Verschlossen

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mori

Mitglied
Hallo Sunyata,

du hast hier einen interessanten Gedankengang umgesetzt.
Ein paar Zeilen erscheinen mir nicht ganz stimmig. Ich habe mal hier einen Vorschlag:

Ich begrüße sie
Ohne sie wahrzunehmen
Ich rieche ihren Duft
Ohne sie anzuschauen
Ich denke an[strike]ihr Gesicht[/strike][red]ihren Mund[/red]
Ohne mit ihr zu sprechen
[strike]Ich höre ihre Stimme
Ohne dass wir uns kennen[/strike]
Ich streiche über ihren Arm
Ohne es zu tun
Ich liebe sie
Ohne Gefühle zu haben
Ich verlasse sie
[strike]Und weine[/strike][red]ohne zu gehen[/red]

Schau einfach mal drüber.

LG Annette
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Feste Form.
Eine Litanei, würde ich sagen.

Zum Inhalt: In dieser enthaltsamen Abstraktheit ist "verlassen" keine Option. Es ist ja gedankliche Gegenwart, wie bei Verliebten üblich. Grund zur Freude, etwa an der bloßen Existenz des geliebten Menschen.
Allerdings verstehe ich nicht dieses "Lieben, ohne zu fühlen".

Es sei denn, es ist gar nicht Liebe gemeint, sondern irgendwas anderes, Selbstberührung eines Lustmolchs. Aber auch die ist nicht gefühllos. Und übrigens: Wie weint ein gefühlloser Litaneiensänger? Zwiebelschälen?
 

Sunyata

Mitglied
@Mori:

Liebe Annette,

dein erster Änderungsvorschläg gefällt mir sehr gut! Der letzte fügt sich natürlich deutlich besser in die Form. Allerdings war der Bruch von mir an dieser Stelle gewünscht. Ob dieser jedoch dem Lesegenuss zuträglich ist, ist diskutabel.

@Mondnein

Die Inspiration für diesen Beiträg lieferte ein Moment des Erblickens einer fremden Person, welche eine für das lyrische Ich nicht greifbare emotionale Reaktion hervorruft. Ohne eine direkte Interaktion finden Assoziationen und Erwägungen, irrationale Wünsche und Träume statt - bis zu dem Zeitpunkt, an dem man sich aus den Augen verliert.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Sunyata,
dein Gedicht hat mich zu dieser Version inspiriert:



Ich begrüße sie
ohne sie anzuschauen
Ich rieche ihren Duft
ohne mich vorzubeugen
Ich denke an ihren Mund
ohne mit ihr zu sprechen
Ich streiche über ihren Arm
ohne sie zu berühren
Ich sage ihren Namen
ohne dass ich weiß




lg wüstenrose
 

Walther

Mitglied
Hallo in die runde,

die autorin verwechselt emphatische sprache mit poesie. mormalerweise sollte man einen text für sich betrachten. in diesem fall führt das in die irre.

der autorin ist zu empfehlen, sich mit dem, was poesie ist, einmal intensiv zu beschäftigen. anderenfalls wird sie nicht bzw. nie verstehen, warum sie kritisiert wird.

lyrik verkündet nicht, sie verdichtet. verdichtung bedeutet distanz, die ablösung von lyriker- bzw. autoren-ich. diesen schritt geht die autorin nicht.

auf kritik mit erläuterungen zu antworten, löst die fragestelung nicht auf, im gegenteil: die lesersicht entscheidet, auch wenn uns das als betroffene schwerfällt zu akzeptieren, über das gelingen eines werks. hier liegt auch das zweite problem. erst wann man zusätzlich zum eigenen text distanz bekommt, kann man die hinweise annehmen.

lg W.

ps: als betroffener verstoße ich selbst gegen diese grundsätze - immer wieder. leider ist das bei uns allen so: der betroffene ist auch der getroffene.
 

