verse sind verschlossene blüten

Perry

Mitglied
verse sind verschlossene blüten

ein gedicht ist keine aneinanderreihung von tatsachen
sondern eine scheinbar zufällige ansammlung von bildern
die als herbstlicher blätterreigen vorm auge vorbeitreiben

es ist nicht greifbar mutet mal sinnig mal widersprüchlich
an kommt überraschend wie ein freund um die ecke oder
begegnet einem als fremder auf der anderen straßenseite

ein gedicht ist der unerwartete blick in der menge kann
wie eine kalte hand auf der schulter in einem albtraum
oder das erwachen durch einen zärtlich warmen kuss sein
 
Lieber Manfred, diese "Theorie" deiner Lyrik würde ich gern auch für meine Gedicht in Anspruch nehmen. Und besonders gelungen finde ich, dass du sie in deinem Gedicht unmittelbar und gekonnt umsetzt. Großartig.
Karl
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Hi Perry!
ein gedicht ist keine aneinanderreihung von tatsachen
sondern eine scheinbar zufällige ansammlung von bildern
Was ist denn, bittesehr, der Unterschied zwischen aneinandergereihten Tatsachen und angesammelten Bildern? Wo wir Tatsachen doch nur in Form von Bildern kennen?

grusz, hansz
 

bunzla

Mitglied
Ich sehe da einen doppelten Unterschied:

1.)
a) bei einer Aneinanderreihung folgt A auf B, es gibt also eine Reihenfolge (A-B-C-D-E-F-G-H-I-J), natürlich kann diese sich ändern, aber es bleibt eine Kette.
b) bei einer zufälligen Ansammlung KANN es sich zwar um eine Kette handeln, aber der Begriff Ansammlung deutet semantisch auf eine andere Gestalt hin, grafisch z.B.:

aA-I-H
D-E-G-B
iiiJ-C-F

Sicher kann man entgegenhalten, dass es sich bei einem Gedicht um einen Text handelt, sodass die Aussagen auch hier aufeinanderfolgen, aber ich bin der Auffassung, dass durch die Verdichtung im Idealfall - nicht auf der Wort- bzw. Satz- sondern auf der Bedeutungsebene - ein Aufbrechen des Sequenziellen bewirkt werden kann.

2.)
a) Bild ist vermutlich im Sinne einer Metapher gemeint (sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort (eine Wortgruppe) aus seinem Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen, als Bild verwendet wird)
b) Bild im eigentlichen Sinne KANN eine Tatsache abbilden - aber nicht nur ein Bild kann das, z.B.: mathematische Gleichungen können es auch, womit aus meiner Sicht nicht zutrifft, dass wir Tatsachen nur in Form von Bildern kennen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Perry

Mitglied
Hallo Zusammen,
es freut mich, dass die "direkte" Ansprache Reaktionen hervorrufen konnte, denn eigentlich war der Text mehr als Selbstbetrachtung gedacht und weniger als Tatsachenbehauptung.

Hallo Karl,
gerade die scheinbare Zufälligkeit eröffnet für den Leser Interpretationsmöglichkeiten.
Freut mich, dass sich Dir die Blüten geöffnet haben.
LG
Manfred

Hallo hansz,
gewohnt kritisch!
Da bunzla sich bereits ausführlich dazu geäußert hat, brauche ich nicht mehr viel dazu sagen, außer das Bilder zwar Tatsachen abbilden können, die Interpretation aber offenbleibt.
LG
Manfred

Hallo bunzla,
dein Interesse am Text freut mich.
Ich schaue gern auch mal bei Dir vorbei.
LG
Manfred
PS: Ist dein Nickname mundartlich geprägt?
 



 
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