Verschollen in der Tara-Schlucht - Teil 6

Fredy Daxboeck

Mitglied
Noch während sie mit der linken Hand in ihrer Tasche nach einer kleinen Taschenlampe kramte, stieg sie die Stufen hinunter. Die Luft war stickig, heiß und roch nach Moder und schwarzer Erde, je weiter sie nach unten stieg. Hier herunter kam nur selten jemand. Sie durchquerte zwei große Räume, die offensichtlich aus dem Fels geschlagen und bis auf ein paar Regale mit verstaubten Weinflaschen kahl und leer waren, und kam in einen kleinen Raum, in dem ein großer Schrank stand. Die Türen waren offen. Der Schrank leer. Hier unten war nichts. Sie musste in den anderen Räumen suchen und dann so schnell wie möglich wieder verschwinden. Vielleicht war der Eingang zum Verlies der Mädchen im Anbau, dachte sie, und ärgerte sich, nicht sofort dort Nachschau gehalten zu haben.

Myra ließ die Taschenlampe sinken und wollte sich gerade abwenden, als ihr ein schwacher Streifen Licht in der Rückwand auffiel. Nicht viel mehr als ein hauchdünner Riss, hinter dem der Widerschein einer Lampe zu sehen war. Neugierig trat sie näher, leuchtete in den Schrank und konnte auf beiden Seiten einen winzigen Spalt erkennen. Sie tastete die Rückwand ab und schrak zurück, als diese nachgab, sich um eine Achse drehte und dahinter eine halb offene Tür und ein matt beleuchteter Raum zu sehen war.

Der Geruch nach Schweiß, Fäkalien und Fäulnis schlug ihr entgegen und sie konnte das Wimmern eines gequälten Lebewesens hören.

Fünf Sekunden später starrte sie für einen Moment des Entsetzens mit weit aufgerissenen Augen hinter die Gitterstäbe der Käfige und mochte sich nicht vorstellen, was die Mädchen da drinnen an Angst und Schmerzen durchgemacht hatten.

»Oh Gott, oh Gott!«, ächzte sie, und eine Welle der Übelkeit schwappte in ihr hoch. Was für ein Mann konnte einem Mitmenschen so etwas antun?

Mit einem Gefühl, als hätte jemand eine Glaskuppel über sie gestülpt, trat sie näher, sperrte die Augen weit auf und machte den Mund auf und zu, als ob sie versuchte, sich durch die Kuppel verständlich zu machen. Ihre Hände griffen nach den Gitterstäben und rüttelten daran.

»Wer bist du?« Ein zierliches Mädchen mit dunklen Haaren, das Gesicht von Dreck verschmiert, erhob sich von einer Pritsche am hinteren Ende des Abteils und kam näher. Myra konnte im fahlen Zwielicht des Verlieses nicht viel mehr als einen Umriss erkennen.

»Vanessa schickt mich«, sagte sie, räusperte sich und versuchte die richtigen Worte zu finden. »Und Katja. Sie sind in einem Versteck in Sicherheit.« Das Mädchen trat näher, ihre Mundwinkel zeigten nach unten und ihre Haare klebten wie nasses Fell an ihrem Kopf. Sie streckte die Hände nach vor. Tränen liefen in dünnen Spuren über die Wangen und zeichneten helle Streifen in ihr Gesicht.

»Hol uns hier raus. Bitte hol uns hier raus.«

»Ja«, nickte Myra. »Ja! Die Schlüssel, wo sind die Schlüssel?«

Das Mädchen blickte sich um, ihre Augen waren weit aufgerissen, als starre sie in einen aufkommenden Sturm, in dessen Mitte wütende Blitze zuckten, die nur sie sehen und dessen Donner nur sie hören konnte.

»Wo sind die Schlüssel? Ich brauche die Schlüssel, die Gitter sind zu massiv, um sie aufzubekommen.« Myra griff nach dem Vorhangschloss an der Tür und rüttelte daran. Sie musste sich beeilen und die Mädchen herausholen. Wenn die Männer zurückkamen und sie waren noch hier, war sie verloren. Die Kerle waren zu viert und würden ihr keine Chance lassen.

»Neben der Tür. Sie hängen neben der Tür. Er hat sie dort heruntergenommen.« Myra riss den Kopf herum, wandte sich zur Seite und warf einen schnellen Blick auf den hinteren Teil des Raumes, wo sich ein kleines Gesicht an die Gitterstäbe des gegenüberliegenden Käfigs presste.

»Beeil dich. Sie sind in der Nähe. Ich kann sie spüren.«

Myra drückte sich vom Gitter weg und nickte dem Mädchen zu, dessen Augen im flackernden Licht der nackten Glühbirne zitterten, wie ein gefangener Schmetterling.

»Da sind keine Schlüssel«,

Mit fliegenden Fingern strich sie den Türstock hinauf und hinunter, tastete über Regale, griff in Fächer und fand endlich eine halb offene Schublade, in der ein Bund mit Schlüsseln lag.

»Hab sie. Ich hab sie gefunden«, rief sie und stürzte zur vorderen Tür, aber keiner der Schlüssel wollte passen.

»Verdammt!« Sie drehte sich um und versuchte ihr Glück bei dem Mädchen hinten. Der dritte Schlüssel öffnete das Schloss und Myra riss die Tür auf.

»Raus, komm raus!«

»Schließ meine Tür auf. Schließ auf! Schließ meine verdammte Tür auf. Lass mich nicht zurück!«, kreischte das ältere Mädchen. In ihren Augen flackerte Panik und sie rüttelte verzweifelt am Gitter.

»Sie kommen zurück. Wir müssen weg. Bring uns hier weg. Was ist mit den anderen?« Das jüngere Mädchen klammerte sich an Myra, die den Schlüsselbund fallen ließ. Hastig bückte sie sich danach und fingerte daran herum.

»Ruhig«, pflegte ihr Vater zu sagen. »Wenn es hektisch oder gefährlich wird, musst du Ruhe bewahren. Reagiere schnell und mach das Richtige, aber lass keine Panik aufkommen.«

»Wie heißt du?«, fragte sie das Mädchen und steckte Schlüssel um Schlüssel ins Schloss.

»Susanna. Ich heiße Susanna Michaelis.«

»Gut Susanna. Vanessa und Katja sind in Sicherheit. Sie sind versteckt. Ich bringe euch zu ihnen.«

»Mach schon! Ich will hier raus! Lass mich nicht zurück!«

»Passt!«, keuchte Myra und öffnete das Schloss. Es war der letzte Schlüssel.

Es ist immer der letzte Schlüssel, dachte sie, und ein hysterisches Lachen drängte sich in ihrer Kehle. Aber wie sollte man wissen, welches der Letzte ist, bevor man alle durchprobiert hatte. Sie verstummte abrupt.

In der folgenden Stille war im angrenzenden Raum ein fernes Schaben zu hören und sie zuckte zusammen. Ihr Herz donnerte wie wild gegen ihre Rippen und setzte für einen Moment aus.

Bitte nicht, dachte sie. Bitte nicht! Nur ein paar Minuten und wir sind draußen.

Nicoletta schnappte nach Luft und Susannas Gesicht verzerrte sich. Sie wurde kreidebleich, drehte sich herum, stürzte zur Tür und griff nach einem Messer, das dort auf einem Regalbrett lag. Ihre Augen starr auf die Tür gerichtet, versteckte sie das Messer hinter ihrem Rücken.

Kein weiteres Geräusch war zu hören. Nicoletta atmete stöhnend aus. Myra zog ihr Jagdmesser. Ein Geschenk ihres Vaters, bevor er sie in der Wildnis aussetzte.

»Es soll dir Glück bringen, dir dienen, nützlich sein und dich beschützen.« Würde sie es heute gegen einen Menschen einsetzen müssen?

Sie lauschte, versuchte mit all ihren Sinnen auf eine mögliche Gefahr zu reagieren. Die Luft war abgekühlt oder bildete sie sich das nur ein? Ein Schauer lief über ihren Rücken. Vorsichtig öffnete sie den Käfig, zog Nicoletta heraus und sie gingen zur Tür.

Noch immer war kein Geräusch zu hören. Myra schob sich hinaus und sah, dass die Schrankwand nachgegeben und sich zum Teil geschlossen hatte. Sie atmete auf, drückte dagegen und führte die Mädchen in den Raum dahinter und die Treppe hinauf.

Im Haus war es still, bis auf die knackenden Geräusche, die ein Holzhaus gelegentlich macht, wenn die Luft sich abkühlt oder erwärmt. Die Frauen schlichen den Gang entlang.

»Wir müssen vorne raus. Es gibt keinen anderen Weg«, flüsterte Myra und presste die Lippen zusammen. Wenn die Männer jetzt zurückkamen, würden sie dort draußen wie auf einem Präsentierteller im Licht der Laterne stehen.

Susanna duckte sich und huschte in einen der Räume.

»Komm zurück, wir müssen weg. Sie können jeden Moment nach Hause kommen.«

»Wir springen aus einem der Fenster«, zischte Susanna und steckte den Kopf zur Tür herein. »Dort sind wir näher am Wald.« Sie lief durch das Zimmer, starrte hinaus in die Dunkelheit und öffnete das Fenster. Myra stellte sich neben sie und horchte auf die Geräusche, hörte aber nichts als den Wind, der zwischen den Bäumen hindurchwehte. Susanna beugte sich weit nach vor, kletterte auf die Fensterbank und sprang.

»Alles okay, ihr könnt kommen«, flüsterte sie, und Myra half Nicoletta hoch. Sie sprang hinterher, zog das Fenster so weit wie möglich heran und folgte den beiden.

»Wohin?« Susanna drehte den Kopf, ihr Haar hing über die Stirn, der Mund stand offen, die Augen schmal.

»In den Wald«, antwortete Myra und streckte ihre Hand aus. »Wir müssen zum Fluss. Sie haben Autos und ich konnte sie nicht stilllegen. Sie sind im Moment zu Fuß unterwegs, aber sobald sie merken, dass ihr fliehen konntet, werden sie keine Zeit verlieren und uns jagen. Deswegen dürfen wir nicht auf die Straße.« Sie wandte sich um, schaute auf das Blockhaus und zögerte einen Augenblick.

»Geht in diese Richtung, ich bin gleich wieder da.« Dann lief sie los und steuerte auf das Haus zu, das in einem Viereck aus Mondlicht hinter ihnen stand.

Nicoletta sperrte die Augen weit auf und wollte ihr folgen, aber Susanna hielt sie zurück. »Wir müssen hier lang, du hast sie gehört.«

»Aber ... aber ...«

»Sie holt uns sicher ein, wir müssen bloß in die Richtung gehen, die sie uns gesagt hat. Komm schon!«

Myra rannte zur Veranda, schnappte sich ihren Bogen und den Köcher und lief geduckt auf den Wald zu. Alle ihre Sinne zum Zerreißen gespannt. Auf der mondhellen Lichtung gab sie ein gutes Ziel ab, aber nur ein großer Waldkauz beobachtete sie aus einer Eiche heraus und ließ seinen schaurigen Ruf ertönen.

Und während sie unter den schützenden Bäumen eintauchte, dachte sie an Kyle. Die Kerle hatten den Ranger getötet, der Kyle beobachtet und wohl für einen der Jäger gehalten hatte. Er war also keiner von ihnen. Sie musste ihn warnen, bevor er ihnen in die Arme lief.

Die wissen nicht, wer die Mädchen befreit hat, dachte sie, also werden sie ihn verdächtigen und erschießen. Und damit wurde ihr schlagartig klar, dass die Männer auch sie jagen und nicht aufgeben würden, solange jemand am Leben blieb, der ihnen schaden konnte.

Sie war in eine gottverdammte Treibjagd geraten, in der sie und die Mädchen das Wild waren.

»Die werden uns jagen, bis wir alle tot sind«, keuchte sie entsetzt, und fragte sich, wie sie alle retten sollte. Sie mussten im Wald unsichtbar werden und sich in die Stadt durchschlagen, um zu überleben.

Myra war klar, dass die Männer nichts unversucht lassen würden, sie zu finden. Fieberhaft ging sie alle Möglichkeiten durch und beschloss, dem Fluss zu folgen. Ihre einzige Chance.

Nur Gott mochte eine Ahnung davon haben, wie sie da wieder herauskamen.




sechs




»Was machen wir mit ihm? ? Werfen wir ihn in den Fluss?«

»Dann kannst du ihn genauso gut auf die Straße werfen, Idiot oder gleich bei den Bullen abliefern und ihnen sagen, du hast ihn erschossen.«

»Er wollte mich erschießen, verdammt! Ich war bloß schneller und jetzt hat er ein Loch im Schädel. Geschieht ihm recht.« Arno Daniels betrachtete triumphierend den toten Ranger. Seine Augen waren unnatürlich geweitet, die Pupillen auf Stecknadelkopfgröße geschrumpft. Noch nie hatte er ein derartiges Hochgefühl erlebt. Er beugte sich über ihn und spuckte neben ihm aus, während sein Herz vor Erregung wie wild schlug. Wäre der Mann auf dem Boden eine Sekunde schneller oder er selbst eine Sekunde langsamer gewesen, wäre er jetzt derjenige gewesen, der vor ihm im Dreck gelegen hätte. Mit einer Kugel im Kopf. »Wir werden ihn vergraben. Dann findet ihn keiner.«

»Verdammt, wir hätten ihn laufen lassen sollen.« Mit einem angewiderten Ausdruck im Gesicht wandte Reinhard Frost sich ab. Über seiner rechten Augenbraue zuckte eine nervöse Stelle, höchste Alarmstufe für seine Frau Janine, die gelernt hatte, dass in diesem Falle Schläge drohten und ihr Betteln nur grausamere Prügel zur Folge hatten.

