Sichtweisen „auftend“.

Ein Text macht Gedankenwege und vor allem auch ein Fühlen wahrnehmbar, er lässt die sich vorantastenden Intentionen spürbar werden und zugleich offenbart er sich letzlich aber auch als eine Komposition, die in einen vielschichtigen Kontext eingebettet ist: Klang, Bild, Rhythmus, Pausen, Zeilenumbruch, „Sprachgeschmack“, der Teil und das Ganze, zeitkulturelle Aspekte und dergleichen noch mancherlei mehr.
Das (mein) Dilemma besteht nun darin, dass es mir schwer fällt, eine unterscheidungsfähige innerliche Bewegungsfähigkeit wachzurufen und sie immer wieder ins Gleichgewicht bringen zu können. Für mich haben sich aber neuerdings diesbezüglich das Bild von Vogel und Parkplatz als hilfreich erwiesen und zudem auch Motive, die bei gunnar auftauchten (Glocke, Lerche, Treppe), oder mimi (Aufbruchsgeschehen des morgendlichen Lichtes).

Ein Verdeutlichungsversuch:
Der Vogel:
Der unmittelbare Moment, das Motiv, die innerlich „auffliegende“ richtungsgebende Impression und Intention, ein „vertikal aufblitzendes Denken“, vielleicht als eine Art imaginative Intuition, der „Aufbruch“ des Ganzen noch ohne klar geformte Teile, eine Ursprungssynthese, eine erste Geburtswehe (weitere folgen), eine Aufbruchs- und Fragestimmung, eine Helligkeit (gunnars lerche).

Der Parkplatz:
Das prüfend abspürende, das das Gestalten beobachtend-begutachtende, „horizontal der Logizität des Denkens folgende Voranschreiten (wobei zwischendurch immer wieder auch „Vogelmomente“ aufflattern können, Spieltrieb), das in Kontextaspekte einordnende, analytisch beurteilend Denken, das „besternungsurteilende“ Einschätzen, das Verfestigende.

Dilemma: befinde oder bewege ich mich mit meinem „Bescheinen des Erscheinenden“, mit meinem Aufmerksamkeitsblick mehr in der Nähe des Vogels oder mehr in der Nähe des Parkplatzes? Was ist mir bei einem konkreten Text wesentlicher (und das kann mal so mal so sein, es spielen die jeweiligen eigenen Befindlichkeitszustände und das jeweilige Gegenüber eine Rolle). Das erinnert mich wieder an die „Lerche-Vers-Treppe“ bei gunnar.

Am Beispiel meines kleinen Textes hier besteht das Dilemma darin, dass das „bekreisen“ vielleicht durch meinen Interpretationshinweis „Halbkreisrücken“ schlüssiger klingt, aber eben aufgrund dieses Bild-Hinweises, wobei auch der „Schoß“ mit eine wesentliche Rolle spielt. Vom Parkplatz aus gesehen sollte dann aber auch der „Schoß“ in den Text irgendwo eingebettet werden. Gebe ich diesen Hinweis nicht, verlässt man den Stimmungsraum des Textes eventuell mit dem Gefühl, dass „umkreisen“ sich hier eigentlicher als „stimmiger“ anfühlen würde. Von einer anderen Sichtweise her betrachtet, könnte aber das „bekreisen“ auch so aufgefasst werden, als schließe sich der Kreis des Verbundenseins mit der Welt, in der man kreist, der man zugeteilt ist (Regen, Katze und und und) im Sinne von „Das Gegenüberstehen ist der Zusammenhang in der Trennung“. Diese mehr gefühlsschwebende Interpretationsmöglichkeit wäre auch denkbar.
Wie auch immer, meinem Eindruck nach spricht insgesamt schon viel für die Auffassung von revilo, sie ist dem Möglichkeitsraum des vertikalen Ursprungsdenkens, dem Vogel, dem Wesen der Poesie, insgesamt näher.
Freilich hat auch der horizontale Parkplatz seine wichtige Berechtigung, der Vogel sollte halt nicht zu einem kleinen fernen Punkt zusammenschrumpfen, gelegentlich empfinde ich den Asphalt als zu hart. Eine Gleichgewichtsübung.
Ich hoffe, ich hab das alles nicht zu kompliziert ausgebreitet.

Danke für deinen Kommentar.
Scal
 

revilo

Mitglied
Bedenke nur
wenn du vom Regen weißt
ist er nicht allein
Ihr seid euch zugeteilt



....das liest sich ziemlich geschwollen und arg bemüht...absolut nicht mein Ding....aber auch das liegt im Auge des Betrachters..... schrieb einfacher, schreib klarer.....LG Oliver
 

Scal

Mitglied
Liegt im Auge des Betrachters, natürlich; die sind oft recht unterschiedlich gebaut. Neben den nüchtern calvinistisch- protestantischen Kirchen gibt es auch die katholisch barocken. Und dazwischen allerlei weitere Variationen, derlei zeigt sich auch in der Lyrik. Kann aber auch mit dem Atmen zu tun haben.
Es hängt auch vom Motiv ab, welchem Stil man sich beim Schreiben mehr zuneigt.

Danke Oliver für den Kommentar.

Gruß
Scal
 
G

Gelöschtes Mitglied 22614

Gast
Lieber Scal,

spannend, wie du deinen Zugang beschreibst. Darauf wäre ich nie gekommen. Würde jeder gleich ticken, wäre Lyrik schon lange tot, oder?

Wie auch immer, V1 (Imperativ kommt immer schlecht) würde ich jedenfalls weglassen, dann öffnen sich schon mehr (Frei)räume.

LG
atira
 

Scal

Mitglied
Liebe Atira,

Deinen Hinweis empfinde ich als hilfreich, danke Dir! Ich werde den Text demgemäß ändern. Zuvor noch eine Frage:

Sollte es vielleicht besser heißen:

schläft die Katze
im Schoß


LG, Scal
 

Scal

Mitglied
Ja, hast recht.
Ich habe es jetzt gemacht, weil ich es wie einen tröstend ruhigen Bildmoment empfinde.
Danke Atira.
 



 
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