Versprochen Gebrochen Verbrochen

3,60 Stern(e) 5 Bewertungen

Alex Knov

Mitglied
Ein Junge rannte durch seine schwarz- weiße Welt, seinen alten, weißen Fußball unter dem rechten Arm. Voller Vorfreude, mit seinen Freunden Fußball zu spielen, bog er in die Straße zum Fußballplatz ab, als er etwas in seinen Augenwinkeln bemerkte. Neugierig drehte er sich zu dem auffälligen Objekt, was zu Folge hatte, dass er mit voller Wucht gegen eine Straßenlaterne lief.

Verwirrt und mit schmerzendem Gesicht rappelte der Junge sich auf und schaute sich um. Sein Fußball war durch den Aufprall seinen Armen entglitten und die Straße zurück gerollt. Jedes andere Kind hätte wahrscheinlich erst seinen Fußball wieder geholt, doch die Neugier des Jungen siegte und er rannte auf die andere Straßenseite, um das seltsame Objekt zu inspizieren. Es war auch ein Fußball, jedoch kein gewöhnlicher. Dieser Fußball war kunterbunt.

Nie vorher hatte der Junge Farben gesehen. Zwar hatte er von ihnen geträumt und sie sich vorstellen können, doch im echten Leben hatte er noch nie welche gesehen. Er fasste den Ball an und fühlte über das glatte, weiche Leder. Seine Neugierde wuchs, also spielte er ein wenig mit dem Ball, der so gar nicht in seine Welt zu passen schien.

Es war ein großartiges Gefühl, mit dem farbenfrohen Ball in dieser farbenleeren Welt zu spielen, doch schon schnell kamen Passanten vorbei und sahen ihn beim Spielen. Einige ignorierten ihn angestrengt, andere warfen ihm hämische Blicke aus den Augenwinkeln zu und wieder andere lachten ihn offensichtlich aus und beleidigten ihn. Dem Jungen kamen Zweifel. Sollte er lieber wieder mit seinem alten Ball spielen?

Einer seiner Freunde kam vorbei und sah den Jungen dort stehen, hin und her gerissen zwischen den zwei Bällen. Er beäugte den Jungen, der versuchte, den bunten Ball vor seinem Freund zu verbergen, komisch und winkte ihn zu sich und den anderen in Richtung des Fußballplatzes. Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen, also warf der Junge den bunten Ball auf den kalten, grauen Boden und ging mit seinem Freund.

„Halt! Nimm ich mit!“, rief der bunte Ball verzweifelt.

„Ich komme wieder, versprochen!“, antwortete der Junge, während er sich abwandte.

Doch er kam nicht, egal wie viel Zeit verstrich.

Eines verregneten Tages fuhr ein grauer LKW über die Straße, an dessen Seite der bunte Ball lag. Einige Momente, bevor der LKW auf Höhe des Balls war, schloss der Ball die Augen und Rollte vorwärts. Überall Farbe.

Wusste der Junge, was er getan hatte? Wieso hat er versprochen, zurück zu kommen, nur um es dann wieder zu brechen? Dachte der Junge manchmal an den bunten Ball? Viele Fragen in einer grauen Welt, doch keine bunten Antworten.
 
A

aligaga

Gast
Wenn du auf Kommentare zu deinen Werken hoffst, solltest du die Texte anderer auch ab und zu wahrnehmen, @Alex. Du bist hier mehr als bloß Autor in einem Lesezirkel.

Die LeLu lebt nicht von der einseitigen Publikation, sondern von der Kommunikation. Also mach hinne!

Gruß

aligaga
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Hallo Alex,

mir gefällt die Idee mit der schwarz-weißen Welt und dem bunten Objekt, das wie aus dem Nichts auftaucht, sehr gut.

Falls du diese Idee noch erweitern möchtest, könntest du doch ausführlicher beschreiben, wie außergewöhnlich die Tatsache ist, dass plötzlich etwas buntes zu sehen ist. Zwar hat der Junge schon von bunten Sachen geträumt, aber ich verstehe nicht wie das überhaupt möglich sein soll, wo er doch nie solche Wahrnehmungen hatte. Ich dachte immer man kann sich sich nur solches erträumen oder vorstellen, was man schon erlebt hat; wie man sich zum Beispiel auch nur Gesichter erträumen oder vorstellen kann, die man schon mal gesehen hat. Das hat mich also ein wenig verwirrt und ich frage mich wieso die Passanten und der Junge nicht völlig außer sich sind, etwas so - für sie - metaphysisches und übernatürliches wahrzunehmen. Wieso möchte der Junge, der den Protagonisten zu sich winkt, nicht, dass sie mit dem bunten Ball spielen? Wieso bleibt der Ball so lange liegen, ohne dass ihn jemand mitnimmt? Ich kann mir gar nicht vorstellen wie ich persönlich reagieren würde, wenn mir in einer schwarz-weißen Welt plötzlich etwas buntes erschiene.