»Das haben wir alles besprochen. Wir konnten ihn nicht laufen lassen. Er wäre mit anderen Rangern hier aufgetaucht und hätte alles auf den Kopf gestellt. Viel zu gefährlich.«

»Hast du irgendetwas mit den Ohren oder laufen in deinem Kopf einige Rädchen ins Leere? Nichts von dem, was ich sage, scheint bei dir anzukommen. Du hast einen Ranger erschossen! Denkst du etwa, der fehlt niemand. Denkst du, die sagen, der kommt eines Tages wieder, und wenn nicht, finden wir einen Neuen. Die werden ihn suchen. Sie werden den ganzen verdammten Wald nach ihm durchkämmen.« Er wandte den Kopf zur Seite und holte tief Luft, als wollte er noch viel mehr sagen, ballte die Faust zum Schlag und holte aus. Aber Arno duckte sich nicht ängstlich weg, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Er blieb einfach stehen und sah Reinhard an. Sein Gesicht hatte die Farbe kalter Asche, aus der die Augen herauszubrennen schienen. Der Lauf seines Gewehres war auf Reinhards Bauch gerichtet.

Dessen Miene änderte sich schlagartig. Er wischte mit dem Ärmel seines Hemdes über die Stirn. In seinen Ohren rauschte das Blut und sein Herz hämmerte wie ein Amboss in der Brust.

»Wir könnten ihn zehn Kilometer weit wegschaffen und dort liegen lassen. Ein Jäger hat ihn irrtümlich erschossen«, sagte Arno, zuckte mit der Schulter und ließ das Gewehr sinken, als hätte er das Ding nur zufällig in der Hand, seine Augen unablässig auf Reinhard geheftet.

»Willst du ihn tragen und eine gut sichtbare Blutspur hinterlassen? Zehn Kilometer. In meinen Wagen kommt er nämlich nicht. Der versaut mir den Kofferraum.« Reinhard hob den Kopf und schaute in das Licht des Mondes, der durch die Baumwipfel blinzelte. Auf seinen Wangen waren weiße Flecken.

»Dann vergraben wir ihn eben«, lenkte Arno ein und schaute über seine Schulter, als er im Laub hinter sich Schritte näherkommen hörte.

»Wir haben einen Schuss gehört, verdammt, was läuft hier?«, rief Heimo und blieb abrupt stehen. Seine Augen starrten gebannt auf den Körper, der reglos vor ihnen lag.

»Ist das ... ist das der Ranger?«, wisperte Jeremy hinter ihm. Seine Stimme klang heiser, er blickte wie betäubt zu Boden.

»Er wollte auf mich schießen, aber ich war schneller«, polterte Arno, machte einen Schritt nach hinten und warf zornig die Arme hoch. »Wir vergraben ihn. Er war nicht bei uns, wir kennen ihn nicht. Wir sind untertags auf der Jagd und haben ihn noch nie gesehen.«

»Sieh nach, ob er einen Ausweis bei sich trägt.« Heimo atmete heftig durch die Nase aus, in seinen Augen eine verborgene Unruhe. Seine Brust bewegte sich heftig auf und ab. Falten furchten seine Stirn.

»Hier ist ein Schlüssel von einem Ford.«

»Wir müssen den Wagen finden. Wenn die anderen die Kiste in unserer Nähe finden, sind wir am Arsch.«

»Er hat einen Ausweis dabei. Zumindest denke ich, dass es ein Ausweis ist. Wegen des Fotos. Ist das Russisch? Ich kann das nicht lesen.«

»Gib her, den verbrennen wir besser. Wir sind in Montenegro. Sie schreiben hier kyrillisch. Falls ihn irgendwann, irgendjemand findet, wollen wir es ihnen nicht allzu leicht mit der Identifizierung machen.«

Jeremy hielt Arno die Hand hin, während er mit ausdrucksloser Miene in die Düsternis das angrenzenden Waldes schaute.

Eine Stunde später hatten die Männer mit Heimos Klappspaten, den er bei seiner Ausrüstung immer dabeihatte, mühsam Steine um Steine zur Seite geräumt, eine flache Grube ausgehoben, Zweige herbeigeschafft und letztendlich ein Grab geschaffen.

Müde, dreckig und verschwitzt von der ungewohnten Arbeit gingen sie zurück.

»Das Ding ist aus dem Ruder gelaufen. Das war nie so geplant.«

»Warum musste er auch seine Nase in Dinge stecken, die ihn nichts angingen.«

»Morgen suchen wir die Mädchen, finden wir sie, werfen wir sie in den Fluss. Finden wir sie nicht, hoffen wir, dass sie bereits im Fluss ersoffen sind. Am Abend packen wir die anderen in den Wagen, fahren sie in den Wald, erschießen und vergraben sie, und verschwinden hier. Wir haben keinen zweiten Peilsender und ich möchte kein weiteres Risiko mehr eingehen.« Reinhard biss sich auf die Unterlippe.

»Schon wieder graben. Ich habe mir heute von dem Ranger Blasen an den Händen geholt. Ich kann nicht morgen schon wieder graben«, murrte Jeremy weinerlich. Er drehte die Handflächen nach oben und betrachtete sie im Mondlicht.

»Wir müssen sie finden. Wir können sie nicht laufen lassen«, widersprach Heimo und atmete scharf ein. »Solange die verdammten Schlampen am Leben sind, fährt keiner von uns nach Hause. Ist das klar!«

»Ich habe Handschuhe im Wagen. Kann ich zumindest die Handschuhe mitnehmen.«

»Die haben sicher irgendwo eine Spitzhacke und Schaufel, damit sind wir morgen schneller. Scheiße! Wir hätten die Dinger holen sollen, dann wären wir längst hier fertig.« Arno schnaubte empört.

»Das war eigentlich deine Kiste«, knurrte Heimo. »Sei froh, dass wir dir geholfen haben.«

»Die Mädchen müssen verschwinden«, wiederholte Reinhard, mahlte mit den Backenzähnen und warf einen Blick über die Schulter zurück. Er fragte sich, ob Arno tatsächlich abgedrückt hätte, wie er in seinem Gesicht zu lesen meinte, und gelangte zu dem Schluss, dass er es wohl nur seiner Zurückhaltung zu verdanken hatte, jetzt nicht neben dem Ranger zu liegen. Mit einem Loch in seinem Bauch.

Ein kühler Wind raschelte in den Bäumen über ihnen und er meinte schaudernd den Geruch von Moder und kalter Walderde in der Luft zu spüren. Aus irgendeinem Grund geriet er darüber ins Grübeln und eine alte Frage, die ihn als Jugendlichen beschäftigt hatte, tauchte aus den Tiefen seines Bewusstseins wieder auf. War es die eigene Vergänglichkeit, der eigene Tod oder vielmehr das Unbekannte, das dahinter lag und all das, was in der anderen Welt auf ihn wartete.

»Du hast recht«, unterbrach Heimo seine Gedanken. Wenn das hier vorbei ist, fahren wir ans Meer und machen uns ein paar ruhige Tage. Es wird das Beste sein, wenn wir eine Weile nicht herkommen und Gras über die Sache wachsen lassen.«

»Wir müssen spätestens im Herbst wiederkommen. Wir kommen jedes Jahr im Herbst. Es würde auffallen, wenn wir nicht kommen, und nächstes Frühjahr überlegst du besser, die Hütte zu verkaufen. Wir werden auf jeden Fall den Keller zumauern, damit ihn niemand finden kann.«

»Das heißt, unsere kleinen Ausflüge sind Geschichte?«

»Ich weiß nicht? Mal sehen, wie viel Aufsehen das Verschwinden des Rangers macht. Wir dürfen nicht damit in Verbindung gebracht werden. Ich möchte nicht unvorsichtig werden, aber auch nichts voreilig entscheiden, dass wir vielleicht später bereuen.«

»Was ist mit Arno und Jeremy?«

»Die halten dicht. Sie stecken mit drin. Arno hat das Mädchen und den Ranger getötet, der Kerl wird mir beinahe unheimlich. Jeremy hat ihn nicht daran gehindert. Das bleibt an ihnen haften. Die Zwei haben auch die Mädchen organisiert, wir waren bis dahin nur Jäger, erst als wir die beiden eingeladen haben, ist es eskaliert.«

»Und wie geht es jetzt weiter?«

»Schnapp dir Arno, sucht den verdammten Wagen, um ihn irgendwo abzustellen und sieh zu, dass du nichts am Auto anfasst. Lass Arno das machen.« Reinhard lächelte böse.

Besser sie hatten ihn in der Hand, als umgekehrt.

Viel besser.


* * *


»Folgt mir, wir müssen so schnell wie möglich zum Fluss.« Nicoletta erschrak, als Myra plötzlich neben ihnen auftauchte. Susanna atmete erleichtert auf.

»Ich dachte, du lässt uns allein, du hättest es dir vielleicht überlegt.«

»Nein, nein! Keine Sorge, ich bringe euch hier heraus.«

»Wie willst du den Weg zum Fluss finden? Es ist zu dunkel, um durch den Wald zu irren.«

»Ich kann in der Nacht gut sehen und gehe voraus. Ihr folgt mir. Schaut nicht zu Boden, während wir gehen, sonst stolpert ihr bloß. Schaut nur auf meinen Rücken. Wir machen eine Pause, wenn ihr nicht mehr weiterkönnt, aber jetzt müssen wir erst mal Land gewinnen und einen Vorsprung herausholen.« Myra fasste die beiden an den Armen und blickte ihnen ins Gesicht.

»Ihr wollt doch nicht wieder zurück, oder doch?«

Sie schüttelten entsetzt die Köpfe und rissen die Augen weit auf.

»Also los!«

Myra konzentrierte sich auf das wenige Licht, das der Mond hergab, und bewegte sich mit äußerster Vorsicht durch den Wald. Unter ihren Füßen raschelte abgestorbenes Laub und bei jedem Schritt knackten Zweige, ganz gleich wie behutsam sie waren. Es ließ sich nicht vermeiden.

Der Wind frischte auf, fegte durch die Eichen und wirbelte abgerissene Blätter hoch in die Luft, die im diffusen Halbdunkel aussahen, wie kleine Vögel. Myra blieb stehen und lauschte nach allen Seiten, aber außer dem Sirren der Zikaden und dem gelegentlichen Flattern von Fledermausflügeln über ihnen war kein Geräusch zu hören.

»Okay, weiter«, flüsterte sie. Sie kamen zu langsam voran, aber wenn sie schneller lief, würde sie die beiden Mädchen verlieren.

Nach einer ganzen Weile hielt sie wieder inne und starrte in den Wald, um sich zu orientieren. Die Bäume hatten sich gelichtet und vor ihnen schimmerte das Mondlicht durch ein Gestrüpp und beleuchtete einen Weg, kaum mehr als ein Pfad.

»Wenn wir ihm folgen, bringt er uns auf eine Straße und in ein Dorf?«, fragte Susanna. Ihre Augen starrten ausdruckslos in die Dunkelheit vor ihnen, aber ihre Fäuste ballten und öffneten sich in einem fort.

»Ich weiß nicht. So weit ich die Karte von dieser Gegend im Kopf habe, gibt es hier im Umkreis von fünfzig Kilometern kein Dorf. Nur eine Straße. Es könnte sein, dass wir sie finden. Kann aber auch sein, dass der Weg direkt zur Blockhütte führt. Das heißt, dass die Kerle vielleicht diesen Weg entlangkommen, weil sie annehmen, ihr läuft da entlang, um schneller voranzukommen.«

»Nein, nein!«, wimmerte Nicoletta und blinzelte, als hätte ihr jemand unerwartet einen Schlag versetzt. »Sie werden uns einfangen, sie werden uns erwischen.«

»Sie erwischen uns nicht. Ich werde das nicht zulassen.«

»Ich habe Angst!«

»Die werden uns nicht unterkriegen. Wir sind stärker als sie. Das sind wir doch?« Susanna kniff die Augen zusammen, aber in ihren Worten schwang mehr Angst als Hoffnung mit.

»Ja, das sind wir«, versicherte Myra und drückte ihren Arm. Das sind wir. Sie wissen nicht, dass ich auch im Spiel bin. Sie denken sicher, dass ihr allein entkommen seid.«

Oder sie denken, ein zweiter Ranger hat sie befreit, dachte sie. Noch wissen die beiden nicht, dass diese Männer den Ranger ermordet haben. Und das würde sie ihnen jetzt sicher nicht auf die Nase binden.

Sie führte die Mädchen ins Unterholz zurück, blieb jedoch nah genug am Weg, um sich an seinem Verlauf orientieren zu können, und doch weit genug davon entfernt, um nicht gleich entdeckt zu werden.


* * *


»Jeremy, wo bist du? Jetzt ist keine Zeit für Spielchen!«

»Wollte nur in den Keller gehen, um ihnen Essen zu bringen und sehen, ob alles in Ordnung ist«, lachte Jeremy verlegen und hielt in der Tür inne, den Kopf zwischen die Schulterblätter gezogen.

»Bei denen ist gar nichts in Ordnung. Essen brauchen sie nicht mehr und den Rest erledigen wir spätestens morgen Abend«, blaffte Reinhard mit ausdrucksloser Miene. Dann zwinkerte er und richtete den Finger auf Jeremy, in dessen Augen sich eine Spur von Feindseligkeit und Misstrauen widerspiegelten. »Warum willst du sie überhaupt noch füttern. Sie sind so gut wie tot.«

Jeremy zögerte, berührte mit der Zunge die Unterlippe. »Damit sie morgen friedlich sind. Ich mische ihnen von dem Zeug ins Essen, das wird sie ruhigstellen.«

»Scheiße! Du willst, dass sie nichts mitbekommen. Du bist ein echter Menschenfreund, was? Nein! Es geht um dein Gewissen, nicht wahr?« Reinhard lachte schallend. »Oh Mann, was bist du für ein Weichei. Na los, mach schon. Setz die Schlampen unter Drogen, wenn du dich dann besser fühlst, aber spiel nicht mit ihnen ´rum, hörst du? Du gehst nicht runter, um eine letzte Nummer zu schieben.«

»Nein, verdammt«, brummte Jeremy. Er versuchte zu lächeln, so viel Würde zu wahren, wie es unter diesen Umständen möglich war, ging langsam die Treppe hinunter und lief den stickigen Flur entlang. In seinen Augen lag ein glasiger Schimmer.

