[vermutungen über das licht]

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seefeldmaren

Mitglied
die spanne des morgens:
spuren und kein fenster auf asphalt,
offen genug für reste des strahls.
die ausgeräumten bilder, nur stimmen jetzt,
die nicht länger an rändern entlang,
mit sprache verbunden. mit luft,
angefüllt mit unruhe aber stetig auf einer bahn.

die dinge schlafen nicht, sie verschwinden,
wartende gesichter, nur in der betrachtung,
unscharf, wandern tiefer wie verglühtes eis, in
den augenblick hinein, verschoben und fern
wie eine aufgehende rose hinter fensterglas.

im blick die sprünge, im sprung die gitter und risse,
und niemand fragt nach den bewegungen, ob etwas bliebe,
fließende nähe, außer der spur zur entfernung,
außer den stimmen, bis alles gestalt verliert,
außer den blicken, wie rauch, die schon gehen. wie etwas,
das war, und nur kurz die eigene haut berührte.
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey Maren,
auch diese [Vermutung] gefällt mir - wobei ich die sprachliche Gestaltung im Vergleich zu der [Vermutung über ein armes Mädchen] ein Mü weniger spannend finde. In beiden [Vermutungen] hast Du Gedanken sprachlich-syntaktisch gewissermaßen ineinander geschoben, was ich als sehr reizvoll empfinde, aber dieses Gestaltungsmittel hast Du in diesem Gedicht, ich verkürze den Titel mal zur "Lichtvermutung", etwas weniger genutzt als in der (ich verkürze nochmal) "Mädchenvermutung". Vor allem in der zweiten Strophe der "Lichtvermutung" sind die Gedanken relativ linear aneinander gereiht und haben nicht diese parenthetischen "Sprünge", die Du hier v. a. in der Stophe 1 noch recht ausgiebig nutzt und bei der "Mädchenvermutung" über das ganze Gedicht hinweg durchhältst. Gerade die zweite Strophe der "Lichtvermutung" empfinde ich daher als etwas schwächer, die bräuchte ich in der Form nicht so.
Ansonsten passt, wie ich finde, in der sonst sehr schönen ersten Strophe die angedeutet lautschriftliche "Elegie" für mich nicht so 100%. Diese Verlautschriftlichung eines Textaufhängers ist für mein Liking ein relativ unsubtiles Instrument der Aufmerksamkeitsgewinnung, wohingegen das restliche Gedicht mit einem sehr feinem Strich gestaltet wurde (was mir besser gefällt). :)
Trotz aller Krittelei: Ich mags! :) Das ist eine sehr schöne lyrische Reihe, die Du da andeutest. Wäre was für eine Literaturzeitschrift. :)
LG!
S.
 

seefeldmaren

Mitglied
Hallo Sufnus,

danke für dein für mich sehr wertvolles Feedback. Die [Vermutungen] entstehen als Kolonnengedicht; in dem Sinne geteilt.
Danach kehre ich die nebeneinanderstehenden Assoziationen zusammen. Es ist experimentell, bereitet große Freude, aber, benötigt noch Entwicklung. Was Grund ist, wieso ich wenige "Vermutungen" hier für Feedback poste. Vielleicht wird daraus irgendwann ein Manuskript.

Dein Feedback bestätigt es. Und ich werde versuchen, weiter daran zu arbeiten. Gestern entdeckte ich übrigens Susan Kreller. Wahrhaft schöne Reime.

Mit freundlichen Grüßen Maren! :)
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Auch hier wieder, was für ein schönes Gedicht.

die dinge schlafen nicht, sie verschwinden,
Ich habe gerade eine längere Literaturpause hinter mir, eher eine längere Lyrikpause und ich bemerke, wie einfache poetische Wendungen plötzlich wieder intensiver auf mich wirken. Ähnlich wie man die Welt wieder neu entdecken kann, wenn man nach Jahren mit schlechtem Augenlicht, das erste mal eine passende Brille aufsetzt. Der Satz da oben bewegt mich, weil er so einfach ist, ich glaube, er hätte mich vor 1/5 Jahren eher kalt gelassen.

LG
Patrick
 

seefeldmaren

Mitglied
Ja, Patrick Schuler,

die Bewegungsbahnen der Sprache. Wie gern würde ein Dorf wohl eine Kuh versiegeln?
Wie gern wäre das Wasser beim Fisch? Wuchsen Blüten schon immer aus Blumen?
Andererseits dieses Moderne: "isso, der südwind hat dir in den rachen gekotzt". Diese niedrige Klangtreue in einem poetischen Kontext.
Und irgendwie dann doch schön und cool, weil lyrik das darf und auch abkönnen muss.
Wie ein Babywal. Das bereits Riesige im Kleinen.

Auch hier wieder, was für ein schönes Gedicht.
Danke dafür und für die Sterne.
 



 
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