Sunyata

Mitglied
Lieber Walther,

ich stimme dir zweifellos zu dass die Lesersicht entscheidet, und auch dass Erläuterungen nicht der richtige Weg zum Umgang mit Kritik ist - das wollte ich damit aber auch nciht erreichen. Mich interessiert im Moment viel mehr das Wechselspiel daraus, welche Bilder im Kopf des Dichtenden vorherrschen was es bis zum Leser schafft, und wie es dort verarbeitet wird. Ziel ist es ja letztlichm, möglichst viel zu erhalten, und gleichzeitig noch möglichst viel bereits beim Leser vorhandenes zu wecken.

Was Poesie ist - das ist letztlich sehr subjektiv. Ich für meinen Teil versage mir da bereits seit Längerem ein Urteil hierzu. In meinen Augen gibt es keinen Widerspruch zwischen Verkünden und Verdichten - warum nicht beides gleichzeitig? Ich persönlich werde davon angezogen, wenn Dichtung das Seiende so weit herauskristallisiert, kondensiert, konzentriert, wie es nur möglichist. Heute würde ich auch noch eine Stufe mehr Abstraktion und Transzendenz in das Gedicht einbauen. Immerhin ist es mittlerweile bereits 10 Jahre alt. Retrospektivisch jedoch habe ich manchmal das Gefühl, dass ich mir etwas von der Schlichtheit hätte bewahren sollen.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Scheinbar ist Poesie nur bei den eigenen Texten des Hobbydichters nicht objektiv zu bewerten, überall sonst wenden wir gewisse Anforderungsstrukturen an ein Werk an und lassen es durchfallen, entspricht es diesen nicht...
 

Sunyata

Mitglied
Ich begrüße sie
Ohne in ihre Augen zu sehen
Ich rieche ihren Duft
Ohne ihr nahe zu sein
Ich höre ihre Stimme
Ohne mit ihr zu sprechen
Ich fühle ihre Haut
Ohne sie zu berühren
Ich nenne ihren Namen
Ohne sie zu kennen
Ich spüre ihre Lippen
Ohne sie zu küssen
Ich begegne ihr
Doch sie nicht mir
 

Sunyata

Mitglied
Ich habe noch einmal ein klein wenig Hand angelegt und die Paarungen etwas passender gemacht. Ich sehe leider noch nicht, wie man hier besser verdichten könnte.
 

Tula

Mitglied
Hallo Sunyata

Ich finde es nach deiner Überarbeitung in der Tat besser und den Abschluss sogar sehr gelungen! So geht Lyrik :)

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Gerade dieser Schluß ist unsinnig: Begegnungen sind immer beidseitig. Man kann nicht einer anderen Person begegnen, ohne daß sie dem Begegnenden begegnet.

Ich habe noch keine Antwort auf die Frage, ob Du Dich Shûnyatâ (f.) nennst.
 

Tula

Mitglied
Nicht doch. Die Begegnung ist auf der einen Seite (Lyri) mit Empfindungen verbunden, auf der anderen nicht. Es fließt, aber nur in eine Richtung. Die andere Person sieht es nicht einmal als "Begegnung".
Finde ich lyrisch gesehen originell und passend zum Gedicht.

LG
Tula
 

revilo

Mitglied
den Ausführungen von Walther über Lyrik ist nichts hinzuzufügen.....
die Änderungen haben dein Gedicht nur unwesentlich verbessert....
LG revilo
 

Sunyata

Mitglied
Ja, so wie Tula es wahrnimmt war dieses Ende gedacht. Gleichzeitig ist aber auch der Eindruck des Absurden gewollt, der den Widerspruch der bisherigen Verse aufgreift. Womöglich kann man aber noch eine bessere Formulierung finden, die verständlicher ist.

Entschuldige, Mondnein, dass ich vergessen hatte, dir zu antworten. Ja, Sunyata ist mein Pseudonym, dass ich auf diesen zentralen Begriff der Philosophie Nagarjunas bezieht. Das grammatische Geschlecht des Wortes war für mich bei der Wahl des Pseudonyms eher drittrangig.
 



 
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