Er fragte sich, ob er heute Morgen, als er den Mädchen heimlich Wasser gebracht hatte, die Tür geschlossen hatte und war froh, falls nicht, diesen kleinen Fehler selbst in Ordnung zu bringen. Dieser ganze Trip stellte sich immer mehr als Alptraum heraus. So war das alles nicht geplant, und tief in seinem Inneren war er zutiefst entsetzt und schämte und hasste sich für alles, was er ihnen angetan hatte. Er beging Taten, als würde er neben sich stehen und nicht direkt daran beteiligt sein. Und der übermäßige Alkoholkonsum zuvor, um mit den Freunden mitzuhalten, war keine Ausrede.

»Nein Sir, ist es nicht«, sagte er in überzeugtem Ton zu sich selbst und trat durch die Tür im Schrank.

Es war still im Keller.

Die schwere Stahltür dahinter weit offen.

Viel zu weit.

Er konnte er die Käfige sehen, deren Türen ebenfalls offenstanden.

Jeremy stürzte in den Raum und kniff die Augen zusammen. Er spürte, wie sich die Venen an den Seiten seines Kopfes zusammenzogen und drückte unbewusst mit den Fingern gegen die Schädeldecke. Sein Gesicht fühlte sich so kalt und bleich an, als hätte er in Eiswasser gebadet. Verzweifelt hob er den Kopf und starrte in die Glühbirne an der Decke, die unstet aufflackerte, als würde sie sich über ihn lustig machen.

Die Mädchen waren weg, die Vögelchen ausgeflogen.

»Das kann nicht sein«, flüsterte er heiser. »Das gibt es doch nicht.« Nur mit großer Anstrengung unterdrückte er den Wunsch, in die Abteile zu gehen, um sich zu versichern, dass sie sich nicht irgendwo versteckt hielten.

Da drinnen gab es keine Verstecke.

Mit Beinen, die sich anfühlten, wie kalte Bambusstöcke wandte er sich um und tappte in den dunklen Flur zurück, als ob er alle Kraft verloren hätte und nicht mehr wusste, wer er war.

Wenn die Gören zur Polizei gingen, war er geliefert. So viel war ihm klar.

Aus dieser Geschichte kam er nicht mehr heraus.

Mühsam kletterte er die Treppe hoch und sah sich bereits in einem montenegrinischem Gefängnis sitzen, dass nicht viel besser war, als diese Abteile, gequält von deren Insassen. Er tappte in die Küche und starrte auf Reinhard, der am Tisch saß, eine Kaffeetasse in der Hand und ihn ansah, als wüsste er bereits, was er selbst immer noch nicht glauben konnte.

»Sie sind weg«, keuchte er.

»Was heißt das, sie sind weg?«

»Nicht mehr da, verschwunden.« Jeremys Stimme klang gepresst, als ob er in Gedanken ganz woanders wäre. Er wünschte sich weg, weit weg. Vielleicht irgendwo am Meer, an einem sonnigen Strand, mit einem eisgekühlten Daiquiri in der Hand und nicht in diesem gottverdammten Wald, in dieser gottverdammten Blockhütte.

»Scheiße! Jetzt ist die Kacke am Dampfen.« Reinhard sperrte den Mund auf, dann verfinsterte sich sein Gesicht. »Wie konnte das passieren?«

»Mich fragst du das?

»Haben sie Waffen mitgenommen?«

»Ich weiß nicht?« Jeremy drückte den Rücken durch und sah ihn einen langen Moment an. Dann drehte er den Kopf und schaute in den Flur. Er wollte etwas sagen, spürte aber, wie ihm die Worte im Hals stecken blieben. »Ich ... ich ...« Er stieß die Luft aus der Nase und wischte mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

Reinhard sprang auf, stieß ihn grob zur Seite und lief ins Wohnzimmer und zum Gewehrschrank. Er war abgeschlossen.

»Alles klar«, sagte er und holte tief Luft. »Irgendjemand hat sie herausgeholt, aber er hat keine Waffen mitgenommen. Ich frage mich bloß, wie er den Eingang ins Versteck finden konnte?« Reinhard musterte Jeremy von oben bis unten.

»Der Ranger?« Jeremy zuckte die Achseln und bemerkte Reinhards abschätzenden Blick. Er stockte und hielt sich die Hand vor den Mund, als wäre ihm schlecht. »Wir waren den ganzen Tag unterwegs, er hätte Zeit genug gehabt.«

»Der Ranger kann sie nicht freigelassen haben. Er hätte sie nicht allein gelassen. Nein! Der stand an der Hütte, hat auf uns gewartet und ist dann im Wald in Deckung gegangen. Der wusste nichts von den Schlampen. Sie müssen auf anderem Wege entkommen sein.«

»Arno hätte ihn nicht erschießen dürfen. Das war ein Fehler.«

Reinhard schüttelte den Kopf und stieß einen leisen Fluch aus. »Hat irgendjemand die Schlüssel bei ihnen liegen lassen oder zum Absperren vergessen?«

»Vielleicht war er doch im Haus und hat die Mädchen irgendwo zurückgelassen.«

»Er ist tot, von ihm erfahren wir nichts mehr.« Reinhard wischte ärgerlich mit Hand durch die Luft. Seine Stimme klang angespannt. »Du wartest auf Heimo und Arno und erklärst ihnen die neue Situation. Ich gehe raus und suche die nähere Umgebung ab. Wenn ich bloß wüsste, wie viel Vorsprung sie haben, wann sie rausgekommen sind? Wenn ich sie nicht auf der Straße finde, sind sie zum Fluss. In diesem Fall müssen wir morgen bei Tagesanbruch weitersuchen. In der Nacht ist das zwecklos, aber wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Warum sollten sie zum Fluss laufen, sie kennen die Umgebung nicht, oder doch? Sie können überall sein.« Jeremy schwitzte, sein Gesicht war grau und sein Bauch fühlte sich an, als ob große schwarze Fliegen darin herumschwirrten. Er hatte eine Grenze überschritten, das wusste er, und es sah ganz danach aus, als müsste er nun dafür zahlen. Davor graute ihm, und die Angst streckte ihre kalten Arme nach ihm aus.

»Der Weg in die Berge ist zu beschwerlich, den gehen sie nie. Sie laufen entweder die Straße lang oder den Berg hinunter und zum Fluss. Es ist immer dasselbe. Vertrau mir. Ich habe da so meine Erfahrungen.«

»Vielleicht hat ihnen jemand anderer geholfen, ein Typ, der zufällig vorbeigekommen ist.«

»Vergiss es! Hier ist in den letzten Jahren nur der Ranger vorbeigekommen, nie jemand anderer.«

Reinhard griff nach seinem Gewehr, wünschte sich sein Nachtsichtgerät, das er zu Hause liegen gelassen hatte, und verfluchte Jeremy einmal mehr, weil er es war, der die Scheiße entdeckte.

Weil es immer der Bote ist, der als Erstes den Kopf verliert.

Er warf die Tür hinter sich zu und stürmte die Treppe der Veranda hinab.

Was, wenn die beiden Schlampen, die ihnen entkommen waren, zurückgekommen waren, um die anderen zu befreien? Nein! Das war undenkbar. Die beiden waren in den Fluss gefallen und ertrunken. Und selbst wenn es eine von ihnen geschafft hätte, wäre sie nicht zurückgekehrt. Niemand würde freiwillig in das Gefängnis zurückkehren, in dem sie gefoltert und misshandelt wurden.

Niemand!

Er war erschöpft und konnte nicht mehr klar denken. Ein Windstoß wirbelte Blätter um ihn herum auf. Das Mondlicht sickerte zwischen den Bäumen hindurch und warf grauweiße Lichtflecken auf den Boden, die in der Brise flackerten. Reinhard wandte sich nach rechts, zwängte sich durch das Unterholz am Rande der Lichtung und lief durch den Wald den Berg hinunter, bis er die Straße kreuzte, die plötzlich vor ihm auftauchte. Er war so überrascht, dass er stolperte und stürzte.

Fluchend rappelte er sich hoch und sah wild um sich. Hoch über ihm keckerte ein Eichelhäher. Die Mücken hatten ihn gefunden und tanzten in dichten Schwärmen um seinen Kopf.

Es hat keinen Sinn, dachte er. Ich kann im Dunklen keine Spuren finden und vergeude bloß Zeit und Energie. Wir machen uns morgen früh auf den Weg und suchen sie. Dann sind unsere Chancen um ein Vielfaches größer.

Wir finden sie.

Morgen.

Scheiße! Es war eine blöde Idee, Arno und Jeremy zur Jagd einzuladen.


* * *


Vier endlose Stunden später, die sie mehr durch den Wald stolperten als gingen, trafen Myra, Nicoletta und Susanna erschöpft in dem kleinen Tal ein, dass nur über einen unscheinbaren Wildpfad zu erreichen war. Die letzten Schritte tappten sie in völliger Dunkelheit. Myra tastete sich vorsichtig, Schritt für Schritt voran und atmete erleichtert aus, als sich vor ihnen der Wald öffnete. Ein Dreiviertelmond tanzte fröhlich auf dem Wasser der Tara und warf sein helles Licht auf den Fluss. Sie gingen hinunter, am Ufer aus weißem Kies entlang und Myra blickte an der Felsformation hoch, die über das enge Tal aufragte. Eine einsame, verkrüppelte Kiefer hatte es irgendwie geschafft, aus der nackten Steinwand herauszuwachsen.

»Seht ihr da oben die Kiefer?«, zeigte sie mit der Hand in den Nachthimmel. Direkt darüber ist die Höhle, dort sind wir in Sicherheit.«

»Aber ... wie kommen wir da hoch. Ich kann nicht klettern«, stammelte Nicoletta und legte den Kopf in den Nacken. »ich schaffe das bestimmt nicht.« Ihre Augen glänzten im Mondlicht.

»Es gibt einen Weg dort hinauf, nicht wahr?«, stellte Susanna fest, und ließ ihre Blicke über die Felswand streifen.

»Ja, natürlich«, nickte Myra. »Auf der anderen Seite des Tals führt ein Weg hinauf. Mehr eine ausgewaschene Rinne, aber begehbar. Es ist nicht mehr weit.«

Katja und Vanessa waren außer sich vor Freude und Erleichterung die Freundin und das junge Mädchen zu sehen und in Sicherheit zu wissen. Aber Myra war klar, dass diese Sicherheit nur eine Scheinbare war. Eine kleine Auszeit, die sie hatten, bis diese Männer sich morgen früh auf die Suche nach ihnen machen würden. Sie blieb eine Weile vor der Höhle stehen, um ihnen Zeit zu geben, lauschte der Tara tief unter ihr und blickte zu den Sternen, die den Nachthimmel erhellten. Auf eine eigenartige Weise fühlte sie sich getröstet durch ihre Unendlichkeit im Vergleich zu dem kleinen Platz, den sie hier unten einnahm.

»Ich bringe sie in die Stadt und in Sicherheit«, sagte sie leise. »Diese Männer müssen dafür büßen, was sie ihnen angetan haben.« Wie zur Bestätigung oder als Antwort einer höheren Macht fegte eine Windbö durch das Tal, strich ihr durchs Gesicht, ließ ihre Haare flattern und zeichnete ein hartes Lächeln auf ihren Mund. Sie ging nach hinten, entzündete ein Feuer und verhängte zur Sicherheit den Eingang mit ihrem Zelt. Die Flammen warfen einen wohligen Schein über ihr Lager, an dem die Mädchen zusammengekauert hockten. Eine kleine Oase von tanzendem Licht inmitten der finsteren Höhle.

Sie versorgte die Vier mit ihren letzten Vorräten, teilte die Notration auf, und sah von einer zur anderen.

»Das ist alles, was wir haben. Mehr gibt es nicht. Ich muss morgen sehen, wie wir an Essen kommen«, sagte sie und ging aus der Höhle, um Wasser zu holen.

Irgendwo da draußen waren diese Männer, die sie töten wollten. Myra dachte darüber nach, noch in der Nacht die schützende Höhle zu verlassen und weiterzuziehen, aber es hatte keinen Sinn. Sie würden im Mondlicht nicht weit kommen, die Verletzungsgefahr wäre zu groß. Sie kniete sich in den Kies, füllte ihre Wasserflaschen auf und ging zurück.

Der Wind frischte auf und blies kühle Luft durch einen Zugang auf der anderen Seite der Höhle. Sie rollten sich zusammen, nutzten Myras Kleidung, die Decke und eine Alufolie aus der Erste Hilfe Tasche, rückten eng aneinander, um sich warm zu halten und schliefen ein.

Bei Sonnenaufgang wirkte die Höhle nackt und leer, genauso wie Myra selbst sich fühlte. Der Geruch von kaltem Rauch lag in der Luft und sie meinte, den Geschmack von Asche im Mund zu spüren. Ihr Gesicht bekam einen düsteren Ausdruck. Sie stand auf, versuchte die tiefe Müdigkeit abzuschütteln, die ihr in den Knochen steckte und stocherte in den Resten des Lagerfeuers. Aber die Glut war längst erloschen. Mit einem langen Seufzer atmete sie aus, ging zum Höhleneingang und zog das Zelt zur Seite, um Licht hereinzulassen.

Es regnete aus einem dunstig-grauen Himmel. Die Luft war angenehm frisch, eine warme Brise zog vom Wasser herauf, die den Geruch von feuchtem Gras und Raubtierdung mit sich brachte.

Myra weckte die Mädchen.