Naja, das sind nur so meine Gedanken beim Lesen deines Textes, wie du dazu stehst weiß ich ja nicht. Vielleicht verstehe ich deine Geschichte ja einfach nicht und sie ist eher parabelartig aufgebaut, was ich mir durchaus vorstellen kann, sodass die Umsetzung nur so Sinn ergibt.

Das Grundkonzept finde ich aber wie gesagt überaus faszinierend - das erinnert ein wenig an "The Giver" oder an die Vorstellung, dass in einer zweidimensionalen Welt eine Person aus der dreidimensionalen zu erklären versucht wie die dritte Dimension ist. Sehr abstrakt, sehr tiefgründig: Das führt einen unmittelbar in erkenntnistheoretische Gedanken.

Auch fand ich den inneren Konflikt des Jungen interessant: Wie der Druck der Mitmenschen auf ihn gewirkt hat, sodass er sich letztendlich anders entschieden hat, als er es ohne die umgebenden Passanten getan hätte.

Eine weitere Kleinigkeit, die mich ein wenig aus der Atmosphäre geschlagen hat war, dass der Ball eigentlich ein Lebewesen ist. Vielleicht ist das nur mein persönlicher Geschmack aber dadurch wirkt die Geschichte so märchenhaft - so wie bei sprechenden Tieren. Da kann man das Ganze kaum noch ernst nehmen. Es würde sogar fast reichen, wenn vom Plot her nicht viel mehr passiert, dass der Ball also nicht unter den LKW rollt oder dem Jungen hinterher ruft, finde ich, sondern einfach nur ein sonderliches Objekt der Träume ist.

Außerdem: Sollte der Ball nicht "nimm mich mit" schreien?

Abgesehen von den angesprochenen Punkten finde ich die Kurzgeschichte gelungen und sehe viel Potential darin.

Lass dich von meiner Meinung nicht zu sehr beeinflussen, es ist schließlich dein Text! Ich hoffe, ich konnte helfen und habe nicht alles falsch verstanden.

Alles gute,
Etma
 

Kinokie

Mitglied
Hallo Alex,

von der grundsätzlichen Bewertung möchte ich mich Etma anschließen. Eine schöne Geschichte, die einiges an weiterem Potenzial bietet.

Zusätzlich finde ich, dass einige Sätze die sehr schachtelartig aufgebaut sind vielleicht besser wirken, wenn du sie kürzt bzw. in mehrere Sätze packst.

Ich habe die Geschichte zweimal gelesen und bin beide male z.B. über diesen Satz gestolpert:

"Er beäugte den Jungen, der versuchte, den bunten Ball vor seinem Freund zu verbergen, komisch und winkte ihn zu sich und den anderen in Richtung des Fußballplatzes."

Grüße
Kinokie
 

Alex Knov

Mitglied
Hallo und danke für eure Kommentare und Bewertungen !

@aligaga zwar denke ich, dass es doch jedem selbst überlassen ist, wie er eine solche Plattform nutzt, doch glücklicherweise habe ich mir selbst auch schon vorgenommen hier aktiver zu werden. Ich schreibe nur einfach deutlich mehr als ich lese...

@Etma die Idee hinter den Träumen bunter Gegenstände des Jungen ist, dass er sich bewusst ist, dass er in einer farblosen Welt lebt. Ob so etwas nun in der "echten Welt" möglich ist oder nicht spielt keine Rolle, da es ja Fiktion ist ;)
Die negative Reaktion der Passanten und des Freundes ist einfach zu erklären - der Ball ist anders als "normale" Bälle. Auch in der heutigen Gesellschaft in der wir alle leben wird Abnormalität als etwas negatives empfunden.
Mit dem sprechenden Ball habe ich auch lange gerungen, doch ich finde es großartig, dass es dich "aus der Atmosphäre geschlagen" hat! Genau diesen Zweck hat der sprechende Ball nämlich, einen aus der Komfortzone zu locken. Außerdem finde ich es schade, dass Märchen und Fabeln so einen - nun ja - kindisch unernsten Ruf haben, wobei sich mit ihnen so elementar wichtige Dinge vermitteln lassen. Zu guter Letzt dachte ich, ein sprechender, bunter Ball in einer schwarz- weiß Welt der Suizid begeht bringt etwas Humor in die Geschichte, zumindest für die die einen solchen annehmen können.
Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut, er ist wirklich sehr freundlich und sympathisch geschrieben. Es sollte mehr Leute wie dich im Internet geben! :)