»Kommt hoch, wir müssen los. Die Männer werden uns nicht viel Zeit lassen, wir müssen unseren Vorsprung nutzen.«

»Sie werden uns finden und töten.«

»Ich habe Angst.«

»Noch haben sie uns nicht und wir werden nicht aufgeben. Wir werden um unser Leben kämpfen.« Myras Augen wurden schmal und sie sah Katja und Vanessa scharf an. »Oder denkt ihr, ich habe die beiden dort herausgeholt, um euch jetzt eurem Schicksal zu überlassen. Kann aber auch sein, ihr hofft auf irgendwelche Retter, die kommen und euch herausholen.« Sie horchte einen Augenblick auf das angsterfüllte Klopfen ihres Herzens und schüttelte ärgerlich den Kopf. »Es wird nämlich niemand kommen, soviel ist sicher. Ihr seid hier in einem ziemlich abgelegenen Teil des Nationalparks, weit ab von den Wanderwegen. Hierher kommen keine Touristen und Wanderer, hierher kommen bloß Jäger ... und es ist zurzeit keine Jagdsaison.«

Sie schnaubte verächtlich. »Zumindest nicht für Rot- oder Schwarzwild.«



Fluchend kletterte Jeremy Gordon über den zugewachsenen Grund eines Hohlweges, rutschte auf den nassen Wurzeln eines Baumes aus und landete bäuchlings auf dem felsigen Boden. Unter brennenden Schmerzen von aufgeschürften Ellbogen, Knien und Gesicht rappelte er sich auf und tastete sich weiter vorwärts. Wartete in einer mit feuchtem Laub gefüllten Vertiefung, bis sein Atem wieder normal ging, horchte und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sie waren nach einem hastigen Frühstück bei Tagesanbruch losgezogen, müde, übernächtigt und ohne Plan. Jeremy blickte zum Himmel hinauf. Die Wolken hatten sich verzogen und die Sonne begann bereits, die Feuchtigkeit aufzusaugen. Auch der Wind hatte sich gelegt und die Bäume über ihm bewegten sich nicht mehr. War das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Nachdenklich tastete er über sein Gesicht und schaute den Hohlweg zurück.

Er war allein.

Er hatte die anderen verloren.

Entweder war er zu weit nach rechts abgedriftet, als sie den Berg hinunter in Richtung Fluss gegangen waren oder die anderen hatten angehalten, ohne dass er es bemerkt hätte.

Jeremy zögerte.

Er konnte nicht nach seinen Freunden rufen, ohne die Mädchen zu warnen, die vielleicht in der Nähe waren. Genauso wenig, wie sie ihn rufen konnten. Also beschloss er immer weiterzugehen und den verdammten Fluss zu finden, um dort wieder auf seine Freunde zu treffen.

Mit einem grimmigen Ausdruck in den Augen kam er auf die Beine, wischte über den fleckigen Stoff seiner Hose, die vom Sturz nass und klamm war und kletterte den Steilhang hoch, um Ausschau zu halten. Die Sonne brach durch die Wolken über ihm und unter einem dornenübersäten Waldstück, keine zwei Steinwürfe vor ihm, konnte er den Fluss sehen, über dessen silbrig flirrendem Licht kleine Vögel hin und her flitzten. Er trat bis an den Abgrund weiter nach vorne und schaute nach unten. Am steinigen Ufer, im Schatten der Bäume hockte vornübergebeugt eine Frau mit dunklem Haar und trank aus der hohlen Hand.

Jeremy kniff die Augen gegen das blendende Licht der Sonne zusammen, dass sich auf den Wellen spiegelte, wie tausend kleine Lichterbündel, und grinste hämisch.

Also doch nicht ertrunken, dachte er, und freute sich über sein Glück.

Blöde Kuh. Warum war sie auch nicht weitergelaufen, hatte sich versteckt oder besser noch, war sie ersoffen?

Langsam, beinahe ehrfürchtig sank er auf ein Knie, hob das Gewehr hoch und krümmte den Finger um den Abzugsbügel.

Die Kugel traf Vanessa Harrer seitlich in den Rücken wie ein überdimensionaler Hammer, als sie eben am Aufstehen war, drang unter ihrem Herzen ein und riss ein faustgroßes Loch in ihre Brust. Sie wurde von den Füßen gerissen, kopfüber ins Wasser geschleudert und sofort von der Strömung hinausgetragen in den Fluss. Dort trieb sie mit dem Gesicht nach unten. Ihr Blut wallte, wie rote Rauchschwaden im türkisgrünen Wasser, bevor sie unter die glitzernde Oberfläche gezogen wurde.

»Ha! Getroffen. Ich habe eine erwischt!«, kreischte Jeremy Gordon mit heller Stimme, sprang auf und schaute wild um sich, bereit, es sofort mit jedem neuen Gegner aufzunehmen und auf alles zu schießen, was sich dort unten bewegte. Die Adern in seinem Hals pulsierten dunkel.

Plötzlich spürte er ein Stechen im Nacken, als ob sich eine große Mücke tief in seine Haut gegraben hätte. Er drehte sich im Kreis und bekam einen schwarzen Stab zu fassen, der zu seinem Entsetzen unter seinem Kinn hervorragte.

»Was verdammt ...«, keuchte er und starrte verdutzt auf die rot glänzende Spitze, die zitternd vor seinen Augen vibrierte. Sein Kopf zuckte zurück, die Augen weiteten sich, und bevor er darüber nachdenken konnte, zerrte seine linke Hand den Pfeil nach hinten und er stierte ihn an, als habe ihn blitzartig eine böse Erkenntnis getroffen.

Indianer, zuckte ein irrationaler Gedanke durch seinen Kopf, er drehte sich auf einem Bein, trat zwei Schritte zur Seite und stürzte in die Tiefe.



Der Schuss kam völlig unerwartet. Myra war mit eingelegtem Pfeil unter den Bäumen gestanden und hatte das Ufer nach verdächtigen Bewegungen abgesucht. Sie riss den Kopf in die Höhe, sah den Jäger, spannte den Bogen und ließ den Pfeil fliegen. Nie hätte sie gedacht, dass die Männer ihnen so nahe waren.

»Auf den Boden! Runter!«, schrie sie den Mädchen zu und sprang zurück in den Schutz des Waldes. Sie sah den Jäger in die Tiefe fallen und schaute gehetzt nach Vanessa. Suchte im Uferstreifen und unter den Bäumen, aber vor ihr lag im hellen Sonnenlicht nur die friedlich dahinfließende Tara.

»Vanessa?«, rief Myra.

»Sie ist ... sie ist ins Wasser gefallen«, stammelte Nicoletta mit zitternder Stimme und starrte auf das Ufer, wo Vanessa noch vor einer Minute aus dem Fluss getrunken hatte.

»Sie ist in den Fluss gestürzt. Er hat auf sie geschossen und sie ist in den Fluss gestürzt«, bestätigte Susanna Michaelis und klammerte sich an Katja Teichmann, die kreidebleich am Waldboden hockte und kleine, wimmernde Laute ausstieß.

»Bleibt wo ihr seid«, herrschte Myra die Mädchen an, sprang hoch, lief den Waldrand entlang und suchte die Felswand über ihnen ab. Ihre Augen rasten hin und her, ihr Kopf wandte sich von einer Seite zur anderen, während sie versuchte überall gleichzeitig hinzusehen, hielt schließlich inne und horchte in die Stille. Nur der Fluss, die Zikaden und irgendwelche Vögel im Wald waren zu hören. Sie waren wieder allein.

Myra blickte über die Schulter nach dem Jäger, der mit eigenartig verdrehten Gliedmaßen am Fuße der Felswand neben einem Strauch lag und lief zum Fluss, um nach Vanessa Ausschau zu halten.

Ich muss sie finden, dachte sie, obwohl sie wusste, dass es zwecklos war. Aus dieser Entfernung konnte der Schuss nur tödlich gewesen sein.

Schritt für Schritt ging Nicoletta mit verzerrter Miene das Ufer entlang zu dem Jäger. Ein Fuß schob sich vorwärts, der andere folgte. Sie dachte nicht darüber nach, was sie dort wollte, was sie zu sehen bekam oder was sie erwartete. Sie folgte bloß einem Instinkt, der ihr befahl, dorthin zu gehen. In ihrem Kopf war das Bild von Vanessa, die Wasser aus dem Fluss schöpfte, plötzlich zur Seite geworfen wurde und dann lautlos im Fluss verschwand.

Einfach so.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, trat sie aus dem Schatten der Bäume und konnte im fahlen Licht den Jäger erkennen, der aus dem Himmel über ihr gestürzt zu sein schien. Er lag auf dem Rücken und schaute sie aus großen Augen an. Ein Bein war verdreht und zuckte unkontrolliert, das andere abgeknickt, ein blutiger Knochen ragte aus der Hose hervor. Der rechte Arm war eingeklemmt unter dem Rücken, als habe er versucht, den Aufprall zu dämpfen, der linke Arm wischte hilflos durch die Luft. Blut sickerte aus einer Wunde am Hals zwischen die Steine.

Nicoletta bückte sich und nahm einen schweren Ast auf, den der Fluss beim letzten Hochwasser hierhergetragen hatte. Das vordere Stück endete in einer knorrigen Wurzel. Sie schaute auf den Jäger, schaute in sein Gesicht und ihr anklagender Blick ging durch ihn hindurch, als würde sie in die Finsternis seiner Seele schauen.

Jeremy Gordon hob den Kopf und sah sie an. Seine Augen waren schwarz vor Schmerz und Angst, er bettelte mit schwacher Stimme.

»Hilf mir. Ich bin abgestürzt. Ich weiß auch nicht wieso. Bitte hilf mir. Ich habe mir den Arm gebrochen.« Blut und Speichel sickerte ihm aus dem Mundwinkel.

»Du hast mich vergewaltigt«, sagte Nicoletta mit tonloser Stimme. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Du hast mich benutzt wie ein Stück Dreck.« Sie hob den Ast mit beiden Händen hoch über ihren Kopf und ließ ihn auf Jeremys Gesicht sausen.

Knirschend brachen die Nase, drei Zähne und der Unterkiefer. Jeremy riss dem Arm empor, versuchte sich zu schützen und sog Blut in die Lungen. Gurgelnd versuchte er gleichzeitig zu schreien und zu atmen.

»Du bist selbst ein Stück Dreck!«, keuchte Nicoletta und schlug wieder zu. Und noch einmal.

Die Haut auf Jeremys Stirn platzte auf. Durch die Wucht der Schläge wurde sein linkes Auge tief in den Kopf gedrückt und sein Nasenbein vollends zerschmettert.

»Nicoletta!«, schrie Myra vom Fluss her und lief über den strahlend weißen Kies des Uferstreifens.

»Nicoletta! Nein!«

»Er hat mich vergewaltigt. Er hat mich zerstört. Er muss sterben!« Sie hob ein weiteres Mal den Ast und schlug mit einer Kraft zu, die sie sich selbst nie zugetraut hätte. Und wieder und wieder. In einer völlig enthemmten Raserei. Ihre Haare peitschten bei jedem Schlag um ihr Gesicht.

»Nicoletta ...«, keuchte Myra, stürzte sich auf die junge Frau und riss ihr den blutverschmierten Ast aus den Händen. Sie drehte sie herum und zerrte sie weg von dem Mann.

»Er ist ein Tier. Ein böses, widerwärtiges Tier, das man erschlagen muss, bevor er es wieder tut.«

Trotzig hob sie den Kopf in die Höhe und versuchte einen letzten Blick auf den Mann zu werfen, aber Myra stieß sie in das Unterholz und trieb sie vor sich her.


* * *


»Still!«

»Das war ein Schuss.« Reinhard rieb sich das Gesicht, versuchte die Müdigkeit zu vertreiben.

»Das war Jeremy. Es kam aus östlicher Richtung.« Arno hob den Kopf, als witterte er den Geruch von Blut, sein Körper angespannt, den rechten Fuß im Schritt erstarrt, halb im Licht, halb im Schatten der Bäume lauschte er in den Wald. »Er hat entweder die Mädchen gefunden oder sich verirrt und fürchtet, nicht mehr aus dem Wald herauszufinden, sonst hätte er nicht geschossen.«

»Immer ruhig mit den jungen Pferden«, meinte Heimo trocken und hob mit düsterer Miene die Hand. »Er hat nur einmal geschossen. Falls er die Schlampen gefunden hat, heißt das, die Zweite ist ihm entkommen und er ist hinter ihr her. Mag sein, dass sie sich getrennt haben. Wir wissen auch nicht sicher, was mit den anderen beiden ist. Hätte er sich verirrt, hätte er zwei schnelle Schüsse hintereinander abgegeben. So war es verabredet.«

»Also hat er zumindest eine erwischt. Ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie sich gefunden haben. Die sind doch ertrunken.«

»Und wenn tatsächlich eine von ihnen überlebt hat und zurückgekommen ist, um die anderen zu befreien? Dann laufen sie auch nicht getrennt.«

»Wer von den beiden hätte die Kaltschnäuzigkeit aufgebracht?«

»Die mit den langen Haaren. In ihren Augen war mehr Hass als Angst. Ja. Die könnte es gewesen sein. Sie hat überlebt und die anderen befreit.« Reinhard nickte, als wüsste er genau, wie sich Vanessa ins Haus geschlichen hatte, um die anderen zu befreien.

»Das heißt, sie sind jetzt eine Dreiergruppe, nein, nur noch zwei. Jeremy hat eine davon herausgeschossen.« Heimo senkte die Augen und rieb sich mit zwei Fingern die rechte Schläfe. »Einer von uns hätte mit ihm gehen sollen.«

»Ich habe ihn verloren«, antwortete Arno und starrte ins Leere, als sehe er Jeremy am Horizont entlanggehen, sein Gewehr im Anschlag. »Erst war er neben mir und dann plötzlich weg. Ich hab noch überlegt, nach ihm zu suchen, aber dann hätte ich euch verloren. Er wird sich zum Fluss durchschlagen.«

»Wartet mal. Woher ist der Schuss gekommen?« Reinhard strich mit der flachen Hand über den Mund, sodass man in der folgenden Stille hören konnte, wie seine Finger über die Bartstoppeln schabten.

»Ich würde sagen aus dieser Richtung.« Arno wischte sich den Schweiß aus den Augen und zeigte nach Osten. Heimo wandte den Kopf, räusperte sich kurz und spuckte auf den Boden.

»Also den Fluss runter, wir sind zu weit westlich. Das heißt, sie sind weitergekommen, als ich dachte. Hat Jeremy den besseren Riecher gehabt oder war es nur blöder Zufall.«

»Wir sollten uns vielleicht aufteilen und an beiden Seiten des Ufers gehen.«

»Nette Idee, Arno. Und wie willst du ans andere Ufer gelangen. Man kann nur an wenigen Stellen den Fluss überqueren, ohne zu schwimmen.« Heimos Blick ging zwischen die Bäume, wo der Wald mit kühlem Schatten lockte.

»Weiter unten ist so eine Stelle. Dort ist auch der Schuss gefallen«, meinte er nachdenklich. »Sie könnten also tatsächlich auch auf der anderen Seite sein.« Er musterte Reinhard und Arno von oben bis unten. Seine Augen funkelten im Sonnenlicht.

»Ein Stück weiter östlich ist die Stelle, an der die beiden, die wir freigelassen haben, auf den Fluss getroffen sind. Sie sind abgestürzt und eine hat es geschafft. Sie geht zurück, holt die anderen und läuft wieder diesen Weg. Na klar! Den kennt sie und weiß, hier geht es zum Fluss. Dann schlagen sie sich durch bis zu dem kleinen Tal und gehen durch die Furt.« Heimo schlug mit der rechten Handfläche gegen die geballte linke Faust.

»Wir trennen uns. Reinhard, du gehst mit Arno auf die andere Seite. Dort ist das Gelände einfacher zu gehen. Ihr müsst also eine breitere Fläche absuchen, deshalb ist es besser, ihr seid zu zweit. Ich gehe den Pfad weiter und suche diese Seite ab. Wer sie sieht, erledigt sie. Keine Fragen, keine Spiele. Schießt einfach. Wir verbuddeln sie später an Ort und Stelle. Ist ohnehin besser, sie liegen verteilt im Wald, als in einem gemeinsamen Grab.«

»Erst müssen wir zum Fluss hinunterkommen.« Arno trat drei Schritte nach vor und schaute über den felsigen Abgrund, der am Fuß von dichtem Gestrüpp bewachsen war. Direkt darunter lag ein weites, sanft abfallendes Gelände, wo sich vereinzelt kleine Inseln aus langem Gras im Wind neigten. Dahinter folgte eine dunkle Mauer dichten Waldes. »Hier kommen wir nicht weiter, unmöglich da runterzukommen.«

»Wir müssen den Abschnitt umgehen«, erklärte Heimo. »Der Abstieg ist einen Kilometer weiter östlich. Reinhard kennt den Weg.«

»Die Hitze macht mich fertig«, murrte Arno eine halbe Stunde später, als sie eine steinübersäte Rinne nach unten kletterten. »Es ist noch ziemlich früh und die Sonne knallt herunter, als wär´s längst Mittag.« Sein Atem rasselte trocken. »Ich hoffe, wir finden sie bald, sonst muss ich unbedingt in den Fluss zum Schwimmen.«

»Er führt zu dieser Zeit nicht allzu viel Wasser, da kommt man gut auf die andere Seite«, erwiderte Reinhard, der nur mit einem Ohr zugehört hatte. »Im Frühjahr und im Spätsommer, wenn es ordentlich regnet, steigt der Wasserspiegel. Dann kannst du auch das Überqueren vergessen. Du würdest hilflos ertrinken.«

»Würde mich interessieren, was Jeremy im Moment treibt?«

»Er wird die Girlies verfolgen«, lachte Reinhard trocken. »Ich schätze, er hat die Leiche versteckt, damit kein Tourist darüber stolpert, und ist hinter den anderen her. Die Frage ist nur, wo sie sind. Halten sie sich am Fluss oder sind sie tiefer in den Wald gelaufen?«

»Gute Frage. Sie sind verunsichert, vielleicht in Panik. Da ist alles möglich.«

Die nächste Viertelstunde stapften sie in Gedanken versunken einen von hüfthohen Farnen verwachsenen Pfad entlang, bis sie plötzlich den Fluss unter sich rauschen hörten.

»Das ist die Stelle«, meinte Reinhard und schaute über den Abgrund in die Tara, die sich weiß schäumend unter ihnen zwischen den Felsen dahinzwängte.

»Hat gestern im Dämmerlicht nicht so schlimm ausgesehen.« Arno runzelte die Stirn und schauderte. »Bist du sicher, dass eine das überlebt hat?«

»Muss wohl!«, erwiderte Reinhard und bahnte sich einen Weg zwischen Brombeersträuchern und grün wuchernder Vegetation den Abgrund entlang. »Ist nicht mehr weit, dann trennen wir uns. Du gehst runter und das Ufer entlang und ich gehe oben und stoße später zu dir. Bei der Furt warten wir auf Heimo und hoffen, dass wir Jeremy finden.«

Arno nickte nur, in Gedanken bei Jeremy, den er um seinen Schuss beneidete. Er fluchte innerlich, weil er ihm zuvorgekommen war, und stellte sich vor, wie er das blonde Mädchen, das er im Keller mehrmals genommen hatte, vor den Lauf bekam.

Ihr entsetztes Gesicht.

Die Angst in ihren Augen, und schließlich die Erkenntnis, dass er ihr Mörder sein würde.

Ein erregender Gedanke für ihn.

Beinahe wäre er auf Reinhard aufgelaufen, der stehen geblieben war, die Hand erhoben und auf einen schmalen Pfad zeigte, der in die Tiefe führte.

»Mach bloß keine Gefangenen«, grinste er, und zwängte sich weiter durch den Farn und niedriges Gebüsch.

Arno blieb stehen und lauschte, aber außer dem Rauschen des Wassers unter ihm und den Geräuschen des Waldes war nichts zu hören. Vorsichtig tastend stieg er den ausgewaschenen Weg hinunter. Er wollte auf keinen Fall ausrutschen und abstürzen. Gleichzeitig hegte er die Befürchtung, zu spät zu kommen.

Was, wenn die Mädchen Heimo oder Reinhard über den Weg liefen. Dann bliebe ihnen das Vergnügen, die beiden zu erledigen. Und plötzlich fiel ihm ein, dass Jeremy auch auf der Jagd war und nicht wusste, dass er hier entlangkam.

Er musste höllisch auf der Hut sein, um nicht selbst erschossen zu werden. Das machte ihm die restliche Strecke, bis er ans offene Ufer kam, mehr Sorgen als die Mädchen, wollte er doch keine schnelle Kugel einfangen.

Tief gebückt fing er an, sich, so schnell es ging, den Weg weiter zu bewegen. Nicht ohne von Zeit zu Zeit stehen zu bleiben und den Kopf über das Gestrüpp zu strecken und die Lage zu prüfen.

Er blickte auf das Ufer, das sich vor ihm erstreckte. Nichts regte sich. Nur eine Wasseramsel flog laut rufend ins Gebüsch. Seine Augen suchten hektisch den Fluss ab, wanderten hinauf und hinunter, schließlich erhob er sich schwankend und ging weithin sichtbar das Ufer entlang, bereit, bei der geringsten Gefahr sofort loszusprinten.


* * *


Vom Waldrand hin zog sich der abschüssige Weg in eine Talsenke zwischen bewaldeten Hügeln dahin, die zum Wasser hin steil abfielen. Im Osten ragten die mit dunklen Flechten überwucherten Felsklippen hoch auf und dazwischen der Fluss, die grünen Fluten, die sich in Stromschnellen vereinten und brodelnd und weiß schäumend über graue Felsen rauschten.

Myra schaute auf den Fluss hinab und atmete tief durch. Sie spürte die Anspannung der letzten Stunden und wischte sich den Schweiß aus den Augen. In der Hitze verstummten sogar die Zikaden immer wieder für eine Weile.

»Wir gehen da runter und die Tara entlang«, sagte sie und beobachtete forschend einen Bussard, der mit ausgebreiteten Schwingen vor der Sonne schwebte. »Vielleicht kommen Kanufahrer vorbei und wir können uns bemerkbar machen.

»Sie werden uns nicht am Leben lassen. Sie werden uns alle töten«, stellte Nicoletta trocken fest und schaute über die Schulter zurück in den Wald, als wäre sie fest davon überzeugt, dass im nächsten Moment einer der Männer daraus hervorspringen würde.

»Noch haben sie uns nicht. Der war allein und jetzt ist er tot.«

»Er ist tot? Wer hat ihn getötet? Was ist mit ihm passiert?« Katja verzog das Gesicht, als hätte sie einen Schlag abbekommen.

»Ich habe ihm einen Pfeil in den Hals geschossen, er hatte keine Chance.«

»Ich habe ihn erschlagen. Ich habe dieses böse Tier erschlagen«, warf Nicoletta ein. Ihr Blick ging ins Leere. Sie strich sich mit der Hand über den Nacken, rieb dann gedankenverloren die Finger aneinander und schien die Menschen um sie herum, nicht wahrzunehmen. Ging mit steifen Schritten an den anderen vorbei und machte sich an den Abstieg.

Katja musterte sie von hinten, sagte eine Weile nichts. Dann stieß sie plötzlich mit wildem Schnauben den Atem aus, hob einen dürren Ast hoch und schlug ihn an einem Baum entzwei. »Warum habt ihr das gemacht. Wenn sie ihn finden, werden sie uns auch töten.« Sie stellte sich mit hängenden Armen Myra und Nicoletta in den Weg, zwang sie stehen zu bleiben und ballte die Fäuste.

»Das haben sie ohnehin vorgehabt. Was denkst du denn, warum sie euch gejagt haben?«

»Sie haben uns laufen lassen.«

»Nein! Sie haben Vanessa erschossen, Katja. Der Kerl, den ich getötet habe, hat eure Freundin Vanessa abgeknallt wie ein Stück Wild. Sie jagen uns, deswegen müssen wir weiter.«

»Du weißt nicht, wie viele Mädchen er vor uns in seinem Keller gefangen gehalten hatte«, sagte Susanna tonlos. Sie stellte sich hinter Myra und legte den Kopf schief, als ob sie mit einem Gedanken beschäftig wäre, der sie verwirrte.

»Kommt jetzt! Wir haben keine Zeit zum Reden. Reden können wir später. Wenn sie die Leiche finden, werden sie auch unsere Spuren finden.« Myra steckte den Daumen der rechten Hand unter den Riemen des Rucksacks, fasste mit der Linken den Bogen fester und schritt den Pfad hinab. Ihre rabenschwarzen Haare waren mit Sonnenkringeln gesprenkelt, die durch das Laubdach fielen.

»Wohin gehen wir?«

»Ein Stück weiter den Fluss entlang. Dort gibt es eine Stelle, an der wir ans andere Ufer kommen. Vielleicht können wir sie dort abschütteln.«

»Ich habe Angst, ich will nicht sterben.«

»Keiner will sterben, Katja. Wir wollen alle am Leben bleiben, und ich werde alles dafür tun, dass es so bleibt.« Vanessa war entgegen ihrer Warnung ans Wasser gegangen, und hatte dafür mit dem Leben bezahlt. Noch einmal durfte sie keinem der Mädchen ein Nachlässigkeit durchgehen lassen.

Sie stiegen im Schatten der Bäume tiefer ins Tal, vorbei an mächtigen grauen Felsblöcken, die aus dem Boden ragten wie steinerne Wächter. Der Schweiß lief ihnen in Strömen über Gesicht und Körper und sie kamen nur langsam voran.

»Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende«, stöhnte Katja und lehnte sich an einen Felsen. »Kann ich zu trinken haben? Ich habe Durst, ich komme fast um.«

»Ich habe nichts mehr. Ihr habt alles ausgetrunken. Ich bin nicht eingerichtet auf fünf Leute. Wenn wir bis unten keine Quelle finden, muss ich zum Fluss, um Wasser zu holen. Wir brauchen außerdem etwas zu essen. Es wird schwierig, in unserer Lage zu jagen.«

»Können wir uns nicht irgendwo verstecken und warten, bis sie aufgeben, uns zu suchen?«

»Sicher. Wenn wir genügend Vorräte und Wasser hätten, könnten wir tiefer in den Wald gehen und uns für zwei oder drei Wochen verstecken. Irgendwann würden sie uns entweder finden oder aufgeben. Aber wir haben keine Vorräte.«

Fünf Minuten später kamen sie an einen kleinen Bach, mehr ein Rinnsal, an dem sie sich niederließen und mit den Händen Wasser schöpften und in kleinen Schlucken tranken, froh über die unerwartete Pause.




SIEBEN




Die Luft war trocken und klar, man konnte von weit her jedes Geräusch hören. Das Rauschen des Wassers, die vielfältigen Stimmen der Vögel und das Zirpen der Insekten. Kyle hatte den Rucksack neben sich gestellt, stand auf einem Felsvorsprung, eine Hand in die hintere Hosentasche gesteckt und blickte flussaufwärts. Er wollte sich vergewissern, dass keine Kanufahrer oder Touristen unterwegs waren. Keine Jäger oder andere Menschen, die Unterhaltung suchten oder reden wollten. Eine sanfte Brise zog vom Wasser herauf und brachte den süßlichen Geruch von frischem Blut und das Summen von Fliegen mit.

Neugierig geworden trat er zwei Schritte nach vor und beugte sich über den Abgrund, suchte das Tal nach dem Tierkadaver ab, den er unter sich vermutete. Dann entdeckte er ein Gewehr und einen Steinwurf daneben, tief unten am Fuß der felsigen Wand, über der er stand, eine Leiche. Sie lag auf dem Rücken. Die Beine verdreht, ein Arm unter dem Körper begraben, der andere daneben, als ob er sich abstützen würde, der Kopf eine lebendige Maske aus brummenden Fliegen. Es mussten Tausende sein.

Kyle zuckte zurück, verzog das Gesicht und atmete erschrocken durch die Nase ein. Sogar von hier oben konnte er sehen, wie sich die Masse der Fliegen bewegte.

»Oh Scheiße!«, keuchte er und riskierte noch einmal einen Blick nach unten. Aber es war klar, dass dem Mann niemand mehr helfen konnte.

Bestürzt schaute er sich nach einer Möglichkeit ins Tal zu kommen um und fand sie schließlich in einer schmalen Rinne, in der er vorsichtig in die Tiefe kletterte.