@Kinokie die langen, verschachtelten Sätze sind Absicht, ich steh einfach drauf. Vielleicht habe ich ja zu oft "Big Sur" gelesen oder sowas, aber auch dir danke für dein Kommentar.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Wenn du eher fiktiv arbeiten möchtest ist es ja völlig in Ordnung. Es ist auch eine schöne Idee, mal von unserer Wirklichkeit fortzugehen und zu behaupten, dass man sich auch vorstellen und erträumen kann, was überhaupt nicht erlebbar ist. Wie grenzenlos unser Verstand dann wäre!

Ich denke nicht, dass Abnormalität von allen pauschal als negativ empfunden wird. Im Gegenteil ist manchmal das Abnormale am erstrebenswertesten. So ist es doch zum Beispiel mit außergewöhnlichen aber dennoch exzellenten Kunstwerken.
Aber im Prinzip hast Recht: Leider besteht tatsächlich die Tendenz in vielen Menschen das Unnormale abzuweisen, das hat schließlich evolutionäre Hintergründe.

Wieso möchtest du denn den Leser aus der Komfortzone locken, wenn ich fragen darf? Willst du nicht die Atmosphäre die du am Anfang aufbaust bis zum Schluss aufrecht erhalten?

Ich weiß auch nicht wieso für mich Märchen einen solchen Akzent haben... Vielleicht liegt das daran, dass die Märchen die ich kenne nicht so facettenreich und tiefgründig sind, sondern immer nur eine und - oft nur eine einzige - Moral predigen, die man genauso gut in Seifenopern kennenlernt.
In deinem Fall, mit dem sprechenden Ball, hat das Ganze ja keinen kindischen oder unernsten Beiklang, es ist also eher ein Vorurteil das ich leider habe und mir abgewöhnen sollte.
 

Alex Knov

Mitglied
Natürlich hast du recht, wenn du sagst, dass Abnormalitäten durchaus als positiv empfunden werden, doch ich habe absichtlich die negative Reaktion gewählt, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen.Ich habe glaube ich noch nicht einen Text verfasst, indem die Gesellschaft nicht in irgendeiner Art und Weise kritisiert wird, da meine Motivation zu schreiben überhaupt nur ist, Leute über solche Themen nachdenken zu lassen. Deshalb auch die Sache mit der Komfortzone, ich möchte gerne bewirken, dass man sich meine Texte durchliest und nachdenkt, verwirrt ist und im besten Falle sogar das anzweifelt, was man glaubt sicher zu wissen. Wie du unbewusst glaubtest zu wissen, dass Märchen nicht facettenreich und tiefgründig sein können.
Mit den Worten von Jack Kerouac: "I want to work in revelations, not just spin silly tales for money."
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
In diesem Fall weißt du ja was du tust.

Falls du diesen Text irgendwann noch ausführlicher beschreiben willst, könntest du auf den von dir genannten Aspekt noch einen Schwerpunkt setzen. Mir würde es glaub ich gefallen, wenn der Leser den inneren Konflikt des Jungen näher mitbekommt. Wie er hin und her gerissen ist zwischen Konformität und persönlicher Präferenz. Ich kann mir auch vorstellen, dass dann der Leser sich noch mehr über die Entscheidung des Jungen ärgert, den Ball einfach liegen zu lassen.

Immer weiter so mit deinem Ziel, Einfluss auf den Leser zu nehmen, ihn ein wenig zu provozieren o.Ä., finde ich gut.
 

Alex Knov

Mitglied
Danke dir !
Tatsächlich spiele ich mit dem Gedanken, ein Buch in diese Richtung zu verfassen, allerdings wird es dann wohl eher eine bunte Frau oder sowas in die Richtung. Mal schauen was mir so in den Sinn kommt beim schreiben...
 
P

Picolo

Gast
Hallo Alex,
eine tolle Geschichte und Idee.
Man kann sehr gut assoziieren.

LG Picolo
 



 
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