Zehn Minuten später stand er neben der Leiche, verscheuchte mit ein paar Haselnusszweigen, die er in der Eile abgebrochen hatte, die Fliegen, die sich in einem Schwarm erhoben, und erschauerte. Nach der Kleidung zu urteilen zweifellos ein Jäger, aber übel zugerichtet. Sein Gesicht war völlig zerschlagen, die Nase eingedrückt, die Zähne gesplittert und blutverschmiert, der Mund weit aufgerissenen.

Kyle wandte den Blick ab, trat einen Schritt zurück und würgte.

Diese Verletzungen stammten nicht von dem Sturz. Hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Neugier trat er wieder näher, wedelte ein weiteres Mal die Fliegen weg und betrachtete den Toten.

Hier hat jemand ganze Arbeit geleistet, dachte er. Da steckt ziemlich viel Hass dahinter. Er spürte, wie er unwillkürlich die Hand fester um den Bogen legte. Und aus einer unbewussten Empfindung heraus drehte er sich um und suchte den Fluss und das Ufer ab. Er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.

Ich muss mich hier raushalten, dachte er, beschloss aber insgeheim die Lage weiter zu beobachten. Da war dieses Mädchen, Myra, ob sie etwas damit zu tun hatte. Kyle war verwirrt und ärgerte sich gleichzeitig über den Gedanken.

Er wusste, dass er vorsichtig sein musste. Man könnte ihn ohne Weiteres beschuldigen, der Mörder zu sein.

Sein spontaner Ausflug in die Wälder Montenegros nahm eine unschöne Wendung an. Er fragte sich, wer die hübsche Waldfee wirklich war, während er eilig die Felsrinne wieder hochkletterte.


* * *


»Scheißhitze! Was gäbe ich jetzt für ein kaltes Bier«, stöhnte Reinhard, wischte den Schweiß von seiner Stirn, der ihm in die Augenbrauen lief und bückte sich zum Wasser, um seine Trinkflasche zu füllen. Dann streifte er sein Hemd ab, setzte sich auf einen Felsen, trank die halbe Flasche leer und sah sie ungläubig an, als könnte er nicht glauben, dass nur eiskaltes Wasser durch seine Kehle gelaufen war. Er leerte den Rest über seinen Kopf, schüttelte die Tropfen aus den Haaren und ging, um sie erneut zu füllen.

»Sie müssen hier entlanggekommen sein.« Heimo kratzte sich am Rücken, legte den Kopf in den Nacken und ließ die Blicke über die Felswand im Osten wandern. »Dort oben gibt es kein Weiterkommen. Der Berghang ist zu steil. Unmöglich zu gehen. Dazu brauchst du ein Seil, um dich zu sichern.«

Seine Augen gingen den Berg entlang und er kniff sie gegen die Sonne zu schmalen Schlitzen zusammen. Plötzlich fuhr er herum. In seinen Ohren knackte es, als würde rings um ihn herum der Druck jäh abfallen. »Wo ist eigentlich Arno, der sollte längst da sein? Und Jeremy! Wenn der sich verirrt hat, können wir ihn auch noch suchen. Das gefällt mir langsam ganz und gar nicht.«

»Arno kommt da hinten.« Reinhard hob in einer müden Bewegung die Wasserflasche und deutete nach Westen, in die Richtung, aus der die Tara kam. Er streckte seinen Rücken und kniff dabei die Augen zusammen. Dann starrte er auf den Steilhang hinter ihm. »Und Jeremy wird irgendwo da oben zwischen den Sträuchern herumirren und uns suchen.« Er kicherte. »Vermutlich ist er irgendwo abgebogen, um ein Ei zu legen und bereut es mittlerweile, überhaupt in diesen Wald gekommen zu sein.«

Arno wirkte mitgenommen, als er abgespannt und mit ausdrucksloser Miene das halb ausgetrocknete Flussbett entlangkam, über dem die Hitze wie eine unsichtbare Glocke hing. Das Gewehr trug er quer über dem Rücken, seine Kleidung war mit Staub überzogen, unter den Achseln große Schweißflecken.

»Nichts gefunden«, krächzte er und schluckte trocken. »Keine verdammten Schlampen. Kein Jeremy. Als ob sie alle vom Erdboden verschluckt wären.« Er schaute missmutig von Reinhard zu Heimo und wieder zu Reinhard, fixierte dessen Wasserflasche. »Ich nehme mal an, euch ist es nicht besser ergangen.«

»Nicht die Spur«, erwiderte Reinhard und hob die Flasche. »Ist nur Wasser drin. Vom Fluss. Die Tara führt sauberes Wasser. Kann man ohne Weiteres trinken.«

»Verstehe«, nickte Arno, wandte sich ab und ging zur Tara, ein Stück flussabwärts. Er kniete sich ans Ufer, trank aus der hohlen Hand und schaufelte sich das kühle Nass ins Gesicht und über den Kopf. Dann erhob er sich, nahm sein Gewehr auf und erstarrte, die Augen fest zusammengekniffen auf einen Punkt unter der Felswand gerichtet.

»Hey, schaut aus, als ob dort jemand liegen würde.« Er streckte die Hand gegen die Sonne, blinzelte verstört und rieb sich mit dem Handballen über die Stirn.

Mit großen Schritten überquerten sie den Uferstreifen und schauten wie gebannt auf die Stelle, als ob sie die Gestalt, die dort lag, daran hindern müssten, davonzulaufen.

»Ach du heilige Scheiße«, keuchte Heimo und blieb zehn Schritte vor der Leiche stehen. Aus seinem sonnengebräunten Gesicht war alle Farbe gewichen. Er spürte, wie sein Unterkiefer herunterklappte. »Das ist Jeremy. Fassungslos starrte er auf den reglosen Körper und fragte sich, wie er hinterher dazu stehen sollte und wie das alles passieren konnte.

Das war nicht Teil des Spiels.

So war es nie geplant. Eine Art Entsetzen schlich sich in sein Herz.

Die verdammten Schlampen, die sie von der Straße holten, mussten sterben, aber doch nicht ihre Freunde.

»Entweder er ist abgestürzt oder ...« Arno trat nahe an die Leiche heran und stieß mit dem Gewehr gegen den Arm. Das Summen der Fliegen übertönte aus der Nähe beinahe den Fluss.

»Hinuntergestoßen.«

Nachdenklich betrachtete er die Felswand, musterte die Umgebung, soweit dies von hier unten möglich war.

»Hinuntergestoßen?«, wiederholte Reinhard. In seiner Stimme schwang echter Zorn mit.

»Scheiße! Sieh ihn dir an. Sie haben ihn erschlagen wie einen räudigen Hund. Die Verletzungen können nicht von einem Sturz sein.« Er wedelte mit der Hand die Fliegen weg, die auf Jeremys blicklosen Augen saßen und in seinen Mund krochen. Sie stiegen auf und umschwärmten ihn, setzten sich auf sein Gesicht und Reinhard presste sich die Faust vor den Mund, stürzte zur Seite und kotzte in hohen Bogen über die Steine.

»Gut möglich«, sinnierte Arno und ließ seine Blicke das Ufer entlangwandern. »Vielleicht haben sie ihn überrumpelt, vielleicht war er unvorsichtig und ist abgestürzt.«

»Denkst du, das waren die verdammten Schlampen.« Heimo wischte sich mit der flachen Hand den Schweiß aus den Augen und wandte das Gesicht dem Fluss zu, von dem eine sanfte Brise herüberzog und den metallisch süßen Geruch des Blutes vertrieb, der ihm das Atmen schwer machte. Unbändiger Zorn stieg in ihm hoch.

»Haben die ihn überrumpelt?«

»Natürlich, wer sollte ihm sonst was wollen? Sie haben ihn über den Felsen gestoßen, sind heruntergeklettert, um zu sehen, ob er überlebt hat und haben dann auf den wehrlosen Kerl eingeschlagen. Sein Bein und der Arm sind gebrochen. Er hatte keine Chance gegen die Zwei. Da drüben liegt sein Gewehr. Sieht aus, als ob es nicht mehr zu gebrauchen wäre.«

»Wer zum Teufel macht so was? Wer kann so grausam sein?«, krächzte Heimo und räusperte sich, um das Gefühl zu unterdrücken, sich auch jeden Moment übergeben zu müssen. Der Geruch setzte ihm fast mehr zu als der Anblick des toten Freundes. Er trat zwei Schritte in Richtung des Flusses und schaute zu den Felsen hoch, als erwarte er dort oben die Mädchen zu sehen, wie sie mit hasserfüllten Augen auf sie hinabstarrten.

»Die haben ihn umgebracht, die haben ihn kaltblütig ermordet.«

»Was sollen wir tun? Wir können ihn nicht liegen lassen.« Reinhard warf ihm einen gequälten Blick zu.

»Ja ... nun«, sagte Arno, schaute zu Reinhard, kratzte sich am Hals und gab ein schlürfendes Geräusch von sich.

»Nein, können wir nicht. Wir können ihn aber auch nicht begraben oder den Behörden melden. Verfluchte Scheiße! Wenn wir es melden, gibt es eine Untersuchung, wenn wir es nicht melden, gibt es auch eine.« Heimo schüttelte den Kopf. Sie waren in eine Sackgasse geraten und er fragte sich wohl zum hundertsten Male, wie das passieren konnte.

»Wir vergraben ihn und melden ihn am Ende der Woche als vermisst. Er war allein auf der Jagd und ist nicht wieder zurückgekommen. Der Ranger hat uns doch gesagt, dass sich viele Menschen in diesem Wald verirren und nicht wieder herauskommen.«

»Welcher Ranger?«, fragte Heimo, und Arno grinste abfällig.

»Wir müssen die Mädchen erledigen. Das hat oberste Priorität. Sie dürfen auf keinen Fall überleben oder gegen uns aussagen.«

»Erst müssen wir Jeremy hier wegschaffen. Wenn ein Kanufahrer vorbeikommt und ihn sieht, sind wir geliefert. Weiter oben ist eine Einstiegstelle. Hier halten sie manchmal für eine Pause an. Hier an der Furt ist das Wasser ruhiger.«

»Wir müssen auch die Blutspuren beseitigen.«

»Scheiße nein. Die Blutspuren sagen gar nichts aus. Hier könnte jemand ein Reh geschossen und zerlegt haben.«

»Können wir ihn nicht ins Wasser werfen und dem Fluss überlassen. So wie er aussieht, könnte ihn auch der Fluss zugerichtet haben.«

»Dazu müssten wir ihn ein schönes Stück weiter flussabwärts tragen. Hier ist das Wasser zu niedrig. Zu wenig Strömung.«

»Okay, dann schaffen wir ihn in den Wald und decken ihn mit Zweigen, Moos und Steinen ab, so gut es geht und begraben ihn später, wenn die verdammten Schlampen erledigt sind.«


* * *


Kyle saß mit hängenden Schultern und gesenktem Blick unter den Bäumen, einen Steinwurf entfernt von der Stelle, an der dieser Kerl abgestürzt war und dachte nach. Sein Mund war trocken, die Hände hatte er im Schoß gefaltet, der Bogen lag griffbereit neben ihm. Eine Menge bunter Schmetterlinge hatten sich an einem fingerbreiten Rinnsal vor seinen Füßen gesammelt, um die Feuchtigkeit aus dem Schlamm zu saugen und schlugen dabei wild mit den Flügeln.

Eigentlich hätte ihn bei diesem Anblick, wo ihm der kühle Wind sanft übers Gesicht strich, ein Gefühl der Ruhe und des Friedens erfüllen müssen, aber dem war nicht so. Er hatte die drei Männer unten am Ufer beobachtet, wie sie die Leiche in den Wald getragen und versteckt hatten. Der Wind hatte ein paar Satzfragmente ihres Gesprächs zu ihm heraufgetragen und er hatte versucht es zu verstehen, aber die Worte ergaben keinen Sinn. Darum hatte er sich unter die Bäume zurückgezogen und wartete, bis sie weiterzogen, um sie dann selbst zu verfolgen.

Sie waren offenbar hinter Myra, der Waldfee, her, denn sie hatte einen von ihnen getötet.

Warum auch immer.

Er hatte das Gefühl, ihr beistehen zu müssen. Sie waren zu dritt und Myra auf sich allein gestellt.

Kyle überlegte, ob sie den Toten ablegen oder eingraben würden, und entschied sich für das Begraben. Eine verwesende Leiche würde Tiere wie Menschen gleichermaßen anlocken und das wollten die Drei sicher vermeiden. Also wartete er, bis sie sich wieder zeigten.

Nach einer langen Weile, in der sie nicht wieder herausgekommen waren, wagte er sich aus dem Wald und schaute in das Tal unter ihm. Er fragte sich, ob die Kerle der Tara flussabwärts gefolgt oder in den Wald und nach Norden gegangen waren.

Das lange Gras, das von der erbarmungslosen Sonne steif getrocknet war, wiegte sich am Rande des Kiesstreifens im Wind. Im Schatten einer Baumgruppe am Ende einer Felswand konnte er eine Hirschkuh sehen, die zum Trinken aus dem Wald gekommen war. Sie hielt nahezu unbeweglich im hohen Gras inne und fokussierte ihn mit ihren braunen Augen, bis sie plötzlich den Kopf herumriss und leichtfüßig davonsprang.

Verwirrt schaute er sich um und hörte schwere Steine, die vor ihm den Hang hinunterrollten, das Knacken von Ästen, Stimmengeflüster und schließlich Schritte am Kamm des Hügels über ihm. Sie hatten unbemerkt im Wald einen Bogen geschlagen und waren über ihm herausgekommen.

Er rappelte sich hoch, rannte unter die Bäume und sprang die Böschung hinunter, den Rucksack und den Bogen fest in den Händen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als er unten angekommen war, kroch er zwischen den Steinen und Felsblöcken entlang, kauerte sich hinter einen Felsen und presste sein Gesicht fest gegen den Stein. Die Spitzen des steinigen Untergrunds bohrten sich schmerzhaft in seine Knie.

Nach einem langen Moment, der sich für Kyle wie Stunden anfühlte, hörte er, wie die drei Männer die schmale Rinne herunter zum Flussbett kletterten und dann weiter flussabwärts kamen.

Genau in seine Richtung.

Er schlug mit der flachen Hand auf den Boden, drehte sich herum und presste die Zähne aufeinander. Wog seine Chancen ab, nicht entdeckt zu werden. Er war in eine selbst gestellte Falle getappt. Die Haut um seinen Mund war blutleer, die Augen brannten vom herablaufenden Schweiß, seine Gedanken wirbelten im Kreis. Unter den Sohlen der Männer knackte der Kies. Zwei von ihnen hielten ihre Gewehre schussbereit und schwenkten sie ohne rechtes Interesse von links nach rechts und wieder zurück. Der dritte Mann trug ein Repetiergewehr an einem Ledergurt über der Schulter. Über der Kammer der Waffe hatte er ein Zielfernrohr montiert, dessen vordere Linse mit einem Staubdeckel verschlossen war. Alle drei Männer atmeten schwer, schwitzten stark und vermieden es so gut wie möglich, direkt in die hinter ihm stehende Sonne zu schauen. Kyle robbte vorsichtig um den Felsen herum und suchte nach einer Deckung. Sein Herz hämmerte wie wild. Sie hatten noch fünfzig Meter zu gehen, dann würden sie ihn entdecken. Er kroch auf allen vieren die Felswand entlang, den Blick auf die Berge links von ihm gerichtet und hoffte, dass der Stein ihn decken würde.

Kurz bevor er zwischen den halbhohen Büschen in den Wald eintauchen konnte, hob er den Kopf, um nach den Männern zu sehen. Er musste zwei, drei Schritte offenes Gelände überwinden, das keinerlei Deckung bot, fünf Meter, in denen sie ihn unweigerlich sehen würden. Seine Augen rasterten die Umgebung, suchten nach einem Ausweg.

Plötzlich wusste er, was zu tun war. Seine Finger tasteten lautlos über den Boden und fanden einen mittleren Kiesel. Den warf er hoch auf die Böschung hinauf und hörte, wie er durch die dürren Sträucher am Hang wieder hinabrollte. Das Geräusch, das der Stein machte, war genau die Art Geräusch, die ein Mann verursachen würde, wenn er unachtsam zwischen den Felsen herumkletterte. Sofort verharrten die Männer und richteten die Gewehre auf den Abhang, während ihre Blicke jeden Meter Felswand absuchten.

Kyle sprang hoch und stürzte vorwärts, floh in den Wald. Sobald er zwischen den Büschen in Deckung war, warf er sich flach auf die Erde und blickte nach hinten. Er sah, wie der große Jäger mit dem Repetiergewehr plötzlich erstarrte, als hätte er eine verräterische Witterung aufgenommen. Er drehte sich nach seinen Freunden um und winkte aufgeregt.

Sie hatten ihn entdeckt. Kyle stemmte sich hoch, zwängte sich durch das Unterholz und rannte, bis er an eine steinige Böschung gelangte, die er hastig hinaufkroch. Oben angekommen fand er eine schmale Schneise vor, die mit kurzem, hartem Gestrüpp bedeckt war und dahinter ein niedriger Jungwald. So dicht und eng gewachsen, dass er wie eine dunkle Höhle wirkte. Keuchend spähte er zurück auf die Lichtung unter ihm. Der hochgewachsene Jäger tauchte aus dem Gebüsch auf und suchte den Boden nach Spuren ab. In der Hand hielt er sein schweres Gewehr. Kyle hielt den Atem an und kroch auf dem Bauch zurück, zerrte den Rucksack hinter sich her und hielt den Bogen über das Gestrüpp. So schnell er konnte, überquerte er die freie Stelle und verschwand im dichten Gehölz auf der anderen Seite.

Er schätzte, dass ihn etwa siebzig Schritte von seinen Verfolgern trennten und ihm wurde klar, dass er sehr viel Glück brauchen würde, sie abzuschütteln. Mit pochendem Herzen presste er den Rucksack mit der linken Hand an sich, hielt den Bogen unten und hastete in die Dunkelheit des Waldes. Hinter sich hörte er schon die Rufe der Männer. Er duckte sich im Laufen, so tief wie ihm möglich war, wich knochendürren Zweigen aus, sprang über Wurzeln und fand sich plötzlich vor einem tiefen Graben. Durch den eigenen Schwung geriet er ins Taumeln, schlitterte die Böschung hinunter und landete unsanft auf dem Rücken. Einen Moment lag er benommen da und starrte hinauf in die dunklen Äste über ihm, die kein Sonnenlicht durchließen. Schweiß perlte ihm auf der Stirn, sein Atem ging in kurzen, unregelmäßigen Zügen. Er rollte sich auf die Seite, schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können und schaute sich um.

Der Graben war eine Art Hohlweg. Kyle versuchte, seinen keuchenden Atem zu beruhigen. Er rappelte sich hoch und erstarrte. Links von ihm knackte ein Zweig. Vorsichtig tastete er sich den Hohlweg hinunter, der führte ihn hoffentlich zum Fluss zurück, kletterte nach einer Weile die Böschung wieder hoch und schaute erst nach vorne, dann nach hinten.

Mit dem Gewehr im Anschlag kam der große Jäger den Hohlweg herunter und auf der anderen Seite seinen zwei Freunden entgegen. Kyle konnte sie aufgeregt flüstern hören.

»Er muss hier irgendwo sein, verdammt!«

»Er hat Jeremy gesehen, bestimmt. Wer auch immer er ist, er darf nicht überleben. Wir können keine Zeugen brauchen.«

»Vielleicht hat er in dem Scheißwald einen Haken geschlagen und ist runter zum Fluss.«

»Du hättest sofort schießen sollen.«

»Ich wollte die Tussis nicht warnen. Die laufen schließlich auch hier herum.«

»Also, was machen wir jetzt?«

»Wir trennen uns. Arno, du gehst den Hohlweg entlang den Berg hinauf. Wenn sich jemand verirrt, gehen die Menschen stets den Berg hinunter, aber auf der Flucht laufen sie den Berg hinauf.«

»Bist du sicher?«

»Überleg einmal. Wohin würdest du laufen. Zum Fluss? Wo bist du sicher? Am Ufer? Im Tal oder auf dem Berg im Wald?«

Kyle hörte einen der Männer brummen. »Okay, und weiter?«

»Wir verfolgen die Tussis und bringen sie zur Strecke. Keine Sorge, eine heben wir für dich auf. Du sollst auch deinen Spaß haben.« Der Mann namens Arno lachte dreckig.

Dann war das Geräusch von Schritten zu hören. Kyle kauerte sich auf den Boden und hielt den Atem an. Die Zeit schien stillzustehen, während er darum rang, die Fassung zu bewahren. Wenn sie jetzt die Böschung hochkamen, hatte er keine Möglichkeit zur Flucht. Sie würden ihn einfach erschießen.

Wohin sollte er auch laufen. Vor ihm breitete sich über Hunderte Meter ein endloses Geröllfeld aus.



Reinhard schaute auf das Tal unter ihm, wo das Licht der Sonne das kiesbedeckte Ufer flutete. Wind kam auf, zog durch die weite Schlucht und brachte den Geruch von Beifuß und von in der Sonne aufgeheizten Steinen mit. Reinhard rieb sich die Augen und starrte nach Osten, wo der Fluss zwischen den bewaldeten Hängen herauskam. Er glänzte grün wie verwittertes Kupfer und rauschte an seiner tiefsten Stelle schäumend zwischen grauen Felsbrocken, die nass glitzerten. Sein Herz schlug vor Anstrengung bis zum Hals und obwohl es sogar ihm unwahrscheinlich erschien, hoffte er doch, die Mädchen, die wie vom Erdboden verschluckt waren, am Flussufer zu entdecken.

Sie hatten auch den Kerl verloren, der Jeremy gefunden hatte und waren die letzte halbe Stunde gelaufen, um zumindest den Vorsprung der Mädchen aufzuholen. Er schnitt eine böse Grimasse und roch an seiner Achselhöhle, aus der ihm ein saurer Geruch entgegenstieg.

»Wo könnten sie sein, Heimo? Wie schnell kommen sie mit ihren Laufschuhen im Wald voran? Sie haben nichts zu essen und zu trinken und sind seit gestern unterwegs. Wohin würdest du dich wenden, wenn du an ihrer Stelle wärst?« Nachdenklich starrte er auf den schmalen Durchlass im Westen, wo der Fluss zwischen den Bergen verschwand.

»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sein Freund, und trat aus dem Schatten der Bäume heraus in die Sonne, die mittlerweile hoch am Himmel stand. Seine Augen waren rot, sein Gesicht brannte. Er rieb sich mit dem Handrücken über die Nase. Der Wind bauschte sein Hemd, das er bis zum Nabel aufgeknöpft hatte.

»Ich denke, sie sind am Fluss. Hier kommen sie vielleicht langsamer voran, aber sie können sich nicht verirren«, beantwortete Reinhard seine eigene Frage und sog die Wangen ein. »Im Wald laufen sie Gefahr im Kreis zu gehen, die Orientierung zu verlieren. Sie könnten über Wochen laufen und doch nicht herausfinden. Kein schöner Gedanke, findest du nicht?«

Bereits vor langer Zeit hatte er gelernt, dass Dinge, wie Vernunft, Logik, Denkvermögen und gesunder Menschenverstand, falls es so etwas überhaupt gab, nur von geringer Bedeutung waren, wenn es um Angst und ums Überleben ging. Im wirtschaftlichen, wie im realen Leben. Die Menschen setzten Handlungen, die sie sich bis dahin niemals zugetraut hätten. Im Positiven, wie im negativen Sinn.

Ihm war klar, dass er mittlerweile selbst zu müde, zu hungrig und zu durstig war, um rational zu denken. Er streckte seinen Rücken durch und begann an einem Daumennagel zu kauen.

»Ich habe Hunger und Durst. Mehr Durst als Hunger. Verdammt, was würde ich jetzt für ein eiskaltes Bier geben.« Er starrte fragend ins Nichts, hielt den Mund geschlossen.

»Ein Glas Wasser würde mir schon genügen. Und ein Steak, halb durch, mit in Butter gebratenen Kartoffeln«, erwiderte Heimo und grinste.

»Sie sind am Fluss, ganz bestimmt.« Reinhard verzog gequält das Gesicht, als würde er eine schwere Entscheidung abwägen. »Nur hier finden sie verlässlich zu trinken. Nur hier haben sie die Chance auf andere Menschen zu treffen, um Hilfe zu bekommen. Kanufahrer oder Wanderer.«

Heimo sah ihn schräg von der Seite an, als versuchte er seine Gedanken zu lesen, richtete seinen Blick dann auf den Fluss. Durch die Bäume wirkte das Sonnenlicht auf der Oberfläche der Tara hart und erbarmungslos. Plötzlich erstarrte er und zeigte warnend mit dem Finger an eine Stelle, wo der Fluss eine kleine Biegung machte und direkt an den Wald grenzte. Lautlos hob er sein Gewehr, Reinhard sah das rote T-Shirt zwischen den Bäumen.

»Ich glaube es nicht. Die spazieren in aller Ruhe das Ufer entlang«, flüsterte er. Sein Herz schlug heftig in Erwartung des tödlichen Schusses, den er in den nächsten Sekunden abgeben würde. Er vergaß dabei völlig, dass auch er selbst in Gefahr sein könnte.

»Ob sie uns gehört haben? Das sind keine hundert Meter«, schätzte Heimo die Entfernung zwischen ihnen und den Mädchen.

»Sie sind näher an der Tara. Die übertönt jedes Geräusch.«

Die Gruppe bewegte sich sichtbar langsam durch das dichte Unterholz und hielt inne, um sich zu orientieren. Immer wieder war eine Gestalt zwischen den Bäumen zu sehen. Eine Rotdrossel sauste im Tiefflug von einem Baum herunter und schwang sich wieder hinauf in den blitzblauen Himmel, bevor sie in Richtung der Tara verschwand. Reinhard hob das Gewehr, das Zielfernrohr störte auf die kurze Distanz, aber er hatte keine Zeit, es abzumontieren.

»Es sind mindestens vier«, brummte Heimo. »Das heißt, sie haben sich gefunden oder die zwei, die wir losgelassen haben, sind zurückgelaufen und haben die anderen befreit. Du meine Fresse, das hätte ich ihr niemals zugetraut. So tough war noch keine.«

»Und wenn es Wanderer sind? Wir können nicht jeden Touristen in diesem Wald erschießen«, flüsterte Reinhard.

»Das sind keine Wanderer, das ist diese Schlampe. Sie hat Jeremy auf dem Gewissen, dafür wird sie sterben.« Der Wald schloss sich um die Mädchen und sie verschwanden aus ihrem Sichtfeld, verborgen durch die dicken Stämme der Eichen, hinter denen sie vorbeigingen.

Heimo senkte das Gewehr, seine Augen waren dunkel. Er reckte den Kopf und kräuselte die Lippen, sein Atmen war in der folgenden Stille deutlich zu hören.

»Kommt schon«, raunte er. »Ich habe ein Geschenk für euch, macht mir doch auch eines.«

Reinhard zerrte an seinem Hemdkragen, wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und lächelte höhnisch.


* * *


Myra spürte den Wind am schweißgebadeten Körper, der vom Tal heraufkam und wie eine kühle Hand über ihren Rücken strich. Instinktiv wusste sie, dass sie zu nahe am Ufer waren, die Bäume sie nicht vollständig verbargen. Sie mussten tiefer in den Wald hinein und höher den Berg hinauf, auch auf die Gefahr hin, dass das Gelände unwegsamer wurde. Verbissen versuchte sie nicht an die Bedrohung durch die Jäger, sondern an die vor ihr liegende Aufgabe zu denken, die Mädchen unbeschadet ins Dorf zu bringen.

Sie fühlen sich im Wald in relativer Sicherheit, dachte sie. Und weil ich bei ihnen bin. Dabei sind wir noch mindestens zwei Tage unterwegs und ich weiß nicht, wie ich sie über diese Zeit beschützen, wie ich Essen für alle beschaffen kann. Ich weiß nicht, wo wir heute Nacht schlafen, noch nicht einmal, ob wir diesen Tag überleben werden.

Sie schaute unter den tiefhängenden Ästen der Bäume durch, auf die Tara, die unter ihnen im Sonnenschein dunkelgrün glitzerte. Hinter ihr ging Katja, mehr ein Stolpern als ein Gehen. Sie war die Schwächste, die wie ferngesteuert und ohne jeglichen Antrieb wirkte, seit sie den Jäger erschlagen hatte, dann Nicoletta, den Schluss machte Susanna. Myra spürte die Schweißtropfen von den Achselhöhlen ihre Rippen hinunterlaufen, kitzelnd auf ihrer Haut, wie krabbelnde Ameisen. Sie drehte sich um und nickte Susanna zu, die umsichtiger war, als sie es ihr zugetraut hätte. Das Mädchen schaute auf das Ufer der Tara und wieder zu ihr. Sie checkte als einzige der Drei immer wieder die Lage. Aus Angst oder Vorsicht, fragte sich Myra und blickte wieder nach vorne.

»Ich komme um vor Durst«, jammerte Katja hinter ihr und blieb stehen. Nicoletta prallte gegen sie, trat einen halben Schritt zur Seite und öffnete den Mund für einen verärgerten Kommentar, als ein Schuss krachte und Katja wie eine Puppe auf den Boden geschleudert wurde. Ihre Augen verdrehten sich und sie bäumte sich in einem zitternden Krampf mit erhobenen Händen auf. Das Gesicht kalkweiß. Die Beine zuckten, als würde sie versuchen, um ihr Leben zu laufen. Über ihnen flogen kreischend eine Schar Vögel auf. Das Echo verhallte mit hohlem Grollen, als ein zweiter Schuss fiel. Lauter als der Erste.

Nicoletta spürte einen schrecklichen Schlag an ihrem linken Schenkel, wurde nach hinten geworfen und fiel. Ein unvorstellbarer Schmerz breitete eine rote Wolke vor ihren Augen aus. Instinktiv rappelte sie sich auf, um noch einen stolpernden Schritt in den Wald zu machen und fiel ein zweites Mal. Sie blieb liegen und spürte den modrigen Geschmack von faulenden Blättern im Mund.

»Runter, auf den Boden! Hinlegen!«, schrie Myra. Sie wirbelte herum, ein dritter Schuss zerfetzte das Gebüsch neben ihr und machte ein knackendes Geräusch, als die Kugel in die Rinde einer Eiche hinter ihr eindrang. Sie presste sich zwischen ein paar Wurzeln und winkte Susanna, zeigte mit den Fingern auf eine Stelle fünf Schritte über ihr. Sie robbten auf die Felsgruppe zu und schauten gleichzeitig in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen sein mussten.

»Katja, Nicoletta?«

»Ich bin getroffen, sie haben auf mich geschossen«, stöhnte Nicoletta, in ihrer Stimme das pure Entsetzen, und hob den Oberkörper.

»Runter mit dir. Was ist mit Katja? Ich kann sie von hier aus nicht sehen.«

»Sie rührt sich nicht. Sie blutet aus der Brust. Es sieht schrecklich aus«

Myra kroch auf der anderen Seite des Felsens aus der Deckung heraus und zerrte Nicoletta den Hang hoch.

»Pass auf sie auf«, befahl sie Susanna und holte mit fliegenden Fingern ihr Verbandszeug aus dem Rucksack. »Es ist zum Glück nur ein Streifschuss. Kannst du sie verbinden? Sie darf nicht zu viel Blut verlieren.« Susanna nickte heftig, ihr Gesicht war bleich, die Augen starr vor Schock.

»Sie schießen auf uns. Diese widerlichen Scheißtypen schießen auf uns.«

»Du hast recht, Susanna«, sagte Myra mit kalter Stimme. »Du hast recht. Sie schießen auf uns. Aber sie wissen nicht, dass ich bei euch bin und sie wissen nicht, dass wir uns wehren.« Sie sprang hoch, drehte sich wild herum, versuchte überall gleichzeitig hinzuschauen, hielt schließlich inne und rutschte den Abhang hinab, um nach Katja zu sehen.

Die junge Frau lag leblos zwischen den hohen, alten Eichen, in einem Bett aus braunen Blättern, mit dem Kopf nach unten in Richtung des Flusses. Die Augen auf einen entfernten Horizont gerichtet, der nicht mehr auf diesem Planeten war. Fassungslos starrte Myra auf Katjas Körper, in dem ein großes blutiges Loch klaffte, alle Kraft strömte aus ihren Gliedern, sie fühlte sich hilflos und schwach.

Nein, flüsterte sie und schauderte. Dann fühlte sie, wie eine Welle abgrundtiefen Hasses gegen diese Männer über sie hinwegspülte. Die Wut auf sich selbst, weil sie es nicht geschafft hatte, die Mädchen zu beschützen und die Bitternis dieser Erkenntnis stieg in ihr hoch.

Mit schnellen Schritten sprang sie im Zickzackkurs den Berg wieder hinauf, mit den Bäumen als Deckung, packte ihren Bogen, nahm eine Handvoll Pfeile und lief den Männern entgegen, während ihr Susanna und Nicoletta entsetzt nachschauten.

›Lass dich niemals von Zorn oder Hass leiten, sonst machst du Fehler‹, hörte sie die Stimme ihres Vaters im Kopf und hatte das Gefühl, als würde er neben ihr stehen, um auf sie zu achten. ›Sieh zu, dass du dich unter Kontrolle hast, um das Richtige zu tun.‹

Sie kämpfte sich durch einen Streifen Gebüsch und gelangte auf eine Lichtung, lief auf eine Felsgruppe zu, warf sich dahinter auf den ausgedörrten Boden und suchte den Wald vor ihr ab. Nur einen Moment später sah sie die beiden Männer aus dem Wald kommen. Myra biss die Zähne zusammen und duckte sich tiefer zwischen die Felsen.

»Da waren´s nur noch zwei«, sagte der kleinere mit den kurz geschorenen Haaren und machte ein Handzeichen dazu. Myra konnte ihn höhnisch grinsen sehen. Sie fühlten sich völlig sicher, wollten nach ihrer Jagdbeute sehen, wen sie erledigt hatten und wer flüchten konnte. Kopflos in hilfloser Panik. Vielleicht auch die Mädchen hetzen, die nur verletzt waren, um ihren Todeskampf auszukosten. Sie hörte sie lachen, ein dreckiges, abfälliges Lachen, das über die Lichtung hallte.

In einer einzigen schnellen, fließenden Bewegung sprang sie auf, spannte gleichzeitig den Bogen und ließ den Pfeil fliegen. Sie versuchte nicht daran zu denken, dass sie Gewehre hatten und skrupellose Mörder waren, die sofort auf sie schießen würden, sobald sie dazu Gelegenheit hatten. Keine Jäger, sondern Mörder, die ihre Beute folterten, hetzten und dann zur Strecke brachten.

Ihr Vorteil war, dass sich die Männer in völliger Sicherheit wähnten.

Heimo Börnstein hob im selben Augenblick den Kopf und schaute auf eine Frau mit langen schwarzen Haaren, die plötzlich, wie hingezaubert, hinter einem Felsen stand und mit einem Bogen auf ihn zielte. Überrascht starrte er sie an und ließ sich instinktiv fallen. Die schnelle Reaktion rettete ihm das Leben. Er stolperte, als der Pfeil mit einem dumpfen Aufprall in seiner Brust eindrang und fiel auf die Knie. Sein Gesicht wurde ausdruckslos und verlor an Farbe. Dann heulte er erschrocken auf.

»Sie hat auf mich geschossen. Sie hat mit einem Pfeil auf mich geschossen.« Er glotzte mit großen Augen auf den gefiederten Schaft, der aus seiner Brust ragte und sich mit jedem Atemzug hob und senkte. Zog daran und schrie mit weinerlicher Stimme. »Sie hat mit einem verdammten Pfeil auf mich geschossen. Ich dachte, mit einem Bogen zu jagen, wäre verboten. Das ist doch nur ein beschissenes Spielzeug.« Die Erkenntnis, dass sie plötzlich selbst die Gejagten waren, versetzte ihn in einen dumpfen Schockzustand.

Reinhard lächelte dümmlich, völlig überrascht, mit offenem Mund, versuchte er zu begreifen und über den Lärm seines pochenden Herzens realisierte er plötzlich die neue Lage. Er stürzte kopfüber nach vorne, rollte sich im Fallen zusammen, kam auf einem Knie hoch, riss das Gewehr nach oben und schoss, ohne zu zielen in Richtung der Felsen. Sprang sofort wieder hoch und zerrte Heimo mit sich, der erschrocken japste.

»Hinter die Bäume«, fauchte er. Ein zweiter Pfeil zischte an seinem Kopf vorbei, riss eine blutige Furche in das rechte Ohr und bohrte sich in seinen Rucksack. Er stieß einen Fluch aus und rammte Heimo die Faust in den Rücken, um ihn schneller aus der Gefahrenzone zu bringen. Der stolperte und landete mit einem erstickten Schrei bäuchlings auf dem steinigen Boden. Reinhard drehte sich herum und schickte zwei schnelle ungezielte Schüsse über die Lichtung. Unbewusst hob er die Hand an sein Ohr, fühlte die stechenden Schmerzen und das warme Blut an seinen Fingern.

»Wer war das und wieso schießt die auf uns?«, greinte Heimo, rappelte sich auf und kroch auf allen vieren weiter in den Wald.

»Irgendjemand hilft ihnen. Sie haben jemand auf ihrer Seite, das macht die Sache schwieriger.« Reinhard sah wild um sich, suchte die Lichtung nach einer Bewegung, nach der Bogenschützin ab, dann folgte er Heimo.

»Die Scheißschlampen, was denken sie sich dabei? Ich bin getroffen, ich will nicht sterben. Ich bin noch nicht so weit.« Er hockte sich an eine breite Eiche, die mit ihren weit ausladenden Ästen Schatten und Sicherheit bot, lehnte den Rücken daran und starrte auf den abgebrochenen Pfeilschaft, der wie ein surreales Artefakt an seinem Hemd hing.

»Du bist verletzt, aber das wird wieder. Es ist nur ein Pfeil und er steckt nicht tief. Wenn sie dich schlimmer erwischt hätte, würdest du jetzt nicht mit mir reden.« Reinhard verzog den Mund zu einem verzerrten Grinsen und schaute in seine Hand, die von seinem eigenen Blut verschmiert war.

»Und wenn er vergiftet ist?«, erwiderte Heimo und rutschte zur Seite. »Mir ist plötzlich so kalt. Ich fürchte, ich werde sterben.«

»Wieso sollte er vergiftet sein. Stell dich doch nicht so an, das ist bloß ein Pfeil, daran stirbt man nicht. Das gibt es nur in schlechten Filmen. Dort sterben die Bösen. Die Guten überleben auch mit drei Pfeilen im Körper.« Reinhard lachte keckernd, den Blick noch immer auf seine Hand gerichtet.

Es hätte auch mich erwischen können, dachte er und hob angewidert den Kopf.

Verfluchte Heimo, verfluchte sich selbst, die verdammten Schlampen und die Idee, Jeremy und Arno zur Jagd einzuladen und überhaupt alle, die ihn in diese Lage gebracht hatten.

»Wieso schießt die mit einem Pfeil auf mich? Es war eine Frau, soviel konnte ich erkennen. Eine Frau hat mit einem Bogen auf mich geschossen.«

»Das ist ihr Todesurteil«, sagte Reinhard. »So viel steht einmal fest.« Seine Stimme war ausdruckslos, der Blick ging an den Bäumen vorbei über die Lichtung. »Sie war es auch, die Jeremy erledigt hatte. Sie muss mit einem Pfeil auf ihn geschossen haben und er ist über den Abhang gestürzt. Dann haben sie ihn erschlagen wie einen Hund.«

Heimo rappelte sich auf und zupfte in einer hilflosen Geste an seinem Hemd. »Zieh den verdammten Pfeil da raus. Ich kann das nicht, das tut schon weh, wenn ich ihn nur anfasse.«

»Funktioniert nicht«, erwiderte Reinhard, ohne ihn anzusehen. »Du musst das Teil so lassen, wie es ist, sonst könntest du verbluten.«

»Und wie lange soll ich damit herumlaufen? Bis ich wieder zu Hause bin und in ein Krankenhaus komme, verdammte Scheiße?«

»Idiot, lass sehen.« Reinhard legte sein Gewehr zur Seite, beugte sich über seinen Freund, drückte mit der linken Hand auf dessen Brust und zog den abgebrochenen Pfeil mit einem Ruck heraus.

Heimo kreischte erschrocken. »Scheiße! Willst du mich umbringen? Oh Mann, tut das vielleicht weh!«

Myra starrte reglos auf die Stelle vor ihr, wo die beiden Männer im Wald verschwunden waren und überlegte einen Moment lang, ihnen zu folgen. Sie hier und jetzt zur Strecke zu bringen. Verwarf aber den Gedanken sofort wieder. Sie würde ein ideales Ziel abgeben. Sie brauchten sich nur hinzuhocken, warten und aufmerksam beobachten, um sie in aller Ruhe auszuschalten. Ein lächerliches Tun, das ihnen nicht einmal Befriedigung wäre.

Ein paar Krähen tauchten über der Lichtung auf, kreisten mit lockeren Flügelschlägen und ließen sich rings um sie nieder. Sie scheuchten eine Amsel aus dem Gras auf, die erschrocken hochflatterte und schimpfend auf einem niedrigen Ast landete. Myra ärgerte sich, weil sie zu schnell geschossen und nicht tödlich getroffen hatte. Eine vergeudete Gelegenheit. Eine Gelegenheit, die sie vielleicht das Leben kostete. Verwundete Tiere waren gefährlich.

Sie schnaubte gequält, warf einen Blick über ihre Schulter und wandte sich ab, um tief gebückt zu Susanna und Nicoletta zurückzukehren. Vorsichtig, die Felsgruppe als Deckung nützend. Sie wollte so wenig Angriffsfläche bieten, wie möglich.




Fortsetzung folgt -
